L 5 B 476/08 KR ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 15/08 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 476/08 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wird ein gesetzlich Krankenversicherter, der häuslicher Krankenpflege
i.S. von § 37 Abs.2 SGB V bedarf, pflegebedürftig, ist für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Betreuung die Pflegekasse gegenüber der Krankenkasse vorrangig leistungsverpflichtet.
Ist bei diesem Pflegebedürftigen Intensivpflege als Behandlungspflege rund um die Uhr erforderlich, hat die Krankenkasse deshalb die häusliche Krankenpflege grundsätzlich nicht für die Zeit zu leisten, die auf die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Betreuung entfällt. Diese Leistungseinschränkung gilt allerdings nicht, wenn die Intensivpflege aus medizinischen Gründen zeitgleich zur Grundpflege und hauswirtschaftlichen Betreuung erbracht werden muss, weil beispielsweise die ständige Beobachtung des Versicherten und die Sicherstellung der jederzeitigen Einsatzmöglichkeit der Pflegekraft erforderlich sind ( Differenzierende Anwendung der BSG-Urteile vom 28. Januar 1999 – B 3 KR 4/98R und vom 10. November 2005 – B 3 KR 38/04R und des Beschlusses des BVerfG vom 10. März 2008 – 1 BvR 2925/07).
Bieten 6 Pflegedienste in Schleswig-Holstein Intensivpflege einheitlich zu einem bestimmten Stundenhöchstsatz an, so ist dieser als angemessen i.S. von § 37 Abs.4 SGB V anzusehen.
Ist der für den intensiv zu pflegenden Versicherten tätige Pflegedienst nicht bereit, den bisher berechneten – höheren – Stundensatz auf diese angemessene Höhe zu reduzieren, ist dem Versicherten nach einer ihm von der Krankenkasse eingeräumten Übergangszeit ein Wechsel des Pflegedienstes zumutbar.
Der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juli 2008 wird dahingehend geändert, dass die darin ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Behandlungspflege für täglich 24 Stunden statt zu einem Stundensatz von 31,70 EUR zu einem solchen von 26,50 EUR angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Antrag¬steller die außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens nur zu zwei Dritteln zu erstatten. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu zwei Dritteln zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre vom Sozialgericht Kiel durch einstweilige Anordnung beschlossene Verpflichtung, dem Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit ihrer Bescheide, längstens bis zum 31. Dezember 2008, Beatmungspflege als Behandlungspflege für 24 Stunden täglich zu einem Stundensatz von 31,70 EUR zu gewähren. Die Beschwerdeführerin hält sich nur für verpflichtet, Behandlungspflege von täglich 17,2 Stunden zu erbringen, und das zu einem Stundensatz von 26,50 EUR.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst Bezug genommen auf Teil I der Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juli 2008.

Dieser Beschluss ist der Beschwerdeführerin per Fax am 17. Juli 2008 zugestellt worden. Sie hat am 25. Juli 2008 "gegen den Beschluss vom 17. Juli 2008" beim Sozialgericht Kiel Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 6. August 2008 hat sie diese Beschwerde gegen den "Beschluss vom 11. Juli 2008" wiederholt.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beschwerdeführerin u. a. vor, von der für rund um die Uhr, also 24 Stunden täglich erforderlichen Pflege des Beschwerdegegners sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Zeit in Abzug zu bringen, die für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung benötigt werde. Das seien nach dem vorliegenden Pflegegutachten täglich 6,8 Stunden, deshalb verblieben für die Behandlungspflege täglich nur noch 17,2 Stunden. In diesem Umfang sei sie zur Leistung verpflichtet und bereit, allerdings lediglich zu einem Stundensatz von 26,50 EUR. Hierbei handele es sich um den äußersten Rahmen der in Schleswig-Holstein für Intensivpflege üblichen Vergütungssätze. Ein Anordnungsgrund sei nicht zu erkennen, weil sie, die Beschwerdeführerin, auch über ihren Bescheid vom 2. Januar 2008 hinaus einen Vergütungssatz von 31,70 EUR für täglich 17,2 Stunden leiste und für die Restkosten zum Einen die Beigeladene zu 1) in Höhe von monatlich 1.432,00 EUR und zu Anderen die Beigeladene zu 2), das Amt für Soziales und Familie der Stadt Kiel, aufkämen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juli 2006 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält sie zum Einen für unzulässig, weil sie gegen einen nicht existenten Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 17. Juli 2008 eingelegt worden sei. Darüber hinaus sei die Beschwerde auch unbegründet. Das wird im Einzelnen unter Wiederholung der im Antragsverfahren gemachten umfangreichen Ausführungen begründet.

