S 56 SO 209/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
56
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 SO 209/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 3/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 5.9.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.3.2006 verpflichtet, der Klägerin Leistungen der Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung für den Monat Juni 2005 zu gewähren und dabei das nach Abzug der besonderen Belastungen verbleibende Einkommen über der Einkommensgrenze nur zu 40% zu berücksichtigen. 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. 3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe das über der Einkommensgrenze liegende Einkommen der Klägerin bei der Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) einzusetzen ist.

Die 1957 geborene Klägerin lebte mit ihrem Ehemann und den beiden 1984 und 1989 geborenen Söhnen in einem Eigenheim, für dessen Erwerb die Klägerin und ihr Ehemann im Jahr 1999 einen Kredit aufgenommen hatten, der durch monatliche Zahlungen getilgt wird. Im April 2005 erlitt die Klägerin einen Herzstillstand. Seitdem liegt sie im Wachkoma, seit dem 15.6.2005 ist sie im Pflegeheim A. stationär untergebracht. Für diese Unterbringung entstehen Kosten in Höhe von monatlich 3.205,96 EUR für Pflegeleistungen der Pflegestufe III, 635,47 EUR für Unterkunft und Verpflegung (abzüglich eines Betrags von 55,06 EUR für ersparte Aufwendungen, da die Klägerin Sondennahrung erhält) sowie 149,67 EUR für Investitionskosten (Daten von Juni 2005). Hiervon zahlt die Pflegeversicherung 1.432,00 EUR, die Investitionskosten wurden von der Beklagten nach § 12 des Landespflegegesetzes übernommen. Die Klägerin erhält Krankengeld in Höhe von 1.352,40 EUR, ihr Ehemann hat ein monatliches Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit in leicht schwankender Höhe von ca. 1.700,00 EUR netto. Der ältere Sohn hatte zum damaligen Zeitpunkt ein Erwerbseinkommen in Höhe von 400,00 EUR monatlich.

Am 17.6.2005 beantragte der Ehemann der Klägerin als deren Betreuer Leistungen der Sozialhilfe bei der Beklagten, insbesondere hinsichtlich der durch die Pflegeversicherung nicht gedeckten Heimkosten. Mit Bescheid vom 5.9.2005 bewilligte die Beklagte Leistungen der Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung nach dem SGB XII für den Monat Juni 2005. Dabei wurde ein Eigenbeitrag in Höhe von 70 % des nach Abzug der besonderen Belastungen verbleibenden Einkommens über der Einkommensgrenze festgesetzt. Unter Berücksichtigung dieses Beitrags wurden Leistungen in Höhe von 67,61 EUR gewährt.

Mit Schreiben vom 19.9.2005 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid. Es sei nicht klar, ob bei den angesetzten Kosten der Unterkunft die Kosten für Müllabfuhr, Grundsteuer, Schornsteinfeger und Feuerkasse berücksichtigt worden seien. Außerdem müsse die Glasversicherung Berücksichtigung finden. Der Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze zu 70% sei rechtswidrig. Hier sei eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ein Einsatz von 40% das Maximum sei. Ferner seien die Fahrkosten des Ehemanns der Klägerin für seinen Arbeitsweg zu Unrecht nicht in die Berechnung mit eingeflossen. Schließlich sei eine häusliche Ersparnis der Klägerin berücksichtigt worden, ohne dass das in § 88 Abs. 1 SGB XII vorgesehene Ermessen ausgeübt worden sei.

Mit Schreiben vom 23.11.2005 teilte die Beklagte mit, dass sie eine Neuberechnung der Leistungen durchgeführt habe und sich hieraus eine Nachbewilligung ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.3.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In einer Neuberechnung im Rahmen des Abhilfeverfahrens seien die Wohnungskosten um die im Widerspruch geltend gemachten zusätzlichen Kosten korrigiert worden. Glasbruchversicherung und Fahrtkosten seien berücksichtigt worden. Statt 70% würden nunmehr 60% des Einkommens über der Einkommensgrenze zum Ansatz gebracht werden. Eine weitere Reduzierung des einzusetzenden Einkommens über der Einkommensgrenze sei nicht vorzunehmen. Bei der Bestimmung des einzusetzenden Einkommens komme der Beklagten kein Ermessen zu. Welcher Einkommenseinsatz angemessen sei, sei durch die Konkretisierung der Beklagten zu § 87 SGB XII näher bestimmt. Diese sehe im vorliegenden Fall einen Einsatz von 60 – 80 % des übersteigenden Einkommens vor, wegen der langen Dauer der Pflegebedürftigkeit der Klägerin seien 60% zuzumuten. § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII und die darin enthaltene Grenze von 40% seien nicht anwendbar, da diese Regelung nur die Bezieher von Pflegegeld erfasse, zu denen die Klägerin nicht gehöre. Eine häusliche Ersparnis sei für den Monat Juni nicht in Ansatz gebracht worden, da es sich um den ersten Monat des Heimaufenthaltes handele.

