L 15 VS 3/07 ZVW

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 V 2/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 3/07 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VS 1/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts L. vom 2. Mai 2000 werden zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach Aufhebung des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 19.10.2004 - L 15 VS 15/00 - und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.11.2006 - B 9a VS 1/05 R - sowie der Beiladung der Bundesrepublik Deutschland streiten die Beteiligten weiterhin um Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen der Folgen eines Sturzes aus einem Kasernenfenster der inzwischen abgerissenen S.-Kaserne in L ...

Der 1973 geborene Kläger beantragte am 06.10. und 20.12.1993 Beschädigtenversorgung. Als Wehrpflichtiger (Größe 173 cm, Gewicht 70 kg, kein Heimschläfer, ein entsprechender Antrag war abgelehnt worden) sei er am 15.09.1993 morgens gegen ca. 4.30 Uhr vor dem Unterkunftsgebäude verletzt aufgefunden worden; am Abend sei er gegen 2.00 Uhr zu Bett gegangen, an den Unfallhergang habe er keinerlei Erinnerung.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 27.09.1993 gab der Kläger an, am Abend zuvor bis gegen ca. 20.00 Uhr im Mannschaftsheim nach Dienstende Karten gespielt und 1 Halbe Bier getrunken zu haben; anschließend habe er sich umgezogen und sei gegen 21.30 Uhr in die Disco "M." in L. gegangen, wo er weitere 4 bis 5 Halbe Weißbier getrunken habe; danach sei er mit den Kameraden W. und S. noch ins Lokal "P." gegangen; er habe normal zu Abend gegessen, reichlich, eine Wurstplatte; seiner Meinung nach seien bei seiner Heimkehr die beiden äußeren Fensterflügel geschlossen gewesen; er könne sich den Unfall nur so erklären, dass in seinem Zimmer zu Hause Fenster und Türen gerade seitenverkehrt seien wie in der Kaserne.

Die Kriminalpolizeiinspektion L. ermittelte eine Höhe der Fensterbrüstung von 93 cm und eine Höhe von der Fensterbrüstung zum Pflaster bzw. zur Teerdecke von 9 m; sie fügte ihrem Bericht Fotos der Außenfassade, eines Blutflecks auf dem Pflaster und einer Innenaufnahme eines Teils der Stube bei; auf letzterem Foto Nr.4 befindet sich rechts neben dem geöffneten Fenster ein Stockbett, neben dem ein Stuhl ziemlich dicht am Fenster steht; Fingerabdrücke und die Konzentration des Alkohols im Blut des Klägers wurden nicht ermittelt; Hinweise auf Fremdverschulden oder Suizidversuch ergaben sich nicht.

Neben dem Kläger waren auf der Stube 202 im 2. Obergeschoss des Unterkunftsgebäudes noch die Soldaten E., D. und F. untergebracht. Der Zeuge F. gab an, der Kläger sei gegen 2.15 Uhr mit D. und E. heimgekommen; er habe noch kurz mit den anderen geredet, sich dann ausgezogen und sei ins Bett gegangen; wie viel der Kläger getrunken habe, wisse er nicht. Der Zeuge D. bestätigte diese Angaben im Wesentlichen und gab ergänzend an, gegen 3.30 Uhr ebenfalls zu Bett gegangen zu sein; zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger geschlafen; wie auch der Zeuge E. wisse er nicht, welche Menge Alkohol der Kläger getrunken habe, er habe über alles gelacht und sei getorkelt.

Der diensthabende Gefreite vom Dienst (GvD), Panzerschütze D., gab an, gegen 4.15 Uhr an der Eingangstür ein Klopfen und Klinkedrücken gehört zu haben, woraufhin er in den 1. Stock gegangen sei und aus dem Fenster geblickt habe; dort habe er den Kläger gesehen, wie er vor der Türe gesessen und mit der Hand die Türklinke bewegt habe; er sei nur mit einer Unterhose bekleidet gewesen; er habe den Unteroffizier vom Dienst (UvD) geweckt; gemeinsam hätten sie die Tür aufgesperrt und gesehen, dass der Kläger im Gesicht aufgeschürft gewesen sei, eine Ferse habe stark geblutet, der Kläger habe gemeint, sie sollten ihn ins Bett bringen, es passe dann schon; er habe den Eindruck gehabt, dass der Kläger so einen Rausch gehabt habe, dass er nicht mehr wusste, was mit ihm los war; er habe schon gemerkt , dass der Kläger betrunken gewesen sei, aber wie er sich mit ihm unterhalten habe, sei er voll da gewesen; er sei nicht bewusstlos gewesen und habe auch nicht fantasiert; zusammen mit dem UvD hätten sie eine Blutspur vor dem Gebäude bemerkt und diese verfolgt; sie hätten gesehen, dass im 2.Stock ein Fenster geöffnet und genau unterhalb dieses Fensters auf dem Teer ein Blutfleck gewesen sei.

