S 12 KA 45/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 45/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 6/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) muss am Vertragsarztsitz alle ärztlichen Leistungen erbringen, um fachübergreifend tätig zu sein. Leistungen eines Fachgebiets können nicht ausschließlich in einer Zweigpraxis erbracht werden. Für die Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz im Verhältnis zur Zweigpraxis gilt für ein MVZ die Maßgabe, dass die angegebenen Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des MVZ insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte anzuwenden sind (§ 17 Abs. 1a Satz 4 BMV-Ä/EKV-Ä). Es reicht aus, dass die Summe der Tätigkeitszeiten aller am Vertragsarztsitz tätigen Ärzte alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen (s. Bestätigung von SG Marburg, Beschl. v. 23.11.2007 – S 12 KA 465/07 ER -; v. 22.02.2008 – S 12 KA 47/08 ER -; v. 09.04.2008 – S 12 KA 93/08 ER).
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 02. und 20.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten jeweils zu 1/2 zu tragen. 1/2 der Gerichtskosten hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die vorläufige Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort.

Die Klägerin ist als Medizinisches Versorgungszentrum mit Praxissitz in der A-Strasse, A-Stadt, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In ihr waren zunächst ein Facharzt für Nuklearmedizin und ein Facharzt für Radiologie angestellt.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 30.01.2007 gab dieser dem Antrag der Klägerin auf Übernahme gemäß des § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes des Frauenarztes D, U-Stadt, Hochtaunuskreis statt. Ferner stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die vertragsärztliche Tätigkeit durch die ab 01.02.2007 in Vollzeit bei der Klägerin mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigte angestellte Frauenärztin E weitergeführt werde. Ferner wurde Frau E mit Wirkung zum 01.02.2007 zur ärztlichen Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrum X. bestellt.

Die Klägerin beantragte unter Datum vom 06.03.2007 die Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort mit den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie am Sitz der übernommenen gynäkologischen Praxis. Zur Begründung führte sie aus, die Praxis Dr. F sei mit etwa 1.000 Patienten im Quartal und einer belegärztlichen Tätigkeit an den JB.Kliniken, Krankenhaus NU., für die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten in U-Stadt und im NU. Land – dem Land des ehemaligen Landkreises Hochtaunus/NU. mit 7 Städten und Gemeinden und ca. 70.000 Einwohnern – wesentlich und notwendig. Eine Fortführung der Tätigkeit in den Räumen der Praxis würde daher die Versorgung der Versicherten an dem Ort des Praxissitzes verbessern bzw. aufrechterhalten. Neben der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei die belegärztliche bzw. konsiliarische Tätigkeit am Krankenhaus NU. vorgesehen. Ein Verlust des gynäkologischen Angebots an diesem Ort würde nicht nur zu einer Unterversorgung, sondern auch zu einer erheblichen Erschwerung der Erfüllung des Versorgungsauftrages des Krankenhauses als Notfallstandort führen. Durch das Angebot des MVZ werde die Versorgung innerhalb der sprechstundenfreien Zeiten und die gynäkologische Notdienstversorgung sichergestellt. Die Situation im Fachgebiet Radiologie stelle sich im Hochtaunuskreis so dar, dass von den sieben im Hochtaunuskreis vorhandenen vertragsärztlichen Zulassungen sechs bei der Gemeinschaftspraxis G und Koll. in A-Stadt und eine in ihrem MVZ betrieben werde. Das gesamte NU. Land verfüge damit nicht über ein adäquates Angebot der ambulanten radiologischen Versorgung. Langfristig plane sie, in U-Stadt die radiologische Versorgung zu verbessern. Sie wäre auch bereit, ein nuklearmedizinisches Angebot zu etablieren. Die Versorgung in A-Stadt selbst sehe sie als ausreichend an, weshalb durch eine Verlegung des gynäkologischen Sitzes dort nur ein zusätzliches Angebot geschaffen werde. Ergänzend führte sie unter Datum vom 23.03.2007 aus, dass sie ihr Leistungsangebot im Bereich der Gynäkologie am Standort U-Stadt auch auf die ambulante Chemotherapie (Biphosphonatinfusionen, Portpflege etc.) erweitern würde. Niedergelassene Gynäkologen hätten sie darauf aufmerksam gemacht, dass es hierfür einen erheblichen Bedarf, aber im NU. Land keinerlei Angebot gäbe.

Unter Datum vom 12.07.2007 wandte sich die Frauenärztin Frau H sowie zwei weitere Frauenärztinnen und ein weiterer Frauenarzt an die Beklagte. Sie trugen vor, für das MVZ bestehe keine Notwendigkeit. Alle vom MVZ angebotenen Leistungen könnten auch in Zukunft von den niedergelassenen Kollegen erbracht werden. Bedarf bestehe lediglich im Bereich ambulanter gynäkologischer Operationen und Abort-Curettagen. Ein separater gynäkologischer Notdienst sei nicht notwendig. Echte Notfälle seien in der Regel geburtshilflich und müssten wie bisher in A-Stadt betreut werden. Wenn es aus rechtlichen Gründen aber keine Möglichkeit mehr gebe, das MVZ in eine reguläre Praxis eines ambulant tätigen Gynäkologen umzuwandeln, beantragten sie eine Leistungsbegrenzung auf die Tätigkeit, die der Praxisvorgänger bisher auch ambulant erbracht habe.

Mit Bescheid vom 02.08.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Umfrage bei den niedergelassenen Frauenärzten im Hochtaunuskreis habe ergeben, dass die Versorgung der Versicherten mit der von der Klägerin angebotenen Leistungen nicht verbessert werde. Mit weiterem Bescheid vom 20.08.2007 lehnte sie die Genehmigung erneut ab und führte zur Begründung aus, eine Umfrage bei dem niedergelassenen Radiologen im Hochtaunuskreis habe ergeben, dass die Versorgung der Versicherten mit den von der Klägerin angebotenen Leistungen nicht verbessert werde.

Hiergegen legte die Klägerin mit Datum vom 17. und 27.08.2007 jeweils Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte habe den Sachverhalt unvollständig ermittelt und für die Entscheidung wesentliche Tatsachenfragen nicht berücksichtigt. Die Fortführung des Betriebs der etablierten und übernommenen gynäkologischen Praxis stehe der Verbesserung der Versorgung gleich. Die ambulante Chemotherapie führe generell zu einer Versorgungsverbesserung. Sie gehe davon aus, dass alle Fachgebiete an allen Standorten angeboten werden müssten. Hierzu habe sich die Verwaltung mit keiner Silbe geäußert. Die Bezugnahme auf die angebliche Umfrage reiche nicht aus, zumal weder die Umfrage noch deren Ergebnis ihr mitgeteilt worden seien. Eine Versorgungsverbesserung sei nach der Verwaltungsübung der Beklagte immer anzunehmen, wenn ein Versorgungsengpass beseitigt werde oder am Ort der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen neu angeboten würden.