Die am 21.4.2006 beim Sozialgericht erhobene Klage wendet sich gegen den Einsatz von 60 % des Einkommens über der Einkommensgrenze. Zumutbar sei maximal eine Berücksichtigung von 40% des übersteigenden Einkommens.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 5.9.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.3.2006 zu verpflichten, der Klägerin Leistungen der Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung für den Monat Juni 2005 zu gewähren und dabei das nach Abzug der besonderen Belastungen verbleibende Einkommen über der Einkommensgrenze nur zu 40% zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht die Sachakte der Beklagten beigezogen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Sachakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 5.9.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.3.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch darauf, dass ihr Leistungen der Hilfe zur Pflege gewährt werden und dabei das nach Abzug der besonderen Belastungen verbleibende Einkommen über der Einkommensgrenze nur zu 40% berücksichtigt wird.

Nach § 61 Abs. 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Dazu gehört nach § 61 Abs. 2 SGB XII auch die stationäre Pflege. Die Klägerin gehört zu diesem Personenkreis und hat damit einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege; dies erkennt die Beklagte auch an.

Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII wird Hilfe zur Pflege jedoch nur geleistet, soweit dem Leistungsberechtigten und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften der §§ 82 ff. SGB XII nicht zuzumuten ist. In Konkretisierung dieser Regelung bestimmt § 85 Abs. 1 SGB XII zunächst, dass der Einsatz des Einkommens nicht zumutbar ist, soweit es eine bestimmte Grenze (die sich aus einem Grundfreibetrag, den Kosten der Unterkunft sowie einem Familienzuschlag errechnet) nicht übersteigt. § 87 Abs. 1 SGB XII regelt den Einsatz des Einkommens über dieser Einkommensgrenze.

a. Vorliegend waren die Berechnung des Einkommens und der Einkommensgrenze sowie die Berücksichtigung einer häuslichen Ersparnis zwar Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, mit der Klage wird dies jedoch nicht mehr angegriffen. Zu entscheiden war daher nur noch darüber, in welcher Höhe das über der Einkommensgrenze liegende Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes einzusetzen ist.

b. Ausgangspunkt hierfür ist die Regelung in § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wonach der Einsatz des die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommens "in angemessen Umfang zuzumuten" ist. Diese Vorschrift eröffnet der Behörde kein Ermessen, vielmehr ist das Tatbestandsmerkmal des angemessenen Umfangs ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt (vgl. zur insoweit gleich lautenden Vorgängerregelung in § 84 BSHG Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.1989, Az: 5 C 30/86, FEVS 39, 93; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12.2.1992, Az: 6 S 360/90, in juris; zu § 87 SGB XII vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand Juli 2006, § 87 Rn. 8; Lücking, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 87 Rn. 6; a.A. wohl Jürgens, Änderungen bei den Einkommensgrenzen in der Sozialhilfe, in: NDV 2006, S. 9, 10). In welcher Höhe der Einsatz von Einkommen im Einzelfall angemessen ist, ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern eine reine Rechtsfrage (Karmanski, in: Jahn, SGB XII, § 87 Rn. 4). Bei der Auslegung und Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs sind die in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (beispielhaft) genannten Kriterien (Art des Bedarfs, Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen) zu berücksichtigen.

