Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 43 VG 2/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 VG 1/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte für den Kläger im Wege der Neufeststellung einen höheren Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festzustellen hat.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger war am 30. März 1985 in Hamburg (S-Bahn R.) körperlich geschädigt worden. Er hatte im Juni 1985 bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) gestellt, worüber die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 1986 entschieden hatte. Darin erkannte die Beklagte eine Funktions- und Belastungseinschränkung im rechten Knie nach operativ versorgter Bänder- und Meniskusverletzung sowie eine Narbe am rechten Knie, des Weiteren eine Schwellneigung des rechten Unterschenkels und ferner eine Narbe nach Messerstichverletzung im unteren Rückenbereich rechts als Schädigungsfolgen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs an und gewährte dem Kläger eine Rente für insgesamt 10 Monate. Ein vor dem Sozialgericht geltend gemachtes weiterführendes Begehren des Klägers hatte keinen Erfolg.
Am 20. März 1990 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Neufeststellungsantrag wegen Verschlimmerung der Schädigungsfolgen. Daraufhin ergänzte die Beklagte mit Bescheid 26. September 1990 die Bezeichnung der das Knie betreffenden Schädigungsfolgen um eine muskulär stabilisierte Bänderlockerung und einen vorzeitigen Gelenkverschleiß, lehnte allerdings den Antrag auf Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen (damals "Minderung der Erwerbsfähigkeit" – MdE –) ab; dieser betrage weiterhin weniger als 25. Auch die Anerkennung der Gesundheitsstörung "allgemeines degeneratives Wirbelsäulen- und Gelenkleiden" als Schädigungsfolge wurde abgelehnt.
Im Laufe des sich anschließenden Verfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg (S 30 VG 11/90) holte dieses unter anderem ein Gutachten des Orthopäden Dr. D. (erstellt am 7. Mai 1996) ein, auf dessen Grundlage sich die Beklagte im Wege des Anerkenntnisses bereit erklärte (Schriftsatz vom 4. Februar 1997), den Versorgungsanspruch des Klägers nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mit Wirkung ab 1. März 1990 unter Abänderung des Bescheids vom 26. September 1990 neu festzustellen und dem Kläger Versorgungsbezüge nach einem GdS von 30 zu gewähren, wobei die Schädigungsfolgen wie folgt bezeichnet wurden: 1. Lockerung des Kniebandapparates, unvollständig kompensierbar mit Gangunsicherheit und Ausbildung einer Arthrose des rechten Kniegelenkes mit leichtem Streckdefizit, 2. Narbe nach Messerstichverletzung im unteren Rückenbereich rechts. Dieses Anerkenntnis der Beklagten nahm der Kläger am 18. Februar 1997 als Teilanerkenntnis an. Die Beklagte erließ daraufhin unter dem 4. April 1997 einen entsprechenden Ausführungsbescheid. Das Klageverfahren S 30 VG 11/90 führte der Kläger mit dem Antrag fort, "die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 4. April 1997 Versorgung nach einer MdE von mindestens 50 v. H. zu gewähren".
Mit Urteil vom 30. September 1997 wies das Sozialgericht Hamburg die Klage im Verfahren S 30 VG 11/90 ab: Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger bei dem von ihm erlittenen Angriff über den Knieschaden hinaus eine weitere Schädigung erlitten habe, die eine höhere MdE als die von der Beklagten anerkannte bedingen würde. Das Urteil wurde dem Kläger am 20. Oktober 1997 zugestellt. Am 20. November 1997 legte er hiergegen Berufung ein.
Bereits zuvor, am 13. November 1997, hatte der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag betreffend das rechte Knie gestellt und einen Untersuchungsbericht der W.-Klinik Bad W1 beigefügt. Das Berufungsverfahren führte er mit dem Antrag durch, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 1997 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. September 1990 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung psychischer Störungen als weitere Schädigungsfolgen ab März 1990 Beschädigtenversorgung nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren (Verfahren IV VGBf 1/97).
Mit Urteil vom 27. Januar 2004 wies das Landessozialgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 1997 zurück: Entgegen der Auffassung des Klägers bedingten die bei ihm vorliegenden Schädigungsfolgen keine höhere MdE, da eine weitergehende Verschlimmerung nicht eingetreten und weitere Schädigungsfolgen – insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet – nicht hinzugetreten seien. Zwar habe die Beklagte eine Änderung durch Feststellung der nicht kompensierten Bandinstabilität und Gonarthrose des rechten Kniegelenks anerkannt und das Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE von 30 v. H. ab 1. März 1990 angenommen, jedoch zutreffend die Gewährung von Versorgungsleistungen nach einer noch höheren MdE abgelehnt. Für eine weitergehende Verschlimmerung der auf orthopädisch/chirurgischem Fachgebiet vorliegenden Folgen des Ereignisses vom März 1985 fehle es an jeglichen Anhaltspunkten. Derartiges werde vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Bei den bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers handele es sich nach der im Opferentschädigungsrecht geltenden Kausalitätslehre nicht um Schädigungsfolgen. Bei dem Kläger habe es sich nicht um einen früher im Wesentlichen seelisch stabilen Mann gehandelt, der durch ein schädigendes Ereignis nachhaltig psychisch belastet oder gar umgeformt worden sei, sondern um eine Person mit einer weit in die Vergangenheit zurückreichenden gestörten psychischen Befindlichkeit und einem krankheitsbedingten und schicksalhaft wechselnden, letztlich aber fortschreitenden Verlauf der Beschwerden. Die gehörten medizinischen Sachverständigen hätten daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass bei ihm schon vor dem schädigenden Ereignis eine seelische Erkrankung mit letztlich den gleichen Symptomen vorgelegen habe, wie sie von ihm als dessen Folgen geltend gemacht würden. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen sei das Ereignis von 1985 auch nicht Gelegenheitsursache für die psychischen Störungen des Klägers gewesen, sondern diese hätten sich unabhängig davon auf Grund der bereits bestehenden psychischen Erkrankung entwickelt. Die entgegenstehende Auffassung des sachverständigen Dr. K1, der eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert habe, könne nicht überzeugen. Die Akten enthielten zahlreiche Vorbefunde, in denen ganz eindeutig von bereits bestehenden Ängsten und sozialen Rückzugstendenzen berichtet werde.
