Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 SB 878/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 30/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 74/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Klage der Klägerin wird der Änderungsbescheid des Beklagten vom 17.05.2001 abgeändert und der Beklagte verurteilt, mit Wirkung ab 14.12.2007 der Klägerin das Merkzeichen "G" anzuerkennen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt und die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "aG", "B", "RF" nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) bzw. nach § 69 des Sozialgesetzbuches 9. Buch (SGB IX).
Die 1943 geborene Klägerin beantragte erstmals am 23.07.1997 die Feststellung einer Behinderung mit einem GdB von 80 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "aG", und "RF". Zur Begründung verwies sie auf eine schwere Eisenmangelanämie, ein chronisches Müdigkeitssyndrom, Erschöpfungszustände bei geringster Anstrengung mit Tachykardien, unspezifische Hustenattacken bis Erstickungsanfälle bei geringster Anstrengung, Atemnot, Nierenschaden bei pathologischen Normwerten und früherer erheblicher Hypotonie sowie eine Harninkontinenz. Einen Hausarzt könne sie nicht angeben, weil sie Heilpraktikerin sei und es nach den Befunden keine Behandlungsmöglichkeit gäbe; Befunde und Befundkontrollen fügte sie bei.
Nach Auswertung der beigefügten Unterlagen und einer versorgungsärztlich internistischen Begutachtung durch den Internisten Dr.S. vom 20.03.1997 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.09.1997 rückwirkend zum 20.03.1997 als Behinderung eine Blutarmut mit einem GdB von 50 fest, Merkzeichen verneinte er. Zuvor hatte er mit Bescheid vom 01.07.1997 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesseuchengesetz abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.1997 Widerspruch ein, den sie am 09.10.1997 unter Hinweis auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", 1996, (AP) u.a. damit begründete, der angefochtene Bescheid sei weder im Interesse einer bundesweiten Gleichbehandlung der Behinderten zur sozialen Gerechtigkeit noch nach der angeführten versorgungsärztlichen Auswertung aller dokumentierten Befunde ihrer Gesundheitsstörungen erstellt. Sie beantrage nunmehr die Erhöhung des GdB auf 100 mit den Merkzeichen G, aG, RF, 1. Klasse. Allgemein verwies sie darauf, dass bei ihr eine sehr seltene Form einer Eisenmangelanämie vorliege.
Der Medizinaldirektor Dr.K. wertete u.a. auch die G-Akte nach dem Bundesseuchengesetz aus und stellte fest, dass zwischen 06/1994 und 11/1996 insgesamt sieben, in mehrmonatigem Abstand bestimmte Hb-Werte unter 8 g/% dokumentiert seien, und bei der versorgungsärztlichen Begutachtung im März 1997 der Hb-Wert 6,9 g/% betragen habe. Unter Berücksichtigung dieser Parameter könne in Analogie zu den Ausführungen der AP 96 Nr.30 Abs.3 letzter Satz bei einer mit einem GdB von 50 beurteilten Blutarmut dem Vorschlag in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.12.1997 auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" gefolgt werden.
Mit dem ersten Teilabhilfebescheid vom 18.02.1998 stellte der Beklagte unter teilweiser Abhilfe des Widerspruchs fest, der GdB für die Blutarmut betrage wie bisher 50, die Klägerin erfülle die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" ab 20.03.1997.
Nach Auswertung weiterer Unterlagen wie im Gutachten des Internisten Dr.W. vom 12.01.1998, das im Rahmen des Rentenverfahrens erstellt wurde, stellte die Leitende Medizinaldirektorin Dr.H. am 28.04.1998 in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme fest, eine schwere Eisenmangelanämie mit einem Abfall des Hb auf 7,2 g/dl bestehe, die Kreislaufdysregulation stehe im Zusammenhang mit dieser Anämie, wobei echokardiographisch von Seiten des Herzens keine wesentliche Funktionseinschränkung objektiviert werden könne. Entsprechend ihrem Vorschlag stellte daraufhin der Beklagte mit dem zweiten Teilabhilfebescheid vom 30.06.1998 einen GdB von 60 für
1. Hypotone Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie (Einzel-GdB 60),
2. Lungenfunktionseinschränkung (Einzel-GdB 10) und
3. Harninkontinenz (Einzel-GdB 10) sowie
die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.1998 wies er im Übrigen die Widersprüche der Klägerin, soweit ihnen nicht abgeholfen wurden, zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27.07.1998 Klage zum Sozialgericht München. Sie beantragte die Feststellung eines GdB von 100 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF". Der Beklagte habe das Ausmaß der festgestellten Behinderung verkannt, insbesondere die bei ihr vorliegenden massiven Einschränkungen der Lungenfunktion bei der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" und "RF".
Der von Amts wegen beauftragte Sachverständige (Internist) Dr.H. stellte in seinem internistischen, sozialmedizinischen und psychotherapeutischen Gutachten vom 20.10.1999 u.a. nur noch eine geringgradige Eisenmangelanämie, die einen GdB von 20 bedinge, fest. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mindestens 20 konnte er nicht feststellen, eine seelische Störung bewertete er mit einem Einzel-GdB von 10. Insgesamt ergäbe sich ab 25.07.1997 ein GdB von 50 und ab Mai 1999 ein GdB von 20, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen lägen nicht vor. Wegen der erheblichen Hauterscheinungen empfahl er ein dermatologisches Gutachten einzuholen.
In diesem anschließend von Amts wegen in Auftrag gegebenen Gutachten des Dr.G. vom 06.12.1999 stellte der Sachverständige fest, auf dermatologischem Fachgebiet läge keine Behinderung vor, die Hauterscheinungen seien artifiziell herbeigeführt.
Gegen diese Gutachten erhob die Klägerin, wie schon zuvor, erhebliche medizinische und persönliche Einwendungen und beantragte die Anhörung weiterer Sachverständiger nach § 109 SGG, die das Gericht am 23.03.2000 beschloss.
Der nach § 109 SGG gehörte Prof.Dr.S. stellte in seinem psychiatrischen Gutachten vom 17.08.2000 (Untersuchungen am 03.08. und 22.08.2000) fest, bei der Klägerin liege eine anhaltende wahnhafte Störung vor, die von ihr empfundenen somatischen Beschwerden seien auf eine abnorme fremdartige Leibesempfindung zurückzuführen, weitere Gutachten auf anderen Fachgebieten seien nicht erforderlich.
In der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2001 änderte das Sozialgericht seinen Beschluss vom 23.03.2000 dahin, dass weitere Gutachten nach § 109 SGG nicht mehr eingeholt würden, anschließend wies es mit Urteil vom 01.03.2001 die Klage ab - zuvor waren Vergleichsverhandlungen gescheitert (der Beklagte hatte sich vergleichsweise bereit erklärt, vorübergehend bei höherem GdB von 70 noch zusätzlich die psychiatrische Behinderung anzuerkennen, die Klägerin hatte dieses Angebot abgelehnt, weil bei ihr keine psychiatrische Behinderung vorliege). Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die in den angefochtenen Bescheiden festgestellten GdB von 50 ab 20.03.1997 und 60 ab 12.01.1998 seien zutreffend, weil Dr.H. und Dr.G. aus Sicht der Kammer auf internistischem und hautärztlichem Gebiet nur einen GdB von 20 festgestellt hätten und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" und "RF" übereinstimmend und nachvollziehbar verneint hätten. Dagegen hätte Prof.Dr.S. auf psychischem Gebiet eine deutliche Leistungseinschränkung beschrieben, die nach den AP mit einem GdB von allenfalls 50, nicht aber von 60, zu bewerten sei.
