S 12 KA 235/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 235/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 57/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Probatorische Sitzungen können in ein Regelleistungsvolumen einbezogen werden.
Für die Bemessung des Regelleistungsvolumens bestehen zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede, dass eine unterschiedliche Festsetzung der Fallpunktzahlen geboten ist.
Praxisanfänger innerhalb der Fachgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, auch soweit es sich um eine Neuniederlassung handelt, haben einen Anspruch auf Freistellung von einem Regelleistungsvolumen für das erste Quartal und Verdoppelung des Regelleistungsvolumens für die sieben Folgequartale (Bestätigung von SG Marburg, Urt. v. 27.08.2004 – S 12 KA 424/07 -, Berufung anhängig: LSG Hessen – L 4 KA 76/08 -).
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 25.09.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 wird die Beklagte verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens für die Quartale ab II/05 ff. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05 ff. und hierbei insbesondere um die Einbeziehung der so genannten probatorischen Sitzungen.

Die Klägerin ist als psychologische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin seit 11.05.1999 ermächtigt und seit 25.01.2001 in DD. zugelassen. Zum 28.02.2005 verzichtete sie auf ihren Psychotherapeutensitz in DD ... Sie wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 09.12.2004 als solche zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit für den Vertragspsychotherapeutensitz A-Stadt im Wege einer Sonderbedarfszulassung zugelassen.

Am 16.01.2006 stellte die Klägerin den Antrag auf Erhöhung ihres Regelleistungsvolumens. Sie trug vor, anlässlich der nun erfolgten Quartalsabrechnung sei bei ihr das besondere Problem des Regelleistungsvolumens bei neu aufzubauender psychotherapeutischer Praxis aufgetreten. Sie habe im April 2005 ihre kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxis in A-Stadt eröffnet. Es habe sich um einen Praxiswechsel gehandelt, da sie bislang in DD. niedergelassen gewesen sei. Im Quartal II/05 habe sie für sieben Fälle probatorische Sitzungen durchgeführt, insgesamt 38 Sitzungen, wofür sie nun lediglich 7.000 Punkte für das gesamte Quartal abrechnen könne. Die Fallzahl sei auch durch den Umstand so gering, dass sie im Verlauf des letzten Jahres nur zeitlich eingegrenzt in A-Stadt habe tätig sein können, da sie ihre bisherigen Behandlungen in DD. zu Ende behandelt habe. Die Fälle in DD. würden allerdings bei der Errechnung des Regelleistungsvolumens nicht mitberechnet werden. Sie halte auch ein Regelleistungsvolumen von 1.000 Punkten pro Fall für zu gering. Selbst bei einer Fallzahl von 30 würde man nur 30 Punkte bei einem Sitzungsaufwand von 150 Stunden erhalten. Gerade für eine qualifizierte Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter sei es unerlässlich, eine eingehende Diagnostik und Anamneseerhebung mit den Eltern durchzuführen, um eine genaue Indikation stellen und einen gut fundierten Bericht an den Gutachter anfertigen zu können. Der Zeitaufwand betrage 3 bis 5 Stunden pro Fall und pro Bericht. Das Regelleistungsvolumen könne in dem Sonderfall einer neu zu gründenden Praxis nicht angewandt werden. Diese Besonderheit sei zumindest für zwei Quartale hinweg zu berücksichtigen. Sie sei weiterhin an zwei Tagen/Woche in DD. tätig mit abnehmender Behandlungszahl. Der Punktwert von 1,054 Cent sei unangemessen niedrig. Eine Praxisführung sei damit nicht möglich und die Sicherstellung der Versorgung sei gefährdet. Entsprechend der genehmigungspflichtigen Leistungen müsse diese Leistung auch mit 4,8 Cent vergütet werden. Die Honorarvergütungsverteilung verstoße auch gegen das Gebot der Honorargerechtigkeit. Hilfsweise beantrage sie die Herausnahme der probatorischen Sitzungen aus dem Regelleistungsvolumen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.09.2006 den Antrag auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen ab. Zur Begründung verwies sie auf die Regelungen des Honorarverteilungsvertrages. Die Honorarforderungen einer Praxis würden einem (fallzahlabhängigen) praxisspezifischen Regelleistungsvolumen gegenüber gestellt und bewertet werden. Zeitbezogene genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen blieben unberücksichtigt und würden vorab zu einem Punktwert von 4,67 Cent bei Primärkassen bzw. 4,70 Cent bei Ersatzkassen bewertet werden, sofern die Vorgaben des Bewertungsausschusses zur Zuerkennung des Mindestpunktwertes erfüllt seien. Andernfalls erfolge die Bewertung der Leistungen zu einem Punkt von 4,0 Cent. Die dann noch verbleibenden Honorarforderungen unterlägen der Bewertung mit einem Punktwert von 4,0 Cent bis zu dem für das aktuelle Quartal festgestellten praxisindividuellen Regelleistungsvolumen. Die darüber hinausgehenden Honorarforderungen seien mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Cent zu bewerten. Für die Fachgruppe der Klägerin seien folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen vorgesehen:

Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe 0 – 5 6 – 59 -) 60 0 – 5 6 – 59 -) 60
Fallpunktzahl 1.050 1.054 1.054 956 1.166 1.065