Im neurologischen Konsil vom 15.09.1993 gab der Kläger gegen 16.45 Uhr an, zwei Stunden geschlafen zu haben; nach 8 Halben Bier könne er sich nicht mehr an die Landung erinnern. Sein Zustand wurde als leicht alkoholisiert beschrieben. Im Krankenhaus wurde der Kläger wegen Brüchen des 1. und 4. Wirbelkörpers, der Handwurzel links, des Fersenbein rechts und des Daumengrundgelenks rechts sowie eines Einrisses der Harnblase behandelt (MdE mindestens 30 v.H.).

Nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft und der Krankenberichte lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.09.1995 Beschädigtenversorgung im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Brüstungshöhe des Kasernenfensters, aus der der Kläger gestürzt sei, habe 93 cm, die Absturzhöhe 9 m betragen; somit sei die von § 4 Abs.4 und 6 der Verordnung zur Durchführung der bayerischen Bauordnung vorgesehene Mindesthöhe von 90 cm eingehalten worden und deshalb auch eine wesentliche mitursächliche Bedeutung der baulichen Beschaffenheit der Kaserne für den Sturz unwahrscheinlich.

Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch vom 05.10.1995 begründete der Kläger u.a. im Schreiben vom 06.11.1995 mit der Auffassung, zum Zeitpunkt des Unfallherganges habe die Brüstungshöhe nicht den Vorschriften der bayerischen Bauordnung entsprochen; im Übrigen verwies er darauf, wegen der fehlenden Höhe seien bereits zu einem früheren Zeitpunkt zwei Verfahren gegen den Freistaat Bayern bzw. die BRD geführt und zu Gunsten der Betroffenen entschieden worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.1996 wies der Beklagte im Wesentlichen wiederum unter Hinweis auf die Brüstungshöhe von 93 cm den Widerspruch zurück; ein baulicher Mangel der Kaserne sei nicht für das Unfallereignis verantwortlich zu machen; die Rekonstruktion des Tatherganges, soweit diese möglich sei, ergebe keine Hinweise darauf, dass besondere wehrdiensteigentümliche Verhältnisse vorgelegen hätten, die den Sturz verursacht hätten.

Seine anschließende Klage zum Sozialgericht L. vom 18.01.1996 begründete der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen in den Schreiben vom 17.01.1996 und 23.02.1996 u.a. mit dem Hinweis, die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft M. (VBG) beanstande bei öffentlichen Bauten eine Geländer- bzw. Brüstungshöhe, welche weniger als einen Meter betrage; nach §§ 2 und 33 VBG I i.V.m. der Arbeitsstätten-Richtlinie (ASR) 17 müssten Geländer oder Brüstungen so gestaltet sein, dass sie eine Höhe von mindestens 1 m (bei Absturzhöhe über einen Meter) aufweisen. Das Gericht erbat von der VBG Auskunft, woraufhin diese mit Schreiben vom 24.11.1999 im Wesentlichen die Angaben des Klägers bestätigte und Auszüge der ASR zu § 12 Abs.1 bis 3 der Arbeitsstättenverordnung beifügte.