c. Im vorliegenden Fall ist die gesetzesunmittelbare Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit in § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu beachten, wonach bei schwerstpflegebedürftigen Menschen nach § 64 Abs. 3 und blinden Menschen nach § 72 ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60% nicht zuzumuten ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten findet diese Vorschrift hier Anwendung, obwohl die Klägerin kein Pflegegeld nach § 64 Abs. 3 SGB XII erhält. Unstreitig ist die Klägerin schwerstpflegebedürftig im Sinne der Definition des § 64 Abs. 3 SGB XII, die als schwerstpflegebedürftig solche Personen ansieht, die bei der täglichen Körperpflege, der Ernährung oder Mobilität für mehrere Verrichtungen täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Die Kammer vermag der Auffassung der Beklagten (die auch von Teilen der Literatur geteilt wird, vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand Juli 2006, § 87 Rn. 33; Lücking, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 87 Rn. 18; Krause, Der Kostenbeitrag von nicht getrennt lebenden Ehegatten in Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XII, in: ZfF 2006, S. 73, 76), die Zumutbarkeitsgrenze von 40% gelte nur für solche schwerstpflegebedürftigen Personen, die ein Pflegegeld erhalten, nicht zu folgen (eine Beschränkung auf Personen, die Pflegegeld erhalten, wird nicht erwähnt bei Karmanski, in: Jahn, SGB XII, § 87 Rn. 11, Jürgens, Änderungen bei den Einkommensgrenzen in der Sozialhilfe, in: NDV 2006, S. 9, 10).

Die Beschränkung auf die Bezieher von Pflegegeld wird damit begründet, der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII die in § 81 Abs. 2 BSHG vorgesehene besondere Privilegierung derjenigen Personen, die Pflegegeld oder Blindenhilfe beziehen, zumindest teilweise erhalten wollen (vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand Juli 2006, § 87 Rn. 33; Lücking, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 87 Rn. 18). Dies kann nach Auffassung der Kammer nicht überzeugen. Da § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII erst auf Anregung des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügt wurde (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2260, S. 4) sind aus den Gesetzesmaterialien keine expliziten Aussagen über die gesetzgeberischen Absichten erkennbar. Aus dem Verhältnis von alten und neuen Regelungen als solchem ergibt sich ein Wille zur Beschränkung auf Bezieher von Pflegegeld nicht. § 81 Abs. 2 BSGH sah für die Berechnung des einzusetzenden Einkommens bei der Gewährung von Pflegegeld und Blindenhilfe einen höheren Grundbetrag der Einkommensgrenze vor als bei anderen Leistungen. Anders als die Regelung in § 87 SGB XII war hier also eine Differenzierung nach Leistungsart geregelt, nicht nach Personengruppen. § 81 Abs. 1 BSHG bestimmte außerdem zugleich einen höheren (allerdings gegenüber Abs. 2 geringeren) Grundbetrag für die Einkommensgrenze bei der voraussichtlich längere Zeit andauernden Pflege in einer Einrichtung sowie bei der häuslichen Pflege von Personen, die erheblich, schwer- oder schwerstpflegebedürftig sind. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung im SGB XII nur einen Ausgleich für den Wegfall des höheren Grundbetrags nach § 81 Abs. 2 BSHG, nicht aber für den höheren Grundbetrag nach § 81 Abs. 1 BSHG treffen wollte. Insbesondere die Tatsache, dass § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII anders als § 81 Abs. 2 BSHG nicht auf eine bestimmte Leistung (Pflegegeld) sondern auf eine bestimmte Personengruppe abstellt, spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Privilegierung Pflegebedürftiger jedenfalls für schwerstpflegedürftige Personen insgesamt erhalten wollte. Gegen einen Willen zur Beschränkung auf Bezieher von Pflegegeld spricht auch, dass die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebene Einführung zum neuen Sozialhilferecht (Bundesanzeiger Nr. 180a vom 23.9.2004, S. 29) erläutert, neu eingeführt werde die Regelung, dass bei "schwerstpflegebedürftigen Menschen" ein Einkommenseinsatz von mindestens 60% nicht zumutbar ist, ohne hierbei auf den Bezug von Pflegegeld abzustellen.