Im Quartal II/05 habe sie zwei Abrechnungen eingereicht. Die Abrechnung in DD. liege bezüglich des Regelleistungsvolumens mit 31.490,0 Punkten unter dem Regelleistungsvolumen in Höhe von 44.176,0 Punkten. In A-Stadt übersteige die Abrechnung mit 48.545,0 Punkten das Regelleistungsvolumen in Höhe von 40.719,0 Punkten mit 7.826,0 Punkten. Die Überschreitung sei nur zum unteren Punktwert vergütet worden. Nach der Festlegung des Vorstandes könne eine Ausnahmeregelung nur aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Maßgeblich sei, ob im Umkreis von 50 km ausreichend Ärzte zur Verfügung stünden, die die streitgegenständlichen Leistungen abrechneten. Im Planungsbereich Rheingau-Taunus-Kreis, zu dem A-Stadt gehöre, habe eine Überversorgung an Psychotherapeuten im Quartal II/05 bestanden. Der lokal ermittelte Versorgungsbedarf im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie werde nunmehr von der Klägerin abgedeckt. Sie müsse sich dennoch an das ihr zugeteilte Regelleistungsvolumen halten, welches sich an der Fallzahl orientiere. Für eine Erhöhung lägen keine Gründe vor. Eine gesonderte Berücksichtigung des in der Anfangsphase bestehenden deutlich höheren Aufwands an nicht genehmigungspflichtigen Leistungen bezogen auf das medizinische Kennenlernen eines Patienten im Rahmen der Festlegung von Abrechnungsobergrenzen sei nicht möglich. Dieses Problem dürfe sich vielmehr sukzessive mit der Anzahl der niedergelassenen Quartale relativieren. Hinzukomme, dass nach dem Honorarverteilungsvertrag eine Ausgleichsregelung gelte, die in ihrem Fall zu einem Auffüllungsbetrag in Höhe von 400,07 EUR in DD. geführt habe. Für A-Stadt fehlten entsprechende Vorjahresdaten.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.10.2006 unter Wiederholung ihres Antragsvorbringens Widerspruch erhoben. Ergänzend trägt sie vor, das Sozialgericht Reutlingen habe zwischenzeitlich entschieden, dass für die Vergütung von probatorischen Sitzungen die gleichen Maßstäbe anzuwenden seien wie bei genehmigungspflichtigen Leistungen. Es müsse auch eine angemessene Vergütung erzielbar sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007, der Klägerin am 26.04. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend zum angefochtenen Ausgangsbescheid aus, im Quartal III/05 seien 21 Fälle mit einem Fallpunktwert von 1.107,9 Punkten zugrunde zu legen. Die Abrechnung überschreite mit 96.950,0 Punkten das Regelleistungsvolumen von 23.265,9 Punkten um 73.684,1 Punkte. Im Quartal IV/05 seien 28 Fälle mit einem Fallpunktwert von 1.090,4 Punkten zugrunde zu legen. Das Regelleistungsvolumen von 30.531,2 Punkte werde mit einer Abrechnung von 112.345,0 Punkten um 81.813,8 Punkte überschritten. Im Honorarverteilungsvertrag werde geregelt, welche Leistungsbereiche extra budgetär und vorab zu vergüten seien. Hiervon könne sie nicht abweichen.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.05.2007 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren weist sie darauf hin, dass sie gegen sämtliche Honorarbescheide ab dem Quartal II/05 Widerspruch eingelegt habe. Bei ihr handele es sich um eine junge Praxis. Aufgrund ihrer Sonderbedarfszulassung lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung nach Nr. 6.3 des HVV vor. Für die Sicherstellung könne allenfalls auf einen Umkreis von 20 km abgestellt werden, da es sich um Kinder und Jugendliche handele. Das Regelleistungsvolumen werde auch fortgeschrieben, sodass sich die Problematik nicht erledige. Die Härtefallregelung finde in A-Stadt keine Anwendung. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Leistungen für die probatorischen Sitzungen ganz aus dem Regelleistungsvolumen herauszunehmen seien. Diese Sitzungen seien zwingend durchzuführen. Bei der analytischen Therapie seien bis zu acht probatorische Sitzungen möglich. Sie habe keinen Handlungsspielraum. Es komme nach den probatorischen Sitzungen aufgrund der Diagnostik nicht immer zu einer Fortsetzung der Behandlung. Es bestehe eine Sicherstellungsproblematik. Kinder und Jugendliche könnten nicht auf einen Umkreis von 50 Km verwiesen werden. Gerade in den ersten fünf Quartalen habe sie überdurchschnittlich viele probatorische Sitzungen erbracht. Eine Sonderregelung müsse auch für die nachfolgenden Quartale erfolgen. Es könne nicht darauf ankommen, inwiefern sie atypisch zur Fachgruppe behandele. Das BSG verlange nunmehr eine Mindestvergütung von 2,56 Ct.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie über ihren Antrag auf Zuerkennung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen für die Quartale ab II/05 ff. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen vor, die probatorische Sitzung müsse als Standardleistung verstanden werden, die insoweit zu Recht der Honorargruppe 2 unterfalle. Der Bewertungsausschuss habe in seinem Beschluss vom 29.10.2004 die Ziffer 35150 EBM 2005, der Nachfolgeziffer zu Nr. 870 EBM 1996, gerade nicht in den dortigen Positivkatalog der Leistungen aufgenommen, die dem Regelleistungsvolumen nicht unterlägen. Der Leistungsbereich für extra budgetär und vorab zu vergütende Leistungen sei abschließend definiert. Eine generelle Herausnahme der streitgegenständlichen Leistungen aus dem Regelleistungsvolumen komme nicht in Betracht. Es bestehe auch eine Steuerungsmöglichkeit. Ein Psychotherapeut könne diese Leistung rein tatsächlich bei so vielen Patienten nach eigener Indikationsstellung durchführen und abrechnen, wie Patienten seine Praxis aufsuchten. Damit sei die Situation der Psychotherapeuten mit der Mehrzahl der Vertragsärzte vergleichbar. Ihnen sei es möglich, den Umfang der für notwendig und wirtschaftlich gehaltenen Behandlungen im Wesentlichen selbst zu steuern. Zwischenzeitlich habe auch das Bundessozialgericht das Urteil des SG Reutlingen abgeändert. Sicherstellungsgründe lägen auch dann nicht vor, wenn man allein auf den Planungsbereich abstellen würde. Im Planungsbereich Rheingau-Taunus-Kreis seien acht weitere Kinder- und Jugendpsychotherapeuten tätig. Im Quartal I/06 erreiche die Klägerin nahezu das durchschnittliche Honorar der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, in den Folgequartalen liege sie jeweils darüber. Der Beschluss des Bewertungsausschusses lasse die Zusammenfassung der von ihm genannten Arztgruppen zu. Er räume auch dort einen weiteren Handlungsspielraum ein, wo bestehende Regelungen fortgeführt würden. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bildeten bereits im HVM mit den Psychologischen Psychotherapeuten eine Honorargruppe. Ein Grund hierfür sei, dass von den 1.390 Psychologischen Psychotherapeuten 80 eine sog. Doppelzulassung als Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und 183 auch die Genehmigung zur Behandlung von Kindern- und Jugendlichen nach den Psychotherapierichtlinien besäßen. Es gebe 292 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Die Zusammenführung beider Gruppen beruhe daher auf sachgerechten Erwägungen. Die unterschiedliche Bewertung des Ordinationskomplexes bei gleichem Regelleistungsvolumen führe zu keiner Schlechterstellung. Die Ziffer 23214 sehe als fakultativen Leistungsinhalt auch die intensive Beratung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen bzw. schulischen Auswirkungen und deren Bewältigung vor. Erbringe ein Psychologischer Psychotherapeut eine über die 10 Minuten des Ordinationskomplexes hinausgehende intensive Beratung, werde er neben den Ziffern 23210 bis 23212 eine weitere Gesprächsziffer abrechnen, so z. B. die Ziffer 23220. Es sei davon auszugehen, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten für ein vergleichbar intensives Gespräch ähnlich hohe Punktzahlen anforderten. Ein Psychologischer Psychotherapeut erbringe pro Behandlungsfall 0,62 und ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut 0,84 probatorische Sitzungen pro Behandlungsfall. Sie sei an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden. Die Honorarhöhe sei nicht Verfahrensgegenstand.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens für die Quartale ab II/05 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Bescheid der Beklagten vom 25.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 ist rechtswidrig. Bei der Bemessung des Regelleistungsvolumens werden nicht hinreichend die Unterschiede zwischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den übrigen Psychotherapeuten berücksichtigt. Ferner hat die Beklagte verkannt, dass aufgrund der Neuniederlassung der Klägerin in A Stadt ein Ausnahmetatbestand vorliegt.

