Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SO 62/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 686/08 SO ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.07.2008 wird abgeändert.
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin ab sofort Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen Behandlung im integrativen Kindergarten "K." in A-Stadt bis längstens 31.12.2008 zu gewähren.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
IV. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Antragstellerin zur Hälfte.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (ASt) begehrt von dem Antragsgegner (Ag) die Gewährung von Maßnahmen der Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen Behandlung im integrativen Kindergarten "K.", A-Stadt.
Die 2003 geborene ASt leidet u.a. an einer kombinierten Schwerhörigkeit beidseits, deretwegen im Dezember 2007 eine Hörgeräteversorgung eingeleitet worden ist. Darüber hinaus bestehen u.U. krankheitswerte psychische Verhaltensauffälligkeiten.
Mit Schreiben vom 11.04.2008 begehrte die ASt von dem Antragsgegner rückwirkend zum 01.03.2008 einen integrativen Kindergartenplatz im Kindergarten "K.". Dem Antrag beigefügt war ein ärztliches Zeugnis von Dr.H. (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin) vom 03.04.2008. Danach bestehe bei der ASt ein erheblich eingeschränktes Hörvermögen (gemischte Hörstörung mit beeinträchtigter Schallempfindung und Schallleitung), weshalb sich u.a. Verhaltensauffälligkeiten entwickelt hätten. Aus medizinischen Gründen seien die Bedingungen für die Zulassung als Integrativkind erfüllt.
Der Antragsgegner veranlasste eine gutachterliche Stellungnahme von Dr.W ... Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 21.05.2008 nach einer amtsärztlichen Untersuchung der ASt am 13.05.2008 zum Ergebnis, dass die bei der ASt bestehende Schwerhörigkeit zwar eine nicht nur vorübergehende wesentliche Behinderung darstelle, die Schwerhörigkeit aber durch Hörgeräte weitgehend ausgeglichen sei. Eine nennenswerte Entwicklungsverzögerung, insbesondere eine Sprachentwicklungsverzögerung, habe aber nicht festgestellt werden können. Auch wenn von einer Ärztin der pädaudiologischen Ambulanz der Uni-Klinik in E. ein Sonderförderungsbedarf im Rahmen der Hörgeräteversorgung für einige Wochen bis wenige Monate bejaht worden sei, könne nach den festgestellten Befunden nicht erkannt werden, dass die ASt in ihren Fähigkeiten, an der Gesellschaft teil zu haben, wesentlich eingeschränkt sei.
Mit Bescheid vom 27.05.2008 lehnte der Antragsgegner die Kostenübernahme für die heilpädagogische Behandlung der ASt ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Notwendigkeit der Inanspruchnahme von teilstationären Maßnahmen nicht begründbar sei. Die Sprachentwicklung sei nicht verzögert und die Schwerhörigkeit durch Hörgeräte voll ausgeglichen, sodass die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft der ASt nicht wesentlich eingeschränkt sei.
Hiergegen hat die ASt am 04.06.2008 Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Am 23.06.2008 hat die ASt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Bayreuth (SG) beantragt. Es hätten sich bei der ASt Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, die Anpassung von Hörgeräten habe keinesfalls voll ausgleichend gewirkt. Nach Auffassung der behandelnden Ärzte, Dr.H. und Dr.W., sei bei der ASt von einem heilpädagogischen Förderungsbedarf auszugehen. Dem Antrag waren u.a. ärztliche Stellungnahmen von Dr.W. vom 03.06.2008 und 19.06.2008 beigefügt, des Weiteren eine Stellungnahme von Frau Z., Sonderschullehrerin für Hörgeschädigte des mobilen sonderpädagogischen Teams der M.schule in D-Stadt. Danach sei Ziel der teilstationären Maßnahme nicht nur die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten, sondern auch die Festigung der sozialen Kompetenzen der ASt. Dies sei aber in einer ambulanten Einzelarbeit nicht möglich, sondern bedürfe der Integration in der Gruppe, deshalb müsse eine fachpädagogische Betreuung gewährleistet sein.
Mit Beschluss vom 25.07.2008 hat das SG den Antrag der ASt abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass sich die Schwerhörigkeit der ASt bisher auch ohne Hörgeräteversorgung nicht auf die Sprachfähigkeit der ASt ausgewirkt habe. Zwar sei die Förderung eines Kindes stets sinnvoll, wünschens- und erstrebenswert, bei summarischer Prüfung sei aber nicht erkennbar, dass die kindliche ASt einen nicht wieder gutzumachenden wesentlichen Nachteil erleiden würde, wenn sie nicht sofort eine teilstationäre Maßnahme erhalten würde.