Mit ihrer anschließenden Berufung, die am 02.04.2001 beim Sozialgericht München einging, verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Mit Schreiben vom 10.05.2001 beantragte sie gemäß § 109 SGG mehrere Ärzte zu hören, mit Schreiben vom 22.05.2001 übersandte sie den Änderungsbescheid des Beklagten vom 17.05.2001, in dem ihr u.a. das Merkzeichen "G" aberkannt und die dem GdB von 60 zugrunde liegenden Funktionsbeeinträchtigungen neu bezeichnet wurden als:
"1. Seelische Krankheit,
2. Blutarmut,
3. Harninkontinenz,
4. Reizdarm."
Mit Schreiben vom 13.02.2002 stellte die Klägerin klar, Prof.Dr.E. solle auf hämatologischem Sachgebiet tätig werden, auf das dermatologische Gutachten von Prof.Dr.P. werde verzichtet, Prof. Dr.D. solle auf kardiologischem/pulmologi-schem Sachgebiet mit der Begutachtung beauftragt werden.
Der Sachverständige Prof.Dr.E. erörterte in seinem internistischen/hämatolo-gischen Gutachten vom 19.02.2003 mehrere von der Klägerin berichtete Krankheiten/Beschwerden und schloss schließlich wegen der von ihm erhobenen Werte eine Polycythaemia vera oder eine andere Bluterkrankung aus. Der am 30.06.1998 festgestellte GdB von 60 beruhte hauptsächlich auf der damaligen Eisenmangelanämie und der damit verbundenen hypotonen Kreislaufdysregulation. Bei nunmehr normalen Blutwerten und eher hypertonen Blutdruckwerten, könne diese Symptomatik nicht mehr zur Bemessung des GdB verwendet werden. Auch die Lungenfunktionseinschränkung lasse sich aktuell nicht objetivieren, das Merkzeichen "G" sei ebenfalls nicht zutreffend, die Klägerin könne durchaus an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Am 05.04.2003 teilte die Klägerin mit, den Termin bei Prof.Dr.D. wegen Befangenheit nicht wahrzunehmen.
In einem Erörterungstermin am 24.07.2003 machte die Klägerin eine weitere gesundheitliche Verschlechterung seit der Begutachtung durch Prof.Dr.E. geltend und beantragte, ein neurologisches psychiatrisches Gutachten durch das Gericht einzuholen, das diesen Antrag jedoch unter Hinweis auf die früheren Anträge nach § 109 SGG ablehnte. Mit Schreiben vom 03.08.2003 erhob sie u.a. auch eine Feststellungsklage (367 Fragen u.a. auch zu juristischen Problemen).
Der Beklagte legte am 26.01.2004 die nervenärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin B. vom 19.01.2004 vor; diese schlug auf den Einwand der Klägerin, die bisherige Formulierung "seelische Krankheit" sei zu unspezifisch, vor, den Bescheidtext zu präzisieren und zusätzlich eine Migräne mit einem GdB von 10 festzustellen. Als Bescheidtext schlug sie vor:
1. Seelische Störung mit Somatisierung mit einem Einzel-GdB 50
und jeweils mit einem Einzel-GdB von 10,
2. Migräne,
3. Harninkontinenz und
4. Reizdarm.
Hierbei berücksichtigte sie auch die gleichzeitig übersandte versorgungsärztliche Stellungnahme des Internisten/Kardiologen/Sozialmediziners Dr.S. vom 24.11.2003.
Am 07.04.2005 legte der Beklagte das nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage der Neurologin B. vor, in dem auch auf die vielfältigen zwischenzeitlich übersandten Schreiben der Klägerin und ihren erweiterten Antrag, den GdB mit 100 und die Merkzeichen "aG", "RF" sowie "B" bereits ab Juni 1994, jedenfalls ab der Stichtagsregelung November 2000, festzustellen, eingegangen wurde. Diese rückwirkend geltend gemachten Werte und Merkzeichen ließen sich nicht begründen, auf die vorangegangenen Stellungnahmen werde verwiesen, es werde empfohlen, den bisherigen Bescheidtext beizubehalten.
Mit Schreiben vom 13.03.2004 präzisierte die Klägerin nochmals ihre Anträge, ab 06/1994 einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "aG" und "RF", ab 16.12.2002 zuzüglich das Merkzeichen "B", bzw. ersatzweise ab 20.03.1997 einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "RF" und ab 16.12.2002 das Merkzeichen "B" zugesprochen zu bekommen.
Der danach auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige Neurologe/Psychiater M. vertrat in seinem Gutachten vom 04.12.2006 die Auffassung, die Zuerkennung eines GdB von 50 sei ab dem 17.05.2001 weiterhin unter Berücksichtigung der seelischen Störung (GdB 50) und der übrigen dokumentierten Gesundheitsbeeinträchtigungen ausreichend. Das Gehvermögen der Klägerin sei nicht erheblich beeinträchtigt, immerhin hätte sie auch problemlos den Weg nach H. am Untersuchungstag mit öffentlichen Verkehrsmitteln und den Weg vom Bahnhof und zur Praxis mit einer Entfernung von etwa 500 m von der Haltestelle B.platz zurücklegen können. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" verneinte er ebenfalls, meinte jedoch, nach den AP lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" vor. Angesichts einer aus seiner Sicht erheblichen Schwere des Leidens, einer ausgesprochen schlechten Behandlungsprognose und des Umstands, dass die Klägerin in Menschenansammlungen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt sei, sei sie an der Teilhabe öffentlicher Veranstaltungen gehindert. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" und "RF" bereits ab Juni 1994 bzw. für das Merkzeichen "B" ab dem 16.12.2002 verneinte er ebenfalls. Im Übrigen wies er darauf hin, die Klägerin zitiere zum großen Teil tatsächlich seriöse medizinische Standardliteratur, die sie allerdings bedauerlicher Weise nicht interpretieren könne. Wollte man auf jede einzelne dieser Einlassungen der Klägerin ausführlich und abschließend eingehen, so ergäbe sich letztlich ein fast unendlicher Gutachtenstext. Im Übrigen hielt er es für extrem unwahrscheinlich, für die zurückliegende Zeit eine neurologische Erkrankung abzuleiten. Mit Schreiben vom 27.01.2007 übersandte er auf Wunsch der Klägerin das Original des EEG vom 21.11.2006 sowie weitere Originalunterlagen.
Der Beklagte legte mit Schreiben vom 17.09.2007 eine weitere nervenärztliche Stellungnahme nach Aktenlage der Neurologin B. vom 17.09.2007 vor, in der u.a. auch zu den Einwänden der Klägerin in ihrem Schreiben vom 27.07.2007 eingegangen und u.a. auch das Merkzeichen "RF" weiterhin verneint wurde. Ein umfassender Ausschluss nahezu aller möglicher öffentlicher Veranstaltungen läge nicht vor. Hustenattacken würden zwar in einem Konzert sehr stören, bei einem Volksfest oder einer Sportveranstaltung jedoch nicht.
Mit Schreiben vom 26.09.2007 beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin, das Gutachten des Sachverständigen M. der "Arbeitsgemeinschaft Neurologische Begutachtung der deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V." zur Überprüfung vorzulegen und den Sachverständigen Dr.H. gutachterlich nach § 109 SGG zu hören.
Der Sachverständige Dr. H. hielt in seinem Gutachten vom 14.12.2007 die Feststellung einer seelischen Krankheit schon ab 1997 mit einem GdB von 60 für gerechtfertigt und bejahte die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Im Änderungsbescheid vom 17.05.2001 werde zutreffend eine wesentliche Besserung bezüglich der Einsenmangelanämie angenommen, diese sei zuletzt nicht mehr nachweisbar gewesen. Zu Recht sei jedoch eine seelische Krankheit anerkannt worden, die einen GdB von 60 rechtfertige, dies sei auch heute der Fall. Wenn man schon am 30.06.1998 lediglich wegen einer hypotonen Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt ansähe, dann habe sich dies auch am 17.05.2001 nicht geändert. Weitere Merkzeichen verneinte er. Daraufhin bot der Beklagte mit Schreiben vom 13.02.2008 vergleichsweise an, ab 14.12.2007 (Untersuchung Dr.H.) das Merkzeichen "G" zuzuerkennen und den GdB weiterhin mit 60 festzustellen. Entsprechend dem Vorschlag Dr.H. ging er hierbei von einer schweren Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 60, einer Stressinkontinenz, Einzel-GdB 10, und einer multiplen Nahrungsmittelallergie, Histamintoleranz, Einzel-GdB 10, aus. Anschließend übersandte er auf Wunsch der Klägerin noch Originaltestunterlagen.
