L 4 P 2269/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 P 2504/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2269/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Mai 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Januar 2005.

Der am 1981 geborene Kläger war bis 31. Juli 2006 bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Er leidet unter einem frühkindlichen Hirnschaden mit Sprachentwicklungsstörungen, Intelligenzminderung und Störung der Feinmotorik. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, H und B sind festgestellt. Der Vater Jose Anton ist zum Betreuer bestellt (zuletzt Betreuerausweis des Amtsgerichts W. vom 01. Dezember 2004). Seit Abschluss der allgemeinbildenden Schule war der Kläger in der Werkstatt W. der D.-Werkstätten R.-N. tätig, vom 24. September bis 21. Oktober 2001 im Eingangsverfahren, dann bis 21. Oktober 2003 im Berufsbildungsbereich und vom 22. Oktober 2003 bis 30. April 2004 sowie vom 11. Oktober 2004 bis 31. Juli 2006 im Arbeitsbereich. Seitdem ist er nicht mehr beschäftigt.

Der Kläger bezog von der Beklagten seit 01. August 1996 Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Grundlage war ein Gutachten (Dr. N.) vom 21. September 1998. Die in diesem Gutachten vorgesehene Nachuntersuchung fand mit einem Hausbesuch am 06. März 2003 der Pflegefachkraft R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) statt. Diese kam im Gutachten vom 11. März 2003 zu einem Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege von vier Minuten täglich, und zwar jeweils zwei Minuten für Teilübernahme und Unterstützung beim Rasieren (Nachrasur und Reinigen des elektrischen Rasierers) sowie für Unterstützung beim Ankleiden (Richten der Kleidung entsprechend den Wetterverhältnissen). Nachdem die Mutter des Klägers auf die Anhörungsmitteilung der Beklagten vom 25. März 2003, es sei beabsichtigt, die Zahlung von Pflegegeld mit 31. März 2003 einzustellen, Mängel des Gutachtens geltend gemacht und allein im Bereich der Körperpflege einen Zeitaufwand von täglich etwa 70 Minuten errechnet hatte, erstattete Ärztin Dr. W. das Kurzgutachten nach Aktenlage vom 22. Mai 2003. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage täglich 18 Minuten, nämlich in Form von Anleitung und teilweise auch Beaufsichtigung bei der Körperpflege 16 Minuten und Richten der Kleidung, insbesondere der Jahreszeit entsprechend zwei Minuten. Gegenüber der Erstbegutachtung sei es insoweit zu einer wesentlichen Änderung gekommen, als der Kläger insbesondere im Bereich der Blasen- und Darmentleerung sowie des Verlassens/Wiederaufsuchens der Wohnung selbstständiger geworden sei.

Die Beklagte erteilte der Mutter des Klägers den Bescheid vom 03. Juni 2003. Die Ankündigung im Anhörungsschreiben vom 25. März 2003 sei durch das neue Gutachten bestätigt worden. Eine Zahlung von Pflegeleistungen über den 31. März 2003 sei nicht möglich. Die Mutter erhob sinngemäß Widerspruch. Auf Anfrage der Beklagten äußerte der behandelnde Arzt Dr. S., der Zeitaufwand sei wesentlich höher als in dem Gutachten angegeben (Auskunft vom 10. September 2003). Dr. Ho. vom MDK vermochte in der sozialmedizinischen Beratung vom 01. Oktober 2003 keine neuen Erkenntnisse zu finden. Auf Anfrage der Beklagten gab Frau Sc.-G. von der Werkstatt W. der D.-Werkstätten R.-N. in der Auskunft vom 31. Oktober 2003 die tägliche Arbeitszeit von 8:15 Uhr bis 15:45 Uhr mit üblichen Pausen an; der Kläger komme mit dem Bus, sei mit Verpackungsarbeiten unterschiedlicher Art beschäftigt, brauche keine Aufsicht oder Hilfe bei bekannten Arbeiten und das Arbeitsergebnis entspreche der Norm. Beim Aufsuchen der Toilette, der Gestaltung der Arbeitspausen oder der Einnahme des Essens bestehe kein Hilfebedarf. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2003). Es verbleibe beim durchschnittlichen Hilfebedarf für die Grundpflege von 18 Minuten täglich.

Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Mannheim (SG) - S 4 P 70/04 - wurde der Entwicklungsbericht der D.-Werkstätten R.-N. vom 15. August 2003 beigezogen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 17. Juni 2004 erzielten die Beteiligten eine Einigung darüber, dass für An- und Auskleiden täglich zehn Minuten, für Säubern nach dem Stuhlgang sieben Minuten, für Rasieren fünf Minuten und für Aufforderung und Nachkontrolle beim Zähneputzen und Kämmen zehn Minuten zu veranschlagen seien. Für Waschen und gelegentliches Nägelschneiden wurden (streitig) fünf bis acht Minuten, für sonstige Hilfeleistungen bei der Körperpflege weitere fünf Minuten genannt. Auf Vorschlag des Kammervorsitzenden schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich: 1. Die Beklagte ändert den Bescheid vom 03. Juni 2003 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2003 dahingehend, dass das Pflegegeld erst zum 31. Dezember 2004 entzogen wird. 2. Dem Kläger bleibt es freigestellt, anschließend einen Antrag auf neue Gewährung des Pflegegelds zu stellen.

Am 11. Januar 2005 beantragte der Kläger wieder Geldleistungen. Pflegefachkraft Bu. vom MDK kam im Gutachten vom 24. März 2005 nach Hausbesuch vom 15. Februar 2005 zu einem Zeitaufwand für Hilfen im Bereich der Grundpflege von 36 Minuten täglich (Körperpflege 17 Minuten, Ernährung zwölf Minuten, Mobilität sieben Minuten) sowie im Bereich der Hauswirtschaft von 60 Minuten. Haare, Rücken und Gesäß müssten unter der Dusche gewaschen werden, im Übrigen wasche sich der Kläger nach Aufforderung selbst. Beim Zähneputzen werde eine Sanduhr gestellt, der Hinterkopf sei nachzukämmen, nach dem Toilettengang sei die Kleidung zu korrigieren und es sei nachzurasieren. Ferner müsse auf Mäßigung beim Essen sowie auf jahreszeitgerechte, farblich passende und saubere Bekleidung geachtet werden, deren Sitz zu kontrollieren sei. Auch auf Aussortierung der Schmutzwäsche müsse geachtet werden.

Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 30. März 2005). Im hiergegen eingeleiteten Widerspruchsverfahren gab Arzt Dr. S. an, der Kläger benötige Teilhilfe beim Waschen, Duschen, Baden, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und der Nahrungsaufnahme sowie beim An- und Auskleiden. Ärztin Dr. Wa. vom MDK errechnete im Kurzgutachten nach Aktenlage vom 06. Juli 2005 einen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege von insgesamt "23" (richtig: 26) Minuten (Körperpflege 23 Minuten, Mobilität drei Minuten); neben den im Vorgutachten berücksichtigten zehn Minuten für Duschen könnten weitere fünf Minuten für Händewaschen nachvollzogen werden, weiter seien wie zuvor fünf Minuten für Zahnpflege, Kämmen und Rasieren sowie außerdem drei Minuten für Hygiene nach Defäkation anzusetzen. Hilfebedarf bei der Ernährung sei nicht nachvollziehen, während bei der Mobilität Richten und Kontrolle der Kleider allenfalls drei Minuten erfordere. In der sozialmedizinischen Beratung vom 05. August 2005 blieb die Gutachterin bei ihrer Einschätzung. Hierauf sowie auf die Ausführungen des Dr. S. gestützt wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. August 2005 zurück.

Der Kläger erhob am 29. August 2005 Klage zum SG. Aufgrund der geistigen Behinderung verstehe er die Notwendigkeit vieler pflegerischer Maßnahmen nicht, weshalb er bei vielen Hilfereichungen der Anleitung und Beaufsichtigung bedürfe, so dass entgegen dem Gutachten ein wesentlich höherer Hilfebedarf bestehe. Dieser betrage im Bereich der Körperpflege 41 Minuten, der Ernährung zwölf Minuten und der Mobilität 14 Minuten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies darauf, gegenüber den zur Beendigung des früheren Leistungsbezugs führenden Verhältnissen sei keine Änderung eingetreten.

Pflegesachverständige J. K., W., erstattete das Gutachten vom 22. November 2005. Sie kam zu einem täglichen Hilfebedarf von 29 Minuten im Bereich der Körperpflege, fünf Minuten bei den Ausscheidungen, sechs Minuten bei der Ernährung, acht Minuten bei der Mobilität sowie für die Hauswirtschaft 60 Minuten. Das MDK-Gutachten vom 24. März 2005 würdige nicht den individuellen Hilfebedarf bei der Grundpflege. Zu diesem Gutachten legte die Beklagte das Gutachten der Pflegefachkraft Ke. vom 27. Dezember 2005 vor, wonach 35 Minuten für die Grundpflege benötigt würden (Körperpflege 29 Minuten, Mobilität sechs Minuten).

