L 1 SF 176/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 176/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Antragstellers den Richter am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen wird zurückgewiesen.

Gründe:

Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Dies zugrunde gelegt hat der Antragsteller hier keinen Grund glaubhaft gemacht, der Anlass bieten könnte, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln.

Der Antragsteller bemängelt hier eine Reihe von prozessleitenden Entscheidungen des abgelehnten Richters. Im Einzelnen rügt er:

a) Der Richter habe sich zu Unrecht geweigert ein Sachverständigengutachten über die Leistungsfähigkeit des Antragstellers von Amts wegen einzuholen und den Kläger auf ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen sowie angekündigt, er werde durch Gerichtsbescheid entscheiden. b) Der Richter habe zunächst für das Sachverständigengutachten einen Kostenvorschuss in Höhe von 800,00 Euro angefordert, obwohl der Sachverständige für das Gutachten Kosten in Höhe von 300,00 bis 400,00 Euro avisiert habe. c) Obwohl der Sachverständige auf erneute Nachfrage des Gerichts die voraussichtlichen Kosten mit 411,21 Euro beziffert habe, habe der Richter nunmehr einen Kostenvorschuss von 500,00 Euro angefordert. d) Das Sachverständigengutachten nach § 109 SGG habe im Wesentlichen den Tatsachenvortrag des Klägers bestätigt und auch die Beklagte habe eingeräumt, dass das Gutachten im Wesentlichen nachvollziehbar sei. Dennoch habe der Richter eine neue Beweisanordnung getroffen und den Neurologen und Psychiater B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Außerdem habe er diesem Sachverständigen ohne Anlass Fragen zum geistigen und psychischen Zustand des Antragstellers gestellt. Er erblicke in diesen Entscheidungen des Richters eine willkürliche Benachteiligung.

Im Ergebnis kann der Antragsteller mit diesen Rügen nicht durchdringen. Eine willkürliche Benachteiligung ist aus Sicht eines objektiven Betrachters nicht zu besorgen. Zu a) Es kann nicht beanstandet werden, dass der Richter zunächst auf Grund der gegebenen Sachlage darüber belehrt hat, dass ein Sachverständigengutachten von Amts wegen nicht eingeholt werde und beabsichtigt sei durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Für richterliche Hinweise gilt, dass Meinungsäußerungen eines Richters nicht gegen dessen Unvoreingenommenheit und Objektivität sprechen. Solche Hinweise eines Richters liegen im Allgemeinen im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten. Diesen ist gewöhnlich daran gelegen, die Einstellung des Richters zu den für den Prozessausgang maßgeblichen rechtlichen Problemen zu erfahren. Auf diese Weise erhalten sie Gelegenheit, ihre eigene, von der des Richters abweichende Ansicht näher zu erläutern und dabei zusätzliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte stärker hervorzuheben. Eine verständige Partei wird diesem Verfahren den Vorzug geben vor einer eher passiven richterlichen Prozessleitung, welche die Beteiligten auf sich allein gestellt lässt. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich allenfalls aus der Art und Weise ergeben, wie ein Richter seine Meinung vorträgt. Ein Grund kann bestehen, wenn der Richter in ungewöhnlicher, nach der Prozesslage nicht verständlicher Weise subjektive Gewissheit erkennen lässt, so dass die Beteiligten Anlass haben können zu befürchten, er sei ihren Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen und habe sich seine Auffassung schon abschließend gebildet. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Dem Richter lag zum damaligen Zeitpunkt der Entlassungsbericht über ein einmonatiges Heilverfahren vor, das gerade erst durchgeführt worden war und in dem ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Antragstellers für leichte Arbeiten bei der Entlassung festgestellt worden war. Dies rechtfertigte den Hinweis des Richters.

