L 14 B 1818/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 AS 17343/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1818/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Beschluss des Sozialgerichts, das abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. März 2008 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ab April 2008 weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu erbringen, erweist sich jedenfalls insoweit als zutreffend, als der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren noch weiterverfolgt, nämlich hinsichtlich des Zeitraums von Juni bis Oktober 2008.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG – setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hier ist aber bereits das Bestehen eines Anordnungsanspruches fraglich. Viel spricht dafür, dass der Antragsgegner mit Recht die Rentennachzahlung aus der Unfallversicherung in Höhe von 10.342,02 EUR als ein im Monat Oktober 2007 erzieltes Einkommen des Antragstellers angesehen hat. Nach der Zuflusstheorie (vgl. dazu Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 18-21) kommt es nicht darauf an, für welche Zeiträume die Rente gezahlt wird, sondern wann die Zahlung erfolgt ist. Die Nachzahlung kann jedenfalls nicht als bewusst angespartes Vermögen angesehen werden, da der Antragsteller es nicht in der Hand hatte, über den Zeitpunkt des Beginns der laufenden Rentenzahlungen oder den der Abrechnung der Nachzahlung zu bestimmen (vgl. insoweit Bundessozialgericht – BSG -, Urt. v. 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R -). Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG auch nicht nach § 11 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch - SGB II – von der Anrechnung als Einkommen ausgenommen (vgl. BSG, Urt. v. 5. September 2007 – B 11b AS 15/06 R -).

Als einmalige Einnahme wäre die Rentennachzahlung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 iVm § 2b der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – ALG II-VO - in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bzw. gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 iVm § 4 ALG II-VO in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. Da die Summe von 10.342,02 EUR ausreicht, um – zusammen mit der laufenden Rentenzahlung in Höhe von 289,15 EUR monatlich - den Bedarf des Antragstellers für ein Jahr zu decken, erscheint es nicht offensichtlich fehlerhaft, dass der Antragsgegner die Nachzahlung anteilig als monatliche Einnahmen auf ein Jahr verteilt hat, das mit dem Monat begann, der auf den Zeitpunkt des Zuflusses folgte (November 2007). Dann würde aber mangels Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II) kein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II für den hier streitigen Zeitraum von Juni bis Oktober 2008 bestehen. Im Übrigen wäre auch kein Anordnungsgrund gegeben, weil unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegner ihn mit Recht darauf verwiesen hat, die Rentennachzahlung zur Deckung seines Lebensbedarfes zu verwenden, der Antragsteller den Betrag (jedenfalls zunächst) tatsächlich zur Verfügung hatte.

Zwar könnte sich - trotz Anrechenbarkeit der Rentennachzahlung als Einkommen - ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende noch daraus ergeben, dass der Antragsteller das ihm zur Verfügung stehende Geld in dem hier streitigen Zeitraum (Juni bis Oktober 2008) tatsächlich bereits verbraucht hatte und er deswegen bedürftig war. Insoweit ist er indessen darauf zu verweisen, seine Ansprüche im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens klären zu lassen - was allerdings voraussetzt, dass der Antragsgegner zunächst über den (in der Verwaltungsakte [VA] zu findenden [vgl. Blatt 192 VA]) Antrag auf Leistungen für den Zeitraum ab dem 1. April 2008 entscheidet. Die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren rechtfertigt sich daraus, dass nicht zweifelsfrei ist, ob die zugeflossene Nachzahlung schon vor Ablauf des streitigen Zeitraums restlos verbraucht war. Dagegen spricht, dass im Februar 2008 auf dem (gemeinsamen) Konto des Antragstellers noch ein Guthaben von 3.798,53 EUR vorhanden war, dessen Verbleib trotz Nachfrage des Senats ungeklärt ist. Kontoauszüge, die den Abfluss (und damit die Verwendung) dieses Guthabens belegen könnten, sind nicht vorgelegt worden, die sonstigen Angaben sind unbestimmt. Auch in der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers und seiner Mutter wird nur angegeben, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt (16. Oktober 2008) keine Mittel mehr zur Verfügung standen. Das belegt aber keine Notlage für die schon vergangene Zeit; für die Zukunft (ab November 2008) hat der Antragsgegner ohnehin wieder Leistungen bewilligt.

Selbst wenn die Mittel bereits vorher erschöpft gewesen sein sollten, bliebe zu berücksichtigen, dass der Antragsteller wegen der Rentennachzahlung ab Dezember 2007 keine Leistungen von dem Antragsgegner mehr erhielt. Durch Bescheid vom 18. März 2008 ist er dann ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Leistungen erst in zwölf Monaten (beginnend ab November 2007) wieder gewährt werden würden. Unter diesen Voraussetzungen bedeutet eine weitere Verwendung der Rentennachzahlung für Anschaffungen, statt sie für die Sicherung des Lebensunterhaltes aufzusparen, dass der Antragsteller seine Bedürftigkeit – und damit gleichzeitig die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erst rechtfertigende Dringlichkeit - mutwillig herbeiführte. Es erscheint aber rechtsmißbrächlich, einstweiligen Rechtsschutz wegen einer Notlage in Anspruch zu nehmen, deren Eintritt absehbar war und die auf andere Weise hätte verhindert werden können. Dem Antragsteller wäre zuzumuten gewesen, die Rentennachzahlung - jedenfalls bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens - für die Sicherung seines Lebensunterhaltes aufzuwenden. Deswegen erscheint der Erlass einer einstweiligen Anordnung hier nur gerechtfertigt, wenn anderenfalls eine Gefährdung der Existenz zu besorgen wäre. Davon kann indessen nicht die Rede sein. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht nunmehr fest, dass der notwendige Lebensunterhalt des Antragstellers in dem streitigen Zeitraum auch durch andere Mittel gesichert werden konnte. Danach besteht keine Veranlassung, den Antragsgegner nachträglich etwa zur Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 der Zivilprozessordnung iVm § 73 a SGG) war Prozesskostenhilfe weder für das Verfahren vor dem Sozialgericht noch für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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