L 9 SO 22/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 27 SO 102/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 22/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Möglichkeit, vom Friedhofsträger einen Gebührenerlass zu erhalten, schließt nicht unbedingt unter dem Gesichtspunkt des Nachranggrundsatzes den Anspruch des Sozialhilfe beziehenden Erben auf Übernahme auch der Friedhofsgebühren gegegn den Träger der Sozialhilfe nach § 74 SGB XII aus.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.06.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Übernahme der Friedhofsgebühren, die im Zusammenhang mit der Bestattung des Vaters der Klägerin entstanden sind.

Die 1953 geborene Klägerin ist Tochter des am 00.09.2005 verstorbenen U. Sie bezieht Leistungen nach dem SGB II. Erben des U. waren seine Ehefrau zu ein Halb und die Klägerin sowie deren Bruder zu je ein Viertel. Am 26.09.2005 stellten die Klägerin sowie ihre Mutter und ihr Bruder jeweils einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten bei der Beklagten. Die Klägerin legte eine Rechnung der Kosten des Bestattungshauses O vom 23.09.2005 in Höhe von 1420,00 EUR und einen Gebührenbescheid des Friedhofs der Evangelischen Kirchengemeinde S vom 06.10.2005 vor, in dem sie als Auftraggeberin ausgewiesen ist. Mit diesem werden Gebühren in Höhe von insgesamt 1.012,00 EUR für eine "Grabstätte auf der amerikanischen Wiese" erhoben. In den Gebühren enthalten sind unter anderem Kosten für 20 Jahre Pflegearbeiten in Höhe von insgesamt 200,00 EUR.

