L 15 VG 12/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 VG 2/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 12/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VG 28/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts L. vom 02.04.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1986 geborene Kläger macht einen Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Zusammenhang mit einer am 01.05.1994 erlittenen sexuellen Nötigung geltend. Nach den damaligen Ermittlungen der Kriminalpolizei-Inspektion S. befand sich der Kläger am 01.05.1994 zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder beim "Maibaumaufstellen" in M ... Im Verlaufe des Nachmittags spielte er mit mehreren Kindern, auch mit dem 1982 geborenen Schädiger F. S., der ebenfalls in M. wohnhaft ist. Der Kläger begab sich mit F. S. (F.S.) zusammen in ein nahe gelegenes altes, unbewohntes Wohnhaus, da F.S. angab, dem Kläger dort etwas zeigen zu wollen. Dort zog F.S. dem Kläger und anschließend sich selbst die Hose aus und versuchte mit dem Kläger den Analverkehr zu vollziehen. Dabei hielt er die Hände des Klägers fest. Anschließend zwang F.S. den Kläger, seinen Penis in den Mund zu nehmen, bis er zum Samenerguss kam. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft wurde eingestellt, da der Täter wegen Minderjährigkeit schuldunfähig war. Das Ermittlungsverfahren war für die Familie des Klägers sehr belastend, weil die Familie des Täters im gleichen Dorf wohnt und es folglich zu großen Spannungen zwischen den beiden Familien gekommen ist. Der Kläger sowie die Mutter des Klägers haben übereinstimmend ausgesagt, dass sie von Seiten der Familie des Täters Schikanen ausgesetzt worden seien.

Auf den Antrag vom 22.03.1995 hat der Beklagte ärztliche Unterlagen über Behandlungen des Klägers eingeholt (Befundbericht des Kinderarztes Dr.M. vom 08.06.1995, Arztbrief des Nervenarztes Dr.N. vom 20.03.1995, Arztbrief des Nervenarztes Dr.S. vom 15.04.1996, Arztbrief des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Bezirkskrankenhauses R. Dr.L. vom 13.12.1994, Stellungnahme des Dipl.Psych. W. S. vom 26.04.1996, Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr.M. vom 13.05.1996, Arztbrief des H. Kinderspitals, Klinik M. vom 19.07.1996, Arztbericht des Sozialpädiatrischen Zentrums am Kinderkrankenhaus Sankt M. vom 01.12.1995, Gutachten des Sozialpädiatrischen Zentrums am Kinderkrankenhaus Sankt M. vom 12.02.1996 und ärztliche Bescheinigung der Allgemeinarztes und Dipl.Psych.Dr.R. vom 18.02.1997).
Der Beklagte wollte daraufhin eine ambulante Untersuchung des Klägers durchführen. Da die Mutter des Klägers mit einer ambulanten Untersuchung des Klägers nicht einverstanden war, hat der Kinderarzt und Kinder- und Jugendpsychiater Dr.F. vom Institut und von der Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums M. nach Aktenlage das Gutachten vom 17.06.1997 erstellt. Dr.F. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Hyperkinetisches Syndrom mit Störung des Sozialverhaltens, Angststörung und Tics unter Belastung, Entwicklungsstörung der Wahrnehmung und der motorischen Funktionen. Bereits vor dem Missbrauchserlebnis hätten Entwicklungsprobleme und Verhaltensauffälligkeiten bestanden. Diese seien eindeutig als hyperkinetisches Syndrom mit Störung des Sozialverhaltens als Wahrnehmungs- und motorische Probleme beschrieben. Diese würden sich am ehesten als Folgen einer Schwangerschaftsvergiftung auffassen lassen. Nach dem Missbrauchserlebnis seien emotionale Störungen in Form von Angst, Depression sowie Selbstmordgedanken und zwei Schulwechsel bzw. Schulversäumnisse mit anschließenden Schulwechseln beschrieben worden. Durch das Missbrauchserlebnis sei es mit Sicherheit zu einer Verstärkung der bereits vorbestehenden Problematik gekommen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit für den Zeitraum 01.05.1994 bis zum Zeitpunkt der Untersuchung in L. am 01.12.1995 sei mit 20 % anzusetzen, wobei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Schädigungsfolgen auf die Hälfte, also 10 %, anzusetzen sei.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 05.08.1997 als Folgen einer Schädigung nach dem OEG ab 01.05.1994 im Sinne der Verschlimmerung ein hyperkinetisches Syndrom mit Angststörung und eine umschriebene Entwicklungsstörung der Wahrnehmung und der motorischen Funktionen beschrieben. Die MdE werde durch diese Gesundheitsstörungen um weniger als 25 v.H. gemindert. Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 11.08.1997, mit dem eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. geltend gemacht wurde. Von Seiten des Beklagten wurden weitere Unterlagen aus der Schulzeit des Klägers beigezogen, unter anderem eine Stellungnahme des Schuljugendberaters R. D. vom 20.05.1994 über Begutachtungen am 11.01. und 18.01.1994. Des Weiteren wurde nunmehr das Zwischenzeugnis für die erste Jahrgangsstufe vom 18.02.1994 vorgelegt.
