L 11 B 883/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 962/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 883/08 AS ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.08.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 29.07.2008.
Im April 2008 zog die geschiedene Antragstellerin (ASt) mit ihren vier minderjährigen Kindern in die Wohnung des S. G. (G). Dieser soll danach in die Nachbarwohnung umgezogen sein, die er von seiner Mutter geerbt habe. Wegen des Verdachts auf Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit G lehnte die Antragsgegnerin (Ag) den am 29.07.2008 gestellten Antrag der ASt auf Alg II mangels Mitwirkung ab (Bescheid vom 08.08.2008). Die ASt habe nicht zugelassen, die Wohnsituation bei Verdacht auf Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft klären zu lassen. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Ag noch nicht entschieden.
Den am 15.08.2008 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) mit Beschluss vom 28.08.2008 abgelehnt. Mietzahlungen seien bisher nicht nachgewiesen. Die ASt habe ihre Mitwirkungspflicht verletzt, sie habe die Wohnverhältnisse nicht klären lassen. Auch eine wirtschaftliche Bedrängnis habe sie nicht nachgewiesen.
Dagegen hat die ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie erhalte Kindergeld und Unterhaltsvorschuss sowie bis Oktober 2008 Erziehungsgeld. Sie habe zwar eine Liebesbeziehung mit G, aber gegenseitige Verpflichtungen sollten nicht übernommen werden. Mittlerweile seien beide nebeneinander liegende Wohnungen verbunden.
Mit Bescheid vom 04.11.2008 hat die Ag den Versagungsbescheid vom 08.08.2008 aufgehoben und für die Zeit vom 29.07.2008 bis 31.12.2008 Alg II unter Berücksichtigung von Einkommen aus Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bewilligt. Unterkunfts- und Heizungskosten seien nicht bewilligt worden, da nach der Änderung der Räumlichkeiten nicht klärbar gewesen sei, welcher Mietvertrag gültig sei und in welcher Höhe Miete zuerkannt werden könne.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Dabei ist davon auszugehen, dass die ASt auch im Namen ihrer Kinder einstweiligen Rechtsschutz begehrt (§ 38 SGB II).

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -1 BvR 2971/06 -).

In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Vorliegend fehlt es zunächst am Nachweis eines Anordnungsgrundes, nachdem die Ag nunmehr den Versagungsbescheid aufgehoben und Alg II für die Zeit vom 29.07.2008 bis 31.12.2008 unter Berücksichtigung des Einkommens der Kinder der ASt aus Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bewilligt hat.
Hinsichtlich der eventuell zu zahlenden Miete fehlt es sowohl am Nachweis eines Anordnungsgrundes (Drohung der Kündigung bei Nichtzahlung) als auch am Nachweis eines Anordnungsanspruchs (Höhe der zu zahlenden Miete nach Wohnungsumbau).
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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