Am 14.11.2007 reichte die Klägerin einen ersten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ein. Zur Begründung trug sie ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, der zuständige Notdienstobmann habe sie aufgefordert, auch an der allgemeinen Notdienstversorgung teilzunehmen. Durch die Aufrechterhaltung des gynäkologischen Angebots werde die Versorgung sichergestellt. Gerade im ländlichen Bereich bestehe ein besonders hoher Bedarf auf dem Gebiet der Geburtshilfe. Die verbesserte Versorgungssituation ergebe sich auch aus einer nachhaltigen Verbesserung der Erreichbarkeit durch die wohnortnahe Versorgung und die Ausweitung des medizinischen Leistungsangebotes. Chemotherapien würden bisher im NU. Land nicht angeboten werden. Gleiches gelte für radiologische Leistungen. Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte seien bei der Beurteilung der Verbesserung der Versorgung nicht zu berücksichtigen. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da ihr nicht zuzumuten sei, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Es müsse mit einer Abwanderung des von der Vorgängerpraxis betreuten Patientengutes gerechnet werden. Der immaterielle Wert einer Praxis verflüchtige sich innerhalb eines Jahres, wenn diese nicht weiter betrieben werde. Die Beklagte habe ihr untersagt, gynäkologische Leistungen zu erbringen, außerdem stehe demnächst die Kündigung der vom Vorgänger übernommenen Räume an. Eine Interessenabwägung sei nicht erforderlich, da die Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet sei. Im Übrigen würden ihre Interessen überwiegen. Sie habe auch nicht beantragt, gynäkologische Leistungen ausschließlich in der Zweigpraxis zu erbringen. Sie habe beantragt, ebenfalls mit Radiologie und Gynäkologie tätig zu werden. Die Beklagte verwechsle offenkundig verschiedene, bei ihr anhängige Verfahren. Als sich abgezeichnet habe, dass die Beklagte die Genehmigung nicht erteilen werde, habe sie versucht, vertragsärztlich zumindest im Rahmen von ausgelagerten Behandlungsräumen einen eingeschränkten Betrieb aufzunehmen und wenigstens die übernommene Privatpraxis weiterzubetreiben, letztlich mit dem Ziel, die sich abzeichnende Zerstörung des gesamten Praxiswertes infolge der Verweigerungshaltung der Beklagte zu verhindern. Dies habe sie ordnungsgemäß angezeigt. Es habe sich nur um eine vorübergehende und noch dazu sehr eingeschränkte Problemlösung bis zum Abschluss des unverändert von ihr weiterbetriebenen Genehmigungsverfahrens gehandelt. Die Beklagte habe das Genehmigungsverfahren verzögert. Wenn die Beklagte der Auffassung sei, dass gemäß § 17 Abs. 2 BMV-Ä eine Tätigkeit von 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden am Vertragsarztsitz erforderlich sei, stehe es ihr frei, dies im Rahmen der Genehmigung festzulegen und dann selbstverständlich auch zu begründen. Die Regelung sei aber erst nach Antragsstellung in Kraft getreten. Von daher sei fraglich, ob sie auf sie anzuwenden sei. Auch stehe sie mit § 24 Abs. 3 Ziffer 2 Ärzte-ZV nicht in Einklang. Hätte der Zulassungsausschuss eine Verlegung der Praxis gewollt, so hätte er eine genehmigungsbedürftige Vorlage zur Auflage machen müssen oder die Verlegung des Vertragsarztsitzes anordnen müssen. Im Rahmen ihrer privatärztlichen Tätigkeit in U-Stadt könne sie auch Sprechstunden anbieten und Anzeigen schalten. Die Klägerin beantragte, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig die vertragsärztliche Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, in U-Stadt bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu gestatten.

Die Beklagte beantragte, den Antrag zurückzuweisen. Sie trug vor, es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Da ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen sei, sei der Antrag zumindest teilweise unzulässig. Die Klägerin sei als MVZ an eine konkrete Praxisanschrift gebunden. Die Klägerin habe dabei beabsichtigt, ihre gynäkologischen Leistungen ausschließlich in den ausgelagerten Behandlungsräumen bzw. in der Zweigpraxis in U-Stadt zu erbringen. Ein MVZ sei eine fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung. Die vertragsärztlichen Leistungen seien " aus einer Hand" am Ort des Vertragsarztsitzes des MVZ zu erbringen. Der Vertragsarzt müsse an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen. Seine Tätigkeit müsse alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen. Werde die Gynäkologin lediglich in U-Stadt tätig, würden am Vertragsarztsitz keinerlei Sprechstunden mehr von ihr abgehalten werden. Es liege auch keine Versorgungsverbesserung vor. Der Planungsbereich Hochtaunuskreis sei in Bezug auf die Arztgruppe der Fachfrauenärzte mit einem Versorgungsgrad von 157,26 % überversorgt und daher gesperrt. Bezüglich der Radiologen weise der Planungsbereich einen Versorgungsgrad in Höhe von 191,26 % und damit gleichfalls eine Sperrung auf. Die ambulante gynäkologische Versorgung werde von Gynäkologen vor Ort sichergestellt. Es könne nicht von einer Bedarfslücke und damit einer Verbesserung der Patientenversorgung ausgegangen werden. Eine Bedarfslücke bestehe auch nicht für die radiologischen Leistungen. Aufgrund der Entfernung von U-Stadt nach A-Stadt, dem Vertragsarztsitz der großen radiologischen Gemeinschaftspraxis, könne den Versicherten ein Weg von 16,6 km zugemutet werden. Es bestehe auch eine gute Nahverkehrsverbindung. Folge man dem Vortrag der Klägerin, jede Praxisübernahme führe zu einer Versorgungsverbesserung, so wäre jeder Vertragsarzt in der Lage, durch Verlegen seines Vertragsarztsitzes innerhalb des Planungsbereiches eine Zweigpraxisgenehmigung an seinem früheren Vertragsarztsitz durchzusetzen. Es werde auch die ordnungsgemäße Versorgung des Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes in A-Stadt beeinträchtigt, da dort gynäkologische Leistungen nicht erbracht werden sollen. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Die ambulante gynäkologische Versorgung werde nach Angaben von Kollegen in den Räumen des Praxisvorgängers seit dem 01.02.2007 fortgeführt. Insofern verflüchtige sich nicht der immaterielle Wert der Praxis.

Die Kammer verpflichtete mit Beschluss vom 23.11.2007, Az.: S 12 KA 465/07 ER (www.sozialgerichtsbarkeit.de) die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, der Klägerin vorläufig die Tätigkeit in den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie an einem weiteren Ort in der U-Straße in U-Stadt, längstens bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung der Beklagte über den Widerspruch der Klägerin mit Datum vom 20. und 27.08.2007, zu gestatten. Im Übrigen wies sie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Hiergegen legte die Beklagte Beschwerde bei dem LSG Hessen ein (Az.: L 4 KA 79/07 ER).