Mit Bescheid vom 19.01.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Friedhofsgebühren aus Mitteln der Sozialhilfe ab. Es sei der Klägerin möglich und zuzumuten, beim Friedhofsträger einen Gebührenerlass zu beantragen. Nach § 42 des Kirchengesetztes über die Friedhöfe der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Friedhofsgesetz) könne eine Gebühr oder ein Entgelt auf Antrag ermäßigt werden, wenn die Erhebung nach Lage des einzelnen Falles eine unbillige Härte bedeuten würde. Die Inanspruchnahme eines Gebührenerlasses sei der Klägerin auch zumutbar.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 06.02.2006 Widerspruch und gab an, von der Kirchengemeinde werde bereits eine Prüfung durchgeführt. Das Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische P teilte der Beklagten mit Schreiben vom 07.02.2006 mit, dass ein Erlass der Friedhofsgebühren nicht in Betracht komme. Nach herrschender Meinung sei ein kirchlicher Friedhofsträger nicht zur Durchführung kostenloser Bestattungen verpflichtet, da die Gewährung derartiger Bestattungen bei Hilfebedürftigen öffentliche Last und damit Aufgabe der politischen Gemeinde als Sozialhilfeträger sei. Ein Nachrang des Sozialhilfeträgers sei zumindest gegenüber kirchlichen Friedhöfen nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 16.05.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Bestattungkostenbeihilfe in Höhe von 343,88 EUR. Dies entspricht 25 % der tatsächlich angefallenen Kosten des Bestattungshauses abzüglich eines einzusetzenden Nachlasses in Höhe von 51,48 EUR. Ein gleichlautender Bescheid erging auch an den Bruder der Klägerin. Der Mutter der Klägerin wurde eine Bestattungskostenbeihilfe in Höhe von 50 % der angefallenen Kosten bewilligt. Am 09.06.2006 fragte die Beklagte bei Klägerin an, ob von ihr ein Antrag auf Erlass bzw. Ermäßigung der Friedhofsgebühren gestellt worden sei. Am 28.06.2006 erhielt die Beklagte ein Schreiben der Klägerin, in dem diese der Beklagten die Stellungnahme der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische P vom 07.02.2006 übermittelte und ausführte, ein Antrag auf Erlass der Friedhofsgebühren sei nicht erforderlich. Die Kirchengemeinde habe das Konsistorium in Berlin mit der Sache betraut. Ein Erlassantrag werde nicht entgegengenommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2006 zurück. Der Klägerin sei durchaus zuzumuten gewesen, beim Friedhofsträger einen Antrag auf Ermäßigung bzw. Erlass der Gebühren zu stellen. Die beantragte Leistung werde daher infolge fehlender Mitwirkung gemäß § 60 SGB I versagt.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.07.2006 Klage erhoben. Sie hat auf das Schreiben der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische P verwiesen und außerdem vorgetragen, dass sie alles getan habe, um die gegenüber der Beklagten geltend gemachte Erstattung anderweitig abzudecken.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 zu verurteilen, Friedhofsgebühren in Höhe von 1.012,00 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 19.06.2007 hat das Sozialgericht der Klage in Höhe von 982,00 EUR stattgegeben. Anspruchsgrundlage sei § 74 SGB XII. Danach würden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Die Klägerin gehöre als Miterbin ihres verstorbenen Vater zum Kreis der Verpflichteten. Der Bedarf werde nicht durch den Miterbeanteil begrenzt. In dem Gebührenbescheid der Kirchengemeinde sei ausdrücklich die Klägerin als Auftraggeberin bezeichnet. Dementsprechend bestehe der Bedarf der Klägerin in Höhe der gesamten noch offenen Friedhofsgebühren. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Kosten handele auch weitestgehend um erforderliche Kosten im Sinne des § 74 SGB XII. Als Preis für die gewählte Grabstätte sei, entsprechend dem Gebührenbescheid, von einem Betrag von 1.012,00 EUR auszugehen. Notwendig sei jedoch lediglich ein Betrag in Höhe von 982,00 EUR. Denn ausweislich der von der Beklagten angeforderten Friedhofsgebührenordnung entspreche dies die Kosten, die bei einem Mitglied der Kirchengemeinde für ein Reihengrab anfielen. Die Kosten, die für eine solche Grabstätte entsprechend der Gebührenordnung des entsprechenden Friedhofs anfielen, seien grundsätzlich als erforderlich anzusehen, da die öffentlich-rechtlichen Gebühren von dem Verpflichteten in der Höhe grundsätzlich nicht zu beeinflussen seien und auch nicht vermieden werden könnten. Ein Reihengrab wäre bei der Erdbestattung auch die günstigste Lösung gewesen, weil der Betrag von 200,00 Euro, der bei einem Grab auf der amerikanischen Wiese für die Pflege für 20 Jahre berechnet worden sei, nicht aus den für die Bestattung auf der amerikanischen Wiese zu entrichtenden Gebühren herausgerechnet werden könne. Denn diese Kosten fielen bei der gewählten Grabstätte unter Berücksichtigung der Friedhofsgebührenordnung notwendig an und seien daher nicht mit den Kosten einer normalen privaten Grabpflege vergleichbar, die grundsätzlich nicht nach § 74 SGB XII zu übernehmen wären.

Die Klägerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, noch bei der Kirchengemeinde einen Antrag auf Ermäßigung bzw. Erlass der Gebühren zu stellen. Sowohl von Seiten der Kirchengemeinde als auch von Seiten der Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg-schlesische P lägen zu dieser Frage bereits eindeutige und unmissverständliche Stellungnahmen vor. Diesen sei zu entnehmen, dass eine Ermäßigung bzw. ein Erlass der Gebühren nicht in Betracht komme. Bei dieser Sachlage könne von der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe nicht verlangt werden, dass sie sich gleichwohl nochmals mit einem entsprechenden Antrag an die Kirchengemeinde wende. Insbesondere könne die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, gegenüber der Kirchengemeinde den Rechtsweg zu beschreiten. Dies gelte umso mehr, als sich auch aus § 42 Friedhofsgesetz lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergebe. Auch handele es sich insoweit nicht um einen Erstattungsanspruch gegenüber Dritten. Es sei der Klägerin als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II schließlich nicht zuzumuten, die Friedhofsgebühren selbst zu tragen.