Hiergegen hat die ASt am 08.08.2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass der ASt in ihrer Entwicklung schwere Nachteile bevorstünden, wenn sie nicht im Rahmen der Integrativgruppe gefördert würde. Auch wenn das Hörvermögen der ASt durch die erfolgte Hörgeräteversorgung gebessert sei, bestünden doch Defizite in der jugendlichen Entwicklung bzw. des Umgangs mit anderen Kindern und der Einpassung in die Gruppe und der Konfliktbewältigung, welche allein durch das Anpassen und zur Verfügung stellen von Hörgeräten nicht auszugleichen bzw. zu korrigieren sei. Die ASt begegne Konflikten häufig mit sprachlicher Gewalt und Handgreiflichkeiten. Die besondere Eilbedürftigkeit ergäbe sich daraus, dass die ASt Mitte des nächsten Jahres in die Schule eintreten werde. Bis dahin müssten die Fördermaßnahmen durchgeführt und abgeschlossen sein, aus diesem Grunde könnte die Dauer eines ordentlichen sozialgerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden. Der Beschwerde ist eine Stellungnahme von Frau M., Gruppenleitung der integrativen Gruppe des Kindergartens K. in A-Stadt beigefügt worden. Darüber hinaus liegen medizinische Äußerungen von Dr. H. vom 11.09.2008 und Dr. W. vom 16.09.2008 vor.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Behördenakten, sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abhilfeentscheidung seitens des SG ist wegen des Wegfalls des § 174 SGG a.F. nicht mehr erforderlich. Das Rechtsmittel erweist sich teilweise als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf das von der ASt geltend gemachte Begehren der Übernahme heilpädagogischer Maßnahmen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes stellt § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 ; vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002, NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die ASt im nächsten Jahr eingeschult wird, besteht eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, nämlich die Notwendigkeit eines schnellstmöglichen Ausgleichs der bei der Ast noch bestehenden Defizite vor der Begründung der Schulpflicht der Ast und die Vermeidung eines krankheitsbedingten Nachteils bei dem schulischen Fortschreiten. Ein Anordnungsgrund ist damit gegeben.
Bei der notwendigen summarischen Prüfung erscheint aber auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs überwiegend wahrscheinlich.
Nach § 53 SGB XII erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und so lange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Nach § 1 der Verordnung zu § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sind Personen, die gehörlos sind oder denen eine sprachliche Verständigung über das Gehör nur mit Hörhilfen möglich ist, wesentlich in ihrer Teilhabefähigkeit iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII eingeschränkt, vgl. § 1 Nr 5 Eingliederungshilfe-Verordnung.
Seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII zur Folge haben können, sind seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen.
Unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Befunde spricht hinsichtlich der Schwerhörigkeit der ASt mehr dafür als dagegen, dass allein wegen der Schwerhörigkeit die Notwendigkeit einer heilpädagogischen Förderung nicht gegeben ist. Jedenfalls werden die bei der Ast noch bestehenden Probleme nach übereinstimmender ärztlicher Sicht in Bälde abgeklungen sein. Andererseits liegen bei der ASt unter Berücksichtigung der ärztlichen Aussagen von Dr.H. erhebliche Verhaltensauffälligkeiten, überwiegend mit hyperaktiven Tendenzen vor. Ärztlicherseits wird hier ebenfalls ein Zusammenhang mit der nunmehr behandelten Schwerhörigkeit gesehen. Auch die Kindergärtnerin der integrativen Gruppe des Kindergartens dokumentiert doch erhebliche Verhaltensauffälligkeiten.
Diese psychischen Verhaltensauffälligkeiten wurden von Seiten des Antragsgegners noch nicht gutachterlich gewürdigt.
Unter Berücksichtigung der jeweiligen widerstreitenden Interessen einerseits und der doch bestehenden erheblichen Eilbedürftigkeit andererseits ist es für den Senat gerechtfertigt, zeitlich befristet bis 31.12.2008 der ASt die heilpädagogische Behandlung im integrativen Kindergarten K. zu gewähren. In diesem Zeitraum hat der Ag auch die Möglichkeit, durch Einholung einer entsprechenden fachpsychiatrischen Stellungnahme das Vorliegen einer seelisch wesentlichen Behinderung iS des § 3 Eingliederungshilfe-Verordnung gutachterlich zu überprüfen und die sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen zu ziehen ...