Mit Urteil vom 02.05.2000 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger ab 01.01.1994 dem Grunde nach Beschädigtenversorgung zu gewähren. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO), § 8 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) und § 81 SVG (insbesondere Urteile des Bundessozialgerichts vom 13.07.1988 - 9/9a RV 4/86 - und des Bayer. Landessozialgerichts vom 30.10.1985 - L 7/V 347/84 - auch hier fiel ein Wehrpflichtiger aus dem Fenster seiner Stube auf dem Gelände der S.-Kaserne) seien die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse bzw. die Brüstungshöhe des Kasernenfensters, die den polizeilichen Ermittlungen zufolge 93 cm betrage, als zumindest annähernd gleichwertige Mitursache dafür anzusehen, dass der Kläger aus dem Kasernenfenster stürzte; die Brüstungshöhe des Kasernenfensters stelle nämlich einen baulichen Mangel dar; zwar entspreche eine Brüstungshöhe von 93 cm § 4 Abs.4 der Verordnung zur Durchführung der bayerischen Bauordnung, wonach nicht im Erdgeschoss befindliche Wehrungen (Brüstungen usw.) mindestens 90 cm hoch sein müssen; nach Abschnitt II.3 der ASR "Schutz gegen Absturz und herabfallende Gegenstände" zu § 12 Abs.1 bis 3 der Arbeitsstättenverordnung, Ausgabe 1986 (Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit vom 10.08.1986 in Bundesarbeitsblatt 10/1986, S.61), müssten aber Umwehrungen mindestens 1 m hoch sein; die Ursächlichkeit der Brüstungshöhe des Kasernenfensters für den Sturz aus diesem sei auch nicht im Hinblick auf die amtliche Fußnote zu der o.a. Richtlinie und den Umstand, dass der Kläger vor dem Sturz aus dem Kasernenfenster Alkohol genossen hatte, zu verneinen; zwar könnten nach der o.a. Fußnote niedrigere Umwehrungen in bei Inkrafttreten der Arbeitsstättenverordnung (01.05.1976) bereits errichteten Arbeitsstätten bestehen bleiben, wenn sie den Vorschriften des Bauordnungsrechts der Länder entsprächen; daraus ergäben sich haftungsrechtliche Konsequenzen; am Vorliegen eines baulichen Mangels ändere sich dadurch aber nichts, zumal in den Kasernen die Stuben auch als Schlafräume dienten und sich daraus vermehrt Gefahrensituationen ergäben; aufgrund des genossenen Alkohols sei der Kläger lediglich angetrunken gewesen.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte am 29.08.2000 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein. Mit Schriftsatz vom 12.09.2000 verwies er darauf, im Bescheid vom 29.09.1995 sei zutreffend ausgeführt, die Brüstungshöhe von 93 cm bei einer Absturzhöhe von 9 Meter erfülle die Auflage einer Mindesthöhe von 90 cm nach § 4 Abs.4 und 6 der Verordnung zur Durchführung der bayerischen Bauordnung, so dass kein baulicher Mangel vorliege; die als Unfallverhütungsvorschrift im Sinne des § 15 SGB VII geltenden berufsgenossenschaftlichen Vorschriften der VBG seien für die Beurteilung der Kausalität der dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse für das Unfallereignis bzw. die Prüfung eines baulichen Mangels nicht heranzuziehen; sie seien autonomes Recht, das nur für die Unternehmer unmittelbar verbindlich sei, die der VBG angehörten; die Bundeswehr falle jedoch nicht darunter, sie sei auch kein Unternehmen im Sinne des § 136 SGB VII; darüber hinaus verkenne das Gericht auch die Ursächlichkeit der Alkoholisierung des Klägers; nach den beiliegenden versorgungsärztlichen Ausführungen des Neurologen Dr. K. vom 11.08.2000 sei für den Unfallzeitpunkt ein Alkoholspiegel von 1,8 Promille anzunehmen; die erhebliche Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt sei demnach auch unter Berücksichtigung der baulichen Verhältnisse und der Körpergröße des Klägers (170 cm) als die wesentliche Ursache für den Sturz aus dem Fenster anzusehen; im Hinblick auf die Untersuchungsmaxime des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hätte das Gericht nicht davon absehen dürfen, zur Frage des Grades der Alkoholisierung und der Auswirkungen der Alkoholisierung auf den Sturz ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen, zumal eine besondere eigene Sachkunde zur Beurteilung dieser Tatsachenfrage nicht ersichtlich sei.

Mit Schreiben vom 10.06.2002 trug der Beklagte vor, die ihm vom Senat übersandte Rechtsprechung befasse sich mit der Anerkennung eines Unfalles im Sinne des § 81 Abs.1.2. Alternative SVG, ein solcher Fall liege dem anhängigen Rechtsstreit nicht zu Grunde; vielmehr gehe es um die Frage, ob die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse, nämlich die Brüstungshöhe des Kasernenfensters, zumindest als gleichwertige Mitursache für den Sturz aus dem Fenster gegenüber den wehrdienstunabhängigen Umständen anzusehen seien.

Der Kläger vertrat in seinem Schreiben vom 05.08.2002 in Kenntnis dieses Schriftsatzes des Beklagten die Auffassung, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung seien gegeben; es genüge, wenn sich der Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes ereignet habe; der Alkoholkonsum, der vornehmlich vom Beklagten ursächlich für den Unfall angesehen werde, sei mehr oder weniger eine Spekulation; es sei zu keinem Zeitpunkt bei ihm der Blutalkoholwert untersucht worden.

Im Erörterungstermin vom 10.04.2003 machte der Kläger Angaben zu seinen Körpermaßen, schilderte den Tagesablauf vor dem Unfallgeschehen und die Verhältnisse auf der Stube und erklärte, nicht mehr zu wissen, wie viel Bier er insgesamt getrunken habe. Danach wurde der Termin zur Durchführung weiterer Ermittlungen vertagt.

Auf Anfrage des Gerichtes teilte das Verteidigungsbezirkskommando 66 am 16.06.2003 mit, keiner der Kameraden, die noch befragt werden konnten, könne sich an derartige Vorfälle (Fensterstürze) erinnern; der Block 7 bestehe nicht mehr, Pläne seien bei der Bundeswehr nicht mehr vorhanden; es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass die Fensterhöhe mit der Höhe der noch bestehenden Gebäude übereinstimme; die Fensterhöhe wäre danach 100 cm; das Fenster sei 130 cm breit und 190 cm hoch, die Flügel 59 cm breit und 115 hoch, der Rest sei Rahmen und Oberlicht; die Stockbetten würden heute noch verwendet, die Höhe Fußboden bis Oberkante Matratze betrage 109 cm.

Die Polizeidirektion L. teilte auf Anfrage am 02.07.2003 mit, es lägen keinerlei Informationen zu Unfällen der geschilderten Art vor.