Mit Schreiben vom 16.03.2008 beantragte die Klägerin u.a. die persönliche Ladung des Sachverständigen Dr.H. zur Befragung, wobei sie insgesamt 75 Themenbereiche auflistete.
Der Beklagte hielt in seinem Schreiben vom 09.04.2008 an seinem Vergleichsangebot vom 13.02.2008 fest, und hielt im Übrigen die Kritik am Sachverständigen Dr.H. nicht für stichhaltig. Letzterer verwies am 15.05.2008 nochmals abschließend auf sein Gutachten.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2008 erklärte die Klägerin ergänzend und zusammenfassend u.a., sie leide an einer Unfähigkeit, körpereigenproduziertes Histamin wieder abzubauen. Durch den Histaminüberschuss komme es im Körper zu einer Vergiftung und in der Folge zu einem Leistungsabfall, auch die Nerven würden geschädigt. Die Hautausschläge und die Allergien beruhten auch auf diesem Histaminüberschuss. Im Prinzip könne man sagen, dass alles, was der Beklagte als schwere Somatisierungsstörung bezeichne, darauf zurückzuführen sei. Außerdem leide sie an Multipler Sklerose, Parkinson-Syndrom (Akinesie), amyotropher Lateralsklerose (ALS).
Die Klägerin beantragt,
den Rechtsstreit zu vertagen und ein weiteres rein neurologisches Gutachten (Histamin-Intoleranz, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson - Akinesie, ALS) gem. § 106 SGG von Amts wegen einzuholen; ein Gutachten nach § 109 SGG beantrage sie nicht mehr, weil sie bereits zahlreiche Gutachten nach § 109 SGG bezahlt habe.
Hilfsweise beantragt sie, das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 und die Bescheide des Beklagten vom 17.09.1997, 18.02.1998, 30.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 und den Änderungsbescheid vom 17.05.2001 abzuändern und bei ihr rückwirkend ab 1994 einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "RF" und ab 16.11.2000 auch das Merkzeichen "B" zuzuerkennen. Vorsorglich beantrage sie die Zulassung der Revision.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 zurückzuweisen und die Klage abzuweisen, soweit das Begehren der Klägerin über das Vergleichsangebot des Beklagten vom 13.02.2008 hinausgeht.
Zum Verfahren beigezogen wurden die Schwerbehindertenakten und die Akten des Sozialgerichts München - S 24 SB 878/98.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweisunterlagen, bezüglich des Sachverhalts im Berufungsverfahrens auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung statthafte (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 51 Abs.1 Nr.7, 143 ff., 151 SGG i.V.m. §§ 2, 69 SGB IX), jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Die Klage gegen den während des Berufungsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 17.05.2001 (u.a. Aberkennung des Merkzeichens "G"), der gemäß §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde, ist dagegen insoweit begründet, als der Beklagte unter Abänderung dieses Änderungsbescheides zu verurteilen ist, mit Wirkung ab 14.12.2007 der Klägerin das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 und die ihm zugrundeliegenden Bescheide des Beklagten vom 17.09.1997, 18.02.1998, 30.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 sind nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass die nach § 69 Abs.1 Satz 1 SGB IX zuständigen Behörden des Beklagten ab Antragstellung einen höheren GdB als 50 sowie die beantragten Merkzeichen bzw. ab dem 18.02.1998 neben dem Merkzeichen "G" weitere Merkzeichen und ab dem 30.06.1998 neben dem Merkzeichen "G" und einem GdB von 60 weitere Merkzeichen bzw. einen höheren GdB feststellen. Erst recht gilt dies für die von ihr beantragten rückwirkenden Feststellungen ab 1994, insbesondere ab 16.11.2000 für das Merkzeichen "B".
Zwar hat der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörte Sachverständige, der Neurologe/Psychiater K. C.M. in seinem Gutachten vom 04.12.2006 gemeint, nach den AP lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" deshalb vor, weil die Klägerin in Menschenansammlungen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt sei; hinzu käme die Schwere des Leidens mit einer ausgesprochen schlechten Behandlungsprognose. Die übrigen Merkzeichen verneinte er dagegen auch ab Juni 1994.
Dieser Auffassung kann sich der Senat hinsichtlich des Merkzeichens "RF" jedoch nicht anschließen. Nach § 6 Abs.1 Nr.7, 8, 10 Abs.2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31.08.1991, aktuell in der Fassung des 8. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 09.02.2005 (BayGVBl Nr.4/2005, S.27 ff.) i.V.m. den jeweils geltenden AP, erfüllt die Klägerin nicht die für eine Gebührenbefreiung erforderlichen Voraussetzungen. Sie gehört nicht zu den behinderten Menschen, die als Anspruchsberechtigte für die Zuerkennung des Merkzeichen "RF" und die damit verbundene Gebührenbefreiung aufgrund dieser Vorschriften genannt sind: "Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung, Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, Behinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können."
Nachdem die Klägerin weder blind noch hörgeschädigt ist, käme eine Befreiung nur dann in Betracht, wenn sie dem letztgenannten Personenkreis (vgl. Nr.33 AP) angehören würde. Hierzu zählen derzeit im Einzelnen:
- Behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können.
- Behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung und auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Arnus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können).
- Behinderte Menschen mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger Lungentuberkulose.
- Behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden.
- Geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Insgesamt ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSG - Urteil vom 28.06.2001, B 9 SB 2/00 R) bei der Beurteilung, welche Personen aus gesundheitlichen Gründen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, ein enger Maßstab anzulegen. Der Behinderte muss wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch an öffentlichen Veranstaltungen, d.h. von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender Art, ausgeschlossen sein, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen nur noch teilnehmen können. Dabei ist es unerheblich, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Behinderte noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Diese Unfähigkeit des Behinderten, ständig an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, steht damit praktisch der Bindung an das Haus gleich. Aus dem subjektiven Empfinden eines Behinderten, an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr partizipieren zu können, folgt nicht, dass ein Besuch unzumutbar ist (vgl. BSG a.a.O.).
Da nach dem Ergebnis auch der Beweisaufnahme des Sozialgerichts, insbesondere den Feststellungen der dort gehörten Sachverständigen diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht vorliegen und auch der Sachverständig M. diese Voraussetzungen im Einzelnen nicht belegen konnte und das Sozialgericht unter Beachtung der AP (zu deren Geltung s. z.B. BSG vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R) den gesamten Sachverhalt und die eingeholten Sachverständigengutachten zutreffend bewertet und gewürdigt hat, kann der Senat insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen und die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweisen.
Die während des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten bestätigen im Wesentlichen die Feststellungen der im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen. Darüber hinaus hielt der Sachverständige Dr.H. in seinem Gutachten vom 14.12.2007 die Feststellung einer seelischen Krankheit bereits ab 1997 mit einem GdB von 60 für gerechtfertigt und bejahte mangels einer wesentlichen Änderung weiterhin die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Dieser Auffassung schließt sich der Senat nur teilweise an.
In dem während des Berufungsverfahrens erlassenen Änderungsbescheid vom 17.05.2001, der insoweit vom Senat als Klage zu behandeln ist, wurde nach Auffassung des Sachverständigen Dr.H. zutreffend eine wesentliche Besserung bezüglich der Eisenmangelanämie angenommen, diese sei zuletzt nicht mehr nachweisbar gewesen.
- Zu diesem Ergebnis war zuvor der Sachverständige Prof.Dr.E. in seinem Gutachten vom 19.02.2003 ebenfalls gelangt. - Zu Recht sei jedoch eine seelische Krankheit anerkannt worden, die einen GdB von 60 rechtfertige, dies sei auch heute noch der Fall. Wenn man schon am 30.06.1998 lediglich wegen einer hypotonen Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt ansehe, dann habe sich dies auch am 17.05.2001 nicht geändert.
