L 15 SB 82/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SB 251/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 82/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts R. vom 23. Mai 2008 wird zurück-
gewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die 1960 geborene Klägerin hat mit Erstantrag vom 02.09.2005 die Feststellung des bei ihr vorliegenden Grades der Behinderung beantragt.

Der Beklagte hat einen Befundbericht der Hausärztin der Klägerin, der Allgemeinärztin Dr. K. vom 21.11.2005 eingeholt, die Arztbriefe der Pathologischen Gemeinschaftspraxis Dres. K. u.a. vom 06.05.2004, der Internistischen Gemeinschaftspraxis Dres. W. u.a. vom 10.05.2004, des Kreiskrankenhauses P. vom 20.06.2005 und des HNO-Arztes Dr. S. vom 10.10.2005 mitübersandt hat.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 29.11.2005 nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Internisten Dr. E. bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt:
1. Migräne (Einzel-GdB: 20),
2. Psychovegetative Störungen (Einzel-GdB: 10).

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 13.12.2005, der mit Schreiben vom 09.01.2006 näher begründet wurde. Zur Begründung verweise sie auf die beigefügten medizinischen Anlagen, aus denen eindeutig das Vorhandensein einer echten Migräne hervorgehe. Sie habe immer wieder Versuche unternommen, um eine Zustandsbesserung herbeizuführen, was ihr aber nicht gelungen sei. Die Schmerzen und die Anfallshäufigkeit hätten im Gegenteil zugenommen. Bereits 1999 sei von Frau Dr. K. ein reaktiv-depressives Syndrom bestätigt worden. Seither nehme sie täglich als Medikation Insidon. Dem Schreiben liegt eine Rechnung der Nervenärztin Dr. K. vom 30.12.1999 sowie ein Arztbrief der Univ. Klinik R. vom 04.10.2001 bei. Hierzu hat die Fachärztin für Psychiatrie Dr. F. in der nervenärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 27.02.2006 die Auffassung vertreten, dass eine Teilabhilfe im Sinne einer Erhöhung des GdB auf 30 zu befürworten sei. Es liege eine Migräne vor mit häufigeren Anfällen als einmal monatlich, die jeweils ein bis zwei Tage anhalten, ein Einzel-GdB von 20 sei hierfür wie bislang zutreffend. Die bei der Klägerin weiter vorliegenden behandlungsbedürftigen psychovegetativen Störungen seien ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.

Entsprechend hat der Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 15.03.2006 bei der Klägerin ab 02.09.2005 einen GdB in Höhe von 30 festgestellt. Im Übrigen wurde der Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2006 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin vom 14.04.2006 zum Sozialgericht R ... Die seit Jahrzehnten bestehende und behandlungsresistente Migräne habe sich in den letzten Jahren dramatisch verschlimmert. Daneben habe sich ihre psychische Verfassung sehr zum Schlechteren gewendet. Sie beantrage daher, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Der Beklagte hat einen aktuellen Befundbericht der Dres. K. u.a. vom 11.07.2006 eingeholt, dem über die bereits im Verwaltungsverfahren übersandten Unterlagen hinaus noch ein Arztbrief des Facharztes für Nuklearmedizin Dr. H. vom 27.04.2004 und ein Arztbrief der Radiologischen Praxis Dr. S. vom 11.10.2005 beilag.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.11.2006 hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. das Terminsgutachten vom 07.11.2006 erstellt, der den Gesamt-GdB bei der Klägerin ab dem Untersuchungstag mit 40 einstufte. Im Termin hat die Klägerin vorgetragen, dass sie durchschnittlich im Monat unter ca. acht bis zehn Migräneanfällen von unterschiedlicher Länge leide, die teilweise so schlimm seien, dass praktisch kein Mittel mehr helfe und auch notärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden müsse. Eine spezielle nervenärztliche Behandlung finde nicht statt. Einen Anfallskalender führe sie nicht. Das SG hat einen aktuellen Befundbericht der behandelnden Hausärztin Dr. K. vom 10.08.2006 eingeholt. Daraufhin wurde die Neurologin und Psychiaterin Dr. E. zur Sachverständigen ernannt, die aufgrund der Untersuchung am 07.01.2008 das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 23.01.2008 erstellt hat. Dr. E. hat bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen eine Migräne (Einzel-GdB 30), eine rezidivierende leichtgradige depressive Anpassungsstörung mit psychovegetativen Störungen (Einzel-GdB 20) und eine Sigmadivertikulose (Einzel-GdB 20) festgestellt und den Gesamt-GdB ab 02.09.2005 mit 40 eingestuft. Das von dem Beklagten daraufhin auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 06.03.2008 abgegebene Vergleichsangebot vom 20.03.2008 (Gesamt-GdB 40 und Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 33b EStG zur Vorlage beim Finanzamt) wurde von Seiten der Klägerin mit Schreiben vom 08.04.2008 abgelehnt. Sie sei nach wie vor der Auffassung, dass die vorhandene Migräne sowie der festgestellte Spannungskopfschmerz sie so betreffen würden, dass von einer schweren Verlaufsform auszugehen sei. Frau Dr. E. führe die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf, sie sei aber vor allem an Wochenenden, in Urlaubszeiten, am Abend und in manchen Nächten betroffen. Dr. K. gehe davon aus, dass die Sigmadivertikulose im Rahmen einer stationären Behandlung diagnostiziert worden sei. Aus dem ärztlichen Gutachten gehe aber hervor, dass sie ambulant untersucht worden sei. Dr. K. setze im Gegensatz zu den weiteren Ärzten nur einen GdB von 10 für die Sigmadivertikulose an. Sie achte wegen der Divertikulose sehr auf ihre Ernährung.