Die Beigeladene zu 2) hat mit Bescheid vom 31. Juli 2008 ihren den Eltern des Beschwerdegegners erteilten Bescheid über die Bewilligung von Sozialhilfe vom 10. Januar 2007 mit Wirkung vom 1. August 2008 aufgehoben. Auf Anfrage des Senats hat sie mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 erklärt, sie sei nicht bereit, erneut vorläufige Leistungen an den Beschwerdegegner zu erbringen, weil sie die Beschwerdeführerin für vorrangig leistungsverpflichtet halte.

Zur Ergänzung des zuvor Ausgeführten wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beschwerdeführerin und der Beigeladenen zu 2) Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der Senatsberatung gewesen.

II.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners ist die Beschwerde zulässig. Frist und Form des § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind gewahrt. Zwar ist in dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 24. Juli 2008 Beschwerde "gegen den Beschluss vom 17. Juli 2008" eingelegt worden, während die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts vom 11. Juli 2008 datiert. Unabhängig davon, ob, wie der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdegegners meint, damit Beschwerde gegen einen "nicht existenten Beschluss" eingelegt worden ist, wäre dieser Mangel durch den innerhalb der Beschwerdefrist des § 173 Satz 1 SGG beim Sozialgericht eingereichten Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 6. August 2008 geheilt. In diesem ist – neben Ausführungen zur Beschwerdebegründung – erneut eine "Beschwerde" eingelegt worden, dieses Mal zutreffend bezogen auf den Beschluss vom 11. Juli 2008.

Die Beschwerde ist nur in dem im Beschlussausspruch angeführten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie erfolglos. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Beschwerdeführerin vorläufig bis zum 31. Dezember 2008 verpflichtet ist, dem Beschwerdegegner Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) für 24 Stunden am Tag zu gewähren, allerdings nicht zu dem von der Beigeladenen zu 3) in Rechnung gestellten Stundensatz von 31,70 EUR, sondern zu dem von der Beschwerdeführerin als ortsüblich ermittelten höchsten Stundensatz von 26,50 EUR. In diesem Umfang liegen die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die im angefochtenen Beschluss im Einzelnen zutreffend angeführt worden sind, vor.

Der Senat ist mit dem Sozialgericht der Ansicht, dass ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Gewährung von täglicher Behandlungspflege rund um die Uhr deshalb zu bejahen ist, weil insoweit der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist und die dann vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdegegners ausfällt.

Aus allen in den Akten der Beschwerdeführerin enthaltenen ärztlichen Verordnungen zur häuslichen Krankenpflege der behandelnden Kinderärzte, insbesondere aus der den hier streitigen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2008 betreffenden vom 21. No¬vember 2007, ergibt sich, dass der Beschwerdegegner einer 24stündigen täglichen Behandlungspflege durch "Intensivpersonal mit Intensivüberwachung" bedarf, u. a. "zur Tracheostoma- und Beatmungspflege, Sauerstofftherapie, Inhalationstherapie, zum Freihalten der Atemwege, zur Sicherung der Kreislauffunktion und zur Überwachung der Vigilanz". Die Notwendigkeit einer solchen Behandlungspflege rund um die Uhr, die auch die ständige Beobachtung des Versicherten durch eine medizinische Fachkraft erfasst, wenn diese wegen der Gefahr lebensbedrohlicher Komplikationen von Erkrankungen jederzeit einsatzbereit sein muss, um die nach Lage der Dinge jeweils erforderlichen medizinischen Maßnahmen – wie hier - durchzuführen (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 2005 – B 3 KR 38/04 R), wird von der Beschwerdeführerin letztlich auch nicht in Frage gestellt.