Dieses Urteil des Landessozialgerichts ist rechtskräftig geworden (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts – BSG – vom 25. August 2004, B 9 VG 9/04 B).
Mit Bescheid vom 11. April 2005 lehnte die Beklagte den noch vor Einlegung der Berufung gestellten Verschlimmerungsantrag vom 13. November 1997 ab: Die Prüfung des Antrages unter Berücksichtigung diverser Berichte und Gutachten der W.-Klinik Bad W1, einer fachchirurgischen Stellungnahme des Medizinischen Gutachteninstituts Hamburg sowie mehrerer ärztlicher Stellungnahmen für das Sachgebiet Schwerbehindertenrecht habe ergeben, dass sich die Schädigungsfolgen nicht wesentlich verschlimmert hätten.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 zurück. In dessen Begründung heißt es, der Ausführungsbescheid vom 4. April 1997 sei weiterhin gültig. Der darüber hinausgehende Antrag des Klägers, ihm Versorgung nach einer höheren MdE zu gewähren, weil neben der Knieverletzung auch psychische Folgen des Überfalls zu berücksichtigen seien, habe vor Gericht keinen Erfolg gehabt. Eine weitere Antragsbearbeitung und zielgerichtete medizinische Sachaufklärung zum Neufeststellungsantrag sei zunächst nicht möglich gewesen. Die Auswertung der in den Akten befindlichen Gutachten und Befundberichte aus den Jahren 1999 bis 2004 habe nunmehr ergeben, dass mit der anerkannten MdE von 30 v. H. auch die aktuell vorliegenden Schäden am rechten Knie ausreichend berücksichtigt würden. Der Kläger habe eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen am rechten Knie nicht in seinem Verfahren beim Landessozialgericht geltend gemacht, obwohl er am 20. November 1997, also eine Woche nachdem er den Verschlimmerungsantrag gestellt habe, mit der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 30. September 1997 vorgegangen sei. Das Landessozialgericht habe ihm im Januar 2004 bestätigt, dass die Bewilligung einer Rente aufgrund einer MdE von 30 v. H. für die Schädigungsfolgen am rechten Kniegelenk nicht zu beanstanden sei. Die Auswertung diverser Gutachten und Befundberichte sowie des Befundes einer neueren Kernspintomographie habe ebenfalls ergeben, dass die Schädigungsfolgen am rechten Kniegelenk des Klägers mit einer MdE von 30 v. H. ausreichend bewertet seien. Eine ihm günstigere Entscheidung sei daher nicht möglich.
Das in der Widerspruchsbegründung vorgebrachte Begehren, psychische Störungen als Schädigungsfolge anzuerkennen, führe nicht zum Erfolg. Die Sozialgerichte hätten nach ausführlicher Beweiserhebung rechtsverbindlich entschieden, dass aus dem Ereignis von 1985 psychische Schädigungsfolgen nicht resultierten. Insoweit sei das Begehren des Klägers als Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X zu werten. Die Voraussetzungen einer Rücknahme lägen indes nicht vor. Vielmehr werde an der Bindungswirkung der Urteile des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts festgehalten; eine neue Sachprüfung sei nicht erforderlich. Wenn der Kläger zur Begründung seines Antrages auf das Gutachten von Dr. K1 vom 28. Januar 2003 Bezug nehme, so rechtfertige dieses eine von der bisherigen abweichende Regelung nicht. Es sei bereits Gegenstand des Verfahrens vor dem Landessozialgericht gewesen und von diesem ausführlich gewürdigt worden.
Der Widerspruchsbescheid ist am 18. Dezember 2006 zur Post gegeben worden. Am 19. Januar 2007 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte verkenne, dass sie über den Neufeststellungsantrag erst mit Bescheid vom 11. April 2005 entschieden habe und seit Erlass des Urteils des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 weitere Verschlimmerungen eingetreten seien, die hätten berücksichtigt werden müssen. Hierzu hat der Kläger einen Bericht des Radiologen H. W2 vom 19. September 2005 vorgelegt, einen Brief des Internisten Dr. R1 vom 31. März 2006 und einen Bericht der Orthopäden Dr. R2 und B. vom 11. Januar 2007, in welchem es zum Datum des 11. Januar 2007 heißt: "Verschlechterung rechtes Knie durch zunehmende Valgusfehlstellung in den letzten 2 Jahren, sowie Zunahme der Schublade als Zeichen zunehmender Instabilität bei Kreuzbandriss; wegen massiver Unterschenkelödeme leider Orthesenversorgung nicht möglich."