Die Klägerin wies mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 die Widersprüche gegen die Bescheide vom 02. und 20.08.2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die gynäkologischen und radiologischen Nebenbetriebsstätten seien als Zweigpraxis anzusehen. Die ausgelagerten Leistungen müssten aber auch am Ort des Vertragsarztsitzes erbracht werden. Nach dem Vortrag der Klägerin werde sie in A-Stadt keine Chemotherapien anbieten. Demnach solle ein ganzer Leistungsbereich ausgelagert werden. Herr PD Dr. I könne, da sich seine Ermächtigung auf die Tätigkeit im Krankenhaus beziehe, nicht an der vertragsärztlichen Versorgung der Klägerin in U-Stadt teilnehmen. Es liege auch keine "Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis" vor. Durch den Beschluss des Zulassungsausschusses sei weder die konkrete Praxis in U-Stadt übernommen worden noch beziehe sich der Versorgungsauftrag auf diesen Ort. Die Formulierung "Übernahme des Vertragsarztsitzes" in § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V sei irreführend, gemeint sei die Übernahme einer "Arztstelle". Der Zulassungsausschuss entscheide nur über die "Arztstellenübernahme". Die vertragsärztliche Tätigkeit werde nach § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V in der Einrichtung weitergeführt, gemeint sei damit das MVZ. Dieses geschehe an dessen Betriebsstätte. Da keine Praxisnachfolge für eine konkrete Praxis stattgefunden habe, könne auch in der Folge kein Versorgungsauftrag für die konkrete Adresse/den konkreten Ort (U-Stadt) existieren. Von einem Versorgungsauftrag könne nicht auf den Versorgungsbedarf geschlossen werden. Eine Bindung an den Beschluss des Zulassungsausschusses bestehe daher nicht. Es liege auch keine Verbesserung der Versorgung vor. Der Hochtaunuskreis sei mit Ärzten der Fachgruppe Gynäkologie überversorgt. Allein in U-Stadt seien zwei Frauenärzte niedergelassen, im nur ca. 7 km NA. eine weitere Frauenärztin. Im Übrigen befänden sich im nahen Umkreis von 20 km weitere 29 Gynäkologen (in A-Stadt allein 12 Frauenärzte darüber hinaus in FF., LO., AD.). Trotz des Wegzugs von Herrn F sei U-Stadt und das NU. Land mit Gynäkologen gut versorgt. Die Ermächtigung zweier Ärzte in A-Stadt bezögen sich nicht auf die allgemeinen gynäkologischen Leistungen, sondern nur auf besondere Leistungen wie Mammographie-Screening, Überwachung von Risikoschwangerschaften, Amniozentese, ambulante adjuvante Chemotherapie, Beratung von Frauenärzten in der Behandlung von Tumorpatientinnen. Diese besonderen Leistungen biete die Antragsstellerin nicht an. Die Aufrechterhaltung der Versorgung sei noch keine Verbesserung. Eine belegärztliche Tätigkeit begründe dies nicht. Entscheidend sei aber, dass die Klägerin den Schwerpunkt des MVZ nach U-Stadt verlegen wolle. Damit gebe sie an, dass faktisch keine Zeigpraxis, sondern in U-Stadt die gynäkologische Hauptpraxis betrieben werden solle. Damit werde die Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes beeinträchtigt. § 17 Abs. 1a Satz 4 BMV-Ä stelle nicht auf den einzelnen Arzt, sondern das MVZ ab. Vorausgesetzt werde aber, dass der Versorgungsauftrag eines MVZ erfüllt werde. Der Versorgungsauftrag des MVZ beziehe sich auf die darin vertretenen Fachgebiete. Es reiche daher nicht aus, wenn nur ein Arzt eines Fachgebietes die geforderten 20 Stunden am Vertragsarztsitz erbringe. Die Tätigkeit in den einzelnen Fachgebieten müsse überwiegen am Vertragsarztsitz des MVZ erbracht werden. Wenn man nur auf die Gesamttätigkeitszeiten der Ärzte eines MVZ abstellen würde, dann könnte das MVZ ein Fachgebiet faktisch "auslagern". Damit könnte die Bedarfsplanung umgangen werden. Trotz des Hinweises im Beschluss des Sozialgerichts, dass die Tätigkeitszeiten noch im Widerspruchsverfahren nachträglich angegeben werden könnten, habe die Klägerin hierzu nicht Konkretes vorgetragen. Es könne somit gar nicht geprüft werden, ob tatsächlich die Tätigkeitszeiten am Hauptsitz des MVZ die Tätigkeitszeiten in der Nebenbetriebsstätte in U-Stadt überwiegen würden. Die Gewährleistung der Versorgung der Versicherten sei auf den Versorgungsauftrag der Klägerin zu beziehen. Auch durch eine radiologische/computertomographische Zweigpraxis in U-Stadt werde die Versorgung der Versicherten nicht nachhaltig verbessert. Kostenaufwändige und spezielle Leistungen, die ein Patient selten in Anspruch nehmen müsse, müssten nicht in jedem Ort angeboten werden. Folglich seien den Patienten auch größere Entfernungen zumutbar. Zu diesen Leistungen zählten Röntgenleistungen und Computertomographieleistungen. Zweigpraxisgenehmigungen sollten nur möglich sein, wenn eine Bedarfslücke bestehe. Bei speziellen Leistungen sei dies erst dann der Fall, wenn in einem gewissen Umkreis keine entsprechenden Leistungen angeboten würden. Anliegende Planungsbereiche seien zu berücksichtigen. Die Leistungen würden auch in U-Stadt selbst (Teilradiologie) bzw. im 17 Kilometer entfernten A-Stadt angeboten werden. Der Hochtaunuskreis sei mit Ärzten der Fachgruppe Radiologie überversorgt. In A-Stadt sei eine Gemeinschaftspraxis mit 6 Radiologen tätig, in der alle CT-Leistungen angeboten würden. In GF. seien 6 weitere Ärzte in zwei Praxen tätig (Entfernung: 24,6 Kilometer) und in AD. nochmals 5 Ärzte in einer Praxis (Entfernung: 20,7 Kilometer). In beiden Orten befinde sich auch jeweils eine Praxis, in der auch CT-Leistungen im gleichen Umfang angeboten würden. In U-Stadt hätten zwei Praxen (ein Orthopäde, ein Urologe) sowie ein Internist am Krankenhaus die Genehmigung für (Teil-) Röntgendiagnostik, so dass die wesentliche Röntgendiagnostik für Patienten aus U-Stadt oder dem Umland auch in U-Stadt selbst zugänglich sei. Ob die Klägerin das gesamte Spektrum der Röntgendiagnostik wie an dem Hauptstandort in A Stadt in der Zweigpraxis anbieten werde, lasse sie offen. Dies hänge auch davon ab, welche Röntgenanlage in U-Stadt betrieben werden solle. Es könne deshalb gar nicht beurteilt werden, ob tatsächlich radiologische Leistungen angeboten werden, die bisher in U-Stadt nicht schon durch die anderen Ärzte erbracht würden. Die behauptete Verwaltungsübung, wonach alle Fachgebiete im Sinne der Bedarfsplanung an allen Standorten angeboten werden müssten, existiere nicht.