Entscheidend ist letztlich der Wortlaut der Norm,. § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nimmt Bezug auf "schwerstpflegebedürftige Menschen nach § 64 Abs. 3" und eben nicht auf "schwerstpflegedürftige Menschen nach § 64 Abs. 3, die Pflegegeld erhalten". Eine Beschränkung auf Bezieher von Pflegegeld hätte durch explizite Bezugnahme ohne weiteres deutlich gemacht werden können und kann daher ohne eine solche ausdrückliche Regelung nicht angenommen werden. § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII lässt ferner keine Beschränkung auf die Leistungsart Pflegegeld erkennen, die Regelung steht in dem Abschnitt "Einkommensgrenzen für die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel" und bezieht sich mangels ausdrücklicher Einschränkung im Normtext damit erkennbar auf alle in diesen Kapiteln genannten Leistungen.

Daraus folgt, dass ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze von mehr als 40% von vornherein nicht zugemutet werden kann.

d. Vor der Bestimmung des konkret einzusetzenden Einkommens anhand der 40%-Zumutbarkeitsgrenze sind jedoch die besonderen Belastungen, die hier von der Beklagten in Form von Aufwendungen für den Kredit zur Finanzierung des Eigenheims auch anerkannt werden, von dem die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommen abzuziehen. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sieht ausdrücklich vor, dass besondere Belastungen des Leistungsempfängers und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen sind. Als besondere Belastungen sind finanzielle Verpflichtungen zu verstehen, die entweder vor Eintritt der Bedarfssituation eingegangen worden sind oder während des Bedarfs unausweichlich auftreten (vgl. Lücking, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 87 Rn. 12). Neben bei Bedarfseintritt bereits bestehenden Schuldverpflichtungen gehören hierzu z.B. notwendige Aufwendungen im Zusammenhang mit Familienereignissen (Geburt, Hochzeit, Tod), Fahrtkosten für den Besuch naher Angehöriger oder Kindergartengebühren. Diese Belastungen sind vor der Anwendung der 40%-Grenze zu berücksichtigen. Während die 40%-Grenze bestimmten Umständen, nämlich der Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit sowie Dauer und Höhe der Aufwendungen pauschalierend Rechnung trägt, können besondere Belastungen individuell in stark unterschiedlichem Ausmaß und auch zeitlich differenziert (wie z.B. Aufwendungen für einmalige Ereignisse) auftreten. Es wäre daher nicht sachgerecht, sie einer Pauschalierung zu unterwerfen. Folglich sind sie neben der pauschalen Zumutbarkeitsgrenze zu berücksichtigen. Dies entspricht im Übrigen auch den Verwaltungsvorschriften der Beklagten in Form der Konkretisierungen zu §§ 85 – 89 SGB XII, Einkommensgrenzen, vom 1.4.2005 (Az: SI 2306/111.20-3-1-5), die zunächst einen Abzug der Aufwendungen für besondere Belastungen vorsehen und für das danach verbleibende Einkommen bestimmte Prozentsätze als Zumutbarkeitsgrenze bestimmen (Ziffern 4.1 – 4.3).

e. Die Kammer ist allerdings der Überzeugung, dass ein Einsatz in Höhe von 40% des nach Abzug der besonderen Belastungen verbleibenden Einkommens vorliegend auch zumutbar ist. Mit einer Beschränkung in dieser Höhe wird den Besonderheiten des Einzelfalls hinreichend Rechnung getragen. Die erhebliche Schwere der Pflegebedürftigkeit der Klägerin wird bereits durch die Anwendung der 40%-Grenze berücksichtigt; diese bezieht zugleich mit ein, dass der Bedarf Schwerstpflegebedürftiger in der Regel – wie auch hier – von Dauer ist. Erhöhte Lebenshaltungskosten in Folge der Pflegebedürftigkeit, die (in Anwendung des Kriteriums "Art des Bedarfs") zu einer weiteren Absenkung der Zumutbarkeitsgrenze führen könnten, sind vorliegend nicht erkennbar.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Berufung wurde zugelassen, da der Wert des Beschwerdegegenstands die Grenze von 500,- EUR für die Zulassungsfreiheit der Berufung (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nach überschlägiger Berechnung nicht übersteigt. Nach Ansicht der Kammer ist die Rechtsfrage, ob die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch auf schwerstpflegebedürftige Menschen, die kein Pflegegeld beziehen, Anwendung findet, von grundsätzlicher Bedeutung, 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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