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. W3 vom 28. März 2007 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, seit der Untersuchung durch Dr. D. sei bekannt, dass der Bandapparat des rechten Kniegelenks instabil sei, das vordere Kreuzband sei locker, und es lasse sich eine "erheblich vermehrte Schublade" nachweisen. Es bestehe ferner eine deutliche Lockerung des inneren Seitenbandes, so dass sich das Knie um 10 Grad zur Seite "aufklappen" lasse. Daraus resultiere eine deutliche Gangunsicherheit, weil die Muskulatur des Beines gemindert sei und die Instabilität nur unvollständig kompensiere. Das rechte Knie weise röntgenologisch eine posttraumatische Gonarthrose auf mit multiplen knöchernen Ausziehungen und Wulstbildungen sowie Knorpelschäden (Osteomalazie) der Gelenkflächen vom Schienbeinkopf und von den Oberschenkelkondylen sowie arthrotische Veränderungen an und hinter der Kniescheibe. Ferner sei das rechte Knie diffus druckschmerzhaft, besonders über den Gelenkspalten, aber auch an der Kniescheibe, deren Bewegungen starke Schmerzen hervorriefen. Am Unterschenkel fänden sich Wasseransammlungen. Fasse man zusammen, was seit 1996 von dem rechten Knie bekannt sei, und vergleiche man dies mit den Befunden im neuesten Bericht des behandelnden Orthopäden vom Januar 2007 (Dr. R2), so zeige sich, dass die Befunde praktisch deckungsgleich seien. Mit dieser aktuellen ärztlichen Aussage könne daher eine Verschlimmerung am Knie nicht nachgewiesen werden; vielmehr zeige der Befundbericht des Dr. R2, dass die seinerzeitige gutachterliche Bewertung einer MdE von 30 v. H. zutreffend sei, zumal wenn man berücksichtige, dass das Kniegelenk noch relativ gut erhalten sei und passabel funktioniere. Auch aus den ärztlichen Berichten vom 19. September 2005 und 31. März 2006 lasse sich eine Verschlechterung der Kniefunktion nicht herleiten.
Eine vom Sozialgericht in Auftrag gegebene nervenärztliche Untersuchung des Klägers ist nicht zustande gekommen.
Mit Urteil vom 11. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 11. April 2005 und vom 11. Dezember 2006 seien zu bestätigen. Das Gericht sei ebenso wie die Beklagte der Auffassung, dass nach dem Urteil des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 die psychischen Störungen des Klägers nicht als Schädigungsfolgen anzuerkennen seien. Eine Entscheidung nach § 44 SGB X zugunsten des Klägers komme daher nicht in Betracht. Er habe keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen, die nicht bereits im Berufungsverfahren eingeführt und vom Landessozialgericht ausführlich gewürdigt worden seien. Auch eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen auf orthopädischem Fachgebiet sei nicht festzustellen. Vielmehr schließe sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Dr. W3 an.
Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Kläger am 18. März 2008 zugestellt worden. Am 10. April 2008 hat er Berufung eingelegt.
Der Kläger hat zunächst moniert, dass das Sozialgericht sich zu psychischen Störungen verhalten habe; es habe sein Begehren nicht richtig verstanden. Einen Antrag nach § 44 SGB X habe er nicht gestellt und nicht stellen wollen. Gegenstand des Verfahrens sei die von ihm mit Antrag vom 13. November 1997 geltend gemachte Verschlimmerung seines Knieleidens. Hierzu habe das Sozialgericht Ermittlungen pflichtwidrig unterlassen. Es sei hervorzuheben, dass sein linkes Kniegelenk sich in einem völlig anderen (fast jungfräulich erscheinenden) Zustand befinde als das beschädigte rechte Gelenk. Die Unterschiedlichkeit der Befunde zeige, dass die Schädigungen am rechten Gelenk durch das schädigende Ereignis vom 30. März 1985 verursacht worden seien.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. September 2008 hat der Kläger darüber hinaus geltend gemacht, er habe Anspruch auf Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Schädigungsfolge (Teil-GdS von mindestens 30). Diese Folge ergebe sich aus dem hier zu verwertenden Gutachten des Dr. K1 vom 28. Januar 2003. Das Versorgungsamt habe schwerbehindertenrechtlich das Vorliegen einer Angsterkrankung wegen der Folgen des von ihm erlittenen Überfalls bereits anerkannt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom 11. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, beim Kläger als weitere Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung (mit einem Teil-GdS von 30) sowie einen Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 festzustellen und ihm eine entsprechende Beschädigtenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Berufung könne schon deswegen keinen Erfolg haben, weil über das Klagebegehren bereits durch das Urteil des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 rechtskräftig entschieden worden sei. Sämtliche vom Kläger vorgetragenen Tatsachen seien schon von diesem Urteil erfasst. Neue Tatsachen, die eine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage zuließen, habe er nicht vorgetragen. Das gelte sowohl für die geltend gemachte Verschlimmerung des Knieleidens als auch für psychische Schäden.