Nach Ziffer 6.3 der hier maßgeblichen Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen e. V. (VdAK) – Landesvertretung Hessen, dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e. V. – Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 vom 10.11.2005, veröffentlicht durch die Beklagte als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung &8208; Landesstelle &8208; vom 10.11.2005, die in den Folgequartalen fortgeführt wurde (im Folgenden: HVV), sind praxisindividuelle Regelleistungsvolumina zu bilden, da der Kläger zu den entsprechenden Arztgruppen gehört.

Im Einzelnen bestimmt Ziffer 6.3 HVV:

Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zu treffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:

130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte Richtlinien unterliegen,

alternativ

30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte

Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.

Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach verstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.

Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 BMVÄ bzw. § 25 Absatz 1 Satz 1 GKV zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 Und 2 zu Ziffer 7.1 Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Die so festgestellten Fallzahlen reduzieren sich dabei (vorab der Berechnung des praxisindividuellen (fallzahlabhängigen) Regelleistungsvolumens) aufgrund einer zuvor durchgeführten fallzahlabhängigen Bewertung (Fallzahlbegrenzungsregelung) gemäß Ziffer 5.2, wobei die aus dieser Maßnahme resultierende Reduzierung anteilig auf die Altersklassen zu verteilen ist.

Das nach dieser Vorschrift festgestellte Regelleistungsvolumen einer Praxis im aktuellen Quartal ist dann nachfolgend für jeden über 150% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal hinausgehenden Fall um 25% zu mindern. Die Feststellung der relevanten durchschnittlichen Fallzahl erfolgt bei Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung unterliegen, je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.

Für die Bildung des Regelleistungsvolumens einer Praxis im Abrechnungsquartal gilt im Übrigen eine Fallzahlobergrenze in Höhe von 200% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal. Überschreitet eine Praxis im aktuellen Abrechnungsquartal diese Fallzahlobergrenze, tritt diese anstelle der praxisindividuellen Fallzahl bei der Ermittlung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens. Dabei bestimmt sich im Falle von Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die keiner Leistungsbeschränkung unterliegen, die Fallzahlobergrenze aus den arztgruppenbezogenen durchschnittlichen Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Art bzw. Psychotherapeuten.

Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, bestimmt sich die durchschnittliche Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal für vorstehende Bewertungsvorgaben bzw. Fallzahlobergrenze aus der Honorar(unter)gruppe, zu der sie nach dem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

Soweit in der Anlage zu Ziffer 6.3 Arztgruppen nicht aufgeführt sind, gehen deren Fälle und Honoraranforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens ein.

Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.

Die Kammer hält diese Regelungen, soweit sie hier streitbefangen sind, grundsätzlich für rechtmäßig.

Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.

Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III.3.1 Abs. 4 BRLV).

Die Kammer sieht in diesen Bestimmungen eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses. Dies hat die Kammer bereits für die von der Beklagten vorgenommene und gegen die Vorgaben des Bewertungsausschusses verstoßende Einbeziehung von Dialyseleistungen in die Regelleistungsvolumina festgestellt (vgl. Urteil der Kammer vom 26.09.2007 - S 12 KA 822/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht zurückgewiesen (LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008 - L 4 KA 69/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig - B 6 KA 31/08 -). Es hat im Einzelnen dargelegt, dass ein Honorarverteilungsvertrag nach der gesetzlichen Fiktion des § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V aus einem Beschlussteil und dem zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Teil besteht, dass im Falle einer divergenten Regelung den bundeseinheitlichen Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses der Vorrang zu kommt und dass die Vertragspartner des Honorarverteilungsvertrags an die Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses in der Weise gebunden sind, dass sie rechtswirksam keine abweichende Regelung treffen konnten. Dem folgt die Kammer vollumfänglich.