Das Sozialgericht R. hat mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2008 den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin bei einem Gesamt-GdB von 40 folgende Gesundheitsstörungen festzustellen:
1. Migräne mit mittelschwerer Verlaufsform.
2. Rezidivierendes Erschöpfungssyndrom.
3. Divertikulose.
Das SG geht hinsichtlich der Migräne von einer mittelgradigen Verlaufsform aus und folgt diesbezüglich den Einschätzungen der Gutachter R. und Dr. E., die einen Gesamt-GdB von 30 hierfür für angemessen halten. Darüber hinaus liege bei der Klägerin ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom vor, das entsprechend den Einschätzungen der Gutachter R. und Dr. E. mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei. Die bei der Klägerin weiter vorliegende Divertikulose sei ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, so dass insgesamt in Übereinstimmung mit dem Vergleichsangebot des Beklagten von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen sei.
Im Übrigen wurde die Klage der Klägerin zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 14.06.2008 zum Bayer. Landessozialgericht. In der Entscheidung des Sozialgerichts sei ihr kein Freibetrag gemäß § 33b EStG eingeräumt worden. Sie habe durch die Migräne in den letzten Jahren so viele Einbußen und Einschränkungen hinnehmen müssen, dass sie die Voraussetzungen für gegeben halte. Allein schon aus den langen und qualvollen Migräneanfällen folge per se eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Mit weiterem Schreiben vom 02.10.2008 hat die Klägerin an der Auffassung festgehalten, dass ihre Migräne so schwer ausgeprägt sei, dass die Voraussetzungen für einen GdB von 50 erfüllt seien. Sie wehre sich gegen die Einschätzung, dass mit der Form der Migräne, unter der sie leide, nicht eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit einhergehe. Infolge der Migräne sei sie durch die Schmerzen gezwungen, gerade an den Wochenenden Bettruhe zu suchen, da sie sich nicht mehr auf den Beinen halten könne. Sei der akute Anfall für einige Tage vorbei, würden ihr Bewegungsabläufe gerade im Nacken- und Schulterbereich zunehmend schwerfallen. Sie habe das Vergleichsangebot des Landesversorgungsamtes nicht wegen des Freibetrages abgelehnt, sondern wegen der Nichtgewährung eines GdB von 50.

Der Vertreter des Beklagten stellt den Antrag,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 23.05.2008 zurückzuweisen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25.08.2008 darauf hingewiesen, dass in dem Vergleichsangebot vom 20.03.2008 versehentlich angeboten worden sei, eine Steuerbescheinigung auszustellen. Die Klägerin habe das Vergleichsangebot abgelehnt, wodurch es erloschen sei. Die Migräneanfälle würden zwar zu einer zeitweiligen, nicht aber zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit führen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts R. mit dem Az.: S 5 SB 251/06 und die Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 15 SB 82/08 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht R. (SG) hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 23.05.2008 die Klage gegen die Bescheide des Beklagten mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat weist deshalb die Berufung der Klägerin aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides als unbegründet zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Ausstellung einer Steuerbescheinigung gemäß § 33b EStG hat. Den Steuerpauschbetrag können gemäß § 33b Abs.2 EStG erhalten,

1. behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 50 festgestellt ist,
2. behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung auf weniger als 50, aber mindestens auf 25 festgestellt ist, wenn
a) dem behinderten Menschen wegen seiner Behinderung nach gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, und zwar auch dann, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist, oder
b) die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht.

Zur Überzeugung des Senats liegt bei der Klägerin keine der vorgenannten Voraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrages gemäß § 33b EStG vor, insbesondere besteht bei der Klägerin aufgrund der bei ihr bestehenden Behinderungen keine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit, sondern nur eine zeitweilige Einbuße der körperlichen Beweglichkeit.

Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die Klägerin eine Teilzeittätigkeit ausübt (an 4 Tagen in der Woche mit 20 Std.) und insgesamt aus der Schilderung des gewöhnlichen Tagesablaufes durch die Klägerin gegenüber der Gutachten Dr. E. ("Tagesablauf", S. 8 des Gutachtens).

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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