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat bzgl. des Merkzeichens "G" an mit der Folge, dass der Änderungsbescheid vom 17.05.2001 entsprechend abzuändern und der Beklagte zu verurteilen ist, mit Wirkung ab 14.12.2007 der Klägerin das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Darüber hinaus stehen der Klägerin nach den Feststellungen aller Gutachter und Sachverständigen - auch des Dr.H. - keine weiteren Merkzeichen zu, sodass im Übrigen die Klage abzuweisen war. Des weiteren lässt sich nicht schon ab 1997 eine seelische Krankheit mit einem GdB von 60 feststellen, sodass insoweit dem Klage- und Berufungsbegehren der Klägerin nicht stattgegeben werden konnte. Hierzu hat bereits das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass eine erhebliche Verschlechterung der psychischen Einschränkung erstmals durch die vom Sachverständigen Prof.Dr.S. erhobenen Befunde (Untersuchungen am 03.08. und 22.08.2000) nachgewiesen ist. Insoweit weist auch Dr.H. darauf hin, die Klägerin selbst habe erst am 28.04.2003 den Psychiater Prof.Dr.Dr.K. aufgesucht, auch wenn es sich, wie bereits der Sachverständige M. meinte, um eine Somatisierungsstörung handelte.
Im Übrigen hielte es der Senat auch nicht für sachdienlich, von den im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen weitere Stellungnahmen aufgrund der sehr umfangreichen medizinischen und sonstigen Einwendungen der Klägerin einzuholen. Hierbei schloss er sich der Auffassung des Sachverständigen M. an, der darauf hinweist, dass die vielfältigen, oft sehr ausführlichen Stellungnahmen der Klägerin letztlich vielfältig ähnliche Missverständnisse aufweisen, wie er sie am Beispiel der Parkinsonkrankheit aufzeigte: "Die Klägerin zitiert dabei zum großen Teil tatsächlich seriöse medizinische Standardliteratur, die sie allerdings bedauerlicherweise nicht interpretieren kann. Wollte man auf jede einzelne dieser Einlassungen der Klägerin ausführlich und abschließend eingehen, so ergäbe sich letztlich fast ein unendlicher Gutachtenstext. Es entstünden hier auch aus meiner Sicht für die Beklagte selbst nicht zu rechtfertigende Kosten. Es bleibt hier dennoch bestehen, dass zumindest die neurologischen Diagnosen, die von der Klägerin in der Aktenlage immer wieder diagnostiziert werden, einer Grundlage entbehren. Die Klägerin hat sich dabei selbst fast jede schwere neurologische Systemerkrankung diagnostiziert. Dies resultiert eben aus einer Verbindung zwischen medizinischem Halbwissen und der vorhandenen psychischen Störung. Aus meiner Sicht wäre dies auch durch noch so ausführliche patho-physiologische Erklärungen nicht korrigierbar. Ein noch ausführlicheres Eingehen auf diese Argumentation wäre aus meiner Sicht weder für die Klägerin noch für das Gericht hilfreich. Ich möchte an dieser Stelle jedoch betonen, dass ich es für extrem unwahrscheinlich halte, dass sich daraus für die zurückliegende Zeit eine neurologische Erkrankung ableiten ließe, die zum einen erklärend für die Beschwerden der Klägerin wäre und zum anderen zu einer Änderung der Beurteilung der Leiden der Klägerin nach den Anhaltspunkten führen würde". Diese Feststellungen des Sachverständigen bzw. die Vorgaben der AP führen letztlich dazu, dass der Senat den Vertagungsantrag der Klägerin bzw. ihren Antrag ein weiteres rein neurologisches Gutachten zu Fragen der Histaminintoleranz, der Multiplen Sklerose, des Morbus Parkinson-Akinesie bzw. der ALS einzuholen, ablehnte. Abgesehen davon, dass mit Ausnahme der Histaminintoleranz für diese Krankheiten keinerlei objektive medizinische Befunde von der Klägerin vorgelegt werden konnten, sind auch die von ihr vorgebrachten Überlegungen zur Genese der verschiedenen Krankheiten unbeachtlich. Schließlich kommt es bei der Feststellung eines GdB maßgeblich darauf an, welche Funktionsbeeinträchtigungen tatsächlich vorhanden sind und wie sich dadurch eine entsprechende Behinderung im Alltagsleben ergibt. Insoweit ist auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr.H. zu verweisen, wonach bei der Klägerin eine schwere Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 60 sowie eine Stressinkontinenz mit einem Einzel-GdB von 10 und eine multiple Nahrungsmittelallergie, Histaminintoleranz mit einem Einzel-GdB von 10 vorliegen, die insgesamt zu einem Einzel-GdB von 60 sowie der Zuerkennung des Merkzeichens "G" führen. Diese Beurteilung entspricht der von den AP geforderten Gesamtschau, berücksichtigt die wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen und steht im Einklang mit dem Kenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft, der sich in allen eingeholten Gutachten bzw. ärztlichen Stellungnahmen widerspiegelt. Insoweit hatte das Gericht auch keine Veranlassung, die Qualität des Gutachtens des Sachverständigen M. vom ANB e.V. entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 26.07.2008 prüfen zu lassen. Der Senat konnte auch ohne Ladung des Sachverständigen Dr.H. zum Verhandlungstermin am 08.07.2008 entscheiden.
Zunächst hat die Klägerin den Antrag auf Ladung des gem. § 109 SGG bestellten Sachverständigen Dr.H. in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2008 nicht mehr aufrechterhalten. Stattdessen hat sie nunmehr den Antrag gestellt, ein rein neurologisches Gutachten gem. § 106 SGG einzuholen, ein Gutachten gem. § 109 SGG werde dagegen nicht mehr beantragt, weil sie bereits zahlreiche Gutachten nach § 109 SGG bezahlt habe. Die Einvernahme des Gutachters Dr.H. im Termin wäre unvermeidlich mit weiteren nach § 109 SGG - jedenfalls zunächst - von der Klägerin zu tragenden Kosten verbunden gewesen.
Aber selbst wenn man annehmen würde, dass die Klägerin ihren Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr.H. aufrechterhalten hat, wäre dem Antrag nicht zu folgen gewesen. Der Senat hält das diesbezügliche Begehren der Klägerin für rechtsmissbräuchlich. Die in den bisherigen Verfahren von der Klägerin gegen die zahlreichen eingeholten Gutachten erhobenen Einwendungen - wie insbesondere auch die Feststellungen, Fragen und Einwendungen im Zusammenhang mit dem Gutachten von Dr.H. zeigen deutlich, dass es der Klägerin kein Gutachter Recht machen kann, es sei denn, er würde die von der Klägerin vertretenen völlig unrealistischen Auffassungen hinsichtlich der bei ihr vorliegenden Krankheiten (u.a. Multiple Sklerose, Parkinson-Syndrom - Akinese -, amiotrophe Lateralsklerose) und den daraus resultierenden Gesamtgrad der Behinderung von 100 mit u.a. den Merkzeichen "RF", "aG" und "B" uneingeschränkt bestätigen.
Auf der Grundlage der von der Klägerin eingereichten Schriftsätze und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck stimmt der Senat der Auffassung des Gutachters M. zu, wonach bei der Klägerin eine Kritikminderung i.S. einer Besserwisserin vorliegt. Die Einwendungen gegen alle Gutachten und auch der Antrag auf Ladung des Gutachters Dr.H. zum Termin sind Ausdruck dieser Besserwisserei. Letztlich geht es der Klägerin um den Nachweis, dass sie die streitgegenständlichen medizinischen Fragen besser beurteilen kann als alle Gutachter. Hierfür kann sich die Klägerin nicht auf die §§ 118 Abs.1 S.1 SGG, 411 Abs.3 ZPO berufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG, wobei es der Senat angesichts des Klagebegehrens im Verhältnis zu dem erzielten Erfolg für angemessen erachtete, der Klägerin lediglich 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt und die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "aG", "B", "RF" nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) bzw. nach § 69 des Sozialgesetzbuches 9. Buch (SGB IX).