In der Anlage 1 BRLV werden unter den Arztgruppen, für die Arztgruppentöpfe gemäß III.1. BRLV und Regelleistungsvolumen gemäß III.3.1 BRLV berechnet werden, die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten genannt. Daneben werden auch "andere ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte, Psychologische Psychotherapeuten" genannt, wobei im Honorarverteilungsvertrag weitere Differenzierungen oder Zusammenfassungen der im BRLV aufgeführten Arztgruppen vereinbart werden können (Anlage 1 zum Teil III Abs. 2 BRLV). Im HVV wird von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und wird entsprechend die Honorar(unter)gruppe B 2.25 "Psychotherapeutisch tätige Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (VfG 55-01, 56, 71, 72, 83-81, 84, 85-21, 85-95, 86 81)" gebildet und werden für "Ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten" gemäß der Anlage zu Ziff. 6.3 HVV die im Widerspruchsbescheid genannten Fallpunktzahlen vorgegeben.

Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben. Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden, zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).

Regelleistungsvolumina dienen damit der Kalkulationssicherheit bei der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen (vgl. Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, Kommentar, § 85, Rn. 256a f.; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 26.02.2008, § 85, Rn. 164). Zum anderen haben sie aufgrund des Zwecks, der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung zu tragen als auch den ökonomischen Anreiz zur Ausweitung der Leistungsmenge zu verringern, auch den Charakter von Honorarbegrenzungsmaßnahmen (vgl. Engelhard, ebd.). Nach Auffassung der Kammer steht aber angesichts der gesetzgeberischen Vorgaben der Gesetzeszweck der Kalkulationssicherheit im Vordergrund, insbesondere auch im Hinblick auf eine begrenzte Gesamtvergütung bei insgesamt steigenden Leistungsanforderungen.

Soweit die HVV-Vertragsparteien bei der Festsetzung der Fallpunktzahlen abweichend von der Anlage 2 BRLV den Referenzzeitraum auf das 1. Halbjahr 2004 beschränkt haben – nach der Anlage 2 ist der arztgruppenspezifische Leistungsbedarf in Punkten im Zeitraum vom 2. Halbjahr 2003 bis zum 1. Halbjahr 2004 zu ermitteln -, sieht die Kammer dies unter Zurückstellung erheblicher Bedenken für gerade noch vom Gestaltungsspielraum der HVV-Vertragsparteien als gedeckt an. Insofern kann eine Ermächtigung hierfür in Abschnitt III.3.1 Abs. 3 BRLV gesehen werden, wonach die HVV-Vertragsparteien zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung Anpassungen der Regelleistungsvolumen vornehmen können. Der Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 112. Sitzung hat zudem, allerdings erst mit Wirkung zum 01.04.2006, in einer angefügten Fußnote 2 klargestellt, dass die Formel zur Ermittlung der KV-bezogenen, arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl im Einvernehmen der Partner der Honorarverteilungsverträge modifiziert werden und ein abweichendes Verfahren zur Festlegung des arztgruppenspezifischen Leistungsbedarfs vereinbart werden kann.

Die Vertragsparteien des HVV haben aber verkannt, dass für die Bemessung des Regelleistungsvolumens zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung gebieten. Insofern verstoßen die einheitlichen Fallpunktzahlen in der Anlage zu Ziff. 6.3 HVV gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Zudem ermächtigt Abschnitt III.3.1 Abs. 3 BRLV die HVV-Vertragsparteien, zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung Anpassungen der Regelleistungsvolumen vorzunehmen. Im Hinblick auf die signifikanten Unterschiede zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten, was sogleich im Einzelnen erläutert wird, waren die HVV-Vertragsparteien verpflichtet, hiervon Gebrauch zu machen.

Bei der Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen ist ein Gestaltungsspielraum eröffnet. Die Gestaltungsfreiheit ist eine Ausprägung des mit Rechtsetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Dieses wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Regelung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Allerdings sind bei der Wahrnehmung des Gestaltungsspielraums die gesetzlichen Vorgaben - insbesondere in § 85 Abs. 4 ff. SGB V - sowie die Anforderungen des Verfassungsrechts zu beachten, die vor allem in dem aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit konkretisiert worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2007 - B 6 KA 2/07 R - juris Rdnr. 15). Dies bedeutet zwar nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssten. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit stellt nur einen Grundsatz dar, von dem aus sachlichem

Grund abgewichen werden darf (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 5/04 R - SozR 4 2500 § 85 Nr. 17 = GesR 2005, 567 = USK 2005-104, juris Rdnr. 18).

Innerhalb der klägerischen Honorar(unter)gruppe fallen, da die genehmigungspflichtigen Psychotherapieleistungen in das Regelleistungsvolumen nicht einbezogen werden, insbesondere die Ordinationsgebühr und die probatorischen Sitzungen. Die Ordinationsgebühr fällt regelmäßig einmal im Quartal pro Behandlungsfall an, die nach Ziffer 35150 EBM 2005 mit 1.495 Punkten bewertete probatorische Sitzung erbringt ein Psychologischer Psychotherapeut 0,62-mal und ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut 0,84-mal pro Behandlungsfall im Quartal. Damit fallen durchschnittlich 927 bzw. 1.226 Punkte pro Behandlungsfall im Quartal an. Der Ordinationskomplex für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten beträgt nach Ziffer 23210 bis 23212 EBM 2005 jeweils 120 Punkte für alle Altersklassen, dem gegenüber beträgt der Ordinationskomplex für Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten nach Ziffer 23214 EBM 2005 für alle Altersklassen 510 Punkte. Soweit diese Leistung im Regelfall für jeden Patienten annähernd erbracht wird, fallen bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vorneweg 390 Punkte pro Behandlungsfall mehr an, ohne dass dies bei den Fallpunktzahlen zum Ausdruck kommt. Im Einzelnen folgen hieraus folgende Relationen:

Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten Ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte, Psychologische Psychotherapeuten
1 Ordinationskomplex 510 120
2 Probatorischen Sitzungen 1.226 927
3 Summe 1.736 1.047

Regelleistungsvolumen
4 Altersgruppe 6-59 PK/EK 1.054/1.166 1.054/1.166
5 Altersgruppe 0-5 1.050/956 1.050/956
6 Altersgruppe ) 60 1.054/1.065 1.054/1.065

Verhältnis Zeile 3 zu 4 in % 165/148 99/90
Verhältnis Zeile 3 zu 5 in % 165/182 100/109
Verhältnis Zeile 3 zu 6 in % 165/163 99/98