Für die Vergangenheit ist ein Anordnungsgrund - somit eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit - jedoch nicht wahrscheinlich zu machen (vgl Beschluss des BayLSG Az. L 11 B 1107/07 AS ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin ab sofort Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen Behandlung im integrativen Kindergarten "K." in A-Stadt bis längstens 31.12.2008 zu gewähren.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
IV. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Antragstellerin zur Hälfte.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (ASt) begehrt von dem Antragsgegner (Ag) die Gewährung von Maßnahmen der Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen Behandlung im integrativen Kindergarten "K.", A-Stadt.
Die 2003 geborene ASt leidet u.a. an einer kombinierten Schwerhörigkeit beidseits, deretwegen im Dezember 2007 eine Hörgeräteversorgung eingeleitet worden ist. Darüber hinaus bestehen u.U. krankheitswerte psychische Verhaltensauffälligkeiten.
Mit Schreiben vom 11.04.2008 begehrte die ASt von dem Antragsgegner rückwirkend zum 01.03.2008 einen integrativen Kindergartenplatz im Kindergarten "K.". Dem Antrag beigefügt war ein ärztliches Zeugnis von Dr.H. (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin) vom 03.04.2008. Danach bestehe bei der ASt ein erheblich eingeschränktes Hörvermögen (gemischte Hörstörung mit beeinträchtigter Schallempfindung und Schallleitung), weshalb sich u.a. Verhaltensauffälligkeiten entwickelt hätten. Aus medizinischen Gründen seien die Bedingungen für die Zulassung als Integrativkind erfüllt.
Der Antragsgegner veranlasste eine gutachterliche Stellungnahme von Dr.W ... Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 21.05.2008 nach einer amtsärztlichen Untersuchung der ASt am 13.05.2008 zum Ergebnis, dass die bei der ASt bestehende Schwerhörigkeit zwar eine nicht nur vorübergehende wesentliche Behinderung darstelle, die Schwerhörigkeit aber durch Hörgeräte weitgehend ausgeglichen sei. Eine nennenswerte Entwicklungsverzögerung, insbesondere eine Sprachentwicklungsverzögerung, habe aber nicht festgestellt werden können. Auch wenn von einer Ärztin der pädaudiologischen Ambulanz der Uni-Klinik in E. ein Sonderförderungsbedarf im Rahmen der Hörgeräteversorgung für einige Wochen bis wenige Monate bejaht worden sei, könne nach den festgestellten Befunden nicht erkannt werden, dass die ASt in ihren Fähigkeiten, an der Gesellschaft teil zu haben, wesentlich eingeschränkt sei.
Mit Bescheid vom 27.05.2008 lehnte der Antragsgegner die Kostenübernahme für die heilpädagogische Behandlung der ASt ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Notwendigkeit der Inanspruchnahme von teilstationären Maßnahmen nicht begründbar sei. Die Sprachentwicklung sei nicht verzögert und die Schwerhörigkeit durch Hörgeräte voll ausgeglichen, sodass die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft der ASt nicht wesentlich eingeschränkt sei.
Hiergegen hat die ASt am 04.06.2008 Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Am 23.06.2008 hat die ASt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Bayreuth (SG) beantragt. Es hätten sich bei der ASt Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, die Anpassung von Hörgeräten habe keinesfalls voll ausgleichend gewirkt. Nach Auffassung der behandelnden Ärzte, Dr.H. und Dr.W., sei bei der ASt von einem heilpädagogischen Förderungsbedarf auszugehen. Dem Antrag waren u.a. ärztliche Stellungnahmen von Dr.W. vom 03.06.2008 und 19.06.2008 beigefügt, des Weiteren eine Stellungnahme von Frau Z., Sonderschullehrerin für Hörgeschädigte des mobilen sonderpädagogischen Teams der M.schule in D-Stadt. Danach sei Ziel der teilstationären Maßnahme nicht nur die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten, sondern auch die Festigung der sozialen Kompetenzen der ASt. Dies sei aber in einer ambulanten Einzelarbeit nicht möglich, sondern bedürfe der Integration in der Gruppe, deshalb müsse eine fachpädagogische Betreuung gewährleistet sein.
Mit Beschluss vom 25.07.2008 hat das SG den Antrag der ASt abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass sich die Schwerhörigkeit der ASt bisher auch ohne Hörgeräteversorgung nicht auf die Sprachfähigkeit der ASt ausgewirkt habe. Zwar sei die Förderung eines Kindes stets sinnvoll, wünschens- und erstrebenswert, bei summarischer Prüfung sei aber nicht erkennbar, dass die kindliche ASt einen nicht wieder gutzumachenden wesentlichen Nachteil erleiden würde, wenn sie nicht sofort eine teilstationäre Maßnahme erhalten würde.