Die 1943 geborene Klägerin beantragte erstmals am 23.07.1997 die Feststellung einer Behinderung mit einem GdB von 80 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "aG", und "RF". Zur Begründung verwies sie auf eine schwere Eisenmangelanämie, ein chronisches Müdigkeitssyndrom, Erschöpfungszustände bei geringster Anstrengung mit Tachykardien, unspezifische Hustenattacken bis Erstickungsanfälle bei geringster Anstrengung, Atemnot, Nierenschaden bei pathologischen Normwerten und früherer erheblicher Hypotonie sowie eine Harninkontinenz. Einen Hausarzt könne sie nicht angeben, weil sie Heilpraktikerin sei und es nach den Befunden keine Behandlungsmöglichkeit gäbe; Befunde und Befundkontrollen fügte sie bei.
Nach Auswertung der beigefügten Unterlagen und einer versorgungsärztlich internistischen Begutachtung durch den Internisten Dr.S. vom 20.03.1997 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.09.1997 rückwirkend zum 20.03.1997 als Behinderung eine Blutarmut mit einem GdB von 50 fest, Merkzeichen verneinte er. Zuvor hatte er mit Bescheid vom 01.07.1997 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesseuchengesetz abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.1997 Widerspruch ein, den sie am 09.10.1997 unter Hinweis auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", 1996, (AP) u.a. damit begründete, der angefochtene Bescheid sei weder im Interesse einer bundesweiten Gleichbehandlung der Behinderten zur sozialen Gerechtigkeit noch nach der angeführten versorgungsärztlichen Auswertung aller dokumentierten Befunde ihrer Gesundheitsstörungen erstellt. Sie beantrage nunmehr die Erhöhung des GdB auf 100 mit den Merkzeichen G, aG, RF, 1. Klasse. Allgemein verwies sie darauf, dass bei ihr eine sehr seltene Form einer Eisenmangelanämie vorliege.
Der Medizinaldirektor Dr.K. wertete u.a. auch die G-Akte nach dem Bundesseuchengesetz aus und stellte fest, dass zwischen 06/1994 und 11/1996 insgesamt sieben, in mehrmonatigem Abstand bestimmte Hb-Werte unter 8 g/% dokumentiert seien, und bei der versorgungsärztlichen Begutachtung im März 1997 der Hb-Wert 6,9 g/% betragen habe. Unter Berücksichtigung dieser Parameter könne in Analogie zu den Ausführungen der AP 96 Nr.30 Abs.3 letzter Satz bei einer mit einem GdB von 50 beurteilten Blutarmut dem Vorschlag in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.12.1997 auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" gefolgt werden.
Mit dem ersten Teilabhilfebescheid vom 18.02.1998 stellte der Beklagte unter teilweiser Abhilfe des Widerspruchs fest, der GdB für die Blutarmut betrage wie bisher 50, die Klägerin erfülle die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" ab 20.03.1997.
Nach Auswertung weiterer Unterlagen wie im Gutachten des Internisten Dr.W. vom 12.01.1998, das im Rahmen des Rentenverfahrens erstellt wurde, stellte die Leitende Medizinaldirektorin Dr.H. am 28.04.1998 in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme fest, eine schwere Eisenmangelanämie mit einem Abfall des Hb auf 7,2 g/dl bestehe, die Kreislaufdysregulation stehe im Zusammenhang mit dieser Anämie, wobei echokardiographisch von Seiten des Herzens keine wesentliche Funktionseinschränkung objektiviert werden könne. Entsprechend ihrem Vorschlag stellte daraufhin der Beklagte mit dem zweiten Teilabhilfebescheid vom 30.06.1998 einen GdB von 60 für
1. Hypotone Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie (Einzel-GdB 60),
2. Lungenfunktionseinschränkung (Einzel-GdB 10) und
3. Harninkontinenz (Einzel-GdB 10) sowie
die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.1998 wies er im Übrigen die Widersprüche der Klägerin, soweit ihnen nicht abgeholfen wurden, zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27.07.1998 Klage zum Sozialgericht München. Sie beantragte die Feststellung eines GdB von 100 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF". Der Beklagte habe das Ausmaß der festgestellten Behinderung verkannt, insbesondere die bei ihr vorliegenden massiven Einschränkungen der Lungenfunktion bei der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" und "RF".
Der von Amts wegen beauftragte Sachverständige (Internist) Dr.H. stellte in seinem internistischen, sozialmedizinischen und psychotherapeutischen Gutachten vom 20.10.1999 u.a. nur noch eine geringgradige Eisenmangelanämie, die einen GdB von 20 bedinge, fest. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mindestens 20 konnte er nicht feststellen, eine seelische Störung bewertete er mit einem Einzel-GdB von 10. Insgesamt ergäbe sich ab 25.07.1997 ein GdB von 50 und ab Mai 1999 ein GdB von 20, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen lägen nicht vor. Wegen der erheblichen Hauterscheinungen empfahl er ein dermatologisches Gutachten einzuholen.
In diesem anschließend von Amts wegen in Auftrag gegebenen Gutachten des Dr.G. vom 06.12.1999 stellte der Sachverständige fest, auf dermatologischem Fachgebiet läge keine Behinderung vor, die Hauterscheinungen seien artifiziell herbeigeführt.
Gegen diese Gutachten erhob die Klägerin, wie schon zuvor, erhebliche medizinische und persönliche Einwendungen und beantragte die Anhörung weiterer Sachverständiger nach § 109 SGG, die das Gericht am 23.03.2000 beschloss.
Der nach § 109 SGG gehörte Prof.Dr.S. stellte in seinem psychiatrischen Gutachten vom 17.08.2000 (Untersuchungen am 03.08. und 22.08.2000) fest, bei der Klägerin liege eine anhaltende wahnhafte Störung vor, die von ihr empfundenen somatischen Beschwerden seien auf eine abnorme fremdartige Leibesempfindung zurückzuführen, weitere Gutachten auf anderen Fachgebieten seien nicht erforderlich.
In der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2001 änderte das Sozialgericht seinen Beschluss vom 23.03.2000 dahin, dass weitere Gutachten nach § 109 SGG nicht mehr eingeholt würden, anschließend wies es mit Urteil vom 01.03.2001 die Klage ab - zuvor waren Vergleichsverhandlungen gescheitert (der Beklagte hatte sich vergleichsweise bereit erklärt, vorübergehend bei höherem GdB von 70 noch zusätzlich die psychiatrische Behinderung anzuerkennen, die Klägerin hatte dieses Angebot abgelehnt, weil bei ihr keine psychiatrische Behinderung vorliege). Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die in den angefochtenen Bescheiden festgestellten GdB von 50 ab 20.03.1997 und 60 ab 12.01.1998 seien zutreffend, weil Dr.H. und Dr.G. aus Sicht der Kammer auf internistischem und hautärztlichem Gebiet nur einen GdB von 20 festgestellt hätten und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" und "RF" übereinstimmend und nachvollziehbar verneint hätten. Dagegen hätte Prof.Dr.S. auf psychischem Gebiet eine deutliche Leistungseinschränkung beschrieben, die nach den AP mit einem GdB von allenfalls 50, nicht aber von 60, zu bewerten sei.
Mit ihrer anschließenden Berufung, die am 02.04.2001 beim Sozialgericht München einging, verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Mit Schreiben vom 10.05.2001 beantragte sie gemäß § 109 SGG mehrere Ärzte zu hören, mit Schreiben vom 22.05.2001 übersandte sie den Änderungsbescheid des Beklagten vom 17.05.2001, in dem ihr u.a. das Merkzeichen "G" aberkannt und die dem GdB von 60 zugrunde liegenden Funktionsbeeinträchtigungen neu bezeichnet wurden als:
"1. Seelische Krankheit,
2. Blutarmut,
3. Harninkontinenz,
4. Reizdarm."
Mit Schreiben vom 13.02.2002 stellte die Klägerin klar, Prof.Dr.E. solle auf hämatologischem Sachgebiet tätig werden, auf das dermatologische Gutachten von Prof.Dr.P. werde verzichtet, Prof. Dr.D. solle auf kardiologischem/pulmologi-schem Sachgebiet mit der Begutachtung beauftragt werden.