Im Ergebnis bedeutet dies, dass – unter Vernachlässigung weiterer Leistungen, insb. der für alle Behandler gleich bewerteten Leistungen nach Ziffer 23214 (Konsultationskomplex), Ziffer 23220 (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung) und der Leistungen nach Ziffer 35100 bis 35142 EBM 2005 - statistisch die Gruppe der Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten das Regelleistungsvolumen immer um mindestens 48 bis 82 % überschreiten, wobei in der Hauptgruppe der 6 bis 18 Jahre alten Versicherten die Überschreitung 65 % im Primär- und 48 % im Ersatzkassenbereich beträgt, während die Gruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten rechnerisch lediglich in der Altersgruppe der 0 bis 5 Jahre alten Versicherten das Regelleistungsvolumen um 9 % überschreitet. Zu beachten ist ferner, das das Regelleistungsvolumen – unter Vernachlässigung der sog. Transkodierung, also unter Berücksichtigung der Neufassung des EBM - auf dem Leistungsbedarf von lediglich 80 % im Referenzzeitraum beruht (vgl. Anlage 2 BRLV), also rechnerische Überschreitungen des Regelleistungsvolumens von 25 % systemimmanent bereits angelegt sind. Dies bedeutet eine Ungleichbehandlung der Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten und führt insbesondere zur Nichtbeachtung der vom Bewertungsausschuss im EBM festgelegten Höherbewertung des Ordinationskomplexes für die Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten. Für den Ordinationskomplex und die Probatorischen Sitzungen haben die Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten von vornherein einen um 66 % erhöhten Leistungsbedarf gegenüber den übrigen Leistungserbringern ihrer Honorar(unter)gruppe, was die Kammer im Hinblick auf die Gleichbehandlung für signifikant hält.

Der Umstand, dass von den 1.390 Psychologischen Psychotherapeuten 80 eine sog. Doppelzulassung als Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und 183 auch die Genehmigung zur Behandlung von Kindern- und Jugendlichen nach den Psychotherapierichtlinien besitzen, folgt keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Im Einzelfall kann hier das Regelleistungsvolumen durch eine Ausnahmegenehmigung ggf. angepasst werden. Die Zusammenführung beider Gruppen beruht nur insoweit auf sachgerechten Erwägungen, als eine einheitliche Honorar(unter)gruppe gebildet wird, was im Übrigen auch im Hinblick auf die genehmigungspflichtigen Leistungen sachgerecht sein kann. Dies führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass für alle Teile der Honorar(unter)gruppe gleich große Fallpunktzahlen zu bilden sind.

Die unterschiedliche Bewertung des Ordinationskomplexes bei gleichem Regelleistungsvolumen führt aus den genannten Gründen zu einer Schlechterstellung der Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten. Die Ziffer 23214 sieht gegenüber den Ziffern 23210 bis 23212 EBM 2005 als fakultativen Leistungsinhalt zusätzlich auch die intensive Beratung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen bzw. schulischen Auswirkungen und deren Bewältigung vor. Damit unterstellt der Bewertungsausschuss grundsätzlich, das heißt durchschnittlich einen höheren Leistungsaufwand, was sich im Regelleistungsvolumen wiederfinden muss, da bereits mit der Einbeziehung dieses zusätzlichen Aufwands in eine Komplexziffer eine Budgetierung erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass die übrigen Psychotherapeuten im Regelfall den gleichen Aufwand haben wie die Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten. Soweit über den Ordinationskomplex hinaus eine mit dieser Leistungsziffer bereits abgegoltene intensive Beratung notwendig wird, kann dies ggf. über weitere Gesprächsziffern abgerechnet werden, was aber für die gesamte Honorar(unter)gruppe gilt.

Soweit das Regelleistungsvolumen wegen der Herausnahme der genehmigungspflichtigen Psychotherapieleistungen nur einen geringen Teil der Honoraranforderung betrifft, so ändert dies nichts an der Ungleichbehandlung innerhalb der klägerischen Honorar(unter)gruppe.

Vor einer Neubescheidung werden die Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrags eine entsprechende Anpassung der Fallpunktzahlen für die Teilgruppe der Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeuten unter Beachtung der unterschiedlichen Bewertung des Ordinationskomplexes vorzunehmen haben. Ferner haben Sie die unterschiedlichen Anforderungen der probatorischen Sitzungen zu berücksichtigen, die offensichtlich der unterschiedlichen Patientenschaft beider Teilgruppen der Honorar(unter)gruppe geschuldet sind. Soweit darüber hinaus signifikante Unterschiede bei den übrigen in das Regelleistungsvolumen einbezogenen Leistungen bestehen, die sachlichen Gesichtspunkten geschuldet sind, kann dies ebf. berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Neubescheidung hat die Beklagte diese Erwägungen dann im Einzelnen zu erläutern.

Die Kammer hat auch noch nicht entschieden, dass das Regelleistungsvolumen für die klägerische Honorar(unter)gruppe richtig berechnet sei. Das Urteil der Kammer v. 27.08.2008 - S 12 KA 424/07 – (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 76/08 -) betraf eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und –psychotherapie.

Auf die gänzliche Herausnahme der probatorischen Sitzungen aus dem Regelleistungsvolumen besteht kein Anspruch. Dies sieht Abschnitt III.4.1 und III.4.2. BRLV nicht vor. Die Kammer hält dies nicht für rechtswidrig.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der hier abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, war der Bewertungsausschuss nicht verpflichtet, in der ihm obliegenden Normierung von Vorgaben für eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit eine Punktwertstützung auch für die probatorischen Sitzungen nach Nr. 870 EBM a. F. vorzusehen. Der Bewertungsausschuss ist zwar grundsätzlich befugt, inhaltliche Vorgaben für die angemessene Honorierung psychotherapeutischer Leistungen auch für diejenigen Leistungen festzulegen, die nur zeitgebunden und nicht genehmigungsbedürftig sind. Andererseits ist es dem Bewertungsausschuss aber nicht verwehrt, sich darauf zu beschränken, eine Punktwertstützung nur für diejenigen Leistungen vorzugeben, die sowohl zeitgebunden als auch genehmigungsbedürftig sind (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2007 - B 6 KA 35/06 R - juris Rdnr. 10 ff.). Soweit es aber an einer rechtlichen Vorgabe für einen bestimmten Punktwert fehlt, besteht kein Hindernis, diese Leistungen in das Regelleistungsvolumen einzubeziehen.