Am 04.07.2003 ließ der Kläger mitteilen, bei seiner ersten Befragung nach dem Unfall (Vernehmungsprotokoll vom 27.09.1993) habe er angegeben, maximal 5 Halbe Bier getrunken zu haben und das in einem Zeitraum von acht Stunden; es werde daher gebeten, bei der Blutalkoholwertberechnung diese Angaben zugrunde zu legen. Bezüglich der Auskunft der Polizeidirektion L. vom 02.07.2003 teilte er mit, der Sozialberater E. bei der Standortverwaltung L. habe gegenüber C. und J. B. von zwei Unfällen der gleichen Art berichtet, welche sich ebenfalls in der S.-Kaserne L. ereignet hätten. Daraufhin wurde die Polizeidirektion L. am 28.07.2003 unter Hinweis auf diese Mitteilung und darauf, dass das Gericht zwischenzeitlich ebenfalls von einem weiteren Fall Kenntnis habe, nochmals um Auskunft gebeten.

Der Beklagte widersprach den Ausführungen des Klägers mit Schreiben vom 04.07.2003 und stellte fest, der Kläger habe bei seiner polizeilichen Vernehmung am 23.09.1993 zwar angegeben, an diesem Abend 4 Weißbier, höchstens 5, getrunken zu haben; diese Angabe habe sich aber auf die Frage bezogen, was in der Disco "M." an diesen Abend so abgelaufen sei; auf die weitere Frage, ob er bereits am Tag Alkohol getrunken habe oder am Abend, als er (in der Mannschaftskantine) Karten spielte, habe er geantwortet, da 1 Halbe Bier getrunken zu haben; somit seien es 6 Halbe Bier über einen Zeitraum von acht Stunden gewesen; nachdem er im neurologischen Konsil am 15.09.1993 dem Arzt gegenüber eine Trinkmenge von 8 Halben Bier angegeben habe und die Zeugenaussagen auf einen stärker alkoholisierten Zustand schließen ließen, ginge man davon aus, dass diese Angabe zur Trinkmenge am ehesten den Tatsachen entspräche; wenn der Kläger im "M." von 21.00 Uhr bis kurz nach 1.00 Uhr, also in etwa vier Stunden 4 bis 5 Weißbier getrunken habe, sei seine Angabe, vorher in der Mannschaftskantine beim Kartenspielen von ca. 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr, also in einem Zeitraum von zwei bis drei Stunden nur 1 Bier getrunken zu haben, zumindest in Frage zu stellen; hinzukomme, dass der Kläger mit seinen Kameraden nach der Sperrstunde des "M." kurz nach 1.00 Uhr noch ins "P." gefahren und von dort erst kurz nach 2.00 Uhr in die Kaserne zurückgekehrt sei; es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger auch im "P." noch Alkohol getrunken habe; der Beklagte gehe deshalb von einer Trinkmenge von mindestens 8 Halben Bier aus.

Am 04.08.2003 teilte die Polizeiinspektion L. mit, auch eine nochmalige Überprüfung habe keinerlei Erkenntnisse zu Unfällen der geschilderten Art in der ehemaligen S.-Kaserne ergeben.

Mit Beweisanordnung vom 02.09.2003 wurde der Rechtsmediziner Prof. Dr. E. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Er wurde gefragt, ob ein Sturz des Klägers aus dem geöffneten Stubenfenster möglich gewesen sei. Auch wurden dem Sachverständigen im Wesentlichen die Angaben des Klägers zum Biergenuss mitgeteilt und nach dem Blutalkoholwert des Klägers um 3.00 Uhr, 3.30 Uhr, 4.00 Uhr gefragt unter der Annahme, dass der Kläger seine erste Halbe Bier in der Zeit von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr und danach von 21.30 Uhr bis 1.30 Uhr, 4 Halbe, 5 Halbe oder 7 Halbe Weißbier getrunken habe.

Im Gutachten vom 08.03.2004 stellte der Sachverständige fest, ein Sturz des Klägers aus dem geöffneten Stubenfenster und über den Fenstersims sei unter Beachtung der Körper- und Fenstermaße mit Sicherheit nicht möglich; eine Alkoholisierung (entsprechend den errechneten Varianten) ändere nichts an dieser Beurteilung; eine (stärkere) alkoholische Enthemmung, beispielsweise mit Stimmungsschwankungen, erhöhter Sorglosigkeit und Risikobereitschaft, komme ggf. u.a. in Betracht; bei den errechneten Werten sei nicht davon auszugehen, dass eine völlige Situationsverkennung oder eine erhebliche Verminderung oder gar Aufhebung des Hemmungsvermögens bzw. des Steuerungsvermögens und/oder der Einsichtsfähigkeit vorlägen; der Fenstersturz des Klägers vom 15.09.1993 sei nicht mit Wahrscheinlichkeit durch die bauliche Beschaffenheit des Kasernengeländes, die Anordnung der Stockbetten und das (unterstellte) offene Fenster verursacht worden; welche Umstände genau zu dem Fenstersturz geführt hätten, sei nach Aktenlage nicht sicher beurteilbar; offenbar sei es jedoch zu einem Sturz mit Auftreten primär der Füße und unteren Körperhälfte gekommen; dies weise darauf hin, dass das Sturzgeschehen auch initial mit den Füßen voran erfolgt sei.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2004 vertraten die neuen Prozessbevollmächtigten des Klägers die Auffassung, die Ergebnisse des Gutachtens stünden der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils nicht entgegen; eine etwaige Alkoholisierung des Klägers als Unfallursache scheide aus; es bestehe daher kein vernünftiger Zweifel daran, dass an dem Unfallhergang auch die konkreten baulichen Verhältnisse der Kaserne wesentlich mitgewirkt hätten; in der Anlage werde auf eine Kopie des Urteils des BSG vom 13.07.1988 sowie des BayLSG vom 03.10.1985 verwiesen, welche die hier vertretene Rechtsansicht stützten.

Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 03.06.2004 mit, das Urteil des BSG vom 13.07.1988 sei ihm bereits bekannt; der Sachverständige habe überzeugend nachgewiesen, dass der Fenstersturz nicht mit Wahrscheinlichkeit durch die bauliche Beschaffenheit des Kasernengeländes, die Anordnung der Stockbetten und das (unterstellte) offene Fenster verursacht worden sei; andererseits könne davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger ein Mindestmaß an Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Fenstersturzes vorgelegen habe; die Indizien (Verletzungen) wiesen darauf hin, dass der Kläger in alkoholisiertem Zustand mit erhöhter Sorglosigkeit und Risikobereitschaft auf die Brüstung geklettert sei und dort den Halt verloren habe.

Die Vertreter des Klägers zitierten im Schreiben vom 14.07.2004 den Sachverständigen, wonach die Umstände, die zu dem Fenstersturz geführt hätten, nach Aktenlage nicht sicher beurteilbar seien. Dem widersprach der Beklagte mit Schreiben vom 20.08.2004, schloss eine Suizidabsicht aus und meinte, alles spreche für eine durch Alkoholgenuss verminderte Steuerungsfähigkeit; der Sachverständige schließe den Alkoholgenuss des Klägers nur unter den vom Gericht gesetzten Prämissen als Sturzursache aus; aufgrund der Beobachtungen der Zeugen müsste von einem höheren Alkoholkonsum als unterstellt ausgegangen werden.

Daraufhin wandten die Vertreter des Klägers mit Schreiben vom 01.09.2004 u.a. ein, Beobachtungen von betrunkenen Zeugen könnten an den Feststellungen des Sachverständigen nichts ändern; mit gutem Grund habe das Gericht in Frage 2 des Beweisbeschlusses dem Sachverständigen als maximalen Alkoholgenuss des Klägers 1 Halbe Bier in der Zeit von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr und danach von 21.30 Uhr bis 1.30 Uhr 7 Halbe Bier vorgegeben; im Übrigen sei es unzutreffend, dass aufgrund der Beobachtungen der betrunkenen Zeugen von einem höheren Alkoholkonsum als unterstellt ausgegangen werden müsste.

Der Senat hat entsprechend den Vorgaben des BSG die früheren Stubenkameraden des Klägers D., F. und E. sowie den GvD D. und den UvD P. und den weiteren Kameraden W., der ein Stockwerk über der Stube des Klägers untergebracht war und mit ihm zusammen wegging und in die Kaserne zurückkehrte, einvernommen. Wegen des großen Zeitabstands zu dem damaligen Geschehen waren deren Angaben bei der Befragung noch ungenauer als früher; mit Ausnahme des Zeugen E. konnte sich kaum einer an das Besteigen der Stockbetten bzw. an die Art und Weise des Herabsteigens erinnern. Ebenso unklar blieben ihre Angaben zum Alkoholgenuss oder zum Zustand der Stube nach ihrer Rückkehr. Der Zeuge E. schilderte detaillierter, dass er an der Stirnseite des Bettes an den Querstreben in sein oberes Stockbett gestiegen sei und dieses meistens durch Herabspringen verlassen habe, er könne nicht ausschließen, dass er auch manchmal einen Stuhl benutzt habe.

Die Beteiligten wiederholten im Wesentlichen ihre bisherige Würdigung des Geschehensablaufs. Der Beklagte und die Beigeladene vertraten die Auffassung, es bleibe im Dunkeln, weshalb und wie der Kläger aus dem Fenster gefallen sei, gewisse Indizien sprächen für einen erhöhten Alkoholgenuss, eine Feststellung der Blutalkoholkonzentration sei jedoch nicht mehr möglich. Für die Klageseite schied eine Alkoholisierung des Klägers als Unfallursache aus; die gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstoßende zu niedrige Fensterbrüstung sei für den Sturz des Klägers zumindest mitursächlich gewesen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts L. vom 02.05.2000 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 29.09.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.01.1996 abzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag an.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts L. vom 02.05.2000 zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen wurden die SVG-, WDB- und Krankenblattakten, die Akten des Bayer. Landessozialgerichtes L 7/V 347/84, L 15 V 22/00 sowie die Akten des Sozialgerichts M. S 9 V 2/96.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO), auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Niederschriften über die Zeugeneinvernahme und insgesamt den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten/Beigeladenen ist statthaft und zulässig (§§ 143 ff., 151 SGG), jedoch nicht begründet.

