Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 SB 189/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 16/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. November 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1965 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2 und 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Die Klägerin hat mit Erstantrag vom 20.09.2002 folgende Gesundheitsstörungen geltend gemacht: Chronische Encephalitis, Geruchsempfindlichkeit, chronische Depression, chronischer Schnupfen, Asthma, Wortfindungsstörungen, Elektrosensibilität, Übelkeit durch Chemikalien und Gerüche sowie multiple Chemikaliensensitivität (MCS). Zur Stützung ihres Begehrens hat sie Berichte des Klinikums I., des Landesuntersuchungsamtes für das Gesundheitswesen Südbayern, des Landratsamtes Bad T. und Dr.M. beigefügt.
Der Beklagte hat ärztliche Unterlagen von Dr.K. und Dr.M. beigezogen und im Folgenden eine versorgungsärztliche Untersuchung durch die Sozialmedizinerin Dr.T. veranlasst. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung B-Stadt II vom 26.05.2003 ist der Grad der Behinderung (GdB) mit 40 festgestellt worden. Hierbei sind folgende Gesundheitsstörungen berücksichtigt worden:
1. Hirnfunktionsstörung, psychovegetative Störung (Einzel-GdB 30);
2. therapieresistente Körperfunktionsstörung (Einzel-GdB 20).
Der Widerspruch vom 19.06.2003 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt vom 26.05.2003 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 22.01.2004 zurückgewiesen worden.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 16.08.2004 Dr.M. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser ist mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 17.10.2004 zu dem Ergebnis gekommen, dass der GdB zum damaligen Zeitpunkt, d.h. bei Erlass des Bescheides vom 26.05.2003, mit einem Gesamt-GdB von 40 zutreffend bewertet worden sei. Angesichts des neu aufgetretenen Schubes mit einer Kontrastmittelaufnahme im Halsmark sei ein Einzel-GdB für die Encephalomyelitis disseminata von 50 gerechtfertigt mit einem nachfolgend erhöhten Gesamt-GdB von 60. Der Beklagte ist den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr.M. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 20.12.2004 entgegengetreten. Für die multiple Sklerose werde keine Heilungsbewährung mehr angesetzt, sondern lediglich die bestehenden Ausfälle bewertet. Einer Anhebung des GdB auf 60 könne daher nicht gefolgt werden. Es verbleibe bei einem Gesamt-GdB von 40.
Das Sozialgericht München hat mit weiterer Beweisanordnung vom 18.05.2005 PD Dr.N. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Im Rahmen dieser Begutachtung ist ein neuroradiologisches Zusatzgutachten von Prof.Dr.B. vom 08.09.2005 sowie ein arbeitsmedizinisches und umweltmedizinisches Zusatzgutachten von Prof.Dr.N. vom 18.04.2006 eingeholt worden. Danach sei die Klägerin, die als Forsthausbewohnerin über mehrere Jahre einer Belastung mit PCP.- und lindan-haltigen Holzschutzmitteln ausgesetzt gewesen sei, an einer Symptomatik im Sinne einer multiplen Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS) erkrankt. Im Folgenden sind Prof.Dr.B. und PD Dr.N. mit Gutachten vom 17.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Diagnose der multiplen Sklerose derzeit ein Einzel-GdB von 30 angemessen sei. Entsprechendes gelte für die Diagnose der Epilepsie bei bisher seltenen kleinen epileptischen Anfällen. Die MCS bedinge derzeit keinen GdB. Eine Somatisierungsstörung sei bereits im psychiatrischen Gutachten von Dr.M. mit einem Einzel-GdB von 20 diagnostiziert worden. Für die Behinderung insgesamt werde von neurologischer Seite derzeit ein GdB von 30 vorgeschlagen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin übermittelten mit Schriftsatz vom 03.01.2007 das Gutachten von Prof.Dr.H. vom 04.10.2006, das dieser in dem Rechtsstreit S 11 RA 1456/03 gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gefertigt hatte. Um Stellungnahme gebeten hat Prof.Dr.B. mit Nachricht vom 08.02.2007 ausgeführt, dass aufgrund der Diagnose multiple Sklerose derzeit ein Einzel-GdB von 30 bestehe. Mit einer künftigen Leidensverschlimmerung sei zu rechnen. Im Folgenden hat das Sozialgericht München die Klage mit Urteil vom 22.11.2007 - S 2 SB 189/04 - abgewiesen. Da der Beklagte mit Bescheinigung vom 01.03.2007 unbefristet einen GdB von 40 zuerkannt habe und dieser Gesamt-GdB über den Vorschlägen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof.Dr.B. liege, sei die Klägerin durch den Beklagten hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch den Sachverständigen besser gestellt.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 30.01.2008 ging am 31.01.2008 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Unterlagen der DRV Bund, die erstinstanzlichen Streitakten sowie die zweitinstanzlichen Renten-Streitakten beigezogen. Die dort befindlichen Gutachten von Dr.K. vom 17.03.2004, Dr.B. vom 02.03.2005, Dr.K. vom 10.06.2005 und Prof.Dr.H. vom 04.10.2006 wurden zu den hiesigen Akten genommen. Im Folgenden bestellte das BayLSG Prof.Dr.B. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser kam mit nervenärztlichem Gutachten vom 17.04.2008 zu dem Ergebnis, die Gesamtbehinderung liege aus nervenärztlicher Sicht bei einem GdB von 30. Dies stehe in Übereinstimmung mit der neurologischen Begutachtung des Klinikums I. aus dem Jahre 2006.