Die den Kläger betreffenden Sachakten der Beklagten, auch des Schwerbehindertenverfahrens, haben vorgelegen. Des Weiteren hat der Senat die sozialgerichtlichen Akten S 30 VG 11/90 und S 9 J 1106/95 beigezogen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen. Den außerdem beigezogenen Akten S 30 VS 1/04 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte im Termin am 20. April 2005 nach Hinweis des Sozialgerichts auf eine bestehende Angststörung einen Grad der Behinderung von 90 und das Merkzeichen B festgestellt hat. Hierzu erging am 27. Mai 2005 ein Ausführungsbescheid nach Schwerbehindertenrecht.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Soweit der Kläger (in seiner Berufungsbegründung) zum Streitgegenstand die Frage gemacht hat, ob sich der Grad der Schädigungsfolgen wegen einer Verschlimmerung des von der Beklagten anerkannten Knieleidens erhöht habe und daher eine Entscheidung zu seinen Gunsten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu treffen sei, führt die Berufung nicht zum Erfolg. Seit der Entscheidung des Landessozialgerichts aus dem Jahre 2004 haben sich nämlich wesentliche Änderungen der Schädigungsfolgen nicht ergeben. Für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wäre zwar grundsätzlich auf die durch das angenommene Anerkenntnis vom Februar 1997 geschaffene Lage abzuheben (Ausführungsbescheid vom 4. April 1997), welches Anerkenntnis als jüngste Äußerung der Beklagten insoweit ausdrückliche Feststellungen zu den Schädigungsfolgen am rechten Knie des Klägers enthält. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass auch im vorliegenden Fall auf sämtliche Veränderungen in der Zeit ab 1997 abzustellen sei. Der Ausführungsbescheid vom 4. April 1997 ist nämlich – so jedenfalls der Klagantrag dort – Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens S 30 VG 11/90 geworden, welches erst im Jahr 2004 abgeschlossen wurde. Das Landessozialgericht hat ebenfalls die durch das Teilanerkenntnis vom Februar 1997 geschaffene Situation berücksichtigt und geprüft, ob sich mit Rücksicht darauf bis zu seiner Entscheidung (27. Januar 2004) Änderungen ergeben hätten. Daher ist maßgeblich für die Beurteilung im vorliegenden Verfahren zu beachtender Änderungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur die Zeit ab der Entscheidung des Landessozialgerichts. Eine andere Sicht würde dem Zweck des Verfahrensrechts widersprechen, wie es auch in § 96 SGG zum Ausdruck kommt, das gesamte Streitverhältnis prozessökonomisch möglichst weitgehend zu einem Abschluss zu bringen. Zwar hat der Kläger das Verfahren möglicherweise so verstanden, dass in dem vorherigen Gerichtsverfahren Gegenstand nur die Frage gewesen sei, welche Auswirkungen die bei ihm bestehende psychische Erkrankung auf die Feststellung der Schädigungsfolgen nach OEG habe. Dies trifft jedoch schon deswegen nicht zu, weil grundsätzlich kein Teil-GdS für einzelne Schädigungsfolgen, sondern nur der Gesamt-GdS festzustellen ist, nach welchem sich die nach dem Bundesversorgungsgesetz zu erbringenden Leistungen richten. Dementsprechend hat das Landessozialgericht in seinem Urteil vom Januar 2004 auch die Frage abgehandelt, ob das Knieleiden des Klägers zu einer höheren MdE führe. Verhält es sich aber so, dann können auch für die Beurteilung einer Verschlimmerung am Knie allenfalls diejenigen Geschehnisse Bedeutung erlangen, die sich nach der Entscheidung des Landessozialgerichts zugetragen haben. Anderenfalls könnte durch vorsorgliche Stellung von Verschlimmerungsanträgen während eines laufenden Verfahrens der maßgebliche Beginn eines Beurteilungszeitraums willkürlich zurückverlegt werden (vgl. auch § 51 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz).
Was demnach die Zeit ab Januar 2004 betrifft, vermag der Senat eine GdS-erhöhende Verschlimmerung des Knieleidens des Klägers nicht zu sehen. Insoweit ist auf die von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme des Dr. W3 zu verweisen, die insbesondere den Bericht des Dr. R2 vom 11. Januar 2007 widerlegt, wonach in den letzten zwei Jahren eine Verschlechterung des Zustandes des rechten Knies eingetreten sei. Dem steht die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Dr. R2 vom 21. November 2008 nicht entgegen; sie benennt keine abweichenden medizinischen Befunde, sondern enthält lediglich eine andere Bewertung des GdS. Auch die vom Kläger sonst zur Akte gereichten Befunde geben nichts für eine Verschlechterung des Zustandes des rechten Knies her. Sie betreffen das linke Knie. Daraus, dass dieses, wie der Kläger betont, gesund ist, folgt jedoch nicht eine Verschlechterung des Zustandes des rechten Knies. Richtig ist allerdings, dass die (schon seit langem bestehenden) unterschiedlichen Befunde an linkem und rechtem Knie auf eine ereignisbedingte Schädigung des rechten Knies hindeuten. Eine solche Schädigung hat die Beklagte jedoch anerkannt.
Auch sonst ist eine nach § 48 SGB X zu berücksichtigende Verschlimmerung schädigungsbedingter Erkrankungen nicht zu erkennen. Das gälte selbst für die vom Kläger nunmehr (wieder) betonten psychischen Beschwerden. Hier macht er lediglich geltend, diese hätten bereits früher als Schädigungsfolge bestanden, behauptet jedoch keine Verschlimmerung seit 2004. Eine solche ist auch sonst nicht zu sehen.
Soweit der Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung, zumindest aber eine Angststörung als GdS-erhöhende Schädigungsfolge anerkannt wissen will, ist sein Begehren daher allenfalls an der Regelung des § 44 SGB X zu messen (vgl. BSG, Urt. v. 5.9.2006, BSGE Bd. 97 S. 54; Urt. vom 24.4.2008, B 9/9a SB 10/06 R). Hier brauchte die Beklagte freilich von der Bindungswirkung der entgegenstehenden rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 nicht abzurücken. Es ergibt sich aus dem Begehren des Klägers nichts, was für eine Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse werden nicht vorgetragen, neue Beweismittel nicht benannt (vgl. BSG, Urt. vom 3.2.1998, BSGE Bd. 63 S. 33; Urt. v. 5.9.2006, a.a.O.). Das Gutachten des Dr. K1 aus dem Jahre 2003 ist bereits vom Landesssozialgericht gewürdigt worden. Auch hat sonst hat sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich geändert, wie auch keine Wiederaufnahmegründe ersichtlich sind (vgl. BSG, Urt. vom 3.4.2001, BSGE Bd. 88 S. 75). Dass die Beklagte mittlerweile eine Angststörung nach Schwerbehindertenrecht berücksichtigt hat, sagt über deren Ursächlichkeit nichts aus.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte für den Kläger im Wege der Neufeststellung einen höheren Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festzustellen hat.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger war am 30. März 1985 in Hamburg (S-Bahn R.) körperlich geschädigt worden. Er hatte im Juni 1985 bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) gestellt, worüber die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 1986 entschieden hatte. Darin erkannte die Beklagte eine Funktions- und Belastungseinschränkung im rechten Knie nach operativ versorgter Bänder- und Meniskusverletzung sowie eine Narbe am rechten Knie, des Weiteren eine Schwellneigung des rechten Unterschenkels und ferner eine Narbe nach Messerstichverletzung im unteren Rückenbereich rechts als Schädigungsfolgen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs an und gewährte dem Kläger eine Rente für insgesamt 10 Monate. Ein vor dem Sozialgericht geltend gemachtes weiterführendes Begehren des Klägers hatte keinen Erfolg.
