L 2 P 42/09 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 P 94/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 42/09 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Unzulässigkeit einer nach dem 01.04.2008 eingelegten Beschwerde gegen einen Kostenbeschluss des Sozialgerichts und zur Zustellung mit Empfangsbekenntnis an ein Unternehmen der Privaten Pflegeversicherung
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München
vom 29. Februar 2008 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin die außergericht-
lichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.



Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: S 19 P 94/07) begehrte der Kläger (hier Beschwerdegegner), ihm ab 31.05.2006 Leistungen der Pflegestufe III statt, wie von der Beklagten (hier Beschwerdeführerin) bereits gewährten Leistungen nach der Pflegestufe II zu zahlen. Die Beschwerdeführerin gewährte dem Beschwerdegegner schließlich ab 01.09.2006 Leistungen nach der Pflegestufe III, jedoch nicht für die Zeit davor. Während des noch anhängigen Klageverfahrens zahlte die Beschwerdeführerin den im streitig gebliebenen Zeitraum sich aus der Differenz zwischen Pflegegeld nach Stufe III und Stufe II ergebenden Betrag aus. Die Fortsetzung des Rechtsstreits um den Differenzbetrag von 137,70 EUR sei nicht wirtschaftlich.

Der Beschwerdegegner erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beschwerdeführerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 29.02.2008 entschied das Sozialgericht, die Beschwerdeführerin habe dem Beschwerdegegner die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Dies entspreche der Billigkeit. Jeweils eine Ausfertigung des Beschlusses vom 29.02.2008 stellte das Sozialgericht den Beteiligten gegen Empfangsbekenntnis zu. Abgesandt wurde der Beschluss an die Beteiligten laut Postvermerk am 31.03.2008.

Die gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde des ehemaligen Klägers mit dem Begehren, der Beschwerdeführerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, wies das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 22.09.2008 zurück (Az.: L 2 B 325/08 P).

Mit beim Bayer. Landessozialgericht am 27.08.2009 eingegangenem Schreiben legte der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.02.2008 Beschwerde ein und beantragte, die Kosten vollumfänglich dem Beschwerdegegner aufzuerlegen. Er gab an, ihr, der Beschwerdeführerin, sei der Beschluss des Sozialgerichts vom 29.02.2008 zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden. Erstmals habe sie diesen Beschluss mit Schreiben vom 11.08.2008 erhalten. Der Beschluss entspreche nicht den tatsächlichen Erfolgsaussichten des Klageverfahrens und sei grob ermessensfehlerhaft.

Am 22.09.2009 wies der Senat auf die zum 01.04.2008 in Kraft getretene Fassung des § 172 Abs.3 Nr.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hin, ebenso auf die Vorschrift des § 189 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Beschwerdeführerin wandte ein, da der Beschluss vom 29.02.2008 datiere, sei die Beschwerde gemäß §§ 172 Abs.1, 173 SGG a.F. noch zulässig. Hierauf werde in der dem Beschluss angefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, dass ihr trotz ihres Hinweises im Beschwerdeverfahren zum Az.: L 2 B 325/08 P der streitgegenständliche Beschluss nicht zugestellt worden sei. Unzulänglichkeiten in der Fallbearbeitung der Gerichte könnten nicht zu ihren Lasten gehen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.02.2008 aufzuheben.

Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Sozialgerichts München zum Az.: S 19 P 94/07 und des Bayer. Landessozialgerichts zum Az.: L 2 B 325/08 P Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Nach § 193 Abs.1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kostentragung, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Die Beschwerde gegen die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten ist nach § 172 Abs.3 Nr.3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl.I 444) ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist ohne Übergangsregelung am 01.04.2008 in Kraft getreten und findet hier Anwendung. Nach dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten (BVerfGE 87, 48). Die am 27.08.2009 eingelegte Beschwerde ist demnach nicht mehr statthaft.

Dies gilt auch, obwohl der Beschluss noch vor in Kraft treten der Rechtsänderung, nämlich am 29.02.2008, erlassen wurde. Denn Wirksamkeit erlangt ein nicht in der mündlichen Verhandlung verkündeter Beschluss gemäß § 142 Abs.1 SGG i.V.m. § 133 SGG in der Regel mit der Zustellung, vorher allenfalls mit der Verlautbarung an einen Beteiligten, d.h. mit dem Zeitpunkt der Übergabe zur Post zwecks Zustellung. Dies war nach dem Akteninhalt am 31.03.2008. Der Senat braucht der Frage nicht nachzugehen, wann die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses vom 29.02.2008 in den Zustellbereich der Beschwerdeführerin gelangte. Denn sie behauptet, sie habe den Beschluss erstmals am 11.08.2008 vom Gericht erhalten. An anderer Stelle wird das Datum mit 11.08.2009 angegeben. Andererseits nimmt sie auf ihre Äußerung im früheren Beschwerdeverfahren zum Az.: L 2 B 325/08 P Bezug, das mit Beschwerdebeschluss vom 22.09.2008 erledigt war. In jedem Fall liegt der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdeführerin nach ihrem eigenen Vortrag erstmals Kenntnis vom streitgegenständlichen Kostenbeschluss erlangt hat, nach dem 01.04.2008. Damit unterliegt die Beurteilung ihrer Beschwerde dem ab 01.04.2008 geltenden Verfahrensrecht.

Aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes ergeben sich für die Beschwerdeführerin keine anderen Gesichtspunkte. Ein solcher Vertrauensschutz wird bejaht, wenn eine anfechtbare Gerichtsentscheidung vor der Rechtsänderung zugestellt war und der Betroffene noch die Möglichkeit gehabt hätte, Rechtsmittel einzulegen. Nach dem eigenen Vortrag der Beschwerdeführerin trifft dies nicht zu. Aus dem Akteninhalt ergibt sich ebenso wenig ein Anhalt dafür.

Ebenso wenig begründet die zum Zeitpunkt der behaupteten Bekanntgabe des Beschlusses unrichtig gewordene Rechtsbehelfsbelehrung einen darüber hinausgehenden Vertrauensschutz. Die Belehrung ist fehlerhaft und begründet keine schützenswerte verfahrensrechtliche Position.

Auch kann die Beschwerdeführerin aus der von ihr behaupteten fehlerhaften Verfahrensweise des Sozialgerichts keinen Vertrauensschutz ableiten. Insoweit weist der Senat auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 01.10.2009 (B 3 P 13/09 B, zu recherchieren in Juris) hin. In dieser Entscheidung hat sich das BSG mit der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung befasst, dass an sie als privates Versicherungsunternehmen nicht mit Empfangsbekenntnis gemäß § 63 Abs.2 SGG i.V.m. § 174 ZPO zugestellt werden dürfe. Es hat ausgeführt, aus der Vorschrift des § 73 Abs.4 Satz 4 SGG, die dem privatrechtlich verfassten Pflegeversicherungsunternehmen ein Stellvertretungsrecht vor dem BSG einräume, könne das sog. Behördenprivileg zugunsten der privaten Pflegeversicherungsunternehmen abgeleitet werden. Demnach war die Zustellung des Sozialgerichts mittels Empfangsbekenntnis zulässig. Wann die Zustellung an die Beschwerdeführerin erfolgte, lässt sich nicht feststellen, da sie das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt hat. Es muss daher bei ihrem eigenen Vortrag verbleiben, dass die Bekanntgabe auf keinen Fall vor dem 01.04.2008 bewirkt worden ist.

Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.02.2008 als unzulässig zu verwerfen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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