Das BayLSG ersuchte mit Nachricht vom 22.04.2008 sowohl die ehemaligen als auch nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin um Stellungnahme bis 30.06.2008. Letztere rügten mit Schriftsatz vom 30.06.2008, dass sowohl das MCS-Syndrom als auch die somatoforme Störung nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei zwischenzeitlich das Vorliegen einer Borreliose diagnostiziert worden. Auf die Untersuchungsergebnisse des Institutes für medizinische Diagnostik vom 16. und 19.06.2008 werde Bezug genommen. Im Übrigen behalte sich die Klägerin vor, die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet gemäß § 109 SGG zu beantragen. Hierzu werde beantragt, eine Frist von einem Monat einzuräumen. Diesem Ersuchen kam das BayLSG nicht nach. Mit Schriftsatz vom 29.07.2008 benannten die Bevollmächtigten der Klägerin Dr.J. gemäß § 109 SGG und legten den Arztbrief von Prof. Dr.G. vom 07.07.2008 vor, der eine chronische Borreliose diagnostiziert hatte.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2008 beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin zur Klärung der Frage,
ob bei der Klägerin eine chronische Borreliose als weitere Behinderung bzw. behinderungsrelevantes Leiden vorliegt und in welcher Weise dieses Leiden zu einem Grad der Behinderung führt sowie welche Auswirkungen dies auf den Gesamtgrad der Behinderung hat, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen und hilfsweise beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin, gemäß
§ 109 SGG auf nervenärztlichem Fachgebiet den Arzt Dr.med.J., S., gutachterlich anzuhören.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt weiterhin,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 22.11.2007 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 26.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2004 zu verurteilen, die Behinderung der Klägerin ab dem 20.09.2002 mit einem GdB von 60 oder höher zu bewerten.
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten, der DRV Bund sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 22.11.2007 zutreffend abgewiesen.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs.1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004 und 2005" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. Die "Anhaltspunkte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. - Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte- sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art.3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Hiervon ausgehend ist darauf hinzuweisen, dass in dem Gesamt-Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) und dem parallel geführten Renten-rechtsstreit insgesamt neun Gutachten gefertigt worden sind, die Prof.Dr.B. mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 17.04.2008 dahingehend zusammenfassend ausgewertet hat, dass auch nach eigener Untersuchung der Klägerin der Gesamt-GdB aus nervenärztlicher Sicht mit 30 festzustellen sei. Dies stehe in Übereinstimmung mit der nervenärztlichen Begutachtung des Klinikums I. aus dem Jahre 2006.