Der Beklagte hat noch eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr.S. vom 04.11.1998 eingeholt. Dr.S. schätzte die Gesamt-MdE in Hinblick auf den nachgewiesenen Vorschaden infolge des hyperkinetischen Syndroms und auf das Erlebnis des sexuellen Traumas mit psychischen Folgen ohne Rücksicht auf die Ursache mit einem Gesamt-GdB von 30 v.H. nach dem Schwerbehindertengesetz ein. Der Vorschaden in Form des hyperkinetischen Syndroms sei mit einem Einzel-GdB von 20 v.H. zu bewerten. Der Verschlimmerungsanteil infolge der sexuellen Traumatisierung (vermehrte Ängstlichkeit, Unsicherheit und psychosomatische Reaktionen) sei mit einer MdE um 20 v.H. angemessen bewertet worden. Eine rentenberechtigende MdE nach dem OEG werde nicht erreicht.
Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.1998 den Widerspruch zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 13.03.1995 (Az.: S 9 VG 1/98). Im Rahmen des Klageverfahrens wurde das kinder- und jugendpsychiatrische Gutachten des Chefarztes Dr.L. vom Bezirksklinikum R. und das ergänzende testpsychologische Gutachten der Dipl.Psych.P.M. vom 12.11.2001 eingeholt. Dr.L. gelangt zu der Auffassung, dass in der Zeit vom 01.05.1994 bis April 1999 neben der Diagnose des hyperkinetischen Syndroms auch die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Somatisierungsstörung zu stellen seien. Die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung und der Somatisierungsstörung seien nach dem 01.05.1994 im Störungsbild des Patienten hinzugetreten und es sei davon auszugehen, dass das vorbestehende Störungsbild des Klägers in dieser Form durch die Gewalttat verschlimmert worden sei. Der Gutachter geht für die Zeit vom Februar 1998 bis April 1999 von einer stärkeren Beeinträchtigung der Traumafolgen aus und schätzt die Folgen der Traumatisierung für die Zeit von 2/98 bis 4/99 mit 20 bis maximal 25 % ein.
Der Beklagte hat auf der Grundlage der nervenärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr.K. vom 22.03.2002 sich bereit erklärt, für die mit Bescheid vom 05.08.1997 anerkannten Schädigungsfolgen im Zeitraum vom 01.02.1998 bis 30.04.1999 eine Beschädigtenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Dieses Vergleichsangebot wurde in der Folge nicht angenommen.
Das Sozialgericht L. hat mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2002 den Beklagten in Abänderung des Bescheides vom 05.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.12.1998 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.02.1998 bis 30.04.1999 Versorgungsrente nach einer MdE in Höhe von 25 v.H. (30 v.H.) zu gewähren.
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayerischen Landessozialgericht vom 05.08.2002 (Az.: L 15 VG 10/03). In der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2003 hat der Kläger den Vorfall vom 01.05.1994 insoweit abweichend von früheren Angaben geschildert, als es nicht zum Oralverkehr, dafür aber zum Analverkehr gekommen sei. Der Beklagte hat sich bereit erklärt, beim Kläger als Schädigungsfolge "eine posttraumatische Belastungsstörung" im Sinne der Entstehung ab Antrag anzuerkennen und dem Kläger hierfür Versorgung nach einer MdE von 25 v.H. (= 30 v.H.) für die Zeit vom 01.05.1994 bis 30.04.1999 zu gewähren. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit mit Abschluss dieses Vergleiches für erledigt. Diesen Vergleich hat der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 27.08.2003 umgesetzt.