Hiergegen hat die ASt am 08.08.2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass der ASt in ihrer Entwicklung schwere Nachteile bevorstünden, wenn sie nicht im Rahmen der Integrativgruppe gefördert würde. Auch wenn das Hörvermögen der ASt durch die erfolgte Hörgeräteversorgung gebessert sei, bestünden doch Defizite in der jugendlichen Entwicklung bzw. des Umgangs mit anderen Kindern und der Einpassung in die Gruppe und der Konfliktbewältigung, welche allein durch das Anpassen und zur Verfügung stellen von Hörgeräten nicht auszugleichen bzw. zu korrigieren sei. Die ASt begegne Konflikten häufig mit sprachlicher Gewalt und Handgreiflichkeiten. Die besondere Eilbedürftigkeit ergäbe sich daraus, dass die ASt Mitte des nächsten Jahres in die Schule eintreten werde. Bis dahin müssten die Fördermaßnahmen durchgeführt und abgeschlossen sein, aus diesem Grunde könnte die Dauer eines ordentlichen sozialgerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden. Der Beschwerde ist eine Stellungnahme von Frau M., Gruppenleitung der integrativen Gruppe des Kindergartens K. in A-Stadt beigefügt worden. Darüber hinaus liegen medizinische Äußerungen von Dr. H. vom 11.09.2008 und Dr. W. vom 16.09.2008 vor.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Behördenakten, sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abhilfeentscheidung seitens des SG ist wegen des Wegfalls des § 174 SGG a.F. nicht mehr erforderlich. Das Rechtsmittel erweist sich teilweise als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf das von der ASt geltend gemachte Begehren der Übernahme heilpädagogischer Maßnahmen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes stellt § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 ; vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002, NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die ASt im nächsten Jahr eingeschult wird, besteht eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, nämlich die Notwendigkeit eines schnellstmöglichen Ausgleichs der bei der Ast noch bestehenden Defizite vor der Begründung der Schulpflicht der Ast und die Vermeidung eines krankheitsbedingten Nachteils bei dem schulischen Fortschreiten. Ein Anordnungsgrund ist damit gegeben.
Bei der notwendigen summarischen Prüfung erscheint aber auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs überwiegend wahrscheinlich.
Nach § 53 SGB XII erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und so lange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Nach § 1 der Verordnung zu § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sind Personen, die gehörlos sind oder denen eine sprachliche Verständigung über das Gehör nur mit Hörhilfen möglich ist, wesentlich in ihrer Teilhabefähigkeit iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII eingeschränkt, vgl. § 1 Nr 5 Eingliederungshilfe-Verordnung.
Seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII zur Folge haben können, sind seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen.
Unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Befunde spricht hinsichtlich der Schwerhörigkeit der ASt mehr dafür als dagegen, dass allein wegen der Schwerhörigkeit die Notwendigkeit einer heilpädagogischen Förderung nicht gegeben ist. Jedenfalls werden die bei der Ast noch bestehenden Probleme nach übereinstimmender ärztlicher Sicht in Bälde abgeklungen sein. Andererseits liegen bei der ASt unter Berücksichtigung der ärztlichen Aussagen von Dr.H. erhebliche Verhaltensauffälligkeiten, überwiegend mit hyperaktiven Tendenzen vor. Ärztlicherseits wird hier ebenfalls ein Zusammenhang mit der nunmehr behandelten Schwerhörigkeit gesehen. Auch die Kindergärtnerin der integrativen Gruppe des Kindergartens dokumentiert doch erhebliche Verhaltensauffälligkeiten.
Diese psychischen Verhaltensauffälligkeiten wurden von Seiten des Antragsgegners noch nicht gutachterlich gewürdigt.
Unter Berücksichtigung der jeweiligen widerstreitenden Interessen einerseits und der doch bestehenden erheblichen Eilbedürftigkeit andererseits ist es für den Senat gerechtfertigt, zeitlich befristet bis 31.12.2008 der ASt die heilpädagogische Behandlung im integrativen Kindergarten K. zu gewähren. In diesem Zeitraum hat der Ag auch die Möglichkeit, durch Einholung einer entsprechenden fachpsychiatrischen Stellungnahme das Vorliegen einer seelisch wesentlichen Behinderung iS des § 3 Eingliederungshilfe-Verordnung gutachterlich zu überprüfen und die sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen zu ziehen ...
Für die Vergangenheit ist ein Anordnungsgrund - somit eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit - jedoch nicht wahrscheinlich zu machen (vgl Beschluss des BayLSG Az. L 11 B 1107/07 AS ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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