Zu b) und c) Es mag sein, dass die Erhebung eines unangemessenen Kostenvorschusses unter bestimmten Umständen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann. So liegt der Fall aber hier nicht. Die Kosten für ein Sachverständigengutachten auf orthopädischem Gebiet liegen regelmäßig höher, als sie der Richter mit seiner ersten Vorschussanforderung festgesetzt hat. Das Formular des Sozialgerichts weist als Regelbetrag bereits 1000,00 Euro hierfür aus. Der zunächst benannte Sachverständige und Praxiskollege hatte einen Betrag zwischen 400,00 und 600,00 Euro angegeben. Es war daher nicht zu beanstanden, dass der Richter zunächst einen Kostenvorschuss von 800,00 Euro anforderte. Er durfte davon ausgehen, dass der Sachverständige die tatsächlichen Kosten zu niedrig angesetzt hatte, was an dessen Berechtigung später einen höheren Betrag zu fordern, nichts geändert hätte. Deshalb ist auch nicht zu beanstanden, dass der Richter nach erneuter Befragung des Sachverständigen und nach Vorhalt des Antragstellers den Vorschuss endgültig auf 500,00 Euro ansetzte unter ausdrücklicher Berücksichtigung von Schreibauslagen und Porto, die der Sachverständige bei seinem erneuten Kostenvoranschlag in Höhe von 411,21 Euro nicht berücksichtigt hatte.

Zu d) Die Entscheidung des Richters nach Vorlage des Gutachtens nach § 109 SGG ein weiteres Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen, ist ebenfalls weder von der Sache her noch im Hinblick auf den Umfang und den Gegenstand der Beweisfragen zu beanstanden. Grundsätzlich liegt es auch hier im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit die Entscheidung zu treffen, ob und in welchem Umfang und durch welchen Sachverständigen Beweis erhoben wird (§ 106 Abs. 3 SGG). Etwas Anderes kann nur gelten, wenn sich dem Antragsteller bei objektiver Betrachtung der Verdacht aufdrängen muss, es werde so lange ermittelt, bis das gewünschte, für den Antragsteller negative, Beweisergebnis feststehe, wie dies der Antragsteller hier vermutet. So liegt die Sache hier jedoch nicht. Bei verständiger Würdigung ist die Entscheidung des abgelehnten Richters nicht zu beanstanden: Der Sachverständige B hatte sein Gutachten erst nach Verhängung eines Ordnungsgeldes und bei einer Untersuchung des Antragstellers im Mai 2007 erst 9 Monate danach im Februar 2008 erstellt, sodass schon Zweifel daran bestehen könnten, ob dieses Gutachten wegen des zeitlichen Zwischenraumes zwischen körperlicher Untersuchung und Gutachtenerstellung überhaupt noch verwertbar war. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird beispielsweise angenommen, dass ein Urteil, das nicht innerhalb von fünf Monaten nach der Beratung zur Zustellung gegeben wird, dieses Urteil mangels Entscheidungsgründen nicht verwertbar sei, weil es seiner Beurkundungsfunktion nicht mehr gerecht wird. Gleichermaßen kann auch bei einem Arzt vermutet werden, dass er bei einem zeitlichen Abstand von neun Monaten zwischen der körperlichen Untersuchung und der Gutachtenerstellung nicht mehr in der Lage ist, den persönlichen Eindruck wiederzugeben, der für die Einschätzung der Leiden und der dadurch hervorgerufenen Einschränkung der Leistungsfähigkeit notwendig ist. Dies kann jedoch hier auf sich beruhen, weil das Gutachten noch weitere Mängel aufweist, die es sachgerecht erscheinen ließen, ein weiteres Gutachten einzuholen. So hat der Sachverständige die für eine Rentengewährung entscheidende Frage 3 a) zum verbliebenen Leistungsvermögen dahingehend beantwortet, dies sei zur Zeit objektiv nicht möglich. Überdies werden die von dem Sachverständigen gestellten Diagnosen in keiner Weise nachvollziehbar hergeleitet. Das gilt insbesondere für die Diagnose "chronische Schmerzkrankheit". Es ist deshalb in keiner Weise zu beanstanden, wenn der Richter hier nicht diesem Sachverständigen weitere Fragen zur Erläuterung seiner unvollständigen Ausführungen gestellt hat, sondern ein weiteres Sachverständigengutachten zur Abklärung des Leistungsbildes in Auftrag gegeben hat, wobei die Heranziehung eines Neurologen und Psychiaters im Hinblick auf die Schmerzsymptomatik sachgerecht erscheint. Gleiches gilt für die zusätzlich gestellten Fragen der Anlage II der Beweisanordnung, ebenfalls im Hinblick auf die Schmerzsymptomatik. Dass die Beklagte, nach Einschaltung ihres ärztlichen Dienstes, das Gutachten als nachvollziehbar bezeichnet hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung zumal auch die Beklagte weitere medizinische Beweiserhebung angeregt hat. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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