L 7 KA 59/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 30/01 KZA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 59/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines vorläufigen Degressionsbescheides für das Jahr 1999.

Die Klägerin nimmt seit 1996 als niedergelassene Vertragszahnärztin in B an der zahnärztlichen Versorgung teil.

Mit vorläufigem Degressionsbescheid vom 18. Dezember 2000 kürzte die Beklagte ihren Vergütungsanspruch für das Jahr 1999 um 16.242,08 DM, da sie die für sie geltende Degressionsgrenze von 426.720 Punkten überschritten habe.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Es sei bereits eine Honorarkürzung nach dem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) in Höhe von 28.723,89 DM erfolgt. Aufgrund der nachträglichen Verringerung der Jahrespunktmenge durch die HVM-Kürzung müsse eine Neuberechnung der Degressionskürzung erfolgen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kürzung des Honorars im Rahmen des HVM sei bereits durch Bescheid vom 18. Oktober 2000 erfolgt. Dass die Kürzung des Honorars nach dem HVM bei der Degressionskürzung nicht berücksichtigt worden sei, sei rechtmäßig und im HVM vorgesehen.

Mit ihrer vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage wendet die Klägerin sich insbesondere gegen die Nichtberücksichtigung der Degressionskürzung.

Mit Urteil vom 7. Mai 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Degressionskürzung für 1999 beruhe unmittelbar auf § 85 Abs. 4 b bis e des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Die finanzielle Mehrfachbelastung sei unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nicht zu beanstanden.

Mit ihrer am 30. Juli 2003 eingelegten Berufung gegen das ihr am 9. Juli 2003 zugestellte Urteil macht die Klägerin geltend: Die Auffassung des Sozialgerichtes stehe im Widerspruch zur Entscheidung des 6. Senates des Bundessozialgerichtes vom 21. Mai 2003 (B 6 KA 35/92 R). Ausdrücklich habe das Bundessozialgericht in der Entscheidung darauf hingewiesen, dass die nach § 85 Abs. 4 b ff. SGB V vorgegebenen Kürzungen des Honoraranspruches des Vertragszahnarztes bei Überschreiten bestimmter Punktmengen im Wege von Punktwertminderungen (so genannte Punktwertdegression) von der Kassenärztlichen Vereinigung (KZV) vor der Durchführung der Honorarverteilung vorzunehmen sei. Um den Schutz der Krankenkassen sicherzustellen, müsse die Degressionskürzung vor Durchführung der Honorarverteilung erfolgen. Die Kumulation von Honorarkürzungen aufgrund von Punktwertdegressionen mit Kürzungen des Honorars nach dem HVM sei jedoch per se unzulässig und verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass durch die Beklagte erst die Kürzung der Honorarverteilung und dann die Degressionskürzung vorgenommen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 7. Mai 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei sowohl zeitlich als auch rechtlich der Degression der Vorrang vor anderen Honorarkürzungen zu geben. Daraus folge, dass die HVM-Honorarkürzung nicht die vorgelagerte Degressionskürzung beeinflussen könne, da dies zu Lasten der Krankenkassen gehen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten in der Gerichtsakte und in der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Degressionskürzung ist § 85 Abs. 4 b SGB V in der Fassung vom 19. Dezember 1998 (eingefügt durch Art. 1 Nr. 14 c des Gesetzes vom 19. Dezember 1998, BGBl. I, S. 3853, mit Wirkung vom 1. Januar 1999). Danach verringert sich je Vertragszahnarzt der Vergütungsanspruch aus vertragszahnärztlicher Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung ab einer Gesamtpunktmenge von 350.000 Punkten je Kalenderjahr für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V um 20 v. H., ab einer Punktmenge von 450.000 je Kalenderjahr um 30 v. H. und ab einer Punktmenge von 550.000 je Kalenderjahr um 40 v. H ... Die Punktmengen umfassen alle vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V. Nach § 85 Abs. 4 c SGB V hat die KZV die zahnprothetischen und kieferorthopädischen Rechnungen zahnarzt- und krankenkassenbezogen nach dem Leistungsquartal zu erfassen und mit den abgerechneten Leistungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1, 3, 7, 9 und den gemeldeten Kostenerstattungen nach § 13 Abs. 2 zusammenzuführen und die Punktmengen bei der Ermittlung der Gesamtpunktmenge nach Absatz 4 b zugrunde zu legen.

