L 13 AS 4146/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 6199/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4146/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 13 AS 1287/08 durch die Erledigungserklärung seitens des Klägers am 27. Mai 2008 erledigt ist.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Fortsetzung des Berufungsverfahrens mit dem Aktenzeichen L 13 AS 1287/08 -, das er im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 27. Mai 2008 für erledigt erklärt hat.

Der 1943 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) von der Beklagten. Von Ende 2005 bis Mai 2007 war er Pächter der Gaststätte "V." in F ... Mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 in Höhe von monatlich 626,00 EUR weiter. Sie berücksichtigte dabei die Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von monatlich 347,00 sowie Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II in Höhe von 279,00 EUR. Nicht berücksichtigt wurden hingegen die Kosten für die Privathaftpflicht- und Hausratversicherungen sowie die Steuerberatungskosten. Am 11. Oktober 2007 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Mit der am 30. November 2007 erhobenen Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und darüber hinaus Erhöhung der Leistungen auf monatlich 985,00 EUR begehrt. Die Leistungen in der derzeit bewilligten Höhe reichten nicht aus, um seine laufenden Lebensunterhaltskosten zu decken. Es seien mindestens Leistungen in Höhe des Pfändungsfreibetrags von 985,00 EUR monatlich zu gewähren. Dieser Betrag sei offensichtlich vom Gesetzgeber als Mindestbetrag für eine gesicherte Existenz angenommen worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 347,00 EUR nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 279,00 EUR nach § 22 Abs. 1 SGB II erhalte. Dass die Beklagte diesen Betrag unzutreffend berechnet hätte, sei nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden. Gesonderte Leistungen für die Kosten der Privathaftpflicht- und Hausratversicherungen des Klägers könnten nicht erbracht werden. Eine dahingehende Anspruchsgrundlage sehe das SGB II nicht vor. Kosten für solche Versicherungen sind aus der Regelleistung zu bestreiten. Dies habe der Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 Satz 2 und § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II ausdrücklich klargestellt. Kosten für Versicherungen könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn neben dem Alg II sonstiges Einkommen erzielt werde. Auch unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung könne der Kläger keine höheren laufenden Leistungen verlangen. Auch der Verweis des Klägers auf die Pfändungsfreigrenzen der Zivilprozessordnung führe zu keinem anderen Ergebnis. Während das Alg II als unterstes Netz der sozialen Absicherung bei Erwerbslosigkeit nur die Erfüllung der Grundbedürfnisse sicherstellen solle, würden die Pfändungsfreibeträge beispielsweise auch und gerade für Erwerbstätige und Rentner gelten. Die Freigrenzen seien daher so gestaltet, dass nicht nur die Erfüllung der Grundbedürfnisse abgedeckten, sondern dass Erwerbstätige und Rentner u.a. einen angemessenen Betrag des von ihnen selbst erarbeiteten Einkommens behalten könnten und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit damit für sie nicht unattraktiv werde. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Übernahme der Steuerberatungskosten in Höhe von 209,92 EUR durch die Beklagte. Es handele sich hierbei um Kosten, die der Steuerberater des Klägers diesem am 25. Mai 2007 für die Finanzbuchhaltung seines Gewerbebetriebs für Januar bis März 2007 in Rechnung gestellt habe. Diese könnten als Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn der Kläger in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum ein Einkommen aus dieser gewerblichen Tätigkeit erzielt hätte. Es gelte hier der gleiche Grundsatz wie im Zusammenhang mit den Kosten für private Versicherungen: Die Beklagte sei auch nicht zur gesonderten Übernahme der von dem Steuerberater in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet. Es sei zwar zutreffend, dass die Beklagte von dem Kläger die Vorlage entsprechender Aufstellungen bzw. Unterlagen zum Zweck der Feststellung eines etwaigen auf das Alg II anzurechnenden Einkommens aus dem Gewerbebetrieb verlangt habe. Für die Erstattung von Kosten, die durch die Erfüllung solcher Mitwirkungspflichten entstünden, bestehe eine gesetzliche Grundlage nur für die Sonderfälle, in denen die Kosten durch eine persönliche Vorsprache bei der Behörde oder durch eine medizinische oder psychologische Untersuchung entstünden (§§ 61, 62 und 65a SGB I). Eine Erstattung von Kosten, die durch die Vorlage von Unterlagen entstünden, komme dagegen allenfalls im Widerspruchsverfahren in Betracht, nicht aber bereits im Antragsverfahren. Hinzu komme, dass der Kläger zur Buchführung für die Monate Januar bis März 2007 ohnehin handels- und auch steuerrechtlich verpflichtet gewesen sein dürfte (§ 238 HGB, § 140 AO) und diese nicht erst für die Beklagte erstellt worden sei.