Der Sachverständige Prof.Dr.E. erörterte in seinem internistischen/hämatolo-gischen Gutachten vom 19.02.2003 mehrere von der Klägerin berichtete Krankheiten/Beschwerden und schloss schließlich wegen der von ihm erhobenen Werte eine Polycythaemia vera oder eine andere Bluterkrankung aus. Der am 30.06.1998 festgestellte GdB von 60 beruhte hauptsächlich auf der damaligen Eisenmangelanämie und der damit verbundenen hypotonen Kreislaufdysregulation. Bei nunmehr normalen Blutwerten und eher hypertonen Blutdruckwerten, könne diese Symptomatik nicht mehr zur Bemessung des GdB verwendet werden. Auch die Lungenfunktionseinschränkung lasse sich aktuell nicht objetivieren, das Merkzeichen "G" sei ebenfalls nicht zutreffend, die Klägerin könne durchaus an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Am 05.04.2003 teilte die Klägerin mit, den Termin bei Prof.Dr.D. wegen Befangenheit nicht wahrzunehmen.
In einem Erörterungstermin am 24.07.2003 machte die Klägerin eine weitere gesundheitliche Verschlechterung seit der Begutachtung durch Prof.Dr.E. geltend und beantragte, ein neurologisches psychiatrisches Gutachten durch das Gericht einzuholen, das diesen Antrag jedoch unter Hinweis auf die früheren Anträge nach § 109 SGG ablehnte. Mit Schreiben vom 03.08.2003 erhob sie u.a. auch eine Feststellungsklage (367 Fragen u.a. auch zu juristischen Problemen).
Der Beklagte legte am 26.01.2004 die nervenärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin B. vom 19.01.2004 vor; diese schlug auf den Einwand der Klägerin, die bisherige Formulierung "seelische Krankheit" sei zu unspezifisch, vor, den Bescheidtext zu präzisieren und zusätzlich eine Migräne mit einem GdB von 10 festzustellen. Als Bescheidtext schlug sie vor:
1. Seelische Störung mit Somatisierung mit einem Einzel-GdB 50
und jeweils mit einem Einzel-GdB von 10,
2. Migräne,
3. Harninkontinenz und
4. Reizdarm.
Hierbei berücksichtigte sie auch die gleichzeitig übersandte versorgungsärztliche Stellungnahme des Internisten/Kardiologen/Sozialmediziners Dr.S. vom 24.11.2003.
Am 07.04.2005 legte der Beklagte das nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage der Neurologin B. vor, in dem auch auf die vielfältigen zwischenzeitlich übersandten Schreiben der Klägerin und ihren erweiterten Antrag, den GdB mit 100 und die Merkzeichen "aG", "RF" sowie "B" bereits ab Juni 1994, jedenfalls ab der Stichtagsregelung November 2000, festzustellen, eingegangen wurde. Diese rückwirkend geltend gemachten Werte und Merkzeichen ließen sich nicht begründen, auf die vorangegangenen Stellungnahmen werde verwiesen, es werde empfohlen, den bisherigen Bescheidtext beizubehalten.
Mit Schreiben vom 13.03.2004 präzisierte die Klägerin nochmals ihre Anträge, ab 06/1994 einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "aG" und "RF", ab 16.12.2002 zuzüglich das Merkzeichen "B", bzw. ersatzweise ab 20.03.1997 einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "RF" und ab 16.12.2002 das Merkzeichen "B" zugesprochen zu bekommen.
Der danach auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige Neurologe/Psychiater M. vertrat in seinem Gutachten vom 04.12.2006 die Auffassung, die Zuerkennung eines GdB von 50 sei ab dem 17.05.2001 weiterhin unter Berücksichtigung der seelischen Störung (GdB 50) und der übrigen dokumentierten Gesundheitsbeeinträchtigungen ausreichend. Das Gehvermögen der Klägerin sei nicht erheblich beeinträchtigt, immerhin hätte sie auch problemlos den Weg nach H. am Untersuchungstag mit öffentlichen Verkehrsmitteln und den Weg vom Bahnhof und zur Praxis mit einer Entfernung von etwa 500 m von der Haltestelle B.platz zurücklegen können. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" verneinte er ebenfalls, meinte jedoch, nach den AP lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" vor. Angesichts einer aus seiner Sicht erheblichen Schwere des Leidens, einer ausgesprochen schlechten Behandlungsprognose und des Umstands, dass die Klägerin in Menschenansammlungen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt sei, sei sie an der Teilhabe öffentlicher Veranstaltungen gehindert. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" und "RF" bereits ab Juni 1994 bzw. für das Merkzeichen "B" ab dem 16.12.2002 verneinte er ebenfalls. Im Übrigen wies er darauf hin, die Klägerin zitiere zum großen Teil tatsächlich seriöse medizinische Standardliteratur, die sie allerdings bedauerlicher Weise nicht interpretieren könne. Wollte man auf jede einzelne dieser Einlassungen der Klägerin ausführlich und abschließend eingehen, so ergäbe sich letztlich ein fast unendlicher Gutachtenstext. Im Übrigen hielt er es für extrem unwahrscheinlich, für die zurückliegende Zeit eine neurologische Erkrankung abzuleiten. Mit Schreiben vom 27.01.2007 übersandte er auf Wunsch der Klägerin das Original des EEG vom 21.11.2006 sowie weitere Originalunterlagen.
Der Beklagte legte mit Schreiben vom 17.09.2007 eine weitere nervenärztliche Stellungnahme nach Aktenlage der Neurologin B. vom 17.09.2007 vor, in der u.a. auch zu den Einwänden der Klägerin in ihrem Schreiben vom 27.07.2007 eingegangen und u.a. auch das Merkzeichen "RF" weiterhin verneint wurde. Ein umfassender Ausschluss nahezu aller möglicher öffentlicher Veranstaltungen läge nicht vor. Hustenattacken würden zwar in einem Konzert sehr stören, bei einem Volksfest oder einer Sportveranstaltung jedoch nicht.
Mit Schreiben vom 26.09.2007 beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin, das Gutachten des Sachverständigen M. der "Arbeitsgemeinschaft Neurologische Begutachtung der deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V." zur Überprüfung vorzulegen und den Sachverständigen Dr.H. gutachterlich nach § 109 SGG zu hören.
Der Sachverständige Dr. H. hielt in seinem Gutachten vom 14.12.2007 die Feststellung einer seelischen Krankheit schon ab 1997 mit einem GdB von 60 für gerechtfertigt und bejahte die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Im Änderungsbescheid vom 17.05.2001 werde zutreffend eine wesentliche Besserung bezüglich der Einsenmangelanämie angenommen, diese sei zuletzt nicht mehr nachweisbar gewesen. Zu Recht sei jedoch eine seelische Krankheit anerkannt worden, die einen GdB von 60 rechtfertige, dies sei auch heute der Fall. Wenn man schon am 30.06.1998 lediglich wegen einer hypotonen Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt ansähe, dann habe sich dies auch am 17.05.2001 nicht geändert. Weitere Merkzeichen verneinte er. Daraufhin bot der Beklagte mit Schreiben vom 13.02.2008 vergleichsweise an, ab 14.12.2007 (Untersuchung Dr.H.) das Merkzeichen "G" zuzuerkennen und den GdB weiterhin mit 60 festzustellen. Entsprechend dem Vorschlag Dr.H. ging er hierbei von einer schweren Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 60, einer Stressinkontinenz, Einzel-GdB 10, und einer multiplen Nahrungsmittelallergie, Histamintoleranz, Einzel-GdB 10, aus. Anschließend übersandte er auf Wunsch der Klägerin noch Originaltestunterlagen.