Am 11.05.2004 hat der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag gestellt, wegen eingetretener Verschlimmerung der Folgen der Gewalttat den Grad der MdE beim Kläger und die Höhe der Versorgung neu festzustellen. Der Beklagte hat wegen des Neufeststellungsantrages aktuelle Befundberichte der Psychiaterin Dr.L. vom 13.01.2005 und der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.B. vom 12.01.2005 eingeholt. Daraufhin wurde vom Beklagten die Neurologin und Psychiaterin Dr.K. mit einer nervenärztlichen Begutachtung beauftragt. Dr.K. gelangte in dem Gutachten vom 19.12.2005 zu der Auffassung, dass in den Schädigungsfolgen im Vergleich mit den Verhältnissen, wie sie bei Erlass des Bescheides vom 27.08.2003 maßgebend gewesen seien, keine Änderung eingetreten sei. Es liege eine nur mehr sehr gering ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung vor. Neue Schädigungsfolgen seien nicht hinzugekommen. Eine wesentliche Änderung sei nicht mehr zu erwarten. In Zukunft sei mit einer Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse, insbesondere einer Verschlimmerung nach nunmehr über elf Jahren nach dem Ereignis, nicht mehr zu rechnen.
Der Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 13.02.2006 eine Neufeststellung abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2006 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 07.06.2006 (S 15 VG 2/06). Das Sozialgericht hat einen Entlassungsbereicht der Reha-Klinik K. vom 26.09.2006 und einen Entlassungsbericht des Klinikums L. über einen dortigen Aufenthalt des Klägers vom 08.08.2002 bis 05.09.2002, beigezogen. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.B. hat mitgeteilt, dass der Kläger ab 2005 nicht mehr bei ihr in Behandlung gewesen sei. Des Weiteren wurden Befundberichte der Psychiaterin Dr.L. vom 19.03.2007, des Internisten Dr.K. vom 02.05.2007, des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.S. vom 09.11.2006 und ein einheitlicher Reha-Entlassungsbericht der Rentenversicherung (U.klinik) vom 26.09.2006 beigezogen. Daraufhin wurde der Leitende Arzt am Bezirksklinikum M. und Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.G. zum Sachverständigen ernannt, der das nervenärztliche Gutachten vom 09.08.2007 erstellt hat. Dr.G. gelangt in dem Gutachten zu der Beurteilung, dass auf psychiatrischem Fachgebiet außer den mit Bescheid vom 23.08.2003 anerkannten Schädigungsfolgen keine weiteren Gesundheitsstörungen vorliegen würden. In Übereinstimmung mit der Beurteilung durch Dr.K. vom 19.12.2005 sei die schädigungsbedingte MdE auf psychiatrischem Fachgebiet ab dem 11.05.2004 unverändert zur schädigungsbedingten MdE auf psychiatrischem Fachgebiet ab 01.05.1999. Die Bewertung der MdE ab dem 11.05.2004 liege also weiterhin unter 25 % und dürfte maximal 10 bis 20 % betragen.
Zu dem Gutachten haben sich die Prozessbeteiligten des Klägers mit Schriftsatz vom 25.09.2007 geäußert. Nach Ansicht des Klägers beurteile das seitens des Gerichts eingeholte Gutachten seine aktuelle Lage nicht zutreffend. Dadurch, dass er stets, wenn er auf den Täter oder die Nachbarn des Täters treffe, mit Herzrasen, Kopfschmerzen und Angstgefühlen reagiere, sei er kaum in der Lage, einem geregelten Leben nachzugehen. Entgegen seinen Aussagen gegenüber dem Gutachter habe er so gut wie gar keine sozialen Kontakte. Er fühle sich durch die Fragen der Gutachter belästigt. Darüber hinaus traue er sich nicht in den persönlichen Befragungen einzugestehen, dass er über keine sozialen Kontakte verfüge und sich so weit wie möglich vom allgemeinen Dorfleben zurückziehe. Nach Angaben des Klägers sei diesem bewusst, dass er gegenüber den ärztlichen Gutachtern in diesem Zusammenhang oft falsche Angaben mache, da er wisse, dass sein Verhalten nicht normal sei. Er schäme sich dafür und tätige daher Aussagen, von denen er glaube, dass der Gutachter diese hören wolle. Es wurde beantragt, ein Gutachten des Prof.Dr.M. O. gemäß § 109 SGG einzuholen. Die Einzahlung des Kostenvorschusses in Höhe von 1.500,00 EUR wurde trotz mehrmaliger Fristsetzung nicht vorgenommen.