Ob die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, von diesem zeitlichen Gesamtumfang der erforderlichen Pflege sei der Zeitaufwand für Grundpflege und hauswirtschaftliche Betreuung – nach dem Pflegegutachten vom 16. November 2004 6,8 Stunden täglich – in Abzug zu bringen und nur für die Restzeit von 17,2 Stunden sei sie zur Gewährung von Behandlungspflege verpflichtet, zutrifft, kann im Rahmen der in einem Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht entschieden werden. Zwar hatte das BSG in seinem von den Beteiligten und dem Sozialgericht umfassend behandelten Urteil vom 28. Januar 1999 (B 3 KR 4/98 R) und in dem zuvor genannten Urteil vom 10. No¬vember 2005 entschieden, dass der Anspruch eines Pflegebedürftigen auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V bei dauernder Pflegebedürftigkeit Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung nicht umfasse. In einem solchen Fall sei von der rund um die Uhr erforderlichen Pflege diejenige Zeit abzuziehen, die auf die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Betreuung entfalle. Diesen rechtlichen Ansatz teilt der Senat. Seine Richtigkeit folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 6 SGB V in der zurzeit geltenden Fassung bzw. § 37 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der zur Zeit des Beginns der Behandlungspflege des Beschwerdegegners 2005 geltenden Fassung. Danach darf die Satzung der gesetzlichen Krankenkasse für Versicherte nach Eintritt von deren Pflegebedürftigkeit weder Grundpflege noch hauswirtschaftliche Versorgung vorsehen. Diese Leistungen dürfen für diesen Versichertenkreis von der gesetzlichen Krankenkasse somit nicht erbracht werden. Hieran ändert entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners auch § 13 Abs. 2 SGB XI nichts, wonach im Rahmen der Leistungen der Pflegeversicherung "die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V unberührt bleiben". Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Vorrang der von der gesetzlichen Krankenkasse zu gewährenden häuslichen Krankenpflege kann immer nur soweit gehen, wie § 37 SGB V eine Leistungspflicht vorsieht. Wie zuvor ausgeführt, schließen § 37 Abs. 2 Satz 6 bzw. früher Satz 4 SGB V aber bei Pflegebedürftigen die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung als Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse gerade aus. Insoweit sind mit Eintritt der Pflegebedürftigkeit die Leistungen der Pflegeversicherung vorrangig (so zutreffend Krauskopf in derselbe, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Dezember 2006, Rdn. 9 zu § 13 SGB XI). Das wird auch deutlich aus § 34 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB XI. Danach ruht der Leistungsanspruch aus der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege "soweit im Rahmen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V) auch Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht". Zu einem solchen Ruhen kann es immer nur im Rahmen der in § 37 Abs. 1 SGB V geregelten Krankenhausvermeidungspflege, nicht aber bei der hier relevanten Behandlungspflege des § 37 Abs. 2 SGB V kommen. Bei letzterer sind, wie ausgeführt, nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung nicht zulässig (so richtig Knittel, in Krauskopf, a.a.O., Rdn. 10 zu § 34 SGB XI).