Durch Urteil vom 31. März 2006 hob das SG den Bescheid vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. August 2005 auf und verurteilte die Beklagte, ab 01. Januar 2005 Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I zu gewähren. Der tägliche Hilfebedarf erreiche 48 Minuten für die Grundpflege. Der Kläger benötige nach den Beobachtungen der gerichtlichen Sachverständigen konsequente Vorgaben hinsichtlich der Tagesstruktur und bringe ohne ständige Überwachung auch bei einfacheren Vorgängen diese nicht selbstständig und vollständig zu Ende.

Gegen das ihr am 10. April 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03. Mai 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das angefochtene Urteil würdige die Gutachten aus den Vorverfahren und die Stellungnahme des behandelnden Arztes nicht ausreichend. Die gerichtliche Sachverständige habe beim Duschen bereits den obersten Wert des Hilfebedarfs angesetzt, obwohl nur Aufforderung und Beaufsichtigung erforderlich seien, und bei der Ernährung einen von den Gutachtern des MDK als nicht notwendig angesehenen Hilfebedarf festgestellt. Es sei auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger von Montag bis Freitag die betreuende Werkstätte aufsuche, die er selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreiche. Der Kläger habe selbst eingeräumt, in der Werkstätte selbstständig das Essen einzunehmen und auch zur Toilette zu gehen. Auch nach den Angaben im Termin vom 17. Juni 2004 sei ein Hilfebedarf beim Duschen von 15 Minuten nicht nachvollziehbar. Auch könne der Kläger nach dem Bericht der Werkstätte vom 15. August 2003 selbstständig und eigenverantwortlich Arbeiten verrichten. Gegenüber den zur Beendigung des Leistungsbezugs führenden Verhältnissen habe sich die Situation nach alledem nicht geändert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Einzelnen für zutreffend.

Der Senat hat die Auskunft der Diplom-Sozialarbeiterin E., Werkstatt W. der D.-Werkstätten R.-N., vom 18. Februar 2008 eingeholt. Sie hat angegeben, bei Toilettengängen habe der Kläger nach Aktenlage keinen Hilfebedarf gehabt und Unterstützung nicht angefordert, sondern alle Verrichtungen selbstständig bewältigt. Sie hat den Entwicklungsbericht der D.-Werkstätten R.-N. vom 30. Januar 2006 übersandt. Hiernach sei der Kläger in der Beschäftigung seit 11. Oktober 2004 in täglicher Tätigkeit von 6,5 Stunden bei Verpackungsarbeiten sowie im Bedienen von Maschinen und Einfädeln von Etiketten beschäftigt gewesen. Er zeige freilich keine eigene Initiative, habe noch Entwicklungsmöglichkeiten in Konzentration und Quantität und müsse mehr Vertrauen gewinnen. Er verstehe mündliche Anweisungen, zeige eine gleichbleibende Leistung, reagiere freilich bei längerer Stressbelastung mit geringerer Arbeitsleistung und leide unter sozialen Spannungen. Die Arbeiten hätten nur kleinere Fehler oder Abweichungen. Es bestehe Fähigkeit zu feinmotorischen Arbeiten. Der Kläger suche Kontakte und füge sich gut in eine Gruppe ein.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache begründet. Entgegen dem angefochtenen Urteil des SG steht dem Kläger seit 01. Januar 2005 kein Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I zu.

1. Für die Zeit ab 01. August 2006 hat der Kläger gegen die Beklagte bereits deshalb keinen Anspruch auf Pflegegeld, weil er ab 01. August 2006 nicht mehr versichertes Mitglied der Beklagten ist. Mit dem Ende der Tätigkeit in der Werkstatt W. der D.-Werkstätten R.-N. zum 31. Juli 2006 endete die Pflegepflichtversicherung bei der Beklagten.

2. Auch für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 besteht kein Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I, weil in diesem Zeitraum der tägliche Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege nicht mindestens 46 Minuten betrug.

Der Kläger hat zur Beendigung des Klageverfahrens S 4 P 70/04 im Termin beim SG vom 17. Juni 2004 im Gegenzug gegen die Einräumung des Weiterbezugs von Pflegegeld nach Pflegestufe I bis zum 31. Dezember 2004 für neue Anträge darauf verzichtet, den Eingriff einer wesentlichen Änderung zu seinen Ungunsten in den tatsächlichen Voraussetzungen für den Anspruch zu bestreiten. Mithin ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob gegenüber der früheren Zeit des Leistungsbezugs eine Änderung im Sinne von § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) eingetreten ist. Ungeachtet dessen besteht bei der hier eröffneten neuen Prüfung kein Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt demnach im Einzelnen der Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und bei der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).