Für den erkennenden Senat ist dieses Votum schlüssig und überzeugend. Denn bei der Klägerin ist hinsichtlich des Hauptleidens multiple Sklerose in den letzten Jahren kein Schub mehr aufgetreten. Aktuell liegt keine vokal-neurologische Symptomatik vor, die durch die MS zu erklären wäre. Die Allgemeinsymptome mit Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und zum Teil Wortbildungsstörungen, zum Teil auch vergesellschaftet mit verminderter Leistungsfähigkeit und depressiver Symptomatik, können entsprechend den Ausführungen von Prof.Dr.B. zumindest zum Teil im Rahmen der MS als Folge einer allgemeinen Hirnfunktionsstörung im Sinne eines leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndroms, wie es bei der MS häufig zu beobachten ist, angesehen werden. Der befürwortete GdB entspricht dem Bewertungsrahmen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Randziffer 26.3. Danach richtet sich der GdB bei multipler Sklerose vor allem nach den cerebralen und spinalen Ausfallerscheinungen. Zusätzlich ist die aus dem klinischen Verlauf sich ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen. Im Rahmen des vorgegebenen Bewertungsrahmens bei Hirnschäden mit psychischen Störungen leichten Grades von 30 bis 40 ist der von Prof.Dr.B. erstinstanzlich und Prof.Dr.B. zweitinstanzlich befürwortete Einzel-GdB von 30 nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der bland bestehenden Epilepsie ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich des Gutachtens von Prof.Dr.B. vom 17.04.2008 bei der Klägerin bislang epileptische Anfälle klinisch nicht aufgetreten sind. Vielmehr liegt eine Disposition im Sinne einer erhöhten cerebralen Erregbarkeit vor, wie in der EEG-Untersuchung festgestellt. Mangels Auftreten klinischer epileptischer Anfälle ist von einem noch nicht messbaren GdB auszugehen (vgl. Rz.26.3 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit").
Soweit die nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2008 hervorgehoben haben, dass das bei der Klägerin bestehende MCS-Syndrom bzw. somatoforme Störung nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden, stützt sich das BayLSG auf das für die Klägerin günstigste Gutachten der Versorgungsärztin und Sozialmedizinerin Dr.T. vom 16.04.2003. Dort ist das MCS-Syndrom als "therapieresistente Körperfunktionsstörung" mit einem Einzel-GdB von 20 zusätzlich berücksichtigt worden. Nachdem sich die neurologische und psychiatrische Beschwerdesymptomatik in ihren Auswirkungen überschneidet, ist es gerechtfertigt, bei der Klägerin in Beachtung von Rz.19 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen, wie dies der Beklagte mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt II vom 26.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2004 zutreffend festgestellt hat. Dies gilt auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass entsprechend dem versorgungsärztlichen Votum der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 30.03.2005 die bestehenden Funktionsstörungen wie folgt zusammenzufassen sind:
1. Seelische Störung mit Somatisierung, multiple Chemikalienempfindlichkeit, Angstattacken (Einzel-GdB 30);
2. Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, organisches Nervenleiden (Einzel-GdB 20).
Auch wenn hier die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet in Nuancen abweichend beschrieben werden, ist der Gesamt-GdB dennoch mit 40 zutreffend festgestellt.
Soweit die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsätzen vom 30.06.2008 und 29.07.2008 auf das Vorliegen einer aktuell diagnostizierten Borreliose hingewiesen haben, rechtfertigt dies noch keine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50. Denn ausweislich des Berichts des Instituts für medizinische Diagnostik vom 19.06.2008 zeigen sich mittelgradig positive LTT-Reaktionen auf Borrelienantigene. Dieser Befund ist verdächtig für eine derzeit mäßig aktive Borrelieninfektion. Wenn therapiert wird, sollte die Kontrolluntersuchung mit dem LTT frühestens vier bis sechs Wochen nach Therapieende erfolgen. Nach erfolgreicher Behandlung sind die SI-Werte für Borrelienantigene deutlich rückläufig bis unauffällig zu erwarten. Entsprechend diesen Ausführungen des Instituts für medizinische Diagnostik vom 19.06.2008 besteht aufgrund der diagnostizierten Borreliose derzeit kein messbarer GdB. Unabhängig davon hat Prof.Dr.G. mit Arztbrief vom 07.07.2008 die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen nicht auf die bislang diskutierte MS-Problematik zurückgeführt, sondern auf die von ihm diagnostizierte chronische Borreliose. Für den erkennenden Senat kann es insoweit dahingestellt bleiben, dass sich die behandelnden Ärzte der Klägerin hinsichtlich der Ursache der bestehenden Funktionsstörungen teilweise nicht einig sind. Denn nach §§ 2, 69 SGB IX ist nicht auf die Ursache, sondern auf das Ausmaß der bestehenden Funktionsstörungen abzustellen und dies mit einem entsprechenden GdB festzustellen. Nachdem sich die aktenkundig diskutierten Problemkreise MS, Epilepsie, MCS, Borreliose usw. sämtlich im nervenärztlichem Bereich manifestieren und sich in ihren Auswirkungen überschneiden sowie die gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof.Dr.B. mit Gutachten vom 17.07.2006 und Prof.Dr.B. mit Gutachten vom 17.04.2008 das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft schlüssig und überzeugend verneint haben, ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung gemäß §§ 103, 106 Abs.3 Nr.5 SGG - entsprechend dem klägerischen Antrag - nicht erforderlich gewesen.