Mit Schreiben vom 16.03.2008 beantragte die Klägerin u.a. die persönliche Ladung des Sachverständigen Dr.H. zur Befragung, wobei sie insgesamt 75 Themenbereiche auflistete.
Der Beklagte hielt in seinem Schreiben vom 09.04.2008 an seinem Vergleichsangebot vom 13.02.2008 fest, und hielt im Übrigen die Kritik am Sachverständigen Dr.H. nicht für stichhaltig. Letzterer verwies am 15.05.2008 nochmals abschließend auf sein Gutachten.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2008 erklärte die Klägerin ergänzend und zusammenfassend u.a., sie leide an einer Unfähigkeit, körpereigenproduziertes Histamin wieder abzubauen. Durch den Histaminüberschuss komme es im Körper zu einer Vergiftung und in der Folge zu einem Leistungsabfall, auch die Nerven würden geschädigt. Die Hautausschläge und die Allergien beruhten auch auf diesem Histaminüberschuss. Im Prinzip könne man sagen, dass alles, was der Beklagte als schwere Somatisierungsstörung bezeichne, darauf zurückzuführen sei. Außerdem leide sie an Multipler Sklerose, Parkinson-Syndrom (Akinesie), amyotropher Lateralsklerose (ALS).
Die Klägerin beantragt,
den Rechtsstreit zu vertagen und ein weiteres rein neurologisches Gutachten (Histamin-Intoleranz, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson - Akinesie, ALS) gem. § 106 SGG von Amts wegen einzuholen; ein Gutachten nach § 109 SGG beantrage sie nicht mehr, weil sie bereits zahlreiche Gutachten nach § 109 SGG bezahlt habe.
Hilfsweise beantragt sie, das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 und die Bescheide des Beklagten vom 17.09.1997, 18.02.1998, 30.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 und den Änderungsbescheid vom 17.05.2001 abzuändern und bei ihr rückwirkend ab 1994 einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "RF" und ab 16.11.2000 auch das Merkzeichen "B" zuzuerkennen. Vorsorglich beantrage sie die Zulassung der Revision.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 zurückzuweisen und die Klage abzuweisen, soweit das Begehren der Klägerin über das Vergleichsangebot des Beklagten vom 13.02.2008 hinausgeht.
Zum Verfahren beigezogen wurden die Schwerbehindertenakten und die Akten des Sozialgerichts München - S 24 SB 878/98.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweisunterlagen, bezüglich des Sachverhalts im Berufungsverfahrens auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung statthafte (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 51 Abs.1 Nr.7, 143 ff., 151 SGG i.V.m. §§ 2, 69 SGB IX), jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Die Klage gegen den während des Berufungsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 17.05.2001 (u.a. Aberkennung des Merkzeichens "G"), der gemäß §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde, ist dagegen insoweit begründet, als der Beklagte unter Abänderung dieses Änderungsbescheides zu verurteilen ist, mit Wirkung ab 14.12.2007 der Klägerin das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2001 und die ihm zugrundeliegenden Bescheide des Beklagten vom 17.09.1997, 18.02.1998, 30.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 sind nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass die nach § 69 Abs.1 Satz 1 SGB IX zuständigen Behörden des Beklagten ab Antragstellung einen höheren GdB als 50 sowie die beantragten Merkzeichen bzw. ab dem 18.02.1998 neben dem Merkzeichen "G" weitere Merkzeichen und ab dem 30.06.1998 neben dem Merkzeichen "G" und einem GdB von 60 weitere Merkzeichen bzw. einen höheren GdB feststellen. Erst recht gilt dies für die von ihr beantragten rückwirkenden Feststellungen ab 1994, insbesondere ab 16.11.2000 für das Merkzeichen "B".
Zwar hat der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörte Sachverständige, der Neurologe/Psychiater K. C.M. in seinem Gutachten vom 04.12.2006 gemeint, nach den AP lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" deshalb vor, weil die Klägerin in Menschenansammlungen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt sei; hinzu käme die Schwere des Leidens mit einer ausgesprochen schlechten Behandlungsprognose. Die übrigen Merkzeichen verneinte er dagegen auch ab Juni 1994.
Dieser Auffassung kann sich der Senat hinsichtlich des Merkzeichens "RF" jedoch nicht anschließen. Nach § 6 Abs.1 Nr.7, 8, 10 Abs.2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31.08.1991, aktuell in der Fassung des 8. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 09.02.2005 (BayGVBl Nr.4/2005, S.27 ff.) i.V.m. den jeweils geltenden AP, erfüllt die Klägerin nicht die für eine Gebührenbefreiung erforderlichen Voraussetzungen. Sie gehört nicht zu den behinderten Menschen, die als Anspruchsberechtigte für die Zuerkennung des Merkzeichen "RF" und die damit verbundene Gebührenbefreiung aufgrund dieser Vorschriften genannt sind: "Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung, Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, Behinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können."
Nachdem die Klägerin weder blind noch hörgeschädigt ist, käme eine Befreiung nur dann in Betracht, wenn sie dem letztgenannten Personenkreis (vgl. Nr.33 AP) angehören würde. Hierzu zählen derzeit im Einzelnen:
- Behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können.
- Behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung und auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Arnus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können).
- Behinderte Menschen mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger Lungentuberkulose.
- Behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden.
- Geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Insgesamt ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSG - Urteil vom 28.06.2001, B 9 SB 2/00 R) bei der Beurteilung, welche Personen aus gesundheitlichen Gründen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, ein enger Maßstab anzulegen. Der Behinderte muss wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch an öffentlichen Veranstaltungen, d.h. von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender Art, ausgeschlossen sein, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen nur noch teilnehmen können. Dabei ist es unerheblich, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Behinderte noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Diese Unfähigkeit des Behinderten, ständig an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, steht damit praktisch der Bindung an das Haus gleich. Aus dem subjektiven Empfinden eines Behinderten, an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr partizipieren zu können, folgt nicht, dass ein Besuch unzumutbar ist (vgl. BSG a.a.O.).
Da nach dem Ergebnis auch der Beweisaufnahme des Sozialgerichts, insbesondere den Feststellungen der dort gehörten Sachverständigen diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht vorliegen und auch der Sachverständig M. diese Voraussetzungen im Einzelnen nicht belegen konnte und das Sozialgericht unter Beachtung der AP (zu deren Geltung s. z.B. BSG vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R) den gesamten Sachverhalt und die eingeholten Sachverständigengutachten zutreffend bewertet und gewürdigt hat, kann der Senat insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen und die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweisen.
Die während des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten bestätigen im Wesentlichen die Feststellungen der im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen. Darüber hinaus hielt der Sachverständige Dr.H. in seinem Gutachten vom 14.12.2007 die Feststellung einer seelischen Krankheit bereits ab 1997 mit einem GdB von 60 für gerechtfertigt und bejahte mangels einer wesentlichen Änderung weiterhin die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Dieser Auffassung schließt sich der Senat nur teilweise an.
In dem während des Berufungsverfahrens erlassenen Änderungsbescheid vom 17.05.2001, der insoweit vom Senat als Klage zu behandeln ist, wurde nach Auffassung des Sachverständigen Dr.H. zutreffend eine wesentliche Besserung bezüglich der Eisenmangelanämie angenommen, diese sei zuletzt nicht mehr nachweisbar gewesen.
- Zu diesem Ergebnis war zuvor der Sachverständige Prof.Dr.E. in seinem Gutachten vom 19.02.2003 ebenfalls gelangt. - Zu Recht sei jedoch eine seelische Krankheit anerkannt worden, die einen GdB von 60 rechtfertige, dies sei auch heute noch der Fall. Wenn man schon am 30.06.1998 lediglich wegen einer hypotonen Kreislaufdysregulation bei Eisenmangelanämie die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt ansehe, dann habe sich dies auch am 17.05.2001 nicht geändert.
