S 15 KR 392/08

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 392/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Bei Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 6 ABs. 1 Nr. 1 SGB V ist auf die letzten drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahre abzustellen (Rn ...) 2. Die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfolgt bei Beginn eines beitragspflichtigen Beschäftigun
I. Der Bescheid vom 07.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2008 wird aufgehoben, soweit er die Versicherungspflicht des Klägers zum 01.01. 2008 feststellt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger ab 01.01.2008 Versicherungspflicht eingetreten ist.

Der Kläger war bis zum 31.12.2006 als angestellter Arzt beschäftigt und wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze was schon am 31.12.2002 der Fall war in der Gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei. In den Jahren 2005 und 2006 erzielte er in dieser Beschäftigung jeweils ein Arbeitseinkommen von insgesamt 52.800,00 EUR. Vom 01.01.2007 bis zum 28.02.2007 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit meldete ihn in dieser Zeit nicht als versicherungspflichtig bei der Gesetzlichen Krankenversicherung an, sondern gewährte dem Kläger einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung. Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellte der Kläger nicht. Vom 01.03.2007 bis zum 30.09.2007 war der Kläger selbständig tätig. Er gibt an, in dieser Zeit ein die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigendes Arbeitseinkommen erzielt zu haben. Seit dem 01.10.2007 ist der Kläger wieder als angestellter Arzt bei der Beigeladenen beschäftigt. Sein Arbeitseinkommen belief sich im Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2007 auf insgesamt 13.226,00 EUR und überschreitet auch seit dem 01.01.2008 die Jahresarbeitsentgeltgrenze. Der Arbeitgeber meldete den Kläger zum 01.01.2008 bei der Beklagten als versicherungspflichtig Beschäftigten an.

Der Kläger wandte sich daraufhin unter Hinweis auf seine langjährige Privatversicherung am 21.02.2008 an die Beklagte mit der Bitte um Klärung seines versicherungsrechtlichen Status. Mit Bescheid vom 07.03.2008 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 01.10.2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei gewesen sei. Zum 01.01.2008 trete Versicherungspflicht ein, weil die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht mehr erfüllt seien. Zwar liege das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt im Jahr 2008 bei vorausschauender Betrachtung über der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Jedoch sei diese innerhalb der letzten drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahre nicht durchgehend überschritten worden. Überschritten sei die Jahresarbeitsentgeltgrenze lediglich für die Jahre 2005 und 2006, nicht aber im Jahr 2007, weil die Beschäftigung erst am 01.10.2007 aufgenommen wurde und die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.09.2007 weder mit Arbeitsentgelt belegt noch als gleichgestellt zu werten sei. Seinen am 09.04.2008 hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass es nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB V schlechthin auf das Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei Kalenderjahren, nicht aber in den drei letzten Kalenderjahren ankomme. Gemäß § 6 Abs. 4 SGB V sei bei Bezug von Entgeltersatzleistungen ein regelmäßiges Arbeitsentgelt in der Höhe anzusetzen, in der es ohne die Unterbrechung erzielt worden wäre. Während der Zeit der Selbständigkeit vom 01.02.2007 bis zum 30.09.2007 habe ohnehin keine Versicherungspflicht bestanden. Die Beklagte müsse entweder das gesamte im Jahr 2007 erzielte Einkommen berücksichtigen oder das Jahr von der Betrachtung der letzten drei Kalenderjahre insgesamt ausnehmen. Dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten sei, dürfe sie jedoch nicht damit begründen, dass sie allein auf das im Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2007 erzielte Arbeitsentgelt abstellt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2008 zurück. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verlange neben der vorausschauenden Betrachtung zusätzlich eine rückschauende Bewertung des in den letzten drei Kalenderjahren bezogenen Arbeitsentgelts, in deren Folge bei erstmaliger Beschäftigungsaufnahme oder längerer Unterbrechung trotz eines vereinbarten Jahresarbeitsentgelts über der Jahresarbeitsentgeltgrenze regelmäßig Versicherungspflicht bestehe und erst nach drei Jahren Versicherungsfreiheit eintrete. Bei Aufnahme der Beschäftigung am 01.10.2007 sei der Kläger versicherungsfrei gewesen, weil sein Jahresarbeitsentgelt in den letzten drei Kalenderjahren 2004 bis 2006 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg. Ab dem 01.01.2008 sei dagegen auf die letzten drei Kalenderjahre 2005 bis 2007 abzustellen. Einnahmen, die kein Arbeitsentgelt sind, seien dabei nicht zu berücksichtigen. Gleichwohl sei stets der Jahreswert der Jahresarbeitsentgeltgrenze anzusetzen. Weil das (allein) im Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2007 erzielte Arbeitsentgelt von 13.226,00 EUR die Jahresarbeitsentgeltgrenze des Jahres 2007 nicht überschritten habe, lägen die Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit ab 2008 nicht mehr vor. Die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01.01.2007 bis zum 28.02.2007 könne nicht als Zeit des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze gewertet werden, weil der Kläger keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt habe. Die Besitzstandsregelung des § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V sei nicht einschlägig, weil der Kläger am 02.02.2007, dem maßgeblichen Stichtag nicht als Arbeiter oder Angestellter beschäftigt gewesen sei. Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 SGB V seien nicht erfüllt.

