Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AL 503/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 215/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Reihenfolge der getilgten Schulden gemäß § 366 Abs. 2 BGB im Rahmen der Ermittlung des insolvenzgeldfähigen Entgeltanspruches.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 27. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Insolvenzgelds.
Der Kläger war seit dem 9. September 1996 bei der Firma P. G. F. K. , Inhaberin M. P. , als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 9. November 2001 aus betrieblichen Gründen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren schlossen der Kläger und die Arbeitgeberin am 14. Januar 2002 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage folgenden Vergleich, der nicht widerrufen wurde:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 11.10.2001 zum 31.12.2001 beendet wurde.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Nr. 9 EStG in Höhe von 3.579,04 Euro.
3. Die Beklagte zahlt an den Kläger restliche Nettoarbeitsvergütung für August 2001 in Höhe von 256,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.09.2001
4. Die Beklagte zahlt an den Kläger Bruttoarbeitsvergütung für September 2001 in Höhe von 1.429,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2001.
5. Die Beklagte zahlt an den Kläger Bruttoarbeitsvergütung für Oktober 2001 in Höhe von 1.216,36 Euro.
6. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für November und Dezember ordnungsgemäß ab und zahlt das sich aus der Abrechnung ergebende Nettoentgelt an den Kläger.
7. Die Beklagte zahlt an den Kläger restliche Urlaubsvergütung in Höhe von 127,82 Euro.
8. Die Beklagte zahlt an den Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von 255,65 Euro. "
In der Folgezeit rechnete die Arbeitgeberin den Lohn bis Dezember 2001 ab und leistete bis Mai 2002 auf die Ansprüche aus dem Vergleich ohne weitere Tilgungsbestimmung an den Kläger Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.608,65 EUR. Außerdem erhielt der Kläger am 31. Januar 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.954,08 DM (entspricht 999,41 EUR) für die Zeit vom 10. November bis 31. Dezember 2001.
Nach Mitteilung der Arbeitgeberin, dass sie ihren Betrieb am 14. Juni 2002 eingestellt und Insolvenzantrag gestellt habe, stellte der Kläger am 28. Juni 2002 bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld. Durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 15. August 2002 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom 6. September 2002 lehnte die Beklagte den Insolvenzantrag des Klägers ab, da die Lohnansprüche des Klägers durch die Arbeitgeberin erfüllt worden seien und nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich lediglich noch eine Abfindung in Höhe von 3.579,04 EUR zu zahlen sei, die nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) anzusehen sei.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2003 zurück. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasse die Zeit vom 1. September 2001 bis 31. Dezember 2001. Für diese Zeit sei kein Lohnausfall eingetreten, da der rückständige Lohn durch die Arbeitgeberin in Teilbeträgen gezahlt worden sei. Nach den Lohnabrechnungen habe noch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von 4.285,62 EUR bestanden. Die Arbeitgeberin habe auf die Forderungen demgegenüber Abschläge in Höhe von insgesamt 6.108,06 EUR geleistet. Diese seien vorrangig auf den ausstehenden Lohn anzurechnen gewesen, da auf den Entstehungszeitpunkt der Forderungen abzustellen sei und die Forderung aus dem Vergleich erst nach den Lohnforderungen entstanden sei.
Der Insolvenzverwalter erstellte am 4. September 2003 eine Insolvenzgeldbescheinigung, nach der noch Nettolohnansprüche in Höhe von 362,57 EUR für November 2001 und 847,21 EUR für Dezember 2001 bestünden.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 bewilligte die Beklagte daraufhin die vom Insolvenzverwalter bescheinigten Beträge abzüglich geleisteten Arbeitslosengelds in Höhe von 399,41 EUR (999,41 EUR abzüglich einer Zahlung des Arbeitgebers an das Arbeitsamt in Höhe von 600,00 EUR), insgesamt 810,37 EUR.