Hiergegen erhob die Klägerin am 08.02.2008 die Klage (Az.: S 12 KA 45/08).

Die Klägerin stellte ferner am 11.02.2008 einen zweiten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trug unter Verweis auf ihr Vorbringen im ersten einstweiligen Anordnungsverfahren im Übrigen ergänzend vor, die Eilbedürftigkeit folge aus dem Auslaufen des Beschlusses der Kammer. Die dem Beschluss zugrunde liegende Sachlage habe sich nicht geändert. Die Beklagte sei an den Beschluss des Zulassungsausschusses gebunden. Die Übernahme eines Vertragsarztsitzes unter Fortführung der bestehenden Praxis sei gemäß § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V gesetzlich vorgesehen. Einer Praxisnachfolge gehe immer der Verzicht auf eine Zulassung voraus, der Vertragsarztsitz werde dadurch nicht seiner Existenz beraubt. Die Übernahme des Praxissitzes sei nach Satz 2 des § 103 Abs. 4a SGB V und nicht nach dessen Satz 1 erfolgt. Nur im letzteren Falle wäre eine Fortführung der bestehenden Praxis ausgeschlossen. Selbst wenn ihre Tätigkeit am weiteren Ort als genehmigungsbedürftig angesehen werde, so bestehe ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung gem. § 15a Abs. 1 bis 3 BMV i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1 und 2 Ärzte-ZV, da sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt seien. Für den gynäkologischen Bereich folge dies aus dem Umstand der Praxisnachfolge. Für den radiologischen Bereich liege die Verbesserung in der ortsnahen Versorgung. Die Zweigpraxis könne auf einzelne Leistungen beschränkt werden. Der einzelne Arzt müsse nicht überwiegend am Vertragsarztsitz tätig sein. Soweit die Beklagte der Auffassung sei, dass weitere Anforderungen erfüllte sein müssten, so wäre sie in der Lage gewesen, diese Anforderungen zu formulieren und ggfs. sich ergebende Einschränkungen im Wege einer Nebenbestimmung zum Genehmigungsbescheid festzuhalten. Ihr Begehren sei vorrangig darauf gerichtet, die gynäkologische Tätigkeit in U-Stadt in der Weise weiter zu betreiben, wie sie von dem Praxisvorgänger übernommen worden sei, um den mit einer Veränderung des bisherigen Zustandes einhergehenden erheblichen Nachteilen, insbesondere einer Rechtsvereitelung durch den Verlust der übernommenen Praxis, vorzubeugen. Ob und in welchem Umfang weitere Leistungen in U-Stadt erbracht werden müssten oder sollten, ob die Erbringung gynäkologischer Leistungen am Hauptsitz des MVZ notwendig sein sollte, ob es auf diese Frage überhaupt ankommen und ob eine Genehmigung für die Tätigkeit am weiteren Ort überhaupt erforderlich sei, seien allesamt Fragen die im Hauptsacheverfahren zu klären seien. Mit Schriftsatz vom 20.02.2008 präzisiert die Klägerin ihr Begehren dahingehend, dass sie die radiologische und nuklearmedizinische Tätigkeit ausschließlich in A-Stadt betreiben wolle, die gynäkologische Tätigkeit allein in U-Stadt. Aufgrund der Tätigkeitsbestimmungen gemäß den jeweiligen Genehmigungsbescheiden und aufgrund der tatsächlichen Tätigkeitsausübung unter Beachtung der in den Bescheiden bestimmten Zeiten und Tätigkeitsorte würden die radiologische und nuklearmedizinische Tätigkeit in A-Stadt zeitlich die gynäkologische Tätigkeit in U-Stadt überwiegen. Sie begehre nicht die Ausübung der radiologischen Tätigkeit in U-Stadt. Der Einholung einstweiligen Rechtsschutzes zur Ausübung radiologischer Tätigkeit in U-Stadt bedürfe es daher aus ihrer Sicht nicht. Ihre angestellte Frauenärztin, Frau Dr. med. E solle vollzeitig im Rahmen des übernommenen Versorgungsauftrages der übernommenen Praxis F gynäkologisch tätig werden. Ihr Begehren richte sich nicht auf Genehmigung gynäkologischer Tätigkeit in A-Stadt oder Genehmigung radiologischer oder nuklearmedizinischer Tätigkeit in U-Stadt. Sie sei der Auffassung, dass aufgrund des ergangenen Zulassungsbescheides vom 30.01.2007 die Aufnahme einer gynäkologischen Tätigkeit in A-Stadt nicht nur nicht notwendig sei, sondern darüber hinaus sogar unzulässig sei. Die Klägerin beantragte, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig die gynäkologische Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt, zu gestatten, beginnend einen Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008, am 02.02.2008 bis längstens einen Monat nach Zustellung einer erstinstanzlichen Entscheidung im Klageverfahren gegen den Widerspruchsbescheid. Die Beklagte beantragte, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen. Sie trug ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch. Auf die Verflüchtigung des ideellen Praxiswertes in U-Stadt komme es nicht an. Maßgeblich sei allein § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV. Aus dem Bescheid des Zulassungsausschusses folge nicht die Berechtigung zur gynäkologischen Tätigkeit in U Stadt. Davon gehe offensichtlich auch die Klägerin aus, wenn sie eine Zweigpraxisgenehmigung beantrage. Auch ein MVZ sei nur ein Leistungserbringer mit einem Vertragsarztsitz. Die überwiegende Tätigkeit am Vertragsarztsitz sei auf den jeweiligen Versorgungsauftrag zu beziehen.

Die Kammer wies mit Beschluss vom 22.02.2008, Az.: S 12 KA 47/08 ER (www.sozialgerichtsbarkeit.de) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

Die Klägerin beantragte mit Datum vom 29.02.2008 bei der Beklagten erneut die Genehmigung einer Tätigkeit an einem weiteren Ort in U-Stadt.