Am 20. März 1990 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Neufeststellungsantrag wegen Verschlimmerung der Schädigungsfolgen. Daraufhin ergänzte die Beklagte mit Bescheid 26. September 1990 die Bezeichnung der das Knie betreffenden Schädigungsfolgen um eine muskulär stabilisierte Bänderlockerung und einen vorzeitigen Gelenkverschleiß, lehnte allerdings den Antrag auf Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen (damals "Minderung der Erwerbsfähigkeit" – MdE –) ab; dieser betrage weiterhin weniger als 25. Auch die Anerkennung der Gesundheitsstörung "allgemeines degeneratives Wirbelsäulen- und Gelenkleiden" als Schädigungsfolge wurde abgelehnt.
Im Laufe des sich anschließenden Verfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg (S 30 VG 11/90) holte dieses unter anderem ein Gutachten des Orthopäden Dr. D. (erstellt am 7. Mai 1996) ein, auf dessen Grundlage sich die Beklagte im Wege des Anerkenntnisses bereit erklärte (Schriftsatz vom 4. Februar 1997), den Versorgungsanspruch des Klägers nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mit Wirkung ab 1. März 1990 unter Abänderung des Bescheids vom 26. September 1990 neu festzustellen und dem Kläger Versorgungsbezüge nach einem GdS von 30 zu gewähren, wobei die Schädigungsfolgen wie folgt bezeichnet wurden: 1. Lockerung des Kniebandapparates, unvollständig kompensierbar mit Gangunsicherheit und Ausbildung einer Arthrose des rechten Kniegelenkes mit leichtem Streckdefizit, 2. Narbe nach Messerstichverletzung im unteren Rückenbereich rechts. Dieses Anerkenntnis der Beklagten nahm der Kläger am 18. Februar 1997 als Teilanerkenntnis an. Die Beklagte erließ daraufhin unter dem 4. April 1997 einen entsprechenden Ausführungsbescheid. Das Klageverfahren S 30 VG 11/90 führte der Kläger mit dem Antrag fort, "die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 4. April 1997 Versorgung nach einer MdE von mindestens 50 v. H. zu gewähren".
Mit Urteil vom 30. September 1997 wies das Sozialgericht Hamburg die Klage im Verfahren S 30 VG 11/90 ab: Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger bei dem von ihm erlittenen Angriff über den Knieschaden hinaus eine weitere Schädigung erlitten habe, die eine höhere MdE als die von der Beklagten anerkannte bedingen würde. Das Urteil wurde dem Kläger am 20. Oktober 1997 zugestellt. Am 20. November 1997 legte er hiergegen Berufung ein.
Bereits zuvor, am 13. November 1997, hatte der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag betreffend das rechte Knie gestellt und einen Untersuchungsbericht der W.-Klinik Bad W1 beigefügt. Das Berufungsverfahren führte er mit dem Antrag durch, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 1997 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. September 1990 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung psychischer Störungen als weitere Schädigungsfolgen ab März 1990 Beschädigtenversorgung nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren (Verfahren IV VGBf 1/97).
Mit Urteil vom 27. Januar 2004 wies das Landessozialgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 1997 zurück: Entgegen der Auffassung des Klägers bedingten die bei ihm vorliegenden Schädigungsfolgen keine höhere MdE, da eine weitergehende Verschlimmerung nicht eingetreten und weitere Schädigungsfolgen – insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet – nicht hinzugetreten seien. Zwar habe die Beklagte eine Änderung durch Feststellung der nicht kompensierten Bandinstabilität und Gonarthrose des rechten Kniegelenks anerkannt und das Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE von 30 v. H. ab 1. März 1990 angenommen, jedoch zutreffend die Gewährung von Versorgungsleistungen nach einer noch höheren MdE abgelehnt. Für eine weitergehende Verschlimmerung der auf orthopädisch/chirurgischem Fachgebiet vorliegenden Folgen des Ereignisses vom März 1985 fehle es an jeglichen Anhaltspunkten. Derartiges werde vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Bei den bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers handele es sich nach der im Opferentschädigungsrecht geltenden Kausalitätslehre nicht um Schädigungsfolgen. Bei dem Kläger habe es sich nicht um einen früher im Wesentlichen seelisch stabilen Mann gehandelt, der durch ein schädigendes Ereignis nachhaltig psychisch belastet oder gar umgeformt worden sei, sondern um eine Person mit einer weit in die Vergangenheit zurückreichenden gestörten psychischen Befindlichkeit und einem krankheitsbedingten und schicksalhaft wechselnden, letztlich aber fortschreitenden Verlauf der Beschwerden. Die gehörten medizinischen Sachverständigen hätten daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass bei ihm schon vor dem schädigenden Ereignis eine seelische Erkrankung mit letztlich den gleichen Symptomen vorgelegen habe, wie sie von ihm als dessen Folgen geltend gemacht würden. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen sei das Ereignis von 1985 auch nicht Gelegenheitsursache für die psychischen Störungen des Klägers gewesen, sondern diese hätten sich unabhängig davon auf Grund der bereits bestehenden psychischen Erkrankung entwickelt. Die entgegenstehende Auffassung des sachverständigen Dr. K1, der eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert habe, könne nicht überzeugen. Die Akten enthielten zahlreiche Vorbefunde, in denen ganz eindeutig von bereits bestehenden Ängsten und sozialen Rückzugstendenzen berichtet werde.