Im Übrigen ist es nicht veranlasst gewesen, der Klägerin wie mit Schriftsatz vom 30.06.2008 abschließend beantragt, nochmals eine Frist von einem Monat einzuräumen, um die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet gemäß § 109 SGG zu beantragen. Denn sowohl den ehemaligen als auch den nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin ist mit Nachricht des BayLSG vom 22.04.2008 eine Frist zur Stellungnahme bis 30.06.2008 eingeräumt worden. Innerhalb dieser Frist ist ein bestimmter Arzt nicht benannt worden. Gemäß § 109 Abs.1 SGG muss der Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes gerichtet sein, der mit Namen und Anschrift bezeichnet werden soll; es genügt, wenn die Angaben ausreichen, um den Arzt bestimmen zu können (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage,Rz.4 zu § 109 SGG mit weiteren Nachweisen). In der Regel ist eine Frist von einem Monat ausreichend, wenn das Gericht keine Frist gesetzt hat (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, Rz.11 zu § 109 SGG mit weiteren Nachweisen). In Berücksichtigung des Anwaltswechsels hat das BayLSG hier eine Frist von mehr als zwei Monaten gesetzt, in welcher ein bestimmter Arzt hätte benannt werden können und müssen. Das nochmalige Einräumen von einer weiteren Frist von einem Monat, um die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet gemäß § 109 beantragen zu können, ist nicht erforderlich gewesen. Folglich ist die Benennung von Dr.J. mit Schriftsatz vom 29.07.2008 verspätet.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1965 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2 und 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Die Klägerin hat mit Erstantrag vom 20.09.2002 folgende Gesundheitsstörungen geltend gemacht: Chronische Encephalitis, Geruchsempfindlichkeit, chronische Depression, chronischer Schnupfen, Asthma, Wortfindungsstörungen, Elektrosensibilität, Übelkeit durch Chemikalien und Gerüche sowie multiple Chemikaliensensitivität (MCS). Zur Stützung ihres Begehrens hat sie Berichte des Klinikums I., des Landesuntersuchungsamtes für das Gesundheitswesen Südbayern, des Landratsamtes Bad T. und Dr.M. beigefügt.
Der Beklagte hat ärztliche Unterlagen von Dr.K. und Dr.M. beigezogen und im Folgenden eine versorgungsärztliche Untersuchung durch die Sozialmedizinerin Dr.T. veranlasst. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung B-Stadt II vom 26.05.2003 ist der Grad der Behinderung (GdB) mit 40 festgestellt worden. Hierbei sind folgende Gesundheitsstörungen berücksichtigt worden:
1. Hirnfunktionsstörung, psychovegetative Störung (Einzel-GdB 30);
2. therapieresistente Körperfunktionsstörung (Einzel-GdB 20).
Der Widerspruch vom 19.06.2003 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt vom 26.05.2003 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 22.01.2004 zurückgewiesen worden.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 16.08.2004 Dr.M. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser ist mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 17.10.2004 zu dem Ergebnis gekommen, dass der GdB zum damaligen Zeitpunkt, d.h. bei Erlass des Bescheides vom 26.05.2003, mit einem Gesamt-GdB von 40 zutreffend bewertet worden sei. Angesichts des neu aufgetretenen Schubes mit einer Kontrastmittelaufnahme im Halsmark sei ein Einzel-GdB für die Encephalomyelitis disseminata von 50 gerechtfertigt mit einem nachfolgend erhöhten Gesamt-GdB von 60. Der Beklagte ist den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr.M. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 20.12.2004 entgegengetreten. Für die multiple Sklerose werde keine Heilungsbewährung mehr angesetzt, sondern lediglich die bestehenden Ausfälle bewertet. Einer Anhebung des GdB auf 60 könne daher nicht gefolgt werden. Es verbleibe bei einem Gesamt-GdB von 40.