Der Kläger hat am 13. März 2008 hiergegen Berufung eingelegt (L 13 AS 1287/08) und an seinem bisherigen Vorbringen festgehalten. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 27. Mai 2008 hat der Kläger die Berufung für erledigt erklärt; ausweislich der Niederschrift wurde diese Erklärung dem Kläger vorgespielt und dieser hat sie genehmigt.

Mit dem am 31. Juli 2008 beim Sozialgericht Freiburg eingegangenen Schreiben hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er das Berufungsverfahren L 13 AS 1287/08 fortführen will. Er hat geltend gemacht, dass der Richter am Sozialgericht Freiburg R. bei dem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht die Beklagte vertreten hat. Der Präsident des Sozialgerichts hat ihm hierzu mit Schreiben vom 1. August 2008 mitgeteilt, dass nicht der Richter am Sozialgericht Freiburg R. als Sitzungsvertreter der Beklagten beim Landessozialgericht aufgetreten sei, sondern ein Mitarbeiter der Beklagten, der den gleichen Namen habe. Mit Schreiben vom 5. August hat der Kläger geantwortet, dass er die Weiterleitung seines Antrags an das Landessozialgericht wünsche. Denn auf Grund der Sachlage sollte diese Entscheidung zu seinen Gunsten ausfallen, da die Gesetzgebung es so vorschreibe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Fortsetzung des Verfahrens den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 7. November 2007 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 in Höhe von 985,00 EUR monatlich zu gewähren sowie die ihm entstandenen Steuerberatungskosten in Höhe von 209,92 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch die seitens des Klägers am 27. Mai 2008 erklärte Berufungsrücknahme erledigt ist.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakten des Senats (L 13 AS 1287/08 und L 13 AS 4146/08) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg. Der Rechtsstreit L 13 AS 1287/08 ist aufgrund der vom Kläger formwirksam und ohne Einschränkungen erklärten Erledigung der Berufung erledigt.