Dagegen hat der Kläger am 16.07.2008 beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, seit dem 01.01.2008 in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig zu sein.

Der Kläger macht geltend, er erfülle weiterhin die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genüge es, nur irgendwann einmal in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten gehabt zu haben. Die Beklagte sei zudem nicht befugt, laufend zum Beginn jedes Kalenderjahres zu kontrollieren, ob die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit noch vorliegen. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass, wenn der Versicherte die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinanderfolgenden Jahren überschritten hat, seine Entscheidung für eine private Krankenversicherung bei unveränderten Lebensverhältnissen dauerhaft sei und die Solidarität mit den gesetzlich Krankenversicherten beende. Die Regelung ziele darauf ab, es schon gesetzlich Versicherten, die lange beitragsfrei oder bei geringen Beiträgen Leistungen der Solidargemeinschaft erhalten haben, zu erschweren, sich nach Erzielung höheren Einkommens dieser kurzfristig zu entziehen. Es sei hingegen nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, bereits jahrelang von der Solidargemeinschaft ausgeschlossene Personen in diese wieder einzugliedern. Erst recht dürfe der Eintritt der Versicherungspflicht nicht daran anknüpfen, dass das Arbeitseinkommen aus der selbständigen Tätigkeit vom 01.03.2007 bis zum 30.09.2007 bei der Prüfung, ob eine zur Versicherungsfreiheit führende Überschreitung der Jahresentgeltgrenze vorliegt, unberücksichtigt bleibt. Es sei widersinnig, wenn gerade die zwischenzeitliche Ausübung einer nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit im Ergebnis die Versicherungspflicht auslöse. Soweit diese Folge auf einer Lücke im Gesetz beruhe, sei diese gegebenenfalls Gesetz im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen.

Der Kläger beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 07.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2008 wird aufgehoben.

Hilfsweise, festzustellen, dass der Kläger bei unveränderten Umständen seit dem 01.01.2008 in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht pflichtversichert, sondern versicherungsfrei ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aufgrund der Meldung des Arbeitgebers der Versicherungspflicht zum 01.01.2008 sei die Beklagte befugt, die Voraussetzungen der Versicherungspflicht bzw. –freiheit zu prüfen. Aus dem Sachzusammenhang und der Gesetzesbegründung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/4247 S. 30) folge, dass es auf die Jahresentgelte der letzten, nicht irgendwelcher drei Kalenderjahre ankomme. In dem Jahr 2007 habe der Kläger die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten.

Das Gericht hat mit den Beteiligten im Erörterungstermin vom 10.12.2008 den Sachverhalt ausführlich besprochen; die Beteiligten haben Ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand des Verfahrens und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Der Antrag des Klägers war unter Berücksichtigung seines Klagevorbringens nach § 123 SGG sachdienlich dahingehend auszulegen gewesen, dass er nur die Aufhebung des die Versicherungspflicht ab 01.01.2008 feststellenden Teils begehrt.