Dieses Urteil des Landessozialgerichts ist rechtskräftig geworden (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts – BSG – vom 25. August 2004, B 9 VG 9/04 B).
Mit Bescheid vom 11. April 2005 lehnte die Beklagte den noch vor Einlegung der Berufung gestellten Verschlimmerungsantrag vom 13. November 1997 ab: Die Prüfung des Antrages unter Berücksichtigung diverser Berichte und Gutachten der W.-Klinik Bad W1, einer fachchirurgischen Stellungnahme des Medizinischen Gutachteninstituts Hamburg sowie mehrerer ärztlicher Stellungnahmen für das Sachgebiet Schwerbehindertenrecht habe ergeben, dass sich die Schädigungsfolgen nicht wesentlich verschlimmert hätten.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 zurück. In dessen Begründung heißt es, der Ausführungsbescheid vom 4. April 1997 sei weiterhin gültig. Der darüber hinausgehende Antrag des Klägers, ihm Versorgung nach einer höheren MdE zu gewähren, weil neben der Knieverletzung auch psychische Folgen des Überfalls zu berücksichtigen seien, habe vor Gericht keinen Erfolg gehabt. Eine weitere Antragsbearbeitung und zielgerichtete medizinische Sachaufklärung zum Neufeststellungsantrag sei zunächst nicht möglich gewesen. Die Auswertung der in den Akten befindlichen Gutachten und Befundberichte aus den Jahren 1999 bis 2004 habe nunmehr ergeben, dass mit der anerkannten MdE von 30 v. H. auch die aktuell vorliegenden Schäden am rechten Knie ausreichend berücksichtigt würden. Der Kläger habe eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen am rechten Knie nicht in seinem Verfahren beim Landessozialgericht geltend gemacht, obwohl er am 20. November 1997, also eine Woche nachdem er den Verschlimmerungsantrag gestellt habe, mit der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 30. September 1997 vorgegangen sei. Das Landessozialgericht habe ihm im Januar 2004 bestätigt, dass die Bewilligung einer Rente aufgrund einer MdE von 30 v. H. für die Schädigungsfolgen am rechten Kniegelenk nicht zu beanstanden sei. Die Auswertung diverser Gutachten und Befundberichte sowie des Befundes einer neueren Kernspintomographie habe ebenfalls ergeben, dass die Schädigungsfolgen am rechten Kniegelenk des Klägers mit einer MdE von 30 v. H. ausreichend bewertet seien. Eine ihm günstigere Entscheidung sei daher nicht möglich.
Das in der Widerspruchsbegründung vorgebrachte Begehren, psychische Störungen als Schädigungsfolge anzuerkennen, führe nicht zum Erfolg. Die Sozialgerichte hätten nach ausführlicher Beweiserhebung rechtsverbindlich entschieden, dass aus dem Ereignis von 1985 psychische Schädigungsfolgen nicht resultierten. Insoweit sei das Begehren des Klägers als Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X zu werten. Die Voraussetzungen einer Rücknahme lägen indes nicht vor. Vielmehr werde an der Bindungswirkung der Urteile des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts festgehalten; eine neue Sachprüfung sei nicht erforderlich. Wenn der Kläger zur Begründung seines Antrages auf das Gutachten von Dr. K1 vom 28. Januar 2003 Bezug nehme, so rechtfertige dieses eine von der bisherigen abweichende Regelung nicht. Es sei bereits Gegenstand des Verfahrens vor dem Landessozialgericht gewesen und von diesem ausführlich gewürdigt worden.
Der Widerspruchsbescheid ist am 18. Dezember 2006 zur Post gegeben worden. Am 19. Januar 2007 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte verkenne, dass sie über den Neufeststellungsantrag erst mit Bescheid vom 11. April 2005 entschieden habe und seit Erlass des Urteils des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 weitere Verschlimmerungen eingetreten seien, die hätten berücksichtigt werden müssen. Hierzu hat der Kläger einen Bericht des Radiologen H. W2 vom 19. September 2005 vorgelegt, einen Brief des Internisten Dr. R1 vom 31. März 2006 und einen Bericht der Orthopäden Dr. R2 und B. vom 11. Januar 2007, in welchem es zum Datum des 11. Januar 2007 heißt: "Verschlechterung rechtes Knie durch zunehmende Valgusfehlstellung in den letzten 2 Jahren, sowie Zunahme der Schublade als Zeichen zunehmender Instabilität bei Kreuzbandriss; wegen massiver Unterschenkelödeme leider Orthesenversorgung nicht möglich."