Nach § 85 Abs. 4 e SGB V haben die KZVen die Honorareinsparungen aus den Vergütungsminderungen nach Absatz 4 b an die Krankenkassen weiterzugeben. Die Durchführung der Vergütungsminderung durch die KZV erfolgt durch Absenkung der vertraglich vereinbarten Punktwerte ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Grenzwertüberschreitung nach Absatz 4 b. Die abgesenkten Punktwerte nach Satz 2 sind den auf den Zeitpunkt der Grenzwertüberschreitungen folgenden Abrechnungen gegenüber den Krankenkassen zugrunde zu legen. Überzahlungen werden mit der nächsten Abrechnung verrechnet. Weitere Einzelheiten können die Vertragspartner der Vergütungsverträge (§ 83) regeln.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes enthalten die Vorschriften des § 85 Abs. 4 b bis f SGB V ein in sich geschlossenes detailliertes Regelungskonzept, das dazu dient, die Weitergabe der sich durch Vergütungsminderungen bei einzelnen Vertragszahnärzten ergebenden Honorareinsparungen an die Krankenkassen zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 28. August 1996, 6 R Ka 41/95, zitiert nach juris). Die Regelung des § 85 Abs. 4 b SGB V ist somit neben der Regelung des § 85 Abs. 4 SGB V anzuwenden und dieser grundsätzlich vorgelagert.

Nach § 85 Abs. 4 b bis e SGB V sind die KZVen somit ermächtigt, entweder die degressionsbedingte Honorarkürzung im Rahmen der Honorarbescheide für das betreffende Kalenderjahr vorzunehmen oder aber vorab gesonderte separate Degressionsbescheide zu erteilen, auf denen spätere Honorarbescheide aufbauen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2004, B 6 KA 34/03 R, Soz R 4-2500 § 85 Nr. 11).

Die Weitergabe der Degressionskürzungen an die Krankenkassen ist vorrangig vor der Verteilung der Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Krankenkassen und nicht die Mitglieder der Beklagten Nutznießer dieser Kürzungen werden. Daraus folgt, dass es nicht zulässig ist, die durch die gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Begünstigung der Krankenkassen durch Regelungen des HVM zu verhindern oder zu vermindern. Die Beträge, die sich aufgrund der vorzunehmenden Punktwertabsenkungen ergeben, sind – ungeschmälert – an die Krankenkassen weiter zu geben und verringern damit nach dem Willen des Bundesgesetzgebers die zur Verteilung an die Vertragzahnärzte zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen. Deshalb sind erst nach Degressionskürzung gegebenenfalls weitere Abstaffelungen oder Kürzungen nach dem HVM in Ansatz zu bringen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Mai 2003, B 6 KA 25/02 R, Soz R 4-2500 § 85 Nr. 2). Solche Honorarbegrenzungen sind durch die Regelungen über die Punktwertdegression nicht generell ausgeschlossen. Allerdings erfordert § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, dass bei HVM - Honorarbegrenzungsmaßnahmen die Verringerung des Honoraranspruchs aufgrund der Punktwertdegression berücksichtigt wird. Geschieht dies nicht, ergibt sich jedoch daraus nicht die Rechtswidrigkeit des Degressionsbescheides, sondern allenfalls des dem Zahnarzt erteilten Honorarbescheides, der hier nicht Gegenstand des Rechtsstreits und darüber hinaus auch bestandskräftig geworden ist. Das gilt selbst dann, wenn der Honorarbescheid – nach den vorstehenden Ausführungen systemwidrig – vor dem Degressionsbescheid erlassen wurde, weil sich ansonsten das mit der Degression verfolgte Ziel nicht erreichen ließe. Der betroffene Zahnarzt bleibt auch in diesem Fall darauf verwiesen, gegen den Honorarbescheid vorzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung; sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision war nicht zu zulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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