Die Klägerin stellte ferner am 18.03.2008 einen dritten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trug vor, die Beklagte habe erneut die Berechtigung zur Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an einem weiteren Ort in Abrede gestellt. Darüber hinaus habe sie angekündigt, dass sie nur solche Leistungen vergüten werde, welche sie in A-Stadt erbringe. Seit 15.03.2008 erbringe sie gynäkologische Leistungen in U-Stadt in einem Umfang von 32 Stunden/pro Woche und in A-Stadt in einem Umfang von 6 Stunden/Woche. Radiologische und nuklearmedizinische Tätigkeiten übe sie ausschließlich in A-Stadt aus. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die vorläufige Gestattung der Tätigkeit durch die einstweilige Anordnung vom 23.11.2007 am 03.03.2008 geendet habe und die Beklagte ihre Berechtigung bestreite. Für U-Stadt bestehe ein Versorgungsauftrag im Rahmen der Praxisnachfolge. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz müsse alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen. Die Beklagte könne die Genehmigung zur Aufnahme weiterer vertragsärztlicher Tätigkeiten auch mit Nebenbestimmungen erteilen. Die Beklagte habe hiervon Gebrauch zu machen, bevor sie einen Antrag ablehne. Auf einen Anordnungsgrund komme es generell nicht an, da die Entscheidung der Beklagte offensichtlich rechtwidrig sei. Im Übrigen würden ihre Interessen überwiegen. Die gynäkologische Tätigkeit in A-Stadt erfolge in ihren eigenen Räumen. Hierzu stehe ein eigener Untersuchungsraum für gynäkologische Untersuchungen sowie ein Arztzimmer zur Verfügung. Die Patientenannahme erfolge über die zentrale Patientenannahme. Sie verfüge über einen gynäkologischen Untersuchungsstuhl, einen Wärmeschrank mit Ablage nebst Abwurf und entsprechenden Specula sowie ein Ultraschallgerät. Nichtärztliches Personal sei in A-Stadt in ausreichendem Umfang vorhanden. Das Gleiche gelte für EDV, elektronische Dokumentation sowie die für eine gynäkologische Praxis übliche Basis für Bevorratung an Arzneimitteln und Medizinprodukten. Die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung vom 11.02.2008 stehe der Zulässigkeit dieses Antrages nicht entgegen. Es handele sich nicht um die Wiederholung eines abgelehnten Antrages, sondern um ein aliud, da es sich um einen anderen Streitgegenstand handele. Der vorliegende Antrag beziehe die Erbringung gynäkologischer Leistungen an beiden Betriebsstätten ein. Hierzu habe der Beschluss vom 22.02.2008 keine Entscheidung getroffen. Die Hilfsanträge stellten klar, dass einerseits ein möglichst hoher Tätigkeitsumfang in U-Stadt angestrebt werde, andererseits aber – anders als im Anordnungsantrag vom 11.02.2008 – eine Reduzierung des Umfanges auf das voraussichtlich zulässige Maß in Abhängigkeit der am Hauptsitz erforderlichen Tätigkeit von dem Begehren umfasst werde. Ein Rechtsschutzinteresse fehle nicht. Könne sie die Praxis in U-Stadt nicht weiterführen, habe sie den Verlust des ideellen Wertes der übernommen Praxis zu gewärtigen. Die Klägerin beantragte, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig die gynäkologische Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt, zu gestatten, längstens bis einen Monat nach Zustellung eines Urteils des Sozialgerichts Marburg über ihre Klage in dem Rechtsstreit mit Az.: S 12 KA 45/08 zu gestatten, hilfsweise die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig, längstens bis einen Monat nach Zustellung eines Urteils des Sozialgerichts Marburg über ihre Klage in dem Rechtsstreit mit Az.: S 12 KA 45/08, die gynäkologische Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt, in einem Umfang von 32 Stunden/Woche zu gestatten, unter der Maßgabe, dass sie am Praxissitz in A-Stadt in einem Umfang von 6 Stunden/Woche gynäkologisch tätig werde, weiter hilfsweise die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig, längstens bis einen Monat nach Zustellung eines Urteils des Sozialgerichts Marburg über ihre Klage in dem Rechtsstreit mit Az.: S 12 KA 45/08, die gynäkologische Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt, in einem Umfang von 18 Stunden/Woche zu gestatten, unter der Maßgabe, dass sie am Praxissitz in A-Stadt in einem Umfang von 20 Stunden/Woche gynäkologisch tätig werde. Die Beklagte beantragte, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen. Sie war der Auffassung, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Kammer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt habe, der in materielle Rechtskraft erwachsen sei. Der Antrag sei auch unzulässig, weil insgesamt das notwendige Rechtsschutzinteresse fehle. Eine Entscheidung in Bezug auf den unter dem 29.02.2008 bei ihr gestellten Antrag auf Zweigpraxisgenehmigung sei bisher nicht ergangen. Sie habe bisher die Klägerin lediglich darüber informiert, dass sie in U-Stadt nicht tätig werden dürfe. Hierzu bestehe auch Veranlassung, da die Klägerin selbst vortrage, seit 05.03.2008 dort Leistungen zu erbringen. Rein vorsorglich trage sie vor, dass der Antrag auch unbegründet sei. Es müsse eine überwiegende Tätigkeit am Vertragsarztsitz je Versorgungsauftrag, insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte, erfolgen. Der Hauptteil der gynäkologischen Leistungen müsse am Vertragsarztsitz in A-Stadt erbracht werden. Diese Voraussetzung läge nicht vor, da die Klägerin weiterhin beabsichtige, die gynäkologische Tätigkeit hauptsächlich in U-Stadt zu erbringen. Die U-Stadt zu erbringen. Hilfsanträge seien aber unbegründet, weil eine Versorgungsverbesserung durch eine Zweigpraxisgenehmigung nicht eintrete. Insofern verweise sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008. Auch mit einer Tätigkeit von 18 Wochenstunden in der Zweigpraxis in U-Stadt könne einer Verflüchtigung des ideellen Praxiswertes nicht entgegengewirkt werden. Aus dem Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte folge nicht die Berechtigung der Klägerin zur gynäkologischen Tätigkeit in U-Stadt. Die Klägerin verfüge nur über einen Vertragsarztsitz.

Mit Beschluss vom 09.04.2008, Az.: S 12 KA 93/08 ER verpflichtete die Kammer die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, der Klägerin vorläufig die Tätigkeit in dem Fachgebiet Gynäkologie an einem weiteren Ort in der U-Straße in U-Stadt, längstens bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts Marburg zum Az.: S 12 KA 45/08 in einem Umfang von 18 Wochenstunden zu gestatten; der Klägerin wurde aufgegeben, an ihrem Vertragsarztsitz in A-Stadt, X-Straße, in einem Umfang von 20 Wochenstunden tätig zu sein und ein Tagebuch unter Angabe der jeweiligen Arbeitszeiten über die Verteilung der gynäkologischen Tätigkeit am Vertragsarztsitz und dem weiteren Ort zu führen und der Beklagte bis zum 5. des nachfolgenden Monats vorzulegen sowie bei der Erbringung und Abrechnung einer Leistung den jeweiligen Ort der Leistungserbringung mit einer Betriebsstättennummer zu kennzeichnen; im Übrigen wies sie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück.