Das Sozialgericht L. hat mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2008 die Klage abgewiesen. Im Vergleichsgutachten vom 12.11.2001 sei Dr.L. zu dem Schluss gekommen, dass mit Ende der Pharmakotherapie im April 1999 eine psychische Stabilisierung eingetreten und damit auch eine rentenberechtigende MdE nicht mehr gerechtfertigt gewesen sei. Seit Mai 1999 habe der Kläger keine Psychopharmaka mehr eingenommen und sei auch nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung gewesen. Eine wesentliche Verschlechterung der psychischen Beschwerden lasse sich nicht erkennen. Nach wie vor berichte der Kläger zwar über zeitweise Flash-back-Erlebnisse, vegetative Stigmata mit Angst und einer psychogenen Verstärkung der Rückenschmerzproblematik mit nachfolgenden Schlafstörungen. Der Kläger habe aber gegenüber Dr.G. selbst angegeben, dass diese Symptome seltener als früher geworden seien. Mittlerweile habe er einen Hauptschulabschluss und eine Lehre zum Schreinergesellen abgeschlossen. Er habe soziale Kontakte (einen Freundeskreis) und er besuche auch entweder alleine oder mit den Freunden örtliche Gaststätten. Anzeichen für eine endogene oder reaktive Depression oder für eine organische oder endogene Psychose habe Dr.G. nicht gefunden.

Hiergegen richtet sich die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht vom 08.05.2008 (Az.: L 15 VG 12/08). Das Gutachten des Dr.G. entspreche nicht dem Zustand des Klägers. Er habe weder Freunde noch besuche er alleine Gaststätten, in der Disko sei er noch nie gewesen. Außerdem habe sich sein Rückenleiden auf Grund seiner ständigen Schikanen so verschlechtert, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Es werde nur ein Gutachten anerkannt, das von einem Arzt gemacht werde, der von missbrauchten Personen eine Ahnung habe, also kein sog. Gefälligkeitsgutachten.

Der Kläger stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts L. vom 02.04.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ab Antragstellung (11.05.2004) eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen festzustellen und eine Versorgungsrente nach dem OEG zu gewähren.

Der Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.06.2008 geltend gemacht, dass das Begehren des Klägers in der Vorinstanz eingehend überprüft und gewürdigt worden sei.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts L. mit dem Aktenzeichen S 15 VG 2/06, die Akte des Bayerischen Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 15 VG 12/08 sowie die erledigten Gerichtsakten mit den Aktenzeichen S 9 VG 1/98, S 9 VG 1/99, L 15 VG 10/03 und S 15 U 184/02 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 7 Abs.1 OEG i.V.m. § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht L. hat mit dem angegriffenen Gerichtsbescheid vom 02.04.2008 die Klage des Klägers mit zutreffender Begründung abgewiesen, der sich der Senat in vollem Umfang anschließt und deshalb die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.2 SGG).