Soweit das Bundessozialgericht zunächst in einem obiter dictum der Auffassung war, es sei aber zu beachten, dass die probatorischen Sitzungen zum Kern des Leistungsspektrums der Psychotherapeuten gehörten und bei ihnen deshalb ein beliebiger Punktwertabfall auf Dauer nicht hingenommen werden dürfe (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2007 - B 6 KA 35/06 R - juris Rdnr. 17), so betrifft dies die hier nicht streitgegenständliche Honorierung der probatorischen Sitzungen. Das Bundessozialgericht hat nunmehr diese Rechtsprechung fortgeführt und aus dieser zentralen Funktion der probatorischen Sitzungen gefolgert, dass die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen der ihr - ab 01.07.2004 gemeinsam mit den Verbänden der Krankenkassen - obliegenden Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen für eine substanzielle Honorierung dieser Leistungen sorgen müsse. Die für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen müsse deshalb so honoriert werden, dass - erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen o. Ä. - jedenfalls die Hälfte des ursprünglich zur Kalkulation herangezogenen Punktwerts von 10 Pfennig (d. h. 2,56 Cent) für solche Leistungen nicht unterschritten werde (vgl. BSG, Urt. v. 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R - juris Rdnr. 64 f.).

Eine zwingende Herausnahme aus dem Regelleistungsvolumen folgt aus dieser Rechtsprechung nicht. Das Bundessozialgericht verweist selbst auf Mengenbegrenzungsregelungen. Die Honorarhöhe wird insofern maßgeblich auch vom Punktwert bestimmt. Ob die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten diesen Anforderungen genügen, ist ggf. in einem Verfahren bzgl. der Anfechtung der Honorarbescheide nachzuprüfen. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist aber ausschließlich die Frage der Zuerkennung des Regelleistungsvolumens und nicht die Frage der ordnungsgemäßen Honorierung.

Im Übrigen besteht auch ein Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung.

Nach der Ermächtigung in Ziff. 6.3 HVV ist der Vorstand verpflichtet, bei Vorliegen von Sicherstellungsgründen sein Ermessen im Hinblick auf eine Sonderregelung auszuüben. Dies hat die Beklagte nicht verkannt. Nach Auffassung der Kammer liegt kein Ausnahmefall vor und musste die Beklagte daher von ihrem Ermessen keinen Gebrauch machen.

Wann ein solcher Ausnahmefall aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung vorliegt, wird weder im HVV noch im Beschluss des Bewertungsausschusses noch in den gesetzlichen Regelungen bestimmt und ist daher durch Auslegung zu konkretisieren.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, darf der Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung, was nach Auffassung der Kammer auch unter Geltung eines Honorarverteilungsvertrags gilt, außer zu konkretisierenden Bestimmungen, die nicht im voraus für mehrere Quartale gleichbleibend festgelegt werden können, auch dazu ermächtigt werden, Ausnahmen für sog. atypische Fälle vorzusehen. Es ist eine typische Aufgabe des Vorstandes, zu beurteilen, ob sog. atypische Fälle die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen erfüllen. Dabei beschränkt sich die Kompetenz des Vorstandes nicht auf die Statuierung von Ausnahmen für "echte Härten", vielmehr müssen sie generell für atypische Versorgungssituationen möglich sein (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 RSozR 3-2500 § 85 Nr. 31 = MedR 2000, 153, juris Rn. 36; BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 27, juris Rn. 23). So hat das BSG eine vom Vorstand getroffene Sonderregelung für spezialisierte Internisten nicht beanstandet. Die Entscheidung, dass bei den Internisten, die eine Teilgebietsbezeichnung führten und deren spezielle Leistungen (einschließlich Folgeleistungen) 30 % der Gesamthonoraranforderung ausmachten, diese Leistungen herausgerechnet werden und dass diejenigen, deren spezialisierte Leistungen sogar 50 % der Gesamthonoraranforderung ausmachten, gänzlich von der Teilquotierung freigestellt werden, enthalte Schematisierungen, die nicht als sachwidrig beanstandet werden könnten. Derartige mit scharfen Grenzziehungen einhergehende Härten seien - wie z.B. auch für Stichtagsregelungen anerkannt - hinzunehmen, solange sie nicht im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung willkürlich seien (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R – aaO., Rn. 36). Eine Generalklausel könne z.B. zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, weil etwa einer von wenigen Vertragszahnärzten in einer Stadt unvorhergesehen aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschieden sei. Die von diesem Zahnarzt bisher behandelten Patienten müssten dann kurzfristig auf andere Zahnarztpraxen ausweichen, was zwangsläufig zu einer von diesen Praxen nur eingeschränkt steuerbaren Erhöhung der Zahl der dort behandelten Patienten führen werde. Vergleichbares gelte für die Änderung der Behandlungsausrichtung einer zahnärztlichen Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum, etwa wenn sich ein bisher allgemein zahnärztlich tätiger Vertragszahnarzt auf oral-chirurgische Behandlungen konzentriert und deshalb höhere Fallwerte erreiche (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R – aaO. Rn. 23). Darauf reagierende Differenzierungen hinsichtlich der Festlegung der individuellen Bemessungsgrundlage seien nicht nur dann geboten, wenn ihr Unterlassen zur Existenzgefährdung zahnärztlicher Praxen führen würde. Ein Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass sich auf eine Verletzung des Gebotes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nur solche Vertrags(zahn)ärzte berufen können, bei denen die Anwendung der jeweils angegriffenen Honorarverteilungsregelung zu existenzbedrohenden Konsequenzen führen könnte, ist dem Vertrags(zahn)arztrecht fremd (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R – aaO. Rn. 25).