Da die Pflegebedürftigkeit des Beschwerdegegners festgestellt worden ist, hat er gegenüber der Beschwerdeführerin somit keinen Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass die Beschwerdeführerin von der notwendigen 24stündigen Pflege die nach dem Pflegegutachten auf die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung entfallenden 6,8 Stunden täglich abziehen und Behandlungspflege nur für 17,2 Stunden zu leisten hat. Wie im angefochtenen Beschluss vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt worden ist, verbietet sich hier eine solche schematische Anwendung der vom beschließenden Senat grundsätzlich geteilten Rechtsprechung des BSG. Es ist nämlich möglich, dass Behandlungspflege im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V 24 Stunden täglich erforderlich ist und daneben, also parallel, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbracht werden müssen. Das ist insbesondere deshalb denkbar, weil – wie ausgeführt – die Behandlungspflege auch die ständige Beobachtung und Sicherstellung der jederzeitigen Einsatzmöglichkeit erfasst. Diese ständige Einsatzbereitschaft der für die Behandlungspflege eingesetzten Pflegekraft könnte es ausschließen, dass diese gleichzeitig Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durchführt, weil sie dann während der für letztere jeweils benötigte Zeit nicht für die erforderliche Behandlungspflege im Sinne der Beobachtung und Sicherstellung der jederzeitigen Einsatzmöglichkeit zur Verfügung steht. Dafür, dass eine Pflegekraft rund um die Uhr ausschließlich zur Gewährleistung der Behandlungspflege erforderlich ist, spricht die ärztliche Verordnung vom 27. November 2007, die die Notwendigkeit der 24stündigen Pflege ausschließlich auf die Intensivüberwachung bezieht. Es bedarf somit im Hauptsacheverfahren einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, gegebenenfalls mit Beweisaufnahme dazu, ob parallel zu einer Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, also zeitgleich mit diesen, eine Behandlungspflege im Sinne einer Intensivüberwachung und –versorgung erforderlich ist oder ob die für letztere eingesetzte Pflegekraft für die erstgenannten Verrichtungen ebenfalls eingesetzt werden kann, ohne dass die erforderliche Behandlungspflege dadurch beeinträchtigt wird. Ergibt sich, dass zeitgleich sowohl Behandlungspflege einerseits als auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung andererseits erforderlich sind, ist – wie vom Sozialgericht zutreffend herausgearbeitet – die von der Beschwerdeführerin herangezogene Rechtsprechung des BSG nicht einschlägig. Das Urteil vom 28. Januar 1999 betraf einen Fall, in dem sowohl die Behandlungspflege als auch die Grundpflege von ein und derselben Pflegeperson durchgeführt wurden. Aus den entsprechenden tatsächlichen Feststellungen der Instanzgerichte war deshalb zu entnehmen, dass in den Zeiten, in denen Grundpflege erbracht wurde, naturgemäß Behandlungspflege nicht erfolgte und damit offenkundig auch nicht erforderlich war. Wie aus dem ebenfalls genannten Urteil des BSG vom 10. November 2005 zu entnehmen ist, bezieht sich die von der Beschwerdeführerin herangezogene höchstrichterliche Rechtsprechung nur auf die Fälle, in denen während der Erbringung der Grundpflege die Behandlungspflege in den Hintergrund tritt (so ausdrücklich Rdn. 21 des bei juris zu findenden Urteilsumdrucks). So wird die Rechtsprechung des BSG vom Senat verstanden und geteilt. In diesem Sinne ist auch der vom Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2008 (1 BvR 2925/07) zu verstehen. Dort wird – Rdn. 5 und 6 des bei juris zu findenden Umdrucks – als klärungsbedürftig herausgestellt, ob die Rechtsprechung des BSG auch die Fälle betrifft, in denen Behandlungspflege und Grundpflege von verschiedenen Pflegepersonen nebeneinander erbracht werden.

Ob ein solches Nebeneinander beim Beschwerdegegner erforderlich ist, wird – wie dargelegt – im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Da insoweit der Verfahrensausgang offen ist, nach dem Inhalt der ärztlichen Verordnung aber eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit für einen Anspruch auf alleinige 24stündige Behandlungspflege besteht und die Schwere der Erkrankung des Beschwerdegegners sowie die begrenzten Einkommensverhältnisse seiner Eltern bei der Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Beschwerdeführerin mit zu berücksichtigen sind, hält auch der Senat wie bereits das Sozialgericht die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Leistungsgewährung für 24 Stunden für sachgerecht. Insoweit besteht ein Anordnungsanspruch.

Letzteren allerdings verneint der Senat – anders als das Sozialgericht – hinsichtlich des einen Stundensatz von 26,50 EUR übersteigenden Betrag. Mit der Beschwerdeführerin ist der Senat der Auffassung, dass nur ein Stundensatz von 26,50 EUR angemessen im Sinne von § 37 Abs. 4 SGB V ist. Der von der Beigeladenen zu 3) in Rechnung gestellte, vom Sozialgericht in seinem Beschlussausspruch aufgeführte Stundensatz von 31,70 EUR ist dagegen unangemessen.

Die Beschwerdeführerin hat für den Senat glaubhaft ausgeführt, dass in Schleswig-Holstein bei höchster Versorgungsqualität ein Stundenhöchstsatz von 26,50 EUR üblich ist und dass mindestens sechs Pflegedienste zu diesem Stundensatz die Behandlungspflege von Intensivpatienten sicherstellen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Beigeladene zu 3) im Falle des Beschwerdegegners jetzt nicht zu eben diesen Bedingungen tätig sein kann und will. Zwar hatte sie in der Vergangenheit einen Stundensatz von 31,70 EUR erhalten. Die in ihrem Schreiben vom 12. November 2007 an die Beschwerdeführerin angeführten Gründe, aus denen sie sich außerstande sieht, beim Beschwerdegegner zukünftig von diesem Stundensatz abzuweichen, sind für den Senat nicht plausibel. Insbesondere weil die Beigeladene zu 3) sich in diesem Schreiben bereiterklärt hat, für neue Patienten zu einem reduzierten Stundensatz zu arbeiten, erscheint es nicht einleuchtend, auch im Fall des Beschwerdegegners eine damit möglicherweise verbundene organisatorische Änderung nicht vornehmen zu können.