Der Kläger hat am 14. Juli 2003 Klage gegen den Bescheid vom 6. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2003 erhoben, mit der er zunächst nur eine fehlerhafte Verrechnung der Arbeitgeberzahlungen durch die Beklagte beanstandet hat. Nach der Bewilligung von Insolvenzgeld durch die Beklagte hat er eingewandt, die Insolvenzgeldbescheinigung sei nicht nachvollziehbar. Ihm stünde nach Verrechnung der Arbeitgeberzahlungen und der Leistungen der Beklagten mit seinen offenen Lohnansprüchen für die Monate Oktober bis Dezember 2001 noch ein Insolvenzgeld von 829,61 EUR zu.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juli 2006 abgewiesen. Die Entgeltansprüche des Klägers für Oktober bis Dezember 2001 seien durch die Abschlagszahlungen der Arbeitgeberin erfüllt. Die Zahlungen seien nach § 366 Abs. 2 Alt. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf die älteren Schulden anzurechnen gewesen. Dies seien die Entgeltansprüche gewesen, da sie laut Arbeitsvertrag bereits am 25. des Monats und der Restlohn am 10. des Folgemonats und damit vor den Forderungen aus dem Vergleich vom 14. Januar 2002 entstanden seien. § 366 Abs. 2 Alt. 2 BGB greife nicht, da zum Zeitpunkt der Arbeitgeberleistungen die Lohnansprüche für Oktober bis Dezember 2001 nicht durch Insolvenzgeld abgesichert gewesen seien. Sämtliche bis Dezember 2001 offenen Lohnansprüche in Höhe von 4.990,76 EUR seien daher durch die zugeflossenen Zahlungen getilgt. Die noch nicht erfüllte Abfindungsforderung stelle kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III dar.
Gegen das am 30. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. November 2006 Berufung eingelegt. Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts zur Verrechnung der Arbeitgeberzahlungen sei falsch. Er habe mit seinem Prozessbevollmächtigten im arbeitsgerichtlichen Verfahren und im Insolvenzverfahren bereits vor den Zahlungen der Arbeitgeberin ausdrücklich besprochen, dass diese zunächst mit den ungesicherten Forderungen, insbesondere der Abfindungsforderung, der Urlaubsvergütung, dem Weihnachtsgeld und den außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums liegenden Entgelten verrechnet werden sollen, da bereits damals ein Insolvenzereignis im Raum gestanden habe. Diese Leistungsbestimmung sei in seinem Interesse gewesen. Im Übrigen seien die im Vergleich geregelten Lohnansprüche erst mit Abschluss des Vergleichs fällig geworden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 27. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 31. Oktober 2003 zu verurteilen, an ihn weiteres Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die angefochtene Entscheidung. Eine Tilgungsabrede zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten sei nach § 366 Abs. 2 BGB irrelevant.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, Betriebsakte der Arbeitgeberin und Arbeitsgerichtsakte des Arbeitsgerichts Leipzig (Az.: 4 Ca 8681/01) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da das Sozialgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung weiteren Insolvenzgelds. Die insolvenzgeldfähigen Ansprüche des Klägers sind bereits durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen. Der den ursprünglichen Ablehnungsbescheid ersetzende und gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 2003 ist zwar möglicherweise rechtswidrig, beschwert den Kläger aber nicht.
Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) haben Arbeitnehmer unter anderem Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers am 15. August 2002 eröffnet wurde und das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Vergleich zum 31. Dezember 2001 beendet worden war, sind die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis 31. Dezember 2001 (Insolvenzgeldzeitraum) insolvenzgeldfähig.
Zu den als Arbeitsentgelt anzusehenden Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis für den Insolvenzgeldzeitraum zählt die als Gegenleistung für die in diesem Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung geschuldete Vergütung. "Für" den Insolvenzgeldzeitraum ist die Vergütung zu leisten, wenn der Anspruch in dieser Zeit erarbeitet worden ist. Wann der Entgeltanspruch fällig oder bezifferbar wird, ist in der Regel ohne Bedeutung (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zum Konkursausfallgeld Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 90/01 R - SozR 3-4100 § 141 b Nr. 24 = JURIS-Dokument Rdnr. 16, m.w.N.; ebenso Krodel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 183 Rdnr. 61, 62; Peters-Lange in: Gagel, SGB III [Stand 1. September 2007], § 183 Rdnr. 106).