Das Sozialgericht München hat mit weiterer Beweisanordnung vom 18.05.2005 PD Dr.N. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Im Rahmen dieser Begutachtung ist ein neuroradiologisches Zusatzgutachten von Prof.Dr.B. vom 08.09.2005 sowie ein arbeitsmedizinisches und umweltmedizinisches Zusatzgutachten von Prof.Dr.N. vom 18.04.2006 eingeholt worden. Danach sei die Klägerin, die als Forsthausbewohnerin über mehrere Jahre einer Belastung mit PCP.- und lindan-haltigen Holzschutzmitteln ausgesetzt gewesen sei, an einer Symptomatik im Sinne einer multiplen Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS) erkrankt. Im Folgenden sind Prof.Dr.B. und PD Dr.N. mit Gutachten vom 17.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Diagnose der multiplen Sklerose derzeit ein Einzel-GdB von 30 angemessen sei. Entsprechendes gelte für die Diagnose der Epilepsie bei bisher seltenen kleinen epileptischen Anfällen. Die MCS bedinge derzeit keinen GdB. Eine Somatisierungsstörung sei bereits im psychiatrischen Gutachten von Dr.M. mit einem Einzel-GdB von 20 diagnostiziert worden. Für die Behinderung insgesamt werde von neurologischer Seite derzeit ein GdB von 30 vorgeschlagen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin übermittelten mit Schriftsatz vom 03.01.2007 das Gutachten von Prof.Dr.H. vom 04.10.2006, das dieser in dem Rechtsstreit S 11 RA 1456/03 gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gefertigt hatte. Um Stellungnahme gebeten hat Prof.Dr.B. mit Nachricht vom 08.02.2007 ausgeführt, dass aufgrund der Diagnose multiple Sklerose derzeit ein Einzel-GdB von 30 bestehe. Mit einer künftigen Leidensverschlimmerung sei zu rechnen. Im Folgenden hat das Sozialgericht München die Klage mit Urteil vom 22.11.2007 - S 2 SB 189/04 - abgewiesen. Da der Beklagte mit Bescheinigung vom 01.03.2007 unbefristet einen GdB von 40 zuerkannt habe und dieser Gesamt-GdB über den Vorschlägen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof.Dr.B. liege, sei die Klägerin durch den Beklagten hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch den Sachverständigen besser gestellt.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 30.01.2008 ging am 31.01.2008 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Unterlagen der DRV Bund, die erstinstanzlichen Streitakten sowie die zweitinstanzlichen Renten-Streitakten beigezogen. Die dort befindlichen Gutachten von Dr.K. vom 17.03.2004, Dr.B. vom 02.03.2005, Dr.K. vom 10.06.2005 und Prof.Dr.H. vom 04.10.2006 wurden zu den hiesigen Akten genommen. Im Folgenden bestellte das BayLSG Prof.Dr.B. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser kam mit nervenärztlichem Gutachten vom 17.04.2008 zu dem Ergebnis, die Gesamtbehinderung liege aus nervenärztlicher Sicht bei einem GdB von 30. Dies stehe in Übereinstimmung mit der neurologischen Begutachtung des Klinikums I. aus dem Jahre 2006.
Das BayLSG ersuchte mit Nachricht vom 22.04.2008 sowohl die ehemaligen als auch nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin um Stellungnahme bis 30.06.2008. Letztere rügten mit Schriftsatz vom 30.06.2008, dass sowohl das MCS-Syndrom als auch die somatoforme Störung nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei zwischenzeitlich das Vorliegen einer Borreliose diagnostiziert worden. Auf die Untersuchungsergebnisse des Institutes für medizinische Diagnostik vom 16. und 19.06.2008 werde Bezug genommen. Im Übrigen behalte sich die Klägerin vor, die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet gemäß § 109 SGG zu beantragen. Hierzu werde beantragt, eine Frist von einem Monat einzuräumen. Diesem Ersuchen kam das BayLSG nicht nach. Mit Schriftsatz vom 29.07.2008 benannten die Bevollmächtigten der Klägerin Dr.J. gemäß § 109 SGG und legten den Arztbrief von Prof. Dr.G. vom 07.07.2008 vor, der eine chronische Borreliose diagnostiziert hatte.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2008 beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin zur Klärung der Frage,
ob bei der Klägerin eine chronische Borreliose als weitere Behinderung bzw. behinderungsrelevantes Leiden vorliegt und in welcher Weise dieses Leiden zu einem Grad der Behinderung führt sowie welche Auswirkungen dies auf den Gesamtgrad der Behinderung hat, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen und hilfsweise beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin, gemäß
§ 109 SGG auf nervenärztlichem Fachgebiet den Arzt Dr.med.J., S., gutachterlich anzuhören.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt weiterhin,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 22.11.2007 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 26.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2004 zu verurteilen, die Behinderung der Klägerin ab dem 20.09.2002 mit einem GdB von 60 oder höher zu bewerten.