Auch nach Durchführung der vom BSG angeregten Beweisaufnahme ist nach Auffassung des Senates das angefochtene Urteil des Sozialgerichts L. vom 02.05.2000 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger dem Grunde nach Beschädigtenversorgung nach den §§ 80 Satz 1, 81 Abs.1 und 5 Satz 1, 88 Abs.1 Satz 1 SVG i.V.m. § 9 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab dem 01.01.1994 zu gewähren. Die Folgen seiner Verletzungen (Brüche des 1. und 4. Wirbelkörpers, der Handwurzel links, des Fersenbeins rechts und des Daumengrundgelenkes rechts sowie der Einriss der Harnblase mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - bzw. einem Grad der Schädigung - GdS - von mindestens 25 v.H.) sind nach Würdigung aller Umstände durch einen Unfall entstanden, der wesentlich "durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist" (§ 81 Abs.1 - Regelung 3 - SVG); für dessen Folgen hat der Beklagte einzustehen.

Der Unfall des Klägers ist nicht durch eine Wehrdienstverrichtung oder während der Ausübung des Wehrdienstes (§ 81 Regelung 1 und 2 - SVG) eingetreten, so dass nur der 3. Regelfall in Betracht kommt. Welche Verhältnisse im Einzelnen wehrdiensteigentümlich sind, hat der Gesetzgeber nicht geregelt; unter Weiterentwicklung der Verwaltungsvorschriften zu § 1 BVG - hier Ziffer 3 - versteht die Rechtsprechung (vgl. BSG vom 08.08.1984 - 9a RV 37/83 = SozR 3200 § 81 Nr.19 und Urteil vom 13.07.1988 - 9/9a RV 4/84 - in Breithaupt 1989, 498), solche Verhältnisse, die der Eigenart des Dienstes entsprechen und im Allgemeinen eng mit ihm verbunden sind. Es muss sich um Lebensbedingungen handeln, die mit den besonderen Begebenheiten des Dienstes eng verknüpft sind und sich außerdem deutlich von denjenigen des Zivillebens abheben. Der Tatbestand erfasst damit alle nicht näher bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes, die sich aus der besonderen Rechtsnatur dieses Verhältnisses und seiner Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten ergeben. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse können sich daher außerhalb der Ausübung des Wehrdienstes in der Freizeit, während Dienstpausen oder während privater Verrichtungen ergeben.