Für das dem Kläger zu gewährende Insolvenzgeld sind somit die dem Zeitraum 1. Oktober 2001 bis 31. Dezember 2001 zuzuordnenden Entgeltansprüche maßgeblich. Dies sind zunächst die monatlichen Lohnansprüche. Berücksichtigungsfähig sind auch die Ansprüche auf Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, allerdings nur zeitanteilig beziehungsweise soweit sie dem Insolvenzgeldzeitraum zugeordnet werden können. Nicht insolvenzgeldfähig ist hingegen der Abfindungsanspruch, da die Abfindung als sozialer Ausgleich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber als Gegenleistung für erbrachte Arbeit zu zahlen war (vgl. § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Nach den Regelungen im Vergleich vom 14. Januar 2002 bestehen keine Anhaltspunkte für eine verdeckte Arbeitsentgeltzahlung in Form einer Abfindung. Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus der auf Grund der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments vom 23. September 2002 geänderten Fassung von Art. 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Diese Fassung trat erst am 8. Oktober 2002 in Kraft und schützte zudem nur die nach innerstaatlichem Recht vorgeschriebenen Abfindungen, also nicht eine vertraglich vereinbarte Abfindung, wie sie hier vorliegt.
Legt man zu Gunsten des Klägers die von ihm zum Zeitpunkt des Vergleichs geltend gemachten Forderungen für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2001 einschließlich des ausstehenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu Grunde, die nicht den (geringfügig niedrigeren) Beträgen auf den Abrechnungen der Arbeitgeberin entsprechen, standen ihm für diese Monate noch Nettolohnzahlungen in Höhe von 3.305,50 EUR zu. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: Lohn Oktober 2001 915,73 EUR Lohn November 2001 847,22 EUR Lohn Dezember 2001 1.159,17 EUR Urlaubsvergütung 127,82 EUR Weihnachtsgeld 255,56 EUR Dazu kamen nach Angaben des Klägers offene Lohnansprüche für August 2001 in Höhe von 256,11 EUR und für September 2001 in Höhe von 1.107,39 EUR, jeweils nebst Zinsen ab dem 11. des Folgemonats, sowie die Abfindungsforderung in Höhe von 3.579,04 EUR.
Diesen Forderungen des Klägers stehen die nach dessen Angaben im Zeitraum 4. Februar 2002 bis 8. Mai 2002 geleisteten Zahlungen der Arbeitgeberin in Höhe von 5.608,65 EUR gegenüber. Außerdem erhielt der Kläger am 31. Januar 2002 vom Arbeitsamt einen Betrag von 999,41 EUR als Arbeitslosengeld für die Zeit vom 10. November 2001 bis 31. Dezember 2001. Auf die in Höhe des geleisteten Arbeitslosengeldes auf die Beklagte gemäß § 115 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche des Klägers hat die Arbeitgeberin weitere 600,00 EUR gezahlt.
Die die Lohnforderungen des Klägers übersteigenden Zahlungen der Arbeitgeberin führten gemäß § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen der insolvenzgeldfähigen Entgeltansprüche des Klägers. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Zahlungen der Arbeitgeberin zunächst auf die offenen Lohnansprüche und erst dann auf den Abfindungsanspruch des Klägers anzurechnen waren.
Hinsichtlich der Lohnansprüche für August und September 2001 ergibt sich dies allerdings nicht aus § 366 Abs. 2 BGB, sondern aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 80/987/EWG in der bis zum 7. Oktober 2002 geltenden Fassung. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 25. Juni 2002 (a.a.O., Rdnr. 23, 24) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zur Auslegung dieser Richtlinie entschieden, dass nach Ablauf des Konkursausfallgeldzeitraums erfolgte Zahlungen auf Arbeitsentgelt vorrangig auf offene Arbeitsentgeltansprüche, die der Zeit vor dem Konkursausfallgeldzeitraum zuzuordnen sind, anzurechnen seien, da es dem Zweck der Richtlinie zuwiderliefe, wenn die Leistungsgewährung von den Dispositionen des Arbeitgebers abhängig wäre. Das Tilgungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 366 BGB gelte insoweit nicht. Diese Grundsätze können nach Ansicht des erkennenden Senats ohne Einschränkungen auf das mit Wirkung zum 1. Januar 1999 eingeführte Insolvenzgeld übertragen werden. Sie gelten allerdings nicht für Abfindungen, da die Richtlinie 80/987/EWG nur die "nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen" regelt. Die nicht als Arbeitsentgelt zu leistende Abfindung an den Kläger fällt demnach nicht darunter.
Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die geltend gemachten Lohnansprüche des Klägers für Oktober bis Dezember 2001 sowie das anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß § 366 Abs. 2 BGB durch die Zahlungen der Arbeitgeberin als getilgt anzusehen sind. § 366 Abs. 2 BGB findet auf die Leistungen der Arbeitgeberin an den Kläger Anwendung, da die Arbeitgeberin dem Kläger aus dem Arbeitsvertrag und dem Vergleich zu mehreren gleichartigen Leistungen (Zahlungen) verpflichtet war und bei ihren zur Erfüllung der im Vergleich geregelten Ansprüche vorgenommenen, den geschuldeten Gesamtbetrag nicht erreichenden Teilzahlungen keine Leistungsbestimmungen getroffen hat. Insbesondere kann auch nicht angenommen werden, dass die Arbeitgeberin zunächst auf die titulierten Forderungen zahlen wollte. Ein entsprechender allgemeiner Erfahrungssatz besteht nicht (Grüneberg in: Palandt, BGB [65. Aufl., 2006], § 366 Rdnr. 4a m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers stand diesem ein Bestimmungs-recht hinsichtlich der Verwendung der Teilzahlungen nicht zu. Die vom Kläger mit seinem damaligen Prozessbevollmächtigten getroffene Absprache ist rechtlich ohne Bedeutung, da der Gläubiger ohne Einverständnis des Schuldners nicht einseitig über den Leistungszweck entscheiden kann. Für eine (konkludente) Vereinbarung des Klägers mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin über die Übertragung des Leistungsbestimmungsrechts an den Kläger liegen keine Anhaltspunkte vor.
Für die Bestimmung, welche Ansprüche des Klägers nach der Tilgung der Lohnansprüche für August und September 2001 durch die weiteren Teilzahlungen der Arbeitgeberin erfüllt wurden, ist daher auf die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB zurückzugreifen. Danach sind zunächst die Lohnansprüche für November 2001 und Dezember 2001 als weniger gesicherte, nicht titulierte Forderungen und sodann die restlichen während des Arbeitsverhältnisses entstandenen Entgeltforderungen als ältere Schulden vor der erst durch den nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleich entstandenen Abfindungsforderung getilgt worden (§ 366 Abs. 2 Alt. 2 und 4 BGB).
Da alle noch offenen Forderungen bereits fällig waren, wurden zunächst gemäß § 366 Abs. 2 Alt. 2 BGB die Schulden getilgt, die die geringere Sicherheit boten. Dies war entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Abfindungsforderung, sondern die Lohnansprüche für November und Dezember 2001, die im Vergleich nicht beziffert wurden und daher nicht vollstreckbar tituliert waren. Die Entgeltansprüche für Oktober bis Dezember 2001 können auch nicht deshalb als besser gesichert angesehen werden, weil sie durch einen Insolvenzgeldanspruch abgesichert waren. Dieser Anspruch stand zum Zeitpunkt der Arbeitgeberleistungen noch nicht fest. Die Feststellung, welche Schulden getilgt werden, muss jedoch grundsätzlich schon zum Leistungszeitpunkt getroffen werden können. Ausnahmen können nur zu Gunsten des Schuldners oder für den Fall einvernehmlich vereinbarter späterer Leistungsbestimmung anerkannt werden (Grüneberg, a.a.O., Rdnr. 4a, 5). Da die Entgeltansprüche somit keine größere Sicherheit boten und auch nicht weniger lästig als die Abfindungsforderung waren, war hinsichtlich der durch Vergleich anerkannten und bezifferten Ansprüche auf Entgelt für Oktober 2001, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie auf eine Abfindung für die Bestimmung der Tilgungsreihenfolge das Alter der Schulden, d. h. der Zeitpunkt ihrer Entstehung (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rdnr. 8) maßgeblich. Insofern wurden die vor der Abfindungsforderung entstandenen Entgeltansprüche durch die Zahlungen der Arbeitgeberin in vollem Umfang getilgt. Ein insolvenzgeldfähiger Entgeltanspruch bestand danach nicht mehr.
Die vom Insolvenzverwalter bescheinigten offenen Lohnansprüche für November und Dezember 2001 sind nicht nachvollziehbar. Ob sie tatsächlich noch bestanden, kann aber offen bleiben, weil die Beklagte insoweit Insolvenzgeld bewilligt hat, wobei sie zu Recht das an den Kläger im Wege der Gleichwohlgewährung geleistete Arbeitslosengeld im Umfang des noch von der Arbeitgeberin geschuldeten Entgelts in Abzug gebracht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Insolvenzgelds.