Zur Begründung der am 26.07.2008 eingelegten Berufung gegen das ihr am 05.07.2008 zugestellte Urteil trägt die Beklagte vor, dass die Klägerin entgegen der Auffassung des Sozialgerichts unter Berücksichtigung des Nachranggrundsatzes darauf verwiesen werden könne, zunächst einen Antrag bei der Kirchengemeinde zu stellen. Zwar handele es sich bei § 42 des Friedhofsgesetzes um eine Ermessenvorschrift. Es stelle sich aber doch die Frage, welche Fälle von der Ausnahmeregelung überhaupt umfasst sein sollten, wenn nicht der vorliegende Fall. Es könne nicht sein, dass der kirchliche Friedhofsträger die Vornahme einer Ermessenausübung verweigere und die Beklagte hierdurch quasi als staatlicher Ausfallbürge einzustehen habe. Unabhängig davon könnten die Kosten für das Mähen der Wiese in Höhe von 200,00 EUR keinesfalls übernommen werden. Es handele sich um Grabpflegekosten, die grundsätzlich nicht zu den im Sinne von § 74 SGB XII erforderlichen Kosten gehörten.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.06.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Verfahrensgegenstand auch der während des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 19.01.2006 ergangene Bescheid vom 16.05.2006, mit dem die Beklagte einen Teil der von der Klägerin geltend gemachten Bestattungskosten bewilligt hat. Dieser ist in das Verfahren einzubeziehen.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 19.01.2008 in Gestalt des Wiederspruchsbescheides vom 29.06.2008 zu Recht aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung weiterer Bestattungskosten in Form der Friedhofsgebühren in Höhe von 892,00 EUR verurteilt.

Gemäß § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Die Klägerin gehört zu den Verpflichteten im Sinne von § 74 SGB XII. Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII ist derjenige, den die Kostentragungspflicht rechtlich notwendig im Verhältnis zu Dritten endgültig und damit vorrangig trifft (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 74 Rn. 22; Berlit in LPK-BSG XII, 7. Aufl. § 74, Rn. 5). Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine Kostentragungspflicht als Erbin des U. nach § 1968 BGB trifft. Bei der Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten handelt es sich um eine Nachlaßverbindlichkeit, da zu den Nachlaßverbindlichkeiten nach § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten gehören, wozu u.a. die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung des Erblassers zählen. Hat - wie hier - die Erbin selbst die vertragliche Vereinbarung über die Bestattung der Erblasserin getroffen, so sind die hieraus erwachsenden Forderungen stets Nachlaßverbindlichkeiten (Siegmann in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 1968, Rn. 2).

Die von der Klägerin geltend gemachten Bestattungskosten sind auch als erforderlich im Sinne von § 74 SGB XII anzusehen. Erforderlich sind die Aufwendungen, die notwendig sind, um die hinsichtlich der Bestattung bestehenden rechtlichen Verpflichtungen des hierzu Verpflichteten zu erfüllen. Was im Sinne eines Mindeststandards erforderlich ist, wird zunächst durch die landesrechtlichen Bestattungs- und Friedhofsvorschriften festgelegt (Grube a.a.O., § 74 Rn. 31). Maßgeblich ist danach gemäß § 31 Abs. 1 des Friedhofsgesetzes, was für eine würdige, den örtlichen Verhältnissen entsprechende einfache Bestattung aufzuwenden ist. Danach sind die Gebühren für die hiernach günstigste zulässige Bestattungsart zu berücksichtigen. Dies sind regelmäßig die Gebühren für ein Reihengrab, welche daher grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind (Grube a.a.O.). Entsprechend ist das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen, dass Kosten in Höhe von 982,00 EUR, die nach der Preisliste des Friedhofs für ein solches Reihengrab angefallen wären, von der Beklagten zu übernehmen sind. Ebenso zutreffend ist auch die Feststellung des Sozialgerichts, dass die Kosten, die für das Mähen der Wiese, die bei der für den U. ausgewählten "Bestattung auf der amerikanischen Wiese" anfallen, nicht zu den Kosten der fortlaufenden Grabpflege zählen, die als solche grundsätzlich nicht zu erstatten wären (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 21.09.2006, Az. L 20 B 63/06 SO NZB). Denn die Kosten für das Mähen der Wiese fallen notwendig bereits bei Abschluss des Vertrages an. Anders als bei normalen Grabpflegekosten besteht nach der Friedhofsgebührenordnung und der Auskunft der zuständigen Friedhofsverwaltung für die Hinterbliebenen auch keine Möglichkeit diese Kosten dies Kosten zu vermeiden und etwa die Grabpflege selbst durchzuführen. Es handelt sich daher nicht um Kosten der laufenden Grabpflege. Auch bei den Kosten des Bestattungshauses handelt es sich um im Sinne von § 74 SGB XII erforderliche Kosten, da auch insoweit lediglich Leistungen erbracht wurden, die für einer einfache und würdige Bestattung erforderlich sind. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und die Beklagte hat der Klägerin den auf sie entfallenden Anteil an diesen Kosten abzüglich des anzurechnenden Nachlasses in Höhe von 51,48 EUR bereits mit Bescheid vom 16.05.2006 bewilligt.