Zur Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets gemäß Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I., Teil B, EBM 1996 im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs hat das BSG zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" entschieden, dass der besondere Versorgungsbedarf eine im Leistungsangebot der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung voraussetze, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Dies erfordere vom Leistungsvolumen her, dass bei dem Arzt das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem vom Budget erfassten Bereich die Budgetgrenze übersteige und zudem, dass bei ihm im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliegt, die zwar allein noch nicht ausreiche, aber immerhin ein Indiz für eine entsprechende Spezialisierung darstelle (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 80/04 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 = GesR 2006, 363, juris Rn. 15 m.w.N.). Zu Erweiterungen der Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B Nr. 4.3 EBM 1996 hat das BSG ebf. entschieden, dies setze voraus, dass im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis habe (vgl. BSG, Urt. v. 02.04.2003 - B 6 KA 48/02 - SozR 4-2500 § 87 Nr. 1, juris Rn. 23; BSG, Urt. v. 02.04.2003 – B 6 KA 48/02 RSozR 3-2500 § 87 Nr. 31, juris Rn. 26 f.).

Die Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Der Beklagten steht insoweit kein – der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher – Beurteilungsspielraum zu. Es gelten dieselben Erwägungen wie zu den Ausnahmen von der Teilbudgetierung nach Nr. 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 26) und der Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31).

Ausgehend hiervon hält die Kammer zunächst die Ermächtigung des Vorstands der Beklagten für rechtmäßig. Die Kammer vermag aber keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Höhe des Honorars und Umfang des Regelleistungsvolumens zu erkennen. Die Fallpunktzahlen werden, KV-bezogen und nach Altersgruppen, anhand des artgruppenspezifischen Leistungsbedarfs in Punkten in den Quartalen III/03 bis II/04 bzw. von den HVV-Vertragsparteien in den Quartalen I und II/04 und der Fallzahl berechnet. Der so ermittelte Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen wird mit dem Faktor 0,8 malgenommen, d. h. um 20 % vermindert (vgl. Anlage 2 zum Teil III BRLV). Im Ergebnis bedeutet dies, dass jeder Vertragsarzt nicht eigene Durchschnittswerte, sondern die seiner Honorargruppe zuerkannt bekommt. Damit gehen die Honorarregelungen von einem gleichförmigen Leistungsgeschehen aus, was im Grundsatz, da auf die Fachgruppen abgestellt wird, nicht zu beanstanden ist. Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann jedoch dann vorliegen, wenn die Praxis ein zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdeckt. Dies ist aber unabhängig von der Honorarhöhe oder evtl. erfolgten Ausgleichszahlungen nach Ziff. 7.5 HVV. Maßstab ist allein, wie bereits ausgeführt, ob im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis hat. Die Kammer hält es auch für unzulässig, den Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten. In der Konsequenz kann dies bedeuten, dass Spezialisierungen mit besonderen Praxisschwerpunkten nicht mehr gebildet werden können mit der weiteren Konsequenz, dass diese Leistungen nicht oder in nur ungenügendem Umfang erbracht werden. Auch unter einer sog. gedeckelten Gesamtvergütung hat das Honorar grundsätzlich der Leistung nachzufolgen und sich das Leistungsgeschehen nicht, zumindest nicht vordringlich an den Honoraranreizen zu orientieren.

Soweit die Honorarausstattung der einzelnen Honorar(unter)gruppen auf Basis der tatsächlich in den jeweiligen Quartalen des Jahres 2004 erfolgten Honorarzahlungen erfolgt, sodass in der Ermittlung der maßgeblichen RLV-Fallpunktzahlen das von der Arzt-/Fachgruppe abgerechnete Honorarvolumen für die hier streitigen Leistungen einbezogen ist, kann im Rahmen des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur maßgebend sein, ob hier eine normale Streuung in der Fachgruppe vorhanden ist oder die Einzelpraxis signifikant hiervon abweicht.

Der Beklagten mag zwar zuzugestehen sein, dass im Ergebnis die Anwendung der Ziff. 7.5 HVV, deren Inhalt und Rechtmäßigkeit nicht Gegenstand dieses Verfahrens war, die Bedeutung des Umfangs des Regelleistungsvolumens verringern, da Ziff. 7.5 HVV wesentlich an den individuellen Fallwerten des Vorjahresquartals anknüpft und auf dieser Grundlage Honorarveränderungen im Bereich von mehr als 5 % nach oben oder unten weitgehend nivelliert. Die Ausnahmeregelung im HVV sieht aber eine solche Verknüpfung zur Regelung nach Ziff. 7.5 HVV nicht vor, sondern ist vielmehr gerade Ausdruck des Gleichbehandlungsgebots, nach dem Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Im Übrigen verliert die Honorarverteilung an Transparenz und Akzeptanz, wenn Unterschiede im Leistungsgeschehen nicht mehr adäquat erfasst werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es bei Feststellung der Sicherstellungsgründe nicht allein auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis an. Maßgebend für die hier strittige Ausnahmeregelung ist der Versorgungsschwerpunkt der Praxis. Mit der Erbringung der Leistungen wird zunächst der Bedarf dokumentiert, soweit eine Fehlabrechnung oder Unwirtschaftlichkeit ausgeschlossen werden kann. Der mit einer Spezialisierung einhergehende vermehrte Zulauf von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern kann gerade auch Ausdruck der Qualität und des Rufs der Praxis sein.