Der Kläger war seit dem 9. September 1996 bei der Firma P. G. F. K. , Inhaberin M. P. , als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 9. November 2001 aus betrieblichen Gründen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren schlossen der Kläger und die Arbeitgeberin am 14. Januar 2002 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage folgenden Vergleich, der nicht widerrufen wurde:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 11.10.2001 zum 31.12.2001 beendet wurde.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Nr. 9 EStG in Höhe von 3.579,04 Euro.
3. Die Beklagte zahlt an den Kläger restliche Nettoarbeitsvergütung für August 2001 in Höhe von 256,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.09.2001
4. Die Beklagte zahlt an den Kläger Bruttoarbeitsvergütung für September 2001 in Höhe von 1.429,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2001.
5. Die Beklagte zahlt an den Kläger Bruttoarbeitsvergütung für Oktober 2001 in Höhe von 1.216,36 Euro.
6. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis für November und Dezember ordnungsgemäß ab und zahlt das sich aus der Abrechnung ergebende Nettoentgelt an den Kläger.
7. Die Beklagte zahlt an den Kläger restliche Urlaubsvergütung in Höhe von 127,82 Euro.
8. Die Beklagte zahlt an den Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von 255,65 Euro. "
In der Folgezeit rechnete die Arbeitgeberin den Lohn bis Dezember 2001 ab und leistete bis Mai 2002 auf die Ansprüche aus dem Vergleich ohne weitere Tilgungsbestimmung an den Kläger Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.608,65 EUR. Außerdem erhielt der Kläger am 31. Januar 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.954,08 DM (entspricht 999,41 EUR) für die Zeit vom 10. November bis 31. Dezember 2001.
Nach Mitteilung der Arbeitgeberin, dass sie ihren Betrieb am 14. Juni 2002 eingestellt und Insolvenzantrag gestellt habe, stellte der Kläger am 28. Juni 2002 bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld. Durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 15. August 2002 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom 6. September 2002 lehnte die Beklagte den Insolvenzantrag des Klägers ab, da die Lohnansprüche des Klägers durch die Arbeitgeberin erfüllt worden seien und nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich lediglich noch eine Abfindung in Höhe von 3.579,04 EUR zu zahlen sei, die nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) anzusehen sei.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2003 zurück. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasse die Zeit vom 1. September 2001 bis 31. Dezember 2001. Für diese Zeit sei kein Lohnausfall eingetreten, da der rückständige Lohn durch die Arbeitgeberin in Teilbeträgen gezahlt worden sei. Nach den Lohnabrechnungen habe noch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von 4.285,62 EUR bestanden. Die Arbeitgeberin habe auf die Forderungen demgegenüber Abschläge in Höhe von insgesamt 6.108,06 EUR geleistet. Diese seien vorrangig auf den ausstehenden Lohn anzurechnen gewesen, da auf den Entstehungszeitpunkt der Forderungen abzustellen sei und die Forderung aus dem Vergleich erst nach den Lohnforderungen entstanden sei.
Der Insolvenzverwalter erstellte am 4. September 2003 eine Insolvenzgeldbescheinigung, nach der noch Nettolohnansprüche in Höhe von 362,57 EUR für November 2001 und 847,21 EUR für Dezember 2001 bestünden.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 bewilligte die Beklagte daraufhin die vom Insolvenzverwalter bescheinigten Beträge abzüglich geleisteten Arbeitslosengelds in Höhe von 399,41 EUR (999,41 EUR abzüglich einer Zahlung des Arbeitgebers an das Arbeitsamt in Höhe von 600,00 EUR), insgesamt 810,37 EUR.