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Die Feststellung der Beklagten im angefochtenen Bescheid, ab 01.01.2008 bestehe keine Versicherungsfreiheit mehr, sondern Versicherungspflicht, ist ein belastender Verwaltungsakt, der möglicherweise die Rechte des Klägers verletzt. Die Anfechtungsklage ist einer Feststellungsklage vorgreiflich (Subsidiarität der Feststellungsklage, allg. Meinung, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 55 Rn.19 m.w.N.), weil das Ziel des Klägers, die Versicherungsfreiheit feststellen zu lassen, durch Anfechtung und Aufhebung des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides erreicht werden kann, so dass die zum 01.10.2007 festgestellt Versicherungsfreiheit weiter fortbesteht.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid vom 07.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit er die Versicherungspflicht des Klägers ab 01.01.2008 feststellt. Der Kläger war nicht nur in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2007, sondern ist auch über den 31.12.2007 hinaus nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der seit 02.02.2007 durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a, Art. 46 Abs. 4 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbes in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl I S. 378) geltenden Fassung sind versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen hat. Nach Abs. 7 beträgt abweichend von Abs. 6 Satz 1 die Jahresarbeitsentgeltgrenze für Arbeiter und Angestellte, die am 31.12. 2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren, im Jahr 2003 41.400 EUR. Abs. 6 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der ab 02.0.22007 geltenden Fassung verlangt neben einer vorausschauenden Betrachtung des Übersteigens der Jahresarbeitsentgeltgrenze mit dem künftig zu erzielenden regelmäßigen Entgelt aufgrund der Neueinführung der Worte "und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen hat" eine retrospektivische Prüfung des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren vorgesehen, um damit den Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung in die Private Krankenversicherung zu erschweren. Der Gesetzgeber wollte somit das Solidaritätsprinzip in der GKV stärken. Abhängig Beschäftigte, deren regelmäßiges Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinanderfolgenden Jahren übersteigt, müssen nunmehr bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres weiterhin den Solidaritätsbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung leisten und können sich erst dann für eine private Absicherung ihres Krankheitsrisikos entscheiden.

Zutreffend ist zunächst die Auffassung der Beklagte, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als Bezugszeitraum die letzten drei vorangegangenen Kalenderjahre heranzuziehen sind. Es würde zu willkürlichen Ergebnissen führen, die Versicherungsfreiheit davon abhängig zu machen, ob der Beschäftigte irgendwann einmal in drei zusammenhängenden Jahren ein höheres Entgelt erzielt hat, ohne dass dieser Zeitraum noch einen Bezug durch die zeitliche Nähe zur gegenwärtig ausgeübten Beschäftigung aufwiese. Dies wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes, wo der Bezugszeitraum mit den Worten "im abgelaufenen Dreijahreszeitraum" umschrieben wird (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/4247, Seite 30).

Die Beklagte hat zutreffend ab 01.10.2007 Versicherungsfreiheit beim Kläger festgestellt, weil er mit seinem regelmäßigen Entgelt aus seiner ab 01.10.2007 begonnenen Beschäftigung die jeweils für ihn geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V übersteigt und in den letzten drei zurückliegenden Kalenderjahren 2004 bis 2006 auch überstiegen hat. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die ab 01.10.2007 bestehende Versicherungsfreiheit ist jedoch nicht zum 01.01.2008 beendet worden; eine Versicherungspflicht trat entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ein. Vielmehr besteht bei gleichbleibenden regelmäßigen Arbeitsentgelten die Versicherungsfreiheit des Klägers auch über den 31.12.2007 hinaus. Zu Unrecht knüpft die Beklagte das Ende der Versicherungsfreiheit des Klägers zum Ablauf des 31.12.2007 daran, dass der Kläger ab dem 01.01.2008 nicht mehr wie von § 6 Abs. 1 SGB V voraussetzt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (hier die nach § 6 Abs. 7 SGB V) in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat. Hat die Beklagte anlässlich der Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung festgestellt, dass der Arbeiter oder Angestellte zu diesem Zeitpunkt wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenzen innerhalb der letzten drei Kalenderjahre und mit dem aus der jetzigen Beschäftigung regelmäßig erzielenden Entgelt versicherungsfrei ist, ist sie während der Dauer eines Beschäftigungsverhältnis nicht mehr zur erneuten Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V befugt, es sei denn, es ergeben sich Änderungen in den Verhältnissen i.S. von § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - z.B. in der Höhe des regelmäßigen Entgelts –, die dazu führen, dass eine einst versicherungsfreie Beschäftigung durch das Eintreten von Versicherungspflicht unterbrochen wird. Der Dreijahreszeitraum des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist nur als Voraussetzung für den Beginn der Versicherungsfreiheit und das Ende der Versicherungspflicht, nicht aber für die Aufrechterhaltung der bereits eingetretenen Versicherungsfreiheit und das Wideraufleben der Versicherungspflicht ausgestaltet. Liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einmal vor, so endet die Versicherungsfreiheit erst, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze in einer Beschäftigung wieder unterschritten wird. Die Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze im vorangegangenen Dreijahreszeitraum ist in versicherungsfreien Beschäftigungen, die im Laufe eines Jahres beginnen, nicht zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres erneut zu prüfen.