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. W3 vom 28. März 2007 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, seit der Untersuchung durch Dr. D. sei bekannt, dass der Bandapparat des rechten Kniegelenks instabil sei, das vordere Kreuzband sei locker, und es lasse sich eine "erheblich vermehrte Schublade" nachweisen. Es bestehe ferner eine deutliche Lockerung des inneren Seitenbandes, so dass sich das Knie um 10 Grad zur Seite "aufklappen" lasse. Daraus resultiere eine deutliche Gangunsicherheit, weil die Muskulatur des Beines gemindert sei und die Instabilität nur unvollständig kompensiere. Das rechte Knie weise röntgenologisch eine posttraumatische Gonarthrose auf mit multiplen knöchernen Ausziehungen und Wulstbildungen sowie Knorpelschäden (Osteomalazie) der Gelenkflächen vom Schienbeinkopf und von den Oberschenkelkondylen sowie arthrotische Veränderungen an und hinter der Kniescheibe. Ferner sei das rechte Knie diffus druckschmerzhaft, besonders über den Gelenkspalten, aber auch an der Kniescheibe, deren Bewegungen starke Schmerzen hervorriefen. Am Unterschenkel fänden sich Wasseransammlungen. Fasse man zusammen, was seit 1996 von dem rechten Knie bekannt sei, und vergleiche man dies mit den Befunden im neuesten Bericht des behandelnden Orthopäden vom Januar 2007 (Dr. R2), so zeige sich, dass die Befunde praktisch deckungsgleich seien. Mit dieser aktuellen ärztlichen Aussage könne daher eine Verschlimmerung am Knie nicht nachgewiesen werden; vielmehr zeige der Befundbericht des Dr. R2, dass die seinerzeitige gutachterliche Bewertung einer MdE von 30 v. H. zutreffend sei, zumal wenn man berücksichtige, dass das Kniegelenk noch relativ gut erhalten sei und passabel funktioniere. Auch aus den ärztlichen Berichten vom 19. September 2005 und 31. März 2006 lasse sich eine Verschlechterung der Kniefunktion nicht herleiten.
Eine vom Sozialgericht in Auftrag gegebene nervenärztliche Untersuchung des Klägers ist nicht zustande gekommen.
Mit Urteil vom 11. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 11. April 2005 und vom 11. Dezember 2006 seien zu bestätigen. Das Gericht sei ebenso wie die Beklagte der Auffassung, dass nach dem Urteil des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 die psychischen Störungen des Klägers nicht als Schädigungsfolgen anzuerkennen seien. Eine Entscheidung nach § 44 SGB X zugunsten des Klägers komme daher nicht in Betracht. Er habe keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen, die nicht bereits im Berufungsverfahren eingeführt und vom Landessozialgericht ausführlich gewürdigt worden seien. Auch eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen auf orthopädischem Fachgebiet sei nicht festzustellen. Vielmehr schließe sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Dr. W3 an.
Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Kläger am 18. März 2008 zugestellt worden. Am 10. April 2008 hat er Berufung eingelegt.
Der Kläger hat zunächst moniert, dass das Sozialgericht sich zu psychischen Störungen verhalten habe; es habe sein Begehren nicht richtig verstanden. Einen Antrag nach § 44 SGB X habe er nicht gestellt und nicht stellen wollen. Gegenstand des Verfahrens sei die von ihm mit Antrag vom 13. November 1997 geltend gemachte Verschlimmerung seines Knieleidens. Hierzu habe das Sozialgericht Ermittlungen pflichtwidrig unterlassen. Es sei hervorzuheben, dass sein linkes Kniegelenk sich in einem völlig anderen (fast jungfräulich erscheinenden) Zustand befinde als das beschädigte rechte Gelenk. Die Unterschiedlichkeit der Befunde zeige, dass die Schädigungen am rechten Gelenk durch das schädigende Ereignis vom 30. März 1985 verursacht worden seien.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. September 2008 hat der Kläger darüber hinaus geltend gemacht, er habe Anspruch auf Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Schädigungsfolge (Teil-GdS von mindestens 30). Diese Folge ergebe sich aus dem hier zu verwertenden Gutachten des Dr. K1 vom 28. Januar 2003. Das Versorgungsamt habe schwerbehindertenrechtlich das Vorliegen einer Angsterkrankung wegen der Folgen des von ihm erlittenen Überfalls bereits anerkannt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom 11. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, beim Kläger als weitere Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung (mit einem Teil-GdS von 30) sowie einen Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 festzustellen und ihm eine entsprechende Beschädigtenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Berufung könne schon deswegen keinen Erfolg haben, weil über das Klagebegehren bereits durch das Urteil des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 rechtskräftig entschieden worden sei. Sämtliche vom Kläger vorgetragenen Tatsachen seien schon von diesem Urteil erfasst. Neue Tatsachen, die eine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage zuließen, habe er nicht vorgetragen. Das gelte sowohl für die geltend gemachte Verschlimmerung des Knieleidens als auch für psychische Schäden.