Der Kläger hat am 14. Juli 2003 Klage gegen den Bescheid vom 6. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2003 erhoben, mit der er zunächst nur eine fehlerhafte Verrechnung der Arbeitgeberzahlungen durch die Beklagte beanstandet hat. Nach der Bewilligung von Insolvenzgeld durch die Beklagte hat er eingewandt, die Insolvenzgeldbescheinigung sei nicht nachvollziehbar. Ihm stünde nach Verrechnung der Arbeitgeberzahlungen und der Leistungen der Beklagten mit seinen offenen Lohnansprüchen für die Monate Oktober bis Dezember 2001 noch ein Insolvenzgeld von 829,61 EUR zu.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juli 2006 abgewiesen. Die Entgeltansprüche des Klägers für Oktober bis Dezember 2001 seien durch die Abschlagszahlungen der Arbeitgeberin erfüllt. Die Zahlungen seien nach § 366 Abs. 2 Alt. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf die älteren Schulden anzurechnen gewesen. Dies seien die Entgeltansprüche gewesen, da sie laut Arbeitsvertrag bereits am 25. des Monats und der Restlohn am 10. des Folgemonats und damit vor den Forderungen aus dem Vergleich vom 14. Januar 2002 entstanden seien. § 366 Abs. 2 Alt. 2 BGB greife nicht, da zum Zeitpunkt der Arbeitgeberleistungen die Lohnansprüche für Oktober bis Dezember 2001 nicht durch Insolvenzgeld abgesichert gewesen seien. Sämtliche bis Dezember 2001 offenen Lohnansprüche in Höhe von 4.990,76 EUR seien daher durch die zugeflossenen Zahlungen getilgt. Die noch nicht erfüllte Abfindungsforderung stelle kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III dar.
Gegen das am 30. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. November 2006 Berufung eingelegt. Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts zur Verrechnung der Arbeitgeberzahlungen sei falsch. Er habe mit seinem Prozessbevollmächtigten im arbeitsgerichtlichen Verfahren und im Insolvenzverfahren bereits vor den Zahlungen der Arbeitgeberin ausdrücklich besprochen, dass diese zunächst mit den ungesicherten Forderungen, insbesondere der Abfindungsforderung, der Urlaubsvergütung, dem Weihnachtsgeld und den außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums liegenden Entgelten verrechnet werden sollen, da bereits damals ein Insolvenzereignis im Raum gestanden habe. Diese Leistungsbestimmung sei in seinem Interesse gewesen. Im Übrigen seien die im Vergleich geregelten Lohnansprüche erst mit Abschluss des Vergleichs fällig geworden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 27. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 31. Oktober 2003 zu verurteilen, an ihn weiteres Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die angefochtene Entscheidung. Eine Tilgungsabrede zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten sei nach § 366 Abs. 2 BGB irrelevant.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, Betriebsakte der Arbeitgeberin und Arbeitsgerichtsakte des Arbeitsgerichts Leipzig (Az.: 4 Ca 8681/01) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da das Sozialgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung weiteren Insolvenzgelds. Die insolvenzgeldfähigen Ansprüche des Klägers sind bereits durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen. Der den ursprünglichen Ablehnungsbescheid ersetzende und gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 2003 ist zwar möglicherweise rechtswidrig, beschwert den Kläger aber nicht.
Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) haben Arbeitnehmer unter anderem Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers am 15. August 2002 eröffnet wurde und das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Vergleich zum 31. Dezember 2001 beendet worden war, sind die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis 31. Dezember 2001 (Insolvenzgeldzeitraum) insolvenzgeldfähig.
Zu den als Arbeitsentgelt anzusehenden Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis für den Insolvenzgeldzeitraum zählt die als Gegenleistung für die in diesem Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung geschuldete Vergütung. "Für" den Insolvenzgeldzeitraum ist die Vergütung zu leisten, wenn der Anspruch in dieser Zeit erarbeitet worden ist. Wann der Entgeltanspruch fällig oder bezifferbar wird, ist in der Regel ohne Bedeutung (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zum Konkursausfallgeld Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 90/01 R - SozR 3-4100 § 141 b Nr. 24 = JURIS-Dokument Rdnr. 16, m.w.N.; ebenso Krodel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 183 Rdnr. 61, 62; Peters-Lange in: Gagel, SGB III [Stand 1. September 2007], § 183 Rdnr. 106).