Die Klägerin trägt zur Klagebegründung ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor, die Klage richte sich allein auf die Tätigkeit im Fachgebiet Gynäkologie in U-Stadt. Hierzu werde sie aus dem Beschluss des Zulassungsausschusses berechtigt und verpflichtet. Fraglich sei bereits, ob sie überhaupt noch einer Genehmigung bedürfe. Die Beklagte sei an den Bescheid des Zulassungsausschusses gebunden. Die Versorgung werde verbessert. Dies folge bereits aus dem Versorgungsauftrag der früheren Praxis in U Stadt. Eine Beeinträchtigung der Versorgung in U-Stadt sei nicht zu befürchten. Sie habe bereits im Verwaltungsverfahren angegeben, dass der Schwerpunkt der radiologischen Tätigkeit in A-Stadt und der Schwerpunkt der gynäkologischen Tätigkeit in U-Stadt liege solle. Konkrete Tätigkeitszeiten der einzelnen Behandler habe die Klägerin bei ihr nicht abgefragt. Ggf. hätte die Beklagte die Genehmigung unter Nebenbestimmungen erteilen müssen. Gynäkologisch werde sie 6 Wochenstunden in A Stadt und 32 Wochenstunden in U-Stadt tätig sein, ferner in A-Stadt mit 42 Wochenstunden Radiologie und 10 Wochenstunden Nuklearmedizin; hilfsweise werde sie gynäkologisch 20 Wochenstunden in A-Stadt und 18 Wochenstunden in U-Stadt tätig sein. Gegenwärtig habe sie die Sprechzeiten nach dem Beschluss der Kammer vom 09.04.2008 eingerichtet. In A-Stadt sei sie von keiner Patientin im April und Mai 2008 aufgesucht worden. Deshalb könne die Versorgung in A-Stadt auch nicht beeinträchtigt werden. Sie habe auch wesentlich mehr Patienten behandelt, als von der Beklagten angegeben werde

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 02. und 20.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 die Beklagte zu verpflichten, ihr die Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Fachgebiet Gynäkologie in Vollzeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U Stadt, zu erteilen,
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, sie über ihren Antrag auf Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und den einstweiligen Anordnungsverfahren und ist weiterhin der Auffassung, ein MVZ habe auch bei Praxisübernahme die Tätigkeit zunächst ausschließlich am Sitz des MVZ auszuüben. Eine gynäkologische Tätigkeit mit 6 Wochenstunden in U-Stadt sei nicht genehmigungsfähig. Soweit die Klägerin hilfsweise 18 Wochenstunden anbiete, fehle es an einer Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort. Eine aktuelle Bedarfsanalyse habe ergeben, dass in U-Stadt zwei Gynäkologen die Leistungen erbrächten und 400 zusätzliche Patientinnen behandeln könnten. Ein Gynäkologe in FF. verfüge über 150 freie Behandlungsplätze, die zehn in A-Stadt zugelassenen Gynäkologen verfügten über 1.850 freie Behandlungsplätze. Frau E habe demgegenüber 594 (UU/07), 592 (III/07), 594 (IV/07) und 516 (I/08) Fälle abgerechnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist zulässig und im Hilfsantrag begründet. Die Bescheide vom 02. und 20.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, über ihren Antrag auf Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu beschieden zu werden. Einen weitergehenden Anspruch hat sie nicht. Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

Die Klage war im Hauptantrag unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, in einer Zweigpraxis in U-Stadt gynäkologisch in einem Umfang von 32 Stunden pro Woche tätig zu sein, während sie am Praxissitz in A-Stadt die gynäkologische Tätigkeit lediglich in einem Umfang von 6 Stunden pro Woche ausübt.

Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die ärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit 1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Ärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).

Vorliegend handelt es sich allenfalls um eine Zweigpraxis, nicht um ausgelagerte Praxisräume.

Begrifflich werden unter dem Begriff der "weiteren Orte" alle Tätigkeitsorte außerhalb des Vertragsarztsitzes verstanden (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV), für die eine Genehmigung verlangt wird (§ 24 Abs. 3 Sätze 2 und 3 Ärzte-ZV). Hiervon ausgenommen sind spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz, die der Verordnungsgeber selbst als ausgelagerte Praxisräume definiert (§ 24 Abs. 5 Ärzte-ZV). Damit greift der Verordnungsgeber die bereits bisher geltenden Unterscheidungskriterien auf und ist weiterhin nur die Zweigpraxis genehmigungs- und die ausgelagerte Praxisstätte anmeldepflichtig. Hieran anknüpfend verwenden die Bundesmantelverträge-Ärzte den Oberbegriff "Tätigkeitsort" für den Ort des Vertragsarztsitzes ("Betriebsstätte") und die weiteren Orte ("Nebenbetriebsstätten"); unter "Nebenbetriebsstätte" werden die "Zweigpraxis" und die "ausgelagerten Praxisräume" bzw. jetzt "ausgelagerten Praxisstätten" verstanden. Als Zweigpraxis wird ein genehmigter weiterer Tätigkeitsort des Vertragsarztes oder die Nebenbetriebsstätte eines MVZ (§ 1a Nr. 19 BMV-Ä/EKV-Ä), als ausgelagerte Praxisstätte ein zulässiger nicht genehmigungsbedürftiger, aber anzeigepflichtiger Tätigkeitsort des Vertragsarztes, Vertragspsychotherapeuten oder eines Medizinischen Versorgungszentrums in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz (vgl. § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV) definiert; ausgelagerte Praxisstätte in diesem Sinne ist auch ein Operationszentrum, in welchem ambulante Operationen bei Versicherten ausgeführt werden, welche den Vertragsarzt an seiner Praxisstätte in Anspruch genommen haben (§ 1a Nr. 20 BMV-Ä/EKV-Ä). Damit greifen die Bundesmantelvertragsparteien die bereits bisher geltenden Unterscheidungskriterien auf. Die Abgrenzung ist damit weiterhin anhand des Kriteriums der – vollständigen oder teilweisen – Leistungsidentität und des Abhaltens von Sprechstunden, dann handelt es sich um eine Zweigpraxis, vorzunehmen (vgl. im Einzelnen Pawlita in: juris-PK SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2007, § 95 Rdnr. 295 ff.).

Anzuwenden sind auch die Regelungen der Bundesmantelverträge, da die Vertragspartner vom Verordnungsgeber zur Ausgestaltung ermächtigt wurden. Insofern ist auch nicht ersichtlich, dass vor Ergänzung der Bundesmantelverträge eine bessere Rechtsposition der Klägerin bestanden hätte. Im Rahmen eines Verpflichtungsbegehrens ist im Übrigen auf den aktuellen Zeitpunkt abzustellen.