Dies ergibt sich zum Einen aus dem Anliegen des Gesetzgebers, lediglich den Übertritt gesetzlich Versicherter zur privaten Krankenversicherung, nicht aber den Verbleib privat Versicherter dort zu erschweren. Durch die gemäß Artikel 46 Abs. 4 GKV-WSG am 02.02.2007 in Kraft getretene Neufassung des § 6 Abs. 1 SGB V sollte Beschäftigten der Wechsel aus der Solidargemeinschaft der Gesetzlich Versicherten zur privaten Krankenversicherung (d.h. die Abwanderung "guter Risiken") erschwert und damit das Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt werden, indem der Eintritt der Versicherungsfreiheit hinausgeschoben wird. Zur Stärkung des Solidarprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung sollen abhängig Beschäftigte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Jahren übersteigt, bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres weiterhin ihren Solidarbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung leisten. Erst danach können sie sich für eine private Absicherung ihres Krankheitsrisikos entscheiden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, soll so die Gesetzesbegründung diese Entscheidung bei unveränderten Lebensverhältnissen jedoch dauerhaft sein und damit die Solidarität mit den gesetzlich Krankenversicherten beenden (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/3100, Seite 95). Zum Anderen kommt die Bedeutung der Dreijahresfrist als nur den Beginn der Versicherungsfreiheit bestimmende Voraussetzung im Regelungsgefüge des § 6 SGB V zum Ausdruck. § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V ordnet ausdrücklich an, dass nach dreijährigem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze die Versicherungsfreiheit zum Ablauf des Kalenderjahres beginnt und die Versicherungspflicht zum Beginn des Kalenderjahres endet. Das Gesetz löst damit den Eintritt der Rechtsfolgen von den hierfür maßgeblichen tatsächlichen Umständen der Beschäftigung insoweit ab, als es die Änderung des versicherungsrechtlichen Status nicht an Änderungen der für die Versicherungspflicht oder freiheit maßgeblichen Beschäftigung und Entgelthöhe anknüpft, sondern an ein Datum, welches das Ende des rein kalendarisch bestimmten Referenzzeitraums bezeichnet. Diese Verzögerung des Eintritts der Rechtswirkungen bis zum Jahreswechsel verfolgte bereits vor der Einführung der Wartezeit von drei Jahren durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz das Ziel, die Versicherungspflicht zu verstetigen. Für den umgekehrten Fall, dass die Versicherungsfreiheit endet und wieder Versicherungspflicht eintritt, sah das Gesetz eine solche Abkoppelung nicht vor. Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze auf Grund einer Änderung der Einkommensverhältnisse unterschritten, trat die Versicherungspflicht sofort und nicht erst zum Ende des Kalenderjahres ein. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt sind die tatsächlichen Änderungen im Beschäftigungsverhältnis, namentlich der Entgelthöhe, welche die Prognose einer künftigen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze entfallen lassen, beispielsweise Vereinbarungen über ein geringeres laufendes Arbeitsentgelts, die Abschaffung von Einmalzahlungen oder die Einschränkungen der Mehrarbeit. Hätte der Gesetzgeber des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes tatsächlich gewollt, dass künftig auch der Wiedereintritt der Versicherungspflicht zeitlich unabhängig von tatsächlichen Änderungen des laufenden Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls ausschließlich durch den Ablauf des Referenzzeitraums bestimmt werden soll, so wäre zu erwarten gewesen, dass eine solche wesentliche Änderung der Regelungsstruktur entweder wie in § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V in einer gesonderten Rechtsnorm ausdrücklich angeordnet wird oder wenigstens die dahin gehende Intention des Gesetzgebers durch einen unmissverständlichen Hinweis in der Gesetzesbegründung klargestellt wird. Weder dem Gesetz selbst noch den Gesetzesmaterialien lässt sich indessen mit der gebotenen Deutlichkeit ein Anhaltspunkt für den von der Beklagten nunmehr praktizierten neuen Beendigungstatbestand entnehmen.

Da wegen fehlender wesentlicher Änderung der Verhältnisse die Beklagte nicht befugt war, zum 01.01.2008 erneut das Vorliegen eines Übersteigens der Jahresarbeitsentgeltgrenze in den letzten drei Kalenderjahren zu überprüfen, besteht die Versicherungsfreiheit auch fort. Die Bescheide waren somit aufzuheben.

Da der Hauptantrag in der Sache Erfolg hatte, war über den Hilfsantrag nicht mehr gesondert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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