Allerdings ist andererseits zu berücksichtigen, dass nicht jede im Vergleich zur Fachgruppe vermehrte Erbringung von Einzelleistungen oder Leistungsgruppen oder Spezialisierung einen Ausnahmefall begründen kann, da dann die Regelleistungsvolumina ihren Zweck der Kalkulationssicherheit nicht mehr erreichen könnten. § 85 Abs. 4 und 4a SGB V gibt keine Vorgabe für differenzierte Ausnahmen und gibt insoweit die Tendenz der Nivellierung des Leistungsgeschehens vor. Von daher ist es auch nicht zu beanstanden, dass weder der Bewertungsausschuss noch der HVV ein den die früheren Praxisbudgets ergänzenden Zusatzbudgets vergleichbares Instrumentarium vorsehen. Auch wird im Regelfall ein Ausnahmetatbestand nicht vorliegen, wenn generell in allen oder vielen Leistungsbereichen ein gegenüber der Fachgruppe erhöhtes Leistungsvolumen abgerechnet wird, da insoweit die Regelleistungsvolumina auch der Leistungsbegrenzung dienen. Eine generelle Festlegung, wann ein Ausnahmefall vorliegt, kann aber, da es sich um eine Regelung für atypische Einzelfälle handelt, nicht getroffen werden.

Es liegt im Fall der Klägerin als aufgrund der Neuniederlassung faktische Praxisanfängerin ein Ausnahmefall, der ein Abweichen vom festgesetzten Regelleistungsvolumen rechtfertigt, vor. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei neuen Patienten vermehrt Gesprächs- bzw. Beratungsleistungen und Leistungen der Diagnostik anfielen.

Die Kammer hat bereits für eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und –psychotherapie entschieden, dass jedenfalls für diese Fachgruppe, die einen Großteil der Patienten über mehrere Quartale hinweg behandelt und im Wesentlichen eine Behandlung mit zeitintensiven Leistungen vornehmen muss, eine Besonderheit vorliegt. Praxisanfänger müssten sich erst einen Patientenstamm aufbauen. Vor einer evtl. medikamentösen Behandlung und Einstellung bedürfe es gerade auch im Hinblick auf das Alter der Patienten einer sorgfältigen Abklärung. Für die ersten Quartale benötigten Praxisanfänger der Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und –psychotherapie daher vermehrt Leistungen nach der Ziffer 14220 EBM 2005. Unter Einrechnung des Ordinations- und Konsultationskomplexes von zusammen 605 Punkten verblieben einer Praxis der Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und –psychotherapie etwa 1.500 Punkte, unter Einrechnung des Umstandes, dass das Regelleistungsvolumen nur 80 % des Durchschnitts betrage, noch ca. 2.000 Punkte. Damit könne die mit 345 Punkten je vollendete 10 Minuten bewertete Leistung nach Ziffer 14220 EBM 2005 (kinder- und jugendpsychiatrisches Gespräch, kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung) nur höchsten etwa sechsmal im Durchschnitt abgerechnet werden. Das bedeute, dass eine regelleistungsvolumenkonforme Behandlung nur im Durchschnitt eine einstündige Behandlung im Quartal zulasse. Die insoweit fachkundig mit einem Arzt für Allgemeinmedizin und einem Psychotherapeuten besetzte Kammer halte dies jedenfalls für die erste Zeit für unzureichend. Die Kammer gehe dabei davon aus, dass für den Aufbau der Praxis, nach dessen Abschluss möglicherweise das Regelleistungsvolumen ausreichend sei, ein Zeitraum von acht Quartalen benötigt werde. Für das erste Quartal dürfe eine Beschränkung nicht erfolgen, für die Folgequartale, also das zweite bis achte Quartal, sei das Regelleistungsvolumen zu verdoppeln. Diese Größen habe die Kammer aufgrund des ärztlichen und psychotherapeutischen Erfahrungswissens gegriffen, um eine Begrenzung des Leistungsvolumens vorzugeben. Die Kammer weise vorsorglich darauf hin, dass dies nicht für alle Praxisanfänger gelte, sondern der besonderen Situation der Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und psychotherapie bzw. deren Patientenschaft geschuldet sei. Auf dieser Grundlage werde die Beklagte die Klägerin hinsichtlich einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen neu zu bescheiden haben (SG Marburg, Urt. v. 27.08.2008 - S 12 KA 424/07 –, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 76/08 ).

An dieser Rechtsprechung hält die Kammer nach erneuter Überprüfung fest. Gerade für die probatorischen Sitzungen bei Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gilt ebf., dass diese vermehrt in den ersten Quartalen einer neu gegründeten Praxis anfallen. Aufgrund der Verlegung des Praxisstandorts von DD. nach A-Stadt ist die Klägerin in diesem Sinne wie eine Praxisanfängerin zu behandeln, da es aufgrund der räumlichen Entfernung ausgeschlossen werden kann, dass sie Patienten in nennenswertem Umfang weiterbehandeln konnte. Die probatorische Sitzung nach Ziffer 35150 EBM 2005 ist mit 1.495 Punkten bewertet. Sie kann jeweils bis zu fünf bzw. acht Sitzungen (Abschnitt E 1.1.1. der Psychotherapie-Richtlinien) abgerechnet werden. Eine Mischkalkulation mit den bereits in Psychotherapie übernommenen Behandlungsfällen ist am Anfang einer Praxistätigkeit nicht bzw. nur begrenz möglich. Zu berücksichtigen ist ferner für Psychotherapeuten, dass die Fallzahlen sehr gering sind und dass insofern einzelne Behandlungsfälle viel stärker ins Gewicht fallen. Die Kammer hält es daher für angemessen, dass im ersten Abrechnungsquartal nach Niederlassung bzw. Neuniederlassung eine Beschränkung nicht erfolgen darf, d. h., dass die Leistungen nach Ziffer 35150 EBM 2005 aus dem Regelleistungsvolumen herauszurechnen sind. Für die Folgequartale, also das zweite bis achte Quartal, ist das Regelleistungsvolumen zu verdoppeln. Diese Größen hat die Kammer aufgrund ihres ärztlichen Erfahrungswissens gegriffen, um eine Begrenzung des Leistungsvolumens vorzugeben. Die Kammer weist erneut vorsorglich darauf hin, dass dies nicht für alle Praxisanfänger gilt, sondern der besonderen Situation der Fachgruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Psychotherapeuten und insbesondere der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bzw. deren Patientenschaft geschuldet ist. Dies wird die Beklagte bei Neubescheidung der Klägerin hinsichtlich einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen ebf. zu beachten haben.

Nach allem war der Klage stattzugeben und wird die Beklagte die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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