Zu den Eigentümlichkeiten des Wehrdienstes gehört, dass der Soldat durch seinen Dienst an seinen Standort oder Einsatzort gebunden ist und für die Dauer seines Wehrdienstverhältnisses aus seinem bürgerlichen Leben herausgenommen und von dem Ort fern gehalten wird, an dem sich der räumliche Schwerpunkt seiner bürgerlichen Lebensinteressen befindet. Ebenso werden damit alle nicht mehr bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes erfasst, die sich unter anderem aus der besonderen Rechtsnatur des Wehrdienstverhältnisses mit seiner Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten ergeben. Zum Vergleich sind die normalen Umstände und Verhaltensweisen sowie die durchschnittliche Gefährdung im Zivilleben maßgebend, aus denen der Soldat durch die Ableistung des Wehrdienstes herausgerissen worden ist (BSG vom 17.05.1977 - 10 RV 19/76 - = SozR 3100 § 1 Nr.15 m.w.N.), es sei denn, der Einzelfall lege der Natur der Sache nach einen Vergleich mit gruppenspezifischen Merkmalen nahe (BSG vom 11.06.1974 - 9 RV 122/73 - = BSGE 37, 282, 285 = SozR 3200 § 81 Nr.1). Das gilt insbesondere für den Aufenthalt im Kasernenbereich auch während der Freizeit (BSG SozR 3200 § 81 Nr.19). Die militärische Ordnung, die ihre besondere Ausprägung in der Kaserne findet, weil dort ein wesentlicher Teil des militärischen Dienstes und auch der freien Zeit verbracht wird, zählt in besonderem Maße zu den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen. Die Verhältnisse in der Kaserne sind nicht auf die Gegebenheiten des zivilen Lebens, sondern auf militärische Bedingungen zugeschnitten. Dieser Einrichtung und Ordnung ist jeder Soldat unterworfen; er kann auf sie keinen Einfluss nehmen; dies gilt ganz besonders für die Gestaltung der Gebäude und der Unterkunftsstuben, den sozialen Druck zu kameradschaftlichem Verhalten oder auch das durch die Kasernierung junger Männer begründete Konfliktpotenzial (vgl. u.a. BSG vom 17.12.1997 - 9 RV 19/96 - ; SozR 3200 § 81 Nr. 21). Liegen solche den Wehrdienst kennzeichnende Eigentümlichkeiten vor, so braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob durch diese typischen Besonderheiten eine besondere Gefährdung gegeben ist. Die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse müssen im konkreten Fall wesentliche Ursache einer gesundheitlichen Schädigung sein, sie jedoch nicht durch eine besondere Gefahrenlage herbeigeführt haben (BSG vom 13.07.1988 a.a.O. - ebenfalls Fenstersturz auf dem Gelände der S.-Kaserne in L.). Ausdrücklich stellt das BSG dort klar: "Wenn in einer Entscheidung zur Frage der "wehrdiensteigentümlichen" Belastung als Mitursache für einen Herzinfarkt (BSGE 37, 282, 283) ausgeführt wird, dass bei derartigen Erkrankungen außergewöhnliche Verhältnisse zu fordern seien, die den Eigenarten des Dienstes entsprächen und über durchschnittliche Belastungen in Zivilberufen hinausgingen, so darf diese Entscheidung nur dahin verstanden werden, dass es sich hier um eine Abgrenzung für den Bereich handelt, der im Zivilleben durch die Berufskrankheiten (§ 551 RVO) erfasst wird" - (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 19.06.1996 - 9 BV 105/95) - ... Ähnliche Einschränkungen sind jedoch für den Unfallbereich weder geboten noch zulässig, wenn man berücksichtigt, dass die Wehrpflichtigen nach § 541 Abs.1 Nr.2 RVO statt des Unfallversicherungsschutzes über das SVG abgesichert sind ... Es müssen sich daher im konkreten Geschehensablauf nicht besondere, im zivilen Leben nicht anzutreffende Gefahren konkretisieren; es genügt, dass die wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse wesentlich die gesundheitliche Schädigung (mit-) herbeiführen ... Allein die dauernde Unterbringung fern von der Familie ist in Krieg und Frieden zu den eigentümlichen Verhältnissen militärischen Dienstes gerechnet worden ... Solange sich also ein Soldat oder Wehrpflichtiger nicht allein aus privaten Gründen im Kasernengelände befindet, werden Unfälle in aller Regel wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen zuzurechnen sein, wenn sie von den baulichen Anlagen, dem Gelände oder den Geräten sowie den dort befindlichen Menschen wesentlich mitverursacht sind und keine Umstände vorliegen, die einen Ursachenzusammenhang ausschließen, wie Alkoholgenuss (vgl. BSG SozR 3200 § 81 Nr.18) oder selbst geschaffene Gefahr (vgl. BSG SozR 3200 § 81 Nr.14).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht mit Hinweis auf die nach Auffassung des Senates für die Bundeswehr nicht anwendbare ASR, die für Umwehrungen mindestens einen Meter vorschreibt, in der Brüstungshöhe des Kasernenfensters von 93 cm (3 cm höher als nach der bayerischen Bauordnung vorgeschrieben) einen baulichen Mangel des Unterkunftsgebäudes des Klägers erkannt und diesen den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen zugerechnet, so dass es folgerichtig zu einer Verurteilung des Beklagten kam. Nachdem jedoch der vom Senat gehörte Sachverständige ausdrücklich unter Beachtung der Körpermaße des Klägers und dem sich daraus ergebenden Drehpunkt einen Sturz des Klägers aus dem geöffneten Stubenfenster und über den Fenstersims mit Sicherheit als nicht möglich erachtet, kann sich der Senat den Wertungen des Sozialgerichts insoweit nicht anschließen. Andererseits stellt der Sachverständige ebenfalls klar, bei den errechneten Alkoholwerten sei nicht davon auszugehen, dass eine völlige Situationsverkennung oder eine erhebliche Verminderung oder gar Aufhebung des Hemmungsvermögens bzw. von Steuerungsvermögen und/oder Einsichtsfähigkeit des Klägers vorgelegen hätten. Damit entfällt (selbst unter Zugrundelegung eines nicht bewiesenen, sondern lediglich unterstellten Alkoholgenusses von insgesamt 7 Halben Bier) auch die Möglichkeit, dass das alkoholbedingte Verhalten des Klägers für den Unfall allein wesentlich bestimmend war (vgl. BSG vom 28.08.1982 - 9a RV 3/82 - = SozR 3200 § 81 Nr.18). Insgesamt kommt der Sachverständige (Vorstand des Institutes für Rechtsmedizin der Universität M.) zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass es nach Aktenlage nicht sicher beurteilbar sei, welche Umstände genau zu dem Fenstersturz des Klägers geführt hätten; offenbar sei es jedoch zu einem Sturz mit Auftreffen primär der Füße und unteren Körperhälfte gekommen; dies weise darauf hin, dass das Sturzgeschehen auch initial mit den Füßen voran erfolgt sei.