Die Einzelheiten hierzu, insbesondere in welchem Umfang der Vertragsarzt zur Erfüllung seiner Leistungspflichten am Vertragsarztsitz und an dem weiteren Ort angestellte Ärzte unter Berücksichtigung seiner Leitungs- und Überwachungspflicht einsetzen kann, ist einheitlich in den Bundesmantelverträgen zu regeln (vgl. § 24 Abs. 4 Satz 2 Ärzte-ZV). Diese Subdelegation, die § 98 SGB V nicht ausdrücklich vorsieht, ist aber auf der Grundlage der allgemeinen Kompetenz der Partner der Bundesmantelverträge zur vertraglichen Regelung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 72 Abs. 2 i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB V zulässig. Gleiches gilt für die ergänzenden Regelungen über den zahlenmäßigen Umfang der Beschäftigung angestellter Ärzte unter Berücksichtigung der Versorgungspflicht des anstellenden Vertragsarztes (§ 32b Satz 2 Ärzte-ZV).

Die Bundesmantelverträge haben ebenso wie das SGB V und die Ärzte-ZV eine bestimmte Höchstzahl der weiteren Betriebsstätten nicht unmittelbar bzw. absolut festgelegt (§ 15a Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä/EKV-Ä), aber auf der Grundlage der Ermächtigung in § 24 Abs. 4 Satz 2 Ärzte-ZV Beschränkungen in zeitlicher Hinsicht für die Aufteilung der Tätigkeit am Vertragsarztsitz und den Nebenbetriebsstätten aufgestellt, die im Ergebnis zu einer Limitierung der Zahl der Nebenbetriebsstätten führen. In allen Fällen der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an einem weiteren oder mehreren Tätigkeitsorten außerhalb des Vertragsarztsitzes gilt danach, dass die – persönliche, und somit nicht delegierbare – Tätigkeit am Vertragsarztsitz alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen muss. Zur Sicherung der Versorgungspräsenz am Vertragsarztsitz und den weiteren Orten sollen Mindest- und/oder Höchstzeiten an den weiteren Orten festgelegt werden (§ 17 Abs. 1a Sätze 3-6 BMV-Ä/§ 13 Abs. 7a Sätze 3-6 EKV-Ä). Der Vertragsarzt muss dabei an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden (für einen Teilversorgungsauftrag nach § 19a Ärzte-ZV zehn Stunden) wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen (§ 17 Abs. 1a Sätze 1 und 2 BMV-Ä/§ 13 Abs. 7a Sätze 1 und 2 EKV Ä). Die Delegation der Leistung an andere Ärzte ist im Rahmen der Anstellung zulässig. Auch ist die Beschäftigung eines Assistenten (angestellter Arzt) allein zur Durchführung der Behandlung an dieser Nebenbetriebsstätte gestattet, wenn dies von der Genehmigung der Tätigkeit an diesem Ort umfasst ist (§ 15a Abs. 6 Satz 2 BMV-Ä/EKV-Ä). Für MVZ gelten die Regelungen entsprechend (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 Ärzte-ZV). Die Bundesmantelverträge sehen deshalb ebenfalls die Geltung der Ausführungsbestimmungen vor (§ 1 Abs. 8, § 15a Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä/EKV-Ä). Für die Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz gilt die Maßgabe, dass die angegebenen Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des MVZ insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte anzuwenden sind (§ 17 Abs. 1a Satz 4 BMV-Ä/EKV-Ä). Damit genügt es, dass ein Arzt des MVZ die Mindestpräsenz von 20 Wochensprechstunden gewährleistet. § 17 Abs. 1a Satz 5 BMV-Ä/EKV-Ä ordnet nochmals ausdrücklich die entsprechende Geltung des Satzes 3 in § 17 Abs. 1a BMV-Ä/EKV-Ä an. So muss auch in einem MVZ die Gesamttätigkeitszeit am Vertragsarztsitz, also die Summe der Tätigkeitszeiten aller am Vertragsarztsitz tätigen Ärzte, alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen (vgl. Pawlita, aaO., Rdnr. 231 f. u. 248).

Die Kammer hat bereits im Beschluss vom 23.11.2007, worauf sie im Beschluss vom 22.02.2008 und 09.04.2008 verwiesen hat, ausgeführt, der Beklagten sei zuzugestehen, dass grundsätzlich am Vertragsarztsitz eines MVZ alle ärztlichen Leistungen erbracht werden müssen, um fachübergreifend tätig zu sein. Dies gilt anhand der genannten Regelungen aber nicht für die Zweigpraxis selbst, die vom Versorgungstyp her bereits auf einzelne Leistungsbereiche der Praxis selbst beschränkt sein kann. Es gilt aber nach Auffassung der Kammer für den Hauptsitz selbst. Im Hauptsitz eines MVZ müssen alle Leistungen des MVZ angeboten werden. Sie müssen am Hauptsitz auch, bezogen auf jeden Leistungsbereich, überwiegend angeboten werden. Soweit dies nicht der Fall ist, handelt es sich bei der Zweigpraxis nicht um eine Zweigpraxis, sondern letztlich um eine weitere Praxis bzw. stellt die Praxis am Hauptsitz die Zweigpraxis dar. Eine solche weitere Praxis ist als Zweigpraxis nicht genehmigungsfähig. Von daher kommt es nicht darauf an, ob, gemessen am Tätigkeitsumfang aller von der Klägerin angestellten Ärzte, diese Tätigkeit überwiegend am Hauptsitz ausgeübt wird, da die gynäkologische Angestellte der Klägerin am Hauptsitz überhaupt nicht tätig werden soll.

Verfehlt hält die Kammer auch den Hinweis auf § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V. Dort wird lediglich die Möglichkeit eröffnet, dass ein Medizinisches Versorgungszentrum einen Vertragsarztsitz übernimmt und die Tätigkeit durch einen angestellten Arzt in der Einrichtung weiterführt. Der Kammer ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber davon ausgehen würde, dass bei Praxisnachfolge durch ein Medizinisches Versorgungszentrum die Praxis am Ort des praxisabgebenden Arztes zwingend und ausschließlich weitergeführt werden müsse. § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V ermöglicht es vielmehr einem Medizinischen Versorgungszentrum, zur Erweiterung seines Tätigkeitsumfanges einen Praxissitz in einem gesperrten Planungsbereichen zu kaufen. Entsprechend kann auch aus dem Beschluss des Zulassungsausschusses nicht gefolgert werden, nach Praxisübernahme könne die gynäkologische Tätigkeit ausschließlich am Ort der übernommenen Praxis ausgeführt werden. Übernimmt ein Medizinisches Versorgungszentrum einen weiteren Praxissitz im Wege der Praxisnachfolge und befindet sich die weitere Praxis nicht am Sitz des Medizinischen Versorgungszentrums, so ist das Medizinische Versorgungszentrum zwingend gehalten, die Praxis zunächst an den eigenen Sitz zu verlegen, ggf. bleibt ihr vorbehalten, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen, am alten Praxissitz der übernommenen Praxis eine Zweigpraxis zu betreiben. Das vollständige oder überwiegende Auslagern eines bestimmten Leistungsspektrums weg vom Hauptsitz in eine Zweigpraxis kommt aber dem Betreiben einer weiteren Praxis gleich, sofern es sich nicht um das Betreiben ausgelagerter Praxisräume handelt, was hier nicht der Fall ist.