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten, der DRV Bund sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 22.11.2007 zutreffend abgewiesen.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs.1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004 und 2005" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. Die "Anhaltspunkte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. - Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte- sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art.3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Hiervon ausgehend ist darauf hinzuweisen, dass in dem Gesamt-Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) und dem parallel geführten Renten-rechtsstreit insgesamt neun Gutachten gefertigt worden sind, die Prof.Dr.B. mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 17.04.2008 dahingehend zusammenfassend ausgewertet hat, dass auch nach eigener Untersuchung der Klägerin der Gesamt-GdB aus nervenärztlicher Sicht mit 30 festzustellen sei. Dies stehe in Übereinstimmung mit der nervenärztlichen Begutachtung des Klinikums I. aus dem Jahre 2006.
Für den erkennenden Senat ist dieses Votum schlüssig und überzeugend. Denn bei der Klägerin ist hinsichtlich des Hauptleidens multiple Sklerose in den letzten Jahren kein Schub mehr aufgetreten. Aktuell liegt keine vokal-neurologische Symptomatik vor, die durch die MS zu erklären wäre. Die Allgemeinsymptome mit Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und zum Teil Wortbildungsstörungen, zum Teil auch vergesellschaftet mit verminderter Leistungsfähigkeit und depressiver Symptomatik, können entsprechend den Ausführungen von Prof.Dr.B. zumindest zum Teil im Rahmen der MS als Folge einer allgemeinen Hirnfunktionsstörung im Sinne eines leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndroms, wie es bei der MS häufig zu beobachten ist, angesehen werden. Der befürwortete GdB entspricht dem Bewertungsrahmen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Randziffer 26.3. Danach richtet sich der GdB bei multipler Sklerose vor allem nach den cerebralen und spinalen Ausfallerscheinungen. Zusätzlich ist die aus dem klinischen Verlauf sich ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen. Im Rahmen des vorgegebenen Bewertungsrahmens bei Hirnschäden mit psychischen Störungen leichten Grades von 30 bis 40 ist der von Prof.Dr.B. erstinstanzlich und Prof.Dr.B. zweitinstanzlich befürwortete Einzel-GdB von 30 nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der bland bestehenden Epilepsie ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich des Gutachtens von Prof.Dr.B. vom 17.04.2008 bei der Klägerin bislang epileptische Anfälle klinisch nicht aufgetreten sind. Vielmehr liegt eine Disposition im Sinne einer erhöhten cerebralen Erregbarkeit vor, wie in der EEG-Untersuchung festgestellt. Mangels Auftreten klinischer epileptischer Anfälle ist von einem noch nicht messbaren GdB auszugehen (vgl. Rz.26.3 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit").
Soweit die nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2008 hervorgehoben haben, dass das bei der Klägerin bestehende MCS-Syndrom bzw. somatoforme Störung nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden, stützt sich das BayLSG auf das für die Klägerin günstigste Gutachten der Versorgungsärztin und Sozialmedizinerin Dr.T. vom 16.04.2003. Dort ist das MCS-Syndrom als "therapieresistente Körperfunktionsstörung" mit einem Einzel-GdB von 20 zusätzlich berücksichtigt worden. Nachdem sich die neurologische und psychiatrische Beschwerdesymptomatik in ihren Auswirkungen überschneidet, ist es gerechtfertigt, bei der Klägerin in Beachtung von Rz.19 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen, wie dies der Beklagte mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt II vom 26.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2004 zutreffend festgestellt hat. Dies gilt auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass entsprechend dem versorgungsärztlichen Votum der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. vom 30.03.2005 die bestehenden Funktionsstörungen wie folgt zusammenzufassen sind:
1. Seelische Störung mit Somatisierung, multiple Chemikalienempfindlichkeit, Angstattacken (Einzel-GdB 30);
2. Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, organisches Nervenleiden (Einzel-GdB 20).