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat bzgl. des Merkzeichens "G" an mit der Folge, dass der Änderungsbescheid vom 17.05.2001 entsprechend abzuändern und der Beklagte zu verurteilen ist, mit Wirkung ab 14.12.2007 der Klägerin das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Darüber hinaus stehen der Klägerin nach den Feststellungen aller Gutachter und Sachverständigen - auch des Dr.H. - keine weiteren Merkzeichen zu, sodass im Übrigen die Klage abzuweisen war. Des weiteren lässt sich nicht schon ab 1997 eine seelische Krankheit mit einem GdB von 60 feststellen, sodass insoweit dem Klage- und Berufungsbegehren der Klägerin nicht stattgegeben werden konnte. Hierzu hat bereits das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass eine erhebliche Verschlechterung der psychischen Einschränkung erstmals durch die vom Sachverständigen Prof.Dr.S. erhobenen Befunde (Untersuchungen am 03.08. und 22.08.2000) nachgewiesen ist. Insoweit weist auch Dr.H. darauf hin, die Klägerin selbst habe erst am 28.04.2003 den Psychiater Prof.Dr.Dr.K. aufgesucht, auch wenn es sich, wie bereits der Sachverständige M. meinte, um eine Somatisierungsstörung handelte.
Im Übrigen hielte es der Senat auch nicht für sachdienlich, von den im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen weitere Stellungnahmen aufgrund der sehr umfangreichen medizinischen und sonstigen Einwendungen der Klägerin einzuholen. Hierbei schloss er sich der Auffassung des Sachverständigen M. an, der darauf hinweist, dass die vielfältigen, oft sehr ausführlichen Stellungnahmen der Klägerin letztlich vielfältig ähnliche Missverständnisse aufweisen, wie er sie am Beispiel der Parkinsonkrankheit aufzeigte: "Die Klägerin zitiert dabei zum großen Teil tatsächlich seriöse medizinische Standardliteratur, die sie allerdings bedauerlicherweise nicht interpretieren kann. Wollte man auf jede einzelne dieser Einlassungen der Klägerin ausführlich und abschließend eingehen, so ergäbe sich letztlich fast ein unendlicher Gutachtenstext. Es entstünden hier auch aus meiner Sicht für die Beklagte selbst nicht zu rechtfertigende Kosten. Es bleibt hier dennoch bestehen, dass zumindest die neurologischen Diagnosen, die von der Klägerin in der Aktenlage immer wieder diagnostiziert werden, einer Grundlage entbehren. Die Klägerin hat sich dabei selbst fast jede schwere neurologische Systemerkrankung diagnostiziert. Dies resultiert eben aus einer Verbindung zwischen medizinischem Halbwissen und der vorhandenen psychischen Störung. Aus meiner Sicht wäre dies auch durch noch so ausführliche patho-physiologische Erklärungen nicht korrigierbar. Ein noch ausführlicheres Eingehen auf diese Argumentation wäre aus meiner Sicht weder für die Klägerin noch für das Gericht hilfreich. Ich möchte an dieser Stelle jedoch betonen, dass ich es für extrem unwahrscheinlich halte, dass sich daraus für die zurückliegende Zeit eine neurologische Erkrankung ableiten ließe, die zum einen erklärend für die Beschwerden der Klägerin wäre und zum anderen zu einer Änderung der Beurteilung der Leiden der Klägerin nach den Anhaltspunkten führen würde". Diese Feststellungen des Sachverständigen bzw. die Vorgaben der AP führen letztlich dazu, dass der Senat den Vertagungsantrag der Klägerin bzw. ihren Antrag ein weiteres rein neurologisches Gutachten zu Fragen der Histaminintoleranz, der Multiplen Sklerose, des Morbus Parkinson-Akinesie bzw. der ALS einzuholen, ablehnte. Abgesehen davon, dass mit Ausnahme der Histaminintoleranz für diese Krankheiten keinerlei objektive medizinische Befunde von der Klägerin vorgelegt werden konnten, sind auch die von ihr vorgebrachten Überlegungen zur Genese der verschiedenen Krankheiten unbeachtlich. Schließlich kommt es bei der Feststellung eines GdB maßgeblich darauf an, welche Funktionsbeeinträchtigungen tatsächlich vorhanden sind und wie sich dadurch eine entsprechende Behinderung im Alltagsleben ergibt. Insoweit ist auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr.H. zu verweisen, wonach bei der Klägerin eine schwere Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 60 sowie eine Stressinkontinenz mit einem Einzel-GdB von 10 und eine multiple Nahrungsmittelallergie, Histaminintoleranz mit einem Einzel-GdB von 10 vorliegen, die insgesamt zu einem Einzel-GdB von 60 sowie der Zuerkennung des Merkzeichens "G" führen. Diese Beurteilung entspricht der von den AP geforderten Gesamtschau, berücksichtigt die wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen und steht im Einklang mit dem Kenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft, der sich in allen eingeholten Gutachten bzw. ärztlichen Stellungnahmen widerspiegelt. Insoweit hatte das Gericht auch keine Veranlassung, die Qualität des Gutachtens des Sachverständigen M. vom ANB e.V. entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 26.07.2008 prüfen zu lassen. Der Senat konnte auch ohne Ladung des Sachverständigen Dr.H. zum Verhandlungstermin am 08.07.2008 entscheiden.
Zunächst hat die Klägerin den Antrag auf Ladung des gem. § 109 SGG bestellten Sachverständigen Dr.H. in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2008 nicht mehr aufrechterhalten. Stattdessen hat sie nunmehr den Antrag gestellt, ein rein neurologisches Gutachten gem. § 106 SGG einzuholen, ein Gutachten gem. § 109 SGG werde dagegen nicht mehr beantragt, weil sie bereits zahlreiche Gutachten nach § 109 SGG bezahlt habe. Die Einvernahme des Gutachters Dr.H. im Termin wäre unvermeidlich mit weiteren nach § 109 SGG - jedenfalls zunächst - von der Klägerin zu tragenden Kosten verbunden gewesen.
Aber selbst wenn man annehmen würde, dass die Klägerin ihren Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Dr.H. aufrechterhalten hat, wäre dem Antrag nicht zu folgen gewesen. Der Senat hält das diesbezügliche Begehren der Klägerin für rechtsmissbräuchlich. Die in den bisherigen Verfahren von der Klägerin gegen die zahlreichen eingeholten Gutachten erhobenen Einwendungen - wie insbesondere auch die Feststellungen, Fragen und Einwendungen im Zusammenhang mit dem Gutachten von Dr.H. zeigen deutlich, dass es der Klägerin kein Gutachter Recht machen kann, es sei denn, er würde die von der Klägerin vertretenen völlig unrealistischen Auffassungen hinsichtlich der bei ihr vorliegenden Krankheiten (u.a. Multiple Sklerose, Parkinson-Syndrom - Akinese -, amiotrophe Lateralsklerose) und den daraus resultierenden Gesamtgrad der Behinderung von 100 mit u.a. den Merkzeichen "RF", "aG" und "B" uneingeschränkt bestätigen.
Auf der Grundlage der von der Klägerin eingereichten Schriftsätze und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck stimmt der Senat der Auffassung des Gutachters M. zu, wonach bei der Klägerin eine Kritikminderung i.S. einer Besserwisserin vorliegt. Die Einwendungen gegen alle Gutachten und auch der Antrag auf Ladung des Gutachters Dr.H. zum Termin sind Ausdruck dieser Besserwisserei. Letztlich geht es der Klägerin um den Nachweis, dass sie die streitgegenständlichen medizinischen Fragen besser beurteilen kann als alle Gutachter. Hierfür kann sich die Klägerin nicht auf die §§ 118 Abs.1 S.1 SGG, 411 Abs.3 ZPO berufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG, wobei es der Senat angesichts des Klagebegehrens im Verhältnis zu dem erzielten Erfolg für angemessen erachtete, der Klägerin lediglich 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
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