Zusammenfassend hierzu ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in dem dem zum Vergleich heranzuziehenden Ausführungsbescheid vom 27.08.2003 zu Grunde liegenden sehr ausführlichen und überzeugenden Gutachten des Chefarztes der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr.L. vom Bezirksklinikum R. vom 12.11.2001 ausführlich dargelegt wurde, dass eine rentenberechtigende MdE bzw. jetzt GdS in Höhe von 25 v.H. nur bis Ende April 1999 vertretbar ist. Dr.L. hat dies damit begründet, dass die erst im Februar 1998 nach der Einweisung in die Kinderpsychiatrie in L. begonnene regelmäßige kinderpsychiatrische Behandlung bei Dr.H. ebenso Ende April 1999 beendet wurde wie die Pharmakotherapie. Zum anderen war ab Mai 1999 eine deutliche Besserung des psychischen Gesundheitszustandes des Klägers zu verzeichnen. Im Rahmen der Behandlung bei Dr.H. konnte eine Besserung der posttraumatischen Belastungsstörung durch eine aktive Auseinandersetzung mit den vorangegangenen Ereignissen durch eine stufenweise Reizexposition und durch das Durcharbeiten der vorangegangenen Ereignisse erzielt werden, so dass sich in der Folge eine erhebliche Besserung der depressiven Symptomatik sowie eine Besserung der Somatisierungsstörung erkennen ließ. Dr.L. ging für den Zeitraum bis April 1998 von einer "stärker behindernden Störung" mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit aus, was einen MdE-Spielraum von 30 bis maximal 40 % ergebe und vorliegend unter Berücksichtigung der Vorerkrankung (hyperkinetisches Syndrom) mit 30 zutreffend bewertet sei. Für die Zeit ab 01.05.1999 lag die MdE dann wieder unter 25 v.H., nach Auffassung des SG L. im Gerichtsbescheid vom 19.06.2002 bei 10 v.H ... Ausgehend von diesem psychischen Zustand des Klägers ab 01.05.1999, wie er im Gutachten des Dr.L. beschrieben ist, ist in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr.G., Leitender Arzt am Bezirksklinikum M., in dem Gutachten vom 09.08.2007 davon auszugehen, dass es beim Kläger in der Zwischenzeit nicht zu einer neuerlichen Verschlechterung gekommen ist. Aus jetziger Sicht ist festzustellen, dass der Kläger im schulischen Bereich eine abgeschlossene Hauptschulbildung und im beruflichen Bereich eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Schreiner durchlaufen hat. Unter Berücksichtigung des Intelligenzniveaus des Klägers und der bereits vor dem traumatischen Ereignis am 01.05.1994 bestehenden Symptomatik entspricht dieser Ausbildungsweg den vorhandenen Fähigkeiten und Möglichkeiten unabhängig vom Trauma. Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter Dr.G. selbst geschildert, dass er sozial in seine Umgebung in einen Freundeskreis eingebunden ist, nicht isoliert sei und auch von sich aus öffentliche Veranstaltungen und Treffpunkte aufsuche, so dass auch keine soziale Isolierung bestehe. Diesen eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr.G. ist in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr.G. und der erstinstanzlichen Entscheidung eindeutig der Vorrang zu geben gegenüber den anders lautenden Angaben der Mutter des Klägers. Der Kläger hat zwar glaubhaft gelegentliche Flashback-Erlebnisse, vegetative Entgleisungen und Somatisierungstendenzen geschildert, insbesondere wenn er sich durch Schikanen der gegen ihn gerichteten Dorfgemeinschaft benachteiligt fühle oder wenn er zufällig auf den Täter treffe. Der Kläger hat aber auch angegeben, dass diese Dinge heute weniger auftreten würden als früher. Jedenfalls ist es zwischen 1999 bis heute zu keinem weiteren Klinikaufenthalt bezüglich der psychiatrischen Symptomatik mehr gekommen. Die ambulanten nervenärztlichen Behandlungen fanden in einem unregelmäßigen, zeitlich gestreckten Rhythmus statt, wobei scheinbar viele Nervenärzte allein deswegen nicht mehr aufgesucht worden sind, weil sie die Problematik, insbesondere die familiäre Dynamik anders beurteilt hätten als der Kläger und vor allem dessen Familie. Die vom Kläger geklagte Rückenschmerzsymptomatik ist hauptsächlich organisch bedingt. In Übereinstimmung mit Dr.G. ist unter Zugrundelegung der Anhaltpunkte daher davon auszugehen, dass die MdE ab 11.05.2004 weiterhin unter 25 %, maximal bei 10 bis 20 % liegt.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Beteiligten am 24.07.2003 vor dem Bayer. Landessozialgericht einen Vergleich dahingehend geschlossen haben, dass eine rentenberechtigende MdE (jetzt: GdS) für die Schädigungsfolge "Posttraumatische Belastungsstörung" nur bis 30.04.1999 bestand, danach nicht mehr. Der bereits am 11.05.2004 gestellte Antrag, wegen Verschlimmerung der Schädigungsfolgen die MdE und die Höhe der Versorgung beim Kläger neu festzustellen, ist zu keiner Zeit mit substantiierten Angaben unterlegt worden, aus denen eine solche Verschlimmerung abzuleiten wäre.

Daher war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts L. vom 02.04.2008 zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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