Von daher war die Klage im Hauptantrag abzuweisen.

Der Klage war aber im Hilfsantrag stattzugeben.

Die Bescheide vom 02. und 20.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, über ihren Antrag auf Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort in der U-Straße, U-Stadt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu beschieden zu werden.

Nach dem Hilfsantrag begehrt die Klägerin eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Sie hat insofern vorgetragen, ggf. am Vertragsarztsitz in A-Stadt überwiegende gynäkologisch tätig zu sein und insofern die gynäkologische Tätigkeit in U-Stadt nur untergeordnet ausüben zu wollen. Unter dieser Voraussetzung hat sie einen Anspruch nach der oben bereits dargelegten Rechtslage auf Genehmigung der Zweigpraxis.

Die Versorgung der Versicherten an dem Sitz der Zweigpraxis wird verbessert.

Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F., nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch Sicherstellungsanforderungen i. S. d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rdnr. 55). Bereits im Antrag hat der Vertragsarzt, der eine Zweigpraxis begehrt, anzugeben, welche Leistungen er in der Zweigpraxis erbringen will (vgl. Schirmer, Anmerkungen der KBV zum VÄndG, 2007, S. 27). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen. Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen können.

Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.

Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht. Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 7001/06 – juris Rn. 55 f.).

Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind (vgl. bereits SG Marburg, Beschl. v. 27.08.2007 - S 12 KA 374/07 ER – juris Rdnr. 24 ff.; Pawlita, aaO., Rdnr. 236 ff.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen weist die Beklagte zunächst zutreffend darauf hin, dass auch in U-Stadt Fachärzte für Gynäkologie tätig sind. Von daher führt die Fortführung der übernommenen Praxis vom Leistungsangebot her nicht zu einer Versorgungsverbesserung. Zu berücksichtigen ist aber, dass es sich um eine bestehende Praxis handelt, die die Klägerin als Praxisnachfolgerin übernommen hat und für die sie durch den Beschluss des Zulassungsausschusses als Praxisnachfolgerin eingesetzt wurde. Von daher steht zunächst fest, dass ein Versorgungsauftrag im Rahmen der Praxisnachfolge besteht, dem die Klägerin auch aufgrund des Beschlusses des Zulassungsausschusses nachzukommen hat. An diesen Beschluss ist die Beklagte gebunden.

Auch wenn Grundlage der Praxisnachfolge insbesondere der Eigentumsschutz des die Praxis aufgebenden Arztes ist, so besteht doch durch die Praxisnachfolge bereits von Gesetzes wegen ein Versorgungsbedarf im Umfang der bestehenden Praxis. Von daher kann die Beklagte einen solchen Bedarf nicht mehr verneinen und kommt es für den gynäkologischen Bereich auch nicht darauf an, ob die Klägerin das Leistungsangebot im Einzelnen verbessern bzw. erweitern wird. Für den radiologischen Bereich besteht aber keinerlei Versorgung am Standort U-Stadt. Insofern ist das Angebot, radiologische Leistungen auch in U-Stadt selbst zu erbringen, eine Verbesserung der ortsnahen Versorgung in einem räumlich und kommunalrechtlich abgegrenzten Bereich gegenüber den übrigen Standorten, insbesondere der Stadt A-Stadt, in der die nächstgelegene Praxis in einer Entfernung von ca. 17 km liegt. Werden den Versicherten in U-Stadt und Umgebung diese Wege erspart, so ist von einer Versorgungsverbesserung auszugehen. Eventuelle konkurrenzschutzrechtliche Gründe für die anderen niedergelassenen Vertragsärzte sind im Rahmen der Bedarfsprüfung darüber hinaus nicht gesondert zu berücksichtigen.

Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes in A Stadt wird nicht beeinträchtigt.

Werden die Vorgaben in den Bundesmantelverträgen eingehalten, so scheidet eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung am Vertragsarztsitz aus. Zur Sicherung der Versorgungspräsenz am Vertragsarztsitz und den weiteren Orten sollen Mindest- und/oder Höchstzeiten an den weiteren Orten festgelegt werden (§ 17 Abs. 1a Satz 6 BMV-Ä/§ 13 Abs. 7a Satz 6 EKV-Ä), die deshalb bereits im Genehmigungsantrag anzugeben sind (vgl. Pawlita, aaO., Rdnr. 247). Dies kann aber im weiteren Verfahren nachgeholt oder durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden und steht insofern einer Genehmigung nicht entgegen, soweit die Klägerin, wie bereits ausgeführt, den zeitlichen Vorgaben der Bundesmantelverträge nachkommt.

Residenzpflichten stehen der Genehmigung angesichts der Entfernung von ca. 17 km zwischen den beiden Standorten nicht entgegen.

Von daher liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Genehmigung der Zweigpraxis in U-Stadt vor, soweit die Klägerin die genannten zeitlichen Grenzen einhält.

Die Beklagte hat aber bei Erteilung der Genehmigung die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Hierzu besteht gerade auch deshalb Anlass, weil die Klägerin weiterhin auf dem Standpunkt steht, sie habe einen Anspruch darauf, ausschließlich in U-Stadt gynäkologisch tätig zu sein und im Klageverfahren jetzt angegeben hat, in A-Stadt werde ihre gynäkologische Sprechstunde nicht nachgesucht. Von daher kann die Beklagte von ihrer Ermächtigung nach § 45 Abs. 1 SGB X Gebrauch machen und die zu erteilende Genehmigung mit einer Nebenbestimmung versehen. Wie sie die Nebenbestimmung ausgestaltet, steht insoweit in ihrem Ermessen. Jedenfalls ist von einer Versorgungsverbesserung auszugehen und besteht im konkreten Fall kein weitergehender Beurteilungsspielraum der Beklagten. Sie hat lediglich durch geeignete Nebenbestimmungen sicherzustellen, dass der überwiegende Teil der gynäkologischen Sprechstunde auch am Sitz des MVZ in A-Stadt angeboten wird.

Nach allem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben und war sie im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Quotelung ergab sich daraus, dass die Klage im Hauptantrag vollständig abzuweisen war.
Rechtskraft
Aus
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