Es kann der Klägerin nicht zugemutet werden, die bislang von der Beklagten nicht übernommenen Kosten der Bestattung in Form der erforderlichen Friedhofsgebühren in Höhe von 982,00 EUR selbst zu tragen. Die Entscheidung, inwieweit einem Verpflichteten die Tragung der Kosten für die Bestattung des Verstorbenen zugemutet werden kann, ist eine Billigkeitsentscheidung, die der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Es handelt sich bei dem Begriff der Zumutbarkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts (OVG NRW, Urt. v. 30.10.1997, Az. 8 A 3515/95; Berlit in LPK-SGB XII, § 74 Rn. 7 f.).

Zunächst ist es der Klägerin als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II nicht zuzumuten, die Friedhofsgebühren aus eigenem Einkommen oder Vermögen selbst zu tragen.

Eine Zumutbarkeit ergibt sich auch nicht aus anderen Gesichtspunkten. Dabei ist demjenigen, der Ansprüche nach § 74 SGB XII geltend macht, zunächst stets der Einsatz des vorhandenen Nachlasses zuzumuten. Diesen hat die Beklagte, von der Klägerin unbeanstandet, in einer Höhe von 51,48 EUR berücksichtigt. Hierüber hinausgehend kann die Klägerin nicht auf ihre Ausgleichsansprüche gegen die anderen Miterben verwiesen werden. Zwar ist es einem Antragsteller grundsätzlich zuzumuten, Ausgleichsansprüche gegen einen anderen Miterben nach § 426 BGB durchzusetzen, da die Pflicht zur Kostentragung gemäß § 1968 BGB die Erbengemeinschaft insgesamt trifft. Im Innenverhältnis haften die Miterben gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Nachlaßverbindlichkeiten anteilig. Verpflichteter im Sinne von § 74 SGB XII ist daher grundsätzlich jeder (Mit-)Erbe, wenn und soweit er Forderungen nach § 1968 BGB ausgesetzt ist (OVG NRW, Urt. v. 30.10.1997, Az. 8 A 3515/95 zur Vorgängernorm § 15 BSHG). Von daher ist der Ansatz der Beklagten zutreffend, dass die Klägerin grundsätzlich auf ihren Miterbenanteil von einem Viertel zu verweisen wäre. Allerdings ist es einem Antragsteller dann nicht zuzumuten, seinen Ausgleichsanspruch (§§ 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1968, 2058, 426 Abs. 1 BGB) gegenüber den weiteren Erben durchzusetzen, wenn diese zur Tragung der Beerdigungskosten ebenfalls nicht in der Lage sind (OVG NRW a.a.O.). So liegt es hier. Die Mutter und der Bruder der Klägerin sind beide nicht dazu in der Lage ihren Anteil an den noch offenen Beerdigungskosten zu zahlen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ergibt sich auch daraus, dass die Beklagte den Miterben ebenso wie der Klägerin bereits einen Ausgleichsanspruch hinsichtlich der Kosten des Beerdigungsunternehmens zuerkannt hat. Dementsprechend hat das Sozialgericht zu Recht entschieden, dass der Bedarf der Klägerin in Höhe der gesamten Friedhofsgebühren, die ihr der Friedhofsträger in Rechnung gestellt hat besteht und sie nicht auf einen Anspruch entsprechend ihres Miterbenanteils in Höhe von 25 % verwiesen werden kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Klägerin auch nicht nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes (§ 2 Abs. 1 SGB XII), auf vorgehende Ansprüche gegenüber Dritten verwiesen werden. Insbesondere scheidet eine Verweisung auf Ansprüche gegen die Evangelische Gemeinde als Trägerin des Friedhofs aus.