Der Zeitaufwand für die Grundpflege erreicht hier den für die Pflegestufe I vorausgesetzten Zeitaufwand von über 45 Minuten nicht. Der Berechnung der Sachverständigen K. im Gutachten vom 22. November 2005, der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege erreiche insgesamt 48 Minuten, ist aufgrund der von der Beklagten erhobenen Einwendungen, die sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bestätigt haben, nicht zu folgen. Der Entwicklungsbericht der D.-Werkstätten R.-N. vom 30. Januar 2006 beschreibt schlüssig und erschöpfend den Tagesablauf des Klägers, der sich in üblicher Fünf-Tage-Arbeitswoche zu üblicher vollschichtiger Arbeitszeit in der Werkstätte aufhält, die er selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus) aufsucht. In der Werkstätte ist - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2006 bestätigt hat - Hilfe bei der Nahrungsaufnahme und auch beim Toilettengang nicht erforderlich. Daher kann das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen K. nicht überzeugen, soweit sie für den Bereich der Ernährung einen Hilfebedarf annimmt. Hinzu kommt weiter, dass die gerichtliche Sachverständige insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausging, als sie die Verrichtungen mit dreimal täglich ansetzt. Dies ist im Hinblick darauf, dass der Kläger tagsüber in der Werkstatt für Behinderte war, nicht zutreffend. Dasselbe gilt für den von der gerichtlichen Sachverständigen angenommenen Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme. Zur Grundpflege gehört nach § 14 Abs 4 Nr. 2 SGB XI nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt noch erforderlich wird (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R -). Soweit die gerichtliche Sachverständige davon ausging, der Kläger benötige Hilfe beim Schneiden von Fleisch sowie dem Kleinschneiden von Brötchen oder Brot und habe deshalb einen Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, ist dies im Hinblick auf den genannten Entwicklungsbericht nicht nachvollziehbar. Denn nach dem genannten Entwicklungsbericht ist der Kläger bei Arbeiten sowohl mit als auch ohne Werkzeugbenutzung auch zu feinmotorischen Arbeiten fähig. Ferner kann die Beaufsichtigung des Klägers zur Vermeidung einer übermäßigen Nahrungsaufnahme nicht als Pflegebedarf im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI gewertet werden (BSG SozR 3-3300 § 43a Nr. 5). Mithin sind jedenfalls die von der Sachverständigen K. angenommenen fünf Minuten für Ausscheidungen und insbesondere sechs Minuten im Bereich der Ernährung von den tatsächlichen Verhältnissen nicht nachvollziehbar gedeckt.

Selbst wenn man die übrigen von der Sachverständigen angenommenen Werte übernimmt (sonstige Körperpflege 29 Minuten, Mobilität acht Minuten) verbleiben insgesamt 37 Minuten, was in etwa dem Hilfeaufwand, den Pflegefachkraft Ke. im für die Beklagte erstatteten Gutachten vom 27. Dezember 2005 genannt hat, entspricht. Soweit - was die Beklagte ebenfalls einwendet - für das tägliche Duschen 15 Minuten angenommen werden, nimmt einen erheblichen Teil die bloße Beaufsichtigung und Anleitung ein, die aber nach gefestigter Rechtsprechung bei der Bemessung des Pflegebedarfs nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Diese allgemeine Beaufsichtigung und Anleitung darf nicht mitgezählt werden, da die gesetzliche Pflegeversicherung nicht sämtliche Risiken der Pflegebedürftigkeit abdecken will, sondern nur ein begrenztes gesetzgeberisches Zielprogramm verwirklicht.

Mithin wird - weitere Einwendungen oder eine Änderung des Zustands im Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 hat der Kläger nicht geltend gemacht - aufgrund der ergänzenden tatsächlichen Ermittlungen im Berufungsverfahren bestätigt, dass ein täglicher Aufwand von mehr als 45 Minuten nicht erreicht wird. Pflegefachkraft Bu. ist im MDK-Gutachten vom 24. März 2005 zu keinem wesentlich abweichenden Ergebnis gelangt (Grundpflege insgesamt 36 Minuten täglich). Aus den mehrmaligen Darlegungen des behandelnden Arztes Dr. S. hat sich kein Anlass zu weiteren Ermittlungen ergeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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