Nachdem Einwirkungen von Stuben- oder Kasernenkameraden auf den Kläger - auch im Sinne der Aufforderung zum Ablegen einer Mutprobe oder dergleichen - für den hier zu beurteilenden Geschehensablauf ausscheiden, hält der Senat nach Abschluss der Beweiswürdigung folgenden Sachverhalt aufgrund der vorliegenden Schilderungen sowie der baulichen Gegebenheiten und der Zimmereinrichtung für erwiesen: Der Kläger verließ in der fraglichen Nacht sein oben gelegenes Stockbett, in dem er mit dem Kopf zur Fensterseite hin schlief, wie z.B. vom Zeugen E. als eigene Praxis geschildert, durch ein Herabrutschen bzw. Herunterspringen und kam dabei auf dem neben dem Bett an der Fensterseite stehenden Stuhl auf. Wegen einer Desorientierung (entweder aufgrund von Schlaftrunkenheit oder aufgrund der bei ihm zu Hause gerade seitenverkehrt befindlichen Verhältnisse) ging er vom Stuhl direkt auf das im Verhältnis zu seiner Körpergröße sehr große Fenster zu und schritt direkt hinaus ins Freie. Hierfür spricht, dass das Fenster nach Beobachtung aller Kameraden beim Aufwachen übereinstimmend geöffnet war und ausweislich des polizeilichen Fotos der Stube sich vor dem Fenster auch ein Stuhl befand. Der Senat hält diesen Sachverhalt insbesondere deshalb für erwiesen, weil der Sachverständige wegen des sich aus den Körpermaßen des Klägers ergebenden Drehpunktes einen Sturz aus dem geöffneten Stubenfenster nicht als möglich erachtete. Dieser Drehpunkt spielt jedoch dann keine Rolle mehr, wenn der Kläger aufgrund des Aufkommens auf dem Stuhl die kritische Höhe zum Fenstersims bereits überwunden hatte und mehr oder weniger unbehindert durch das relativ hohe Fenster gehen konnte. Bei einer Fensterflügelbreite von 59 cm und einer Höhe von 115 cm war dies dem Kläger, der von der Stuhlsitzhöhe bis zur Höhe des Fenstersimses quasi nur noch eine Treppenstufe zu bewältigen hatte, jederzeit möglich. Diese Besonderheit der Schlafsituation, verbunden mit dem Zwang zum Aufenthalt in der Kaserne - ein Antrag auf Heimschläfer war dem Kläger abgelehnt worden -, haben demnach das Unfallgeschehen ganz wesentlich mitverursacht. Ob und inwieweit die mangelnde Umsetzung der Erkenntnisse aus früheren Fensterstürzen in der S.-Kaserne (nachgewiesen ist jedenfalls der Sturz eines Wehrpflichtigen in der Nacht vom 20. zum 21.07.1982 aus dem BSG-Urteil vom 13.07.1988) ebenfalls eine maßgebliche Rolle gespielt haben, kann der Senat bei dem hier vorliegenden nachgewiesenen Unfallgeschehen offenlassen. Ebenso sind insoweit eventuelle weitere Unterlassungen des Beklagten oder der Beigeladenen sowie der Polizei bei den Ermittlungen früherer Fälle oder des klägerischen Falles ohne Bedeutung. Damit liegen für den Senat aufgrund des nachgewiesenen Geschehensablaufs sogar konkrete, im zivilen Leben nicht anzutreffende Gefahren (Stockbetten, Stuhl vor dem geöffneten Fenster) vor, die als wehrdiensteigentümliche Verhältnisse ganz wesentlich die gesundheitliche Schädigung (mit-) herbeigeführt haben. Bei dieser Würdigung kommt dem Umstand der Unterbringung in einem Vierbettzimmer auch im Hinblick auf eine mögliche Öffnung des Fensters, auf die der Kläger einen wesentlich geringeren Einfluss hat als bei einer Unterbringung zu Hause, eine nicht unmaßgebliche Bedeutung zu. Zwar konnte keiner seiner Stubenkameraden angeben, ob das Fenster beim Zurückkehren in die Kaserne geöffnet war, jedoch ist angesichts der von der Polizei aufgenommen Beweisfotos und der Möglichkeit, dass drei weitere Personen außer dem Kläger die Möglichkeiten hatten, während der Nacht das Fenster zu öffnen, von einem offenen Fenster auszugehen. Selbst wenn man von einem geschlossenen Fenster ausginge, ist angesichts der Schilderung des Klägers, in seinem Zimmer zu Hause seien "Fenster und Türen gerade seitenverkehrt ... wie in der Kaserne", d.h. "dort wo in der Kaserne das Fenster ist, habe ich zu Hause die Türe", die mögliche "schlaftrunkene" Verwechslung von Türe und Fenster ebenfalls überwiegend durch die besonderen Umstände der Kasernierung des Klägers bedingt.

Bei Abwägung aller möglichen Geschehensabläufe hält es der Senat deshalb für erwiesen, dass als wesentliche Ursachen des Sturzes des Klägers die besonderen Umstände der Unterbringung des Klägers in einem Vierbettzimmer mit Doppelstockbetten und einem Stuhl vor dem Fenster mit einer Brüstungshöhe von 93 cm anzusehen sind.

Nachdem die ursprünglichen Verletzungen des Klägers zumindest eine MdE bzw. einen GDS von 25 v.H. nach Auffassung des Senates bedingten, erübrigten sich weitere Ermittlungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Nachdem der Senat seiner Entscheidung die BSG-Rechtsprechung zugrunde legt, liegen keine Gründe für die Zulassung der Revision vor (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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