Selbst wenn die Beigeladene zu 3) aber nicht bereit ist, die Pflege zu einem Stundensatz von 26,50 EUR beim Beschwerdegegner durchzuführen, bestünde gleichwohl gegenüber der Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Behandlungspflege zu einem höheren Betrag. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Sozialgerichts, dem Beschwerdegegner und seinen Eltern sei ein Wechsel des Pflegedienstes nicht zumutbar bzw. ob ein solcher zuzumuten sei, sei erst durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Auch wenn, wie das Sozialgericht ausführt, zu der Beigeladenen zu 3) ein Vertrauensverhältnis aufgebaut worden ist, bringt es die Natur der Sache bei einer Rund-um-die-Uhr-Pflege mit sich, dass täglich verschiedene Pflegekräfte bei der Familie tätig sind und dass sich ein möglicherweise eingestellter Turnus, in dem jeweils dieselbe Pflegekraft arbeitet, im Laufe der Jahre durch Arbeitszeitbegrenzung, Urlaube, Krankheiten und Personalwechsel relativiert. Deshalb hält es der Senat für zumutbar, dass die Eltern des Beschwerdegegners für den Fall, dass die Beigeladene zu 3) nicht bereit ist, zu einem Stundensatz von 26,50 EUR die Behandlungspflege fortzusetzen, einen neuen Pflegedienst beauftragen. Die Beschwerdeführerin hatte sich bereits in ihrem Bescheid vom 2. Januar 2008 bereit erklärt, bei der Suche nach einem solchen behilflich zu sein. Zwar ist der Vortrag der Beschwerdeführerin, im November und Dezember 2007 sei mit den Eltern des Beschwerdegegners über den Wechsel des Pflegedienstes gesprochen worden, ihnen seien entsprechende Unterlagen über andere Pflegedienste übergeben und sie seien gebeten worden, sich von deren Qualität zu überzeugen, nicht in den Akten dokumentiert. Aber zumindest seit Erhalt des Bescheides vom 2. Januar 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2008 war den Eltern des Beschwerdegegners bekannt, dass die Beigeladene zu 3) zu einem erheblich über dem Ortsüblichen liegenden Stundensatz arbeitet. Ihnen wäre es seitdem möglich und zumutbar gewesen, sich nach einer Pflegealternative umzusehen. Insbesondere bestand dafür ausreichend Zeit, weil die Beschwerdeführerin trotz ihrer gegenteiligen Bescheide auch im Jahre 2008 – zunächst – den höheren Pflegesatz von 31,70 EUR weiterzahlte. Das vom Sozialgericht für die Beibehaltung der Pflege durch die Beigeladene zu 3) angeführte Argument, der Beschwerdegegner reagiere auf fremde Personen mit Unruhe, überzeugt den Senat angesichts des oben dargelegten zwangsläufigen Wechsels der Pflegepersonen auch bei einer Pflege durch die Beigeladene zu 3) nicht. Abgesehen davon dürfte die Mutter des Beschwerdegegners nach wie vor dessen wesentliche Bezugsperson darstellen. Insoweit würde kein Wechsel stattfinden.

Hinsichtlich des Anordnungsgrundes teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts zur Eilbedürftigkeit angesichts der engen wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern des Beschwerdegegners und insbesondere des Änderungsbescheides der Beigeladenen zu 2) vom 31. Juli 2008 und deren Ausführungen im Schriftsatz vom 30. Oktober 2008, sie sei nicht bereit, vorläufig Leistungen an den Beschwerdegegner zu erbringen.

Die Kostenentscheidungen sowohl für das Antrags- als auch für das Beschwerdeverfahren beruhen auf den §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG. Sie entsprechen den jeweiligen Anteilen von Beschwerdeführerin und Beschwerdegegner am Obsiegen und Unterliegen. Die Beigeladene zu 3) war in die Kostenentscheidung nicht einzubeziehen, da sie sich im Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt hat.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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