Über die Wirksamkeit der Erledigungserklärung war in Fortsetzung des Berufungsverfahrens zu entscheiden, in dem diese erklärt wurde (Bundessozialgericht [BSG] SozR 1500 § 73 Nr. 6). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG führt die einseitige Erledigungserklärung des Klägers in gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren anders als im Zivil- und Verwaltungsprozess zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die Erledigungserklärung hat hier (anders als nach § 91a Abs. 1 ZPO oder § 161 Abs. 2 VwGO) keine eigenständige Bedeutung. Sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar (BSG, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 RKa 18/95). Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der vom Kläger im Verfahren L 13 AS 1287/08 erklärten Erledigung um eine Berufungsrücknahme. Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils oder eines nach § 153 Abs. 4 oder § 158 Satz 2 SGG ergangenen Beschlusses zurückgenommen werden. Die Rücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 2 Satz 1 SGG). Diese Rechtswirkung ist vorliegend eingetreten. Der prozessfähige Kläger hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 27. Mai 2008 die Berufung wirksam zurückgenommen. Dies ergibt sich bereits aus der Niederschrift über diesen Termin, der insofern Beweiskraft zukommt (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 165 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die maßgeblichen Protokollierungsvorschriften des § 122 SGG i.V.m. §§ 160 Abs. 3 Nr. 8, 162 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO sind gewahrt worden. Der Berichterstatter hat die seitens des Klägers erklärte Erledigung des Verfahrens protokolliert und anschließend vermerkt, dass die vorläufige Aufzeichnung vorgespielt und genehmigt wurde. Ob die Einhaltung dieser Vorschriften für die Wirksamkeit der protokollierten Prozesshandlung erforderlich ist (bejahend LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1974, 906 ff. und 993 ff.; Meyer-Ladewig, SGG, § 156 Rdnr. 2; Bley in Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 156 Rdnr. 18; a. A. BSG SozR 1500 § 102 Nr. 4), brauchte der Senat deshalb nicht zu entscheiden. Für die Erledigungserklärung spricht auch, dass der Kläger einen Antrag auf Berichtigung der Niederschrift (§ 122 SGG i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO) nicht gestellt hat und im Übrigen nicht bezweifelt, diese Erklärung abgegeben zu haben.

Als den Rechtsstreit beendende Prozesserklärung kann die vom Kläger zu Protokoll erklärte Erledigung der Berufung weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums (§ 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 24. April 2003 - B 11 AL 33/03 B m. w. N., veröffentlicht in juris; Mayer-Ladewig, SGG, § 156 Rdnr. 2a). Zwar können auch Prozesshandlungen grundsätzlich im Verlauf des weiteren Verfahrens widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, dies gilt jedoch nur solange der Rechtsstreit anhängig ist (Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, Einleitung III, Rdnr. 21). Unwiderruflich und nicht abänderungsfähig sind darüber hinaus solche Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund derer er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (Bundesfinanzhof (BFH) BFH/NV 1992, 49; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Oktober 2001 - L 15 V 37/01- veröffentlicht in juris). Dies ist bei der Berufungsrücknahme der Fall. Für eine Anfechtung der Rücknahme in entsprechender Anwendung des § 123 BGB ist schon deshalb kein Raum, weil der Vortrag des Klägers hierzu völlig unsubstantiiert ist, abgesehen davon, dass auch insoweit die Anfechtung der Berufungsrücknahme ausgeschlossen wäre (vgl. BSG SozR Nr. 6 zu § 102 SGG).

Auch ein Widerruf der Berufungsrücknahme entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 9 RV 16/79- veröffentlicht in juris) kommt nicht in Betracht, da ein gesetzlicher Restitutionsgrund im Sinne des § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 580 ZPO (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis oder Gutachten, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtverletzung eines Richters, Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist; abgesehen davon wären auch die Voraussetzungen des § 581 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt. Ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigen könnte, kann dahingestellt bleiben, denn die in § 579 Abs. 1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung eines Beteiligten) liegen ebenfalls nicht vor. Auf den vom Kläger geltend gemachten "Vertretungsmangel" der Beklagten im Termin kann sich der Kläger im Rahmen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO von vorneherein nicht berufen, weil der Mangel der vorschriftsmäßigen Vertretung nur vom nichtvertretenen Beteiligten - das wäre hier der nach Auffassung des Klägers verfahrenswidrig nicht einbezogene Beklagte - gerügt werden kann (BFH, Beschluss vom 27. Oktober 1992 - VII R 71/92 -, BFH/NV 1993, 314, m.w.N.). Unabhängig davon war die Beklagte durch ihren Mitarbeiter, dem sie Terminsvollmacht erteilt hatte, ordnungsgemäß vertreten. Der Umstand, dass dieser lediglich den gleichen Namen hat, wie der für das erstinstanzliche Verfahren zuständig gewesene Richter, ist dem Kläger bereits durch den Präsidenten des Sozialgerichts Freiburg mitgeteilt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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