Für das dem Kläger zu gewährende Insolvenzgeld sind somit die dem Zeitraum 1. Oktober 2001 bis 31. Dezember 2001 zuzuordnenden Entgeltansprüche maßgeblich. Dies sind zunächst die monatlichen Lohnansprüche. Berücksichtigungsfähig sind auch die Ansprüche auf Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, allerdings nur zeitanteilig beziehungsweise soweit sie dem Insolvenzgeldzeitraum zugeordnet werden können. Nicht insolvenzgeldfähig ist hingegen der Abfindungsanspruch, da die Abfindung als sozialer Ausgleich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber als Gegenleistung für erbrachte Arbeit zu zahlen war (vgl. § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Nach den Regelungen im Vergleich vom 14. Januar 2002 bestehen keine Anhaltspunkte für eine verdeckte Arbeitsentgeltzahlung in Form einer Abfindung. Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus der auf Grund der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments vom 23. September 2002 geänderten Fassung von Art. 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Diese Fassung trat erst am 8. Oktober 2002 in Kraft und schützte zudem nur die nach innerstaatlichem Recht vorgeschriebenen Abfindungen, also nicht eine vertraglich vereinbarte Abfindung, wie sie hier vorliegt.
Legt man zu Gunsten des Klägers die von ihm zum Zeitpunkt des Vergleichs geltend gemachten Forderungen für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2001 einschließlich des ausstehenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu Grunde, die nicht den (geringfügig niedrigeren) Beträgen auf den Abrechnungen der Arbeitgeberin entsprechen, standen ihm für diese Monate noch Nettolohnzahlungen in Höhe von 3.305,50 EUR zu. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: Lohn Oktober 2001 915,73 EUR Lohn November 2001 847,22 EUR Lohn Dezember 2001 1.159,17 EUR Urlaubsvergütung 127,82 EUR Weihnachtsgeld 255,56 EUR Dazu kamen nach Angaben des Klägers offene Lohnansprüche für August 2001 in Höhe von 256,11 EUR und für September 2001 in Höhe von 1.107,39 EUR, jeweils nebst Zinsen ab dem 11. des Folgemonats, sowie die Abfindungsforderung in Höhe von 3.579,04 EUR.
Diesen Forderungen des Klägers stehen die nach dessen Angaben im Zeitraum 4. Februar 2002 bis 8. Mai 2002 geleisteten Zahlungen der Arbeitgeberin in Höhe von 5.608,65 EUR gegenüber. Außerdem erhielt der Kläger am 31. Januar 2002 vom Arbeitsamt einen Betrag von 999,41 EUR als Arbeitslosengeld für die Zeit vom 10. November 2001 bis 31. Dezember 2001. Auf die in Höhe des geleisteten Arbeitslosengeldes auf die Beklagte gemäß § 115 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche des Klägers hat die Arbeitgeberin weitere 600,00 EUR gezahlt.
Die die Lohnforderungen des Klägers übersteigenden Zahlungen der Arbeitgeberin führten gemäß § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen der insolvenzgeldfähigen Entgeltansprüche des Klägers. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Zahlungen der Arbeitgeberin zunächst auf die offenen Lohnansprüche und erst dann auf den Abfindungsanspruch des Klägers anzurechnen waren.
Hinsichtlich der Lohnansprüche für August und September 2001 ergibt sich dies allerdings nicht aus § 366 Abs. 2 BGB, sondern aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 80/987/EWG in der bis zum 7. Oktober 2002 geltenden Fassung. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 25. Juni 2002 (a.a.O., Rdnr. 23, 24) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zur Auslegung dieser Richtlinie entschieden, dass nach Ablauf des Konkursausfallgeldzeitraums erfolgte Zahlungen auf Arbeitsentgelt vorrangig auf offene Arbeitsentgeltansprüche, die der Zeit vor dem Konkursausfallgeldzeitraum zuzuordnen sind, anzurechnen seien, da es dem Zweck der Richtlinie zuwiderliefe, wenn die Leistungsgewährung von den Dispositionen des Arbeitgebers abhängig wäre. Das Tilgungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 366 BGB gelte insoweit nicht. Diese Grundsätze können nach Ansicht des erkennenden Senats ohne Einschränkungen auf das mit Wirkung zum 1. Januar 1999 eingeführte Insolvenzgeld übertragen werden. Sie gelten allerdings nicht für Abfindungen, da die Richtlinie 80/987/EWG nur die "nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen" regelt. Die nicht als Arbeitsentgelt zu leistende Abfindung an den Kläger fällt demnach nicht darunter.
Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die geltend gemachten Lohnansprüche des Klägers für Oktober bis Dezember 2001 sowie das anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß § 366 Abs. 2 BGB durch die Zahlungen der Arbeitgeberin als getilgt anzusehen sind. § 366 Abs. 2 BGB findet auf die Leistungen der Arbeitgeberin an den Kläger Anwendung, da die Arbeitgeberin dem Kläger aus dem Arbeitsvertrag und dem Vergleich zu mehreren gleichartigen Leistungen (Zahlungen) verpflichtet war und bei ihren zur Erfüllung der im Vergleich geregelten Ansprüche vorgenommenen, den geschuldeten Gesamtbetrag nicht erreichenden Teilzahlungen keine Leistungsbestimmungen getroffen hat. Insbesondere kann auch nicht angenommen werden, dass die Arbeitgeberin zunächst auf die titulierten Forderungen zahlen wollte. Ein entsprechender allgemeiner Erfahrungssatz besteht nicht (Grüneberg in: Palandt, BGB [65. Aufl., 2006], § 366 Rdnr. 4a m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers stand diesem ein Bestimmungs-recht hinsichtlich der Verwendung der Teilzahlungen nicht zu. Die vom Kläger mit seinem damaligen Prozessbevollmächtigten getroffene Absprache ist rechtlich ohne Bedeutung, da der Gläubiger ohne Einverständnis des Schuldners nicht einseitig über den Leistungszweck entscheiden kann. Für eine (konkludente) Vereinbarung des Klägers mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin über die Übertragung des Leistungsbestimmungsrechts an den Kläger liegen keine Anhaltspunkte vor.
Für die Bestimmung, welche Ansprüche des Klägers nach der Tilgung der Lohnansprüche für August und September 2001 durch die weiteren Teilzahlungen der Arbeitgeberin erfüllt wurden, ist daher auf die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB zurückzugreifen. Danach sind zunächst die Lohnansprüche für November 2001 und Dezember 2001 als weniger gesicherte, nicht titulierte Forderungen und sodann die restlichen während des Arbeitsverhältnisses entstandenen Entgeltforderungen als ältere Schulden vor der erst durch den nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleich entstandenen Abfindungsforderung getilgt worden (§ 366 Abs. 2 Alt. 2 und 4 BGB).
Da alle noch offenen Forderungen bereits fällig waren, wurden zunächst gemäß § 366 Abs. 2 Alt. 2 BGB die Schulden getilgt, die die geringere Sicherheit boten. Dies war entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Abfindungsforderung, sondern die Lohnansprüche für November und Dezember 2001, die im Vergleich nicht beziffert wurden und daher nicht vollstreckbar tituliert waren. Die Entgeltansprüche für Oktober bis Dezember 2001 können auch nicht deshalb als besser gesichert angesehen werden, weil sie durch einen Insolvenzgeldanspruch abgesichert waren. Dieser Anspruch stand zum Zeitpunkt der Arbeitgeberleistungen noch nicht fest. Die Feststellung, welche Schulden getilgt werden, muss jedoch grundsätzlich schon zum Leistungszeitpunkt getroffen werden können. Ausnahmen können nur zu Gunsten des Schuldners oder für den Fall einvernehmlich vereinbarter späterer Leistungsbestimmung anerkannt werden (Grüneberg, a.a.O., Rdnr. 4a, 5). Da die Entgeltansprüche somit keine größere Sicherheit boten und auch nicht weniger lästig als die Abfindungsforderung waren, war hinsichtlich der durch Vergleich anerkannten und bezifferten Ansprüche auf Entgelt für Oktober 2001, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie auf eine Abfindung für die Bestimmung der Tilgungsreihenfolge das Alter der Schulden, d. h. der Zeitpunkt ihrer Entstehung (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rdnr. 8) maßgeblich. Insofern wurden die vor der Abfindungsforderung entstandenen Entgeltansprüche durch die Zahlungen der Arbeitgeberin in vollem Umfang getilgt. Ein insolvenzgeldfähiger Entgeltanspruch bestand danach nicht mehr.
Die vom Insolvenzverwalter bescheinigten offenen Lohnansprüche für November und Dezember 2001 sind nicht nachvollziehbar. Ob sie tatsächlich noch bestanden, kann aber offen bleiben, weil die Beklagte insoweit Insolvenzgeld bewilligt hat, wobei sie zu Recht das an den Kläger im Wege der Gleichwohlgewährung geleistete Arbeitslosengeld im Umfang des noch von der Arbeitgeberin geschuldeten Entgelts in Abzug gebracht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
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