Es ist bereits fraglich, ob § 2 Abs. 1 SGB XII überhaupt einen eigenständigen Ausschlusstatbestand regelt oder nur ein Gebot der Sozialhilfe umschreibt, das durch weitere leistungshindernde Normen und insbesondere durch die Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen konkretisiert wird und regelmäßig im Zusammenhang mit ihnen zu sehen ist (offengelassen in BSG, Urt. v. 26.08.2008, Az. B 8/9b 16/07 R).

Dies bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung, weil die Klägerin zur Weiterverfolgung ihrer Ansprüche gegen den kirchlichen Friedhofsträger schon deswegen nicht verpflichtet ist, weil es für eine Durchsetzung entsprechender Ansprüche nach Auffassung des Senats an einer Erfolgsaussicht fehlt. § 42 des Kirchengesetzes über die Friedhöfe der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 07.11.1992 (Kirchliches Amtsblatt Nr. 13/1992 - Friedhofsgesetz) räumt der Klägerin lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung ein. Eine entsprechende Ermäßigungsregelung wie in § 42 des Friedhofsgesetzes ist auch in der Abgabenordnung (§ 227 AO) enthalten und findet sich hierüber auch in den Friedhofssatzungen der kommunalen Friedhofsträger wieder. Allein die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Hinterbliebenen kann aber nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null und damit nicht zu einem Anspruch auf Erlass oder Ermäßigung der Friedhofsgebühren führen. Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 74 SGB XII in Bezug auf entsprechende Gebühren schlichtweg überflüssig. Sämtliche Friedhofsträger müssten nämlich unter Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten bei wirtschaftlich bedürftigen Hinterbliebenen stets auf ihre Gebührenforderungen verzichten. Die von der Beklagten vertretene Auffassung würde in Bezug auf kommunale Friedhofsträger im Übrigen auch der vom Gesetzgeber getroffenen Zuständigkeitsregelung in § 98 Abs. 3 SGB XII widersprechen. Danach ist derjenige Sozialhilfeträger für Leistungen nach § 74 SGB XII örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen ist der Träger des Sozialhilfe zuständig, in dessen Bereich der Sterbeort liegt. Auf den für den Friedhofsort zuständigen Träger wird demzufolge gerade nicht abgestellt. Diesen Träger würde aber unter Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten stets die Verpflichtung zur Übernahme der Friedhofsgebühren treffen.

Darüber hinaus sieht der Senat auch deswegen keine Verpflichtung der Klägerin zu einer weiteren Mitwirkung bei der Durchsetzung eventueller Ansprüche gegen den kirchlichen Friedhofsträger, weil sich die Klägerin unter Einschaltung Dritter bereits um die Durchsetzung entsprechender Ansprüche bemüht hat. Die Evangelischen Gemeinde hatte es gegenüber der Beklagten bereits vor der mit Schreiben der Beklagten 09.06.2006 erfolgten Aufforderung an die Klägerin ausdrücklich abgelehnt, auf die Friedhofsgebühren im Falle der Klägerin ganz oder zum Teil zu verzichten. Im Übrigen weist der Senat noch darauf hin, dass völlig unabhängig vom Bestehen einer solchen Mitwirkungsverpflichtung der Klägerin, die Beklagte ihre Leistungsablehnung im Widerspruchsbescheid schon deswegen nicht unter Hinweis auf § 60 SGB I auf eine fehlende Mitwirkung der Klägerin stützen durfte, weil sie es entgegen ihrer aus § 66 Abs. 3 SGB I herrührenden Verpflichtung unterlassen hat, die Klägerin zuvor schriftlich auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hinzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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