Auch wenn hier die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet in Nuancen abweichend beschrieben werden, ist der Gesamt-GdB dennoch mit 40 zutreffend festgestellt.
Soweit die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsätzen vom 30.06.2008 und 29.07.2008 auf das Vorliegen einer aktuell diagnostizierten Borreliose hingewiesen haben, rechtfertigt dies noch keine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50. Denn ausweislich des Berichts des Instituts für medizinische Diagnostik vom 19.06.2008 zeigen sich mittelgradig positive LTT-Reaktionen auf Borrelienantigene. Dieser Befund ist verdächtig für eine derzeit mäßig aktive Borrelieninfektion. Wenn therapiert wird, sollte die Kontrolluntersuchung mit dem LTT frühestens vier bis sechs Wochen nach Therapieende erfolgen. Nach erfolgreicher Behandlung sind die SI-Werte für Borrelienantigene deutlich rückläufig bis unauffällig zu erwarten. Entsprechend diesen Ausführungen des Instituts für medizinische Diagnostik vom 19.06.2008 besteht aufgrund der diagnostizierten Borreliose derzeit kein messbarer GdB. Unabhängig davon hat Prof.Dr.G. mit Arztbrief vom 07.07.2008 die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen nicht auf die bislang diskutierte MS-Problematik zurückgeführt, sondern auf die von ihm diagnostizierte chronische Borreliose. Für den erkennenden Senat kann es insoweit dahingestellt bleiben, dass sich die behandelnden Ärzte der Klägerin hinsichtlich der Ursache der bestehenden Funktionsstörungen teilweise nicht einig sind. Denn nach §§ 2, 69 SGB IX ist nicht auf die Ursache, sondern auf das Ausmaß der bestehenden Funktionsstörungen abzustellen und dies mit einem entsprechenden GdB festzustellen. Nachdem sich die aktenkundig diskutierten Problemkreise MS, Epilepsie, MCS, Borreliose usw. sämtlich im nervenärztlichem Bereich manifestieren und sich in ihren Auswirkungen überschneiden sowie die gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof.Dr.B. mit Gutachten vom 17.07.2006 und Prof.Dr.B. mit Gutachten vom 17.04.2008 das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft schlüssig und überzeugend verneint haben, ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung gemäß §§ 103, 106 Abs.3 Nr.5 SGG - entsprechend dem klägerischen Antrag - nicht erforderlich gewesen.
Im Übrigen ist es nicht veranlasst gewesen, der Klägerin wie mit Schriftsatz vom 30.06.2008 abschließend beantragt, nochmals eine Frist von einem Monat einzuräumen, um die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet gemäß § 109 SGG zu beantragen. Denn sowohl den ehemaligen als auch den nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin ist mit Nachricht des BayLSG vom 22.04.2008 eine Frist zur Stellungnahme bis 30.06.2008 eingeräumt worden. Innerhalb dieser Frist ist ein bestimmter Arzt nicht benannt worden. Gemäß § 109 Abs.1 SGG muss der Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes gerichtet sein, der mit Namen und Anschrift bezeichnet werden soll; es genügt, wenn die Angaben ausreichen, um den Arzt bestimmen zu können (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage,Rz.4 zu § 109 SGG mit weiteren Nachweisen). In der Regel ist eine Frist von einem Monat ausreichend, wenn das Gericht keine Frist gesetzt hat (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, Rz.11 zu § 109 SGG mit weiteren Nachweisen). In Berücksichtigung des Anwaltswechsels hat das BayLSG hier eine Frist von mehr als zwei Monaten gesetzt, in welcher ein bestimmter Arzt hätte benannt werden können und müssen. Das nochmalige Einräumen von einer weiteren Frist von einem Monat, um die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet gemäß § 109 beantragen zu können, ist nicht erforderlich gewesen. Folglich ist die Benennung von Dr.J. mit Schriftsatz vom 29.07.2008 verspätet.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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