Die den Kläger betreffenden Sachakten der Beklagten, auch des Schwerbehindertenverfahrens, haben vorgelegen. Des Weiteren hat der Senat die sozialgerichtlichen Akten S 30 VG 11/90 und S 9 J 1106/95 beigezogen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen. Den außerdem beigezogenen Akten S 30 VS 1/04 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte im Termin am 20. April 2005 nach Hinweis des Sozialgerichts auf eine bestehende Angststörung einen Grad der Behinderung von 90 und das Merkzeichen B festgestellt hat. Hierzu erging am 27. Mai 2005 ein Ausführungsbescheid nach Schwerbehindertenrecht.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Soweit der Kläger (in seiner Berufungsbegründung) zum Streitgegenstand die Frage gemacht hat, ob sich der Grad der Schädigungsfolgen wegen einer Verschlimmerung des von der Beklagten anerkannten Knieleidens erhöht habe und daher eine Entscheidung zu seinen Gunsten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu treffen sei, führt die Berufung nicht zum Erfolg. Seit der Entscheidung des Landessozialgerichts aus dem Jahre 2004 haben sich nämlich wesentliche Änderungen der Schädigungsfolgen nicht ergeben. Für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wäre zwar grundsätzlich auf die durch das angenommene Anerkenntnis vom Februar 1997 geschaffene Lage abzuheben (Ausführungsbescheid vom 4. April 1997), welches Anerkenntnis als jüngste Äußerung der Beklagten insoweit ausdrückliche Feststellungen zu den Schädigungsfolgen am rechten Knie des Klägers enthält. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass auch im vorliegenden Fall auf sämtliche Veränderungen in der Zeit ab 1997 abzustellen sei. Der Ausführungsbescheid vom 4. April 1997 ist nämlich – so jedenfalls der Klagantrag dort – Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens S 30 VG 11/90 geworden, welches erst im Jahr 2004 abgeschlossen wurde. Das Landessozialgericht hat ebenfalls die durch das Teilanerkenntnis vom Februar 1997 geschaffene Situation berücksichtigt und geprüft, ob sich mit Rücksicht darauf bis zu seiner Entscheidung (27. Januar 2004) Änderungen ergeben hätten. Daher ist maßgeblich für die Beurteilung im vorliegenden Verfahren zu beachtender Änderungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur die Zeit ab der Entscheidung des Landessozialgerichts. Eine andere Sicht würde dem Zweck des Verfahrensrechts widersprechen, wie es auch in § 96 SGG zum Ausdruck kommt, das gesamte Streitverhältnis prozessökonomisch möglichst weitgehend zu einem Abschluss zu bringen. Zwar hat der Kläger das Verfahren möglicherweise so verstanden, dass in dem vorherigen Gerichtsverfahren Gegenstand nur die Frage gewesen sei, welche Auswirkungen die bei ihm bestehende psychische Erkrankung auf die Feststellung der Schädigungsfolgen nach OEG habe. Dies trifft jedoch schon deswegen nicht zu, weil grundsätzlich kein Teil-GdS für einzelne Schädigungsfolgen, sondern nur der Gesamt-GdS festzustellen ist, nach welchem sich die nach dem Bundesversorgungsgesetz zu erbringenden Leistungen richten. Dementsprechend hat das Landessozialgericht in seinem Urteil vom Januar 2004 auch die Frage abgehandelt, ob das Knieleiden des Klägers zu einer höheren MdE führe. Verhält es sich aber so, dann können auch für die Beurteilung einer Verschlimmerung am Knie allenfalls diejenigen Geschehnisse Bedeutung erlangen, die sich nach der Entscheidung des Landessozialgerichts zugetragen haben. Anderenfalls könnte durch vorsorgliche Stellung von Verschlimmerungsanträgen während eines laufenden Verfahrens der maßgebliche Beginn eines Beurteilungszeitraums willkürlich zurückverlegt werden (vgl. auch § 51 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz).
Was demnach die Zeit ab Januar 2004 betrifft, vermag der Senat eine GdS-erhöhende Verschlimmerung des Knieleidens des Klägers nicht zu sehen. Insoweit ist auf die von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme des Dr. W3 zu verweisen, die insbesondere den Bericht des Dr. R2 vom 11. Januar 2007 widerlegt, wonach in den letzten zwei Jahren eine Verschlechterung des Zustandes des rechten Knies eingetreten sei. Dem steht die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Dr. R2 vom 21. November 2008 nicht entgegen; sie benennt keine abweichenden medizinischen Befunde, sondern enthält lediglich eine andere Bewertung des GdS. Auch die vom Kläger sonst zur Akte gereichten Befunde geben nichts für eine Verschlechterung des Zustandes des rechten Knies her. Sie betreffen das linke Knie. Daraus, dass dieses, wie der Kläger betont, gesund ist, folgt jedoch nicht eine Verschlechterung des Zustandes des rechten Knies. Richtig ist allerdings, dass die (schon seit langem bestehenden) unterschiedlichen Befunde an linkem und rechtem Knie auf eine ereignisbedingte Schädigung des rechten Knies hindeuten. Eine solche Schädigung hat die Beklagte jedoch anerkannt.
Auch sonst ist eine nach § 48 SGB X zu berücksichtigende Verschlimmerung schädigungsbedingter Erkrankungen nicht zu erkennen. Das gälte selbst für die vom Kläger nunmehr (wieder) betonten psychischen Beschwerden. Hier macht er lediglich geltend, diese hätten bereits früher als Schädigungsfolge bestanden, behauptet jedoch keine Verschlimmerung seit 2004. Eine solche ist auch sonst nicht zu sehen.
Soweit der Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung, zumindest aber eine Angststörung als GdS-erhöhende Schädigungsfolge anerkannt wissen will, ist sein Begehren daher allenfalls an der Regelung des § 44 SGB X zu messen (vgl. BSG, Urt. v. 5.9.2006, BSGE Bd. 97 S. 54; Urt. vom 24.4.2008, B 9/9a SB 10/06 R). Hier brauchte die Beklagte freilich von der Bindungswirkung der entgegenstehenden rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichts vom 27. Januar 2004 nicht abzurücken. Es ergibt sich aus dem Begehren des Klägers nichts, was für eine Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse werden nicht vorgetragen, neue Beweismittel nicht benannt (vgl. BSG, Urt. vom 3.2.1998, BSGE Bd. 63 S. 33; Urt. v. 5.9.2006, a.a.O.). Das Gutachten des Dr. K1 aus dem Jahre 2003 ist bereits vom Landesssozialgericht gewürdigt worden. Auch hat sonst hat sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich geändert, wie auch keine Wiederaufnahmegründe ersichtlich sind (vgl. BSG, Urt. vom 3.4.2001, BSGE Bd. 88 S. 75). Dass die Beklagte mittlerweile eine Angststörung nach Schwerbehindertenrecht berücksichtigt hat, sagt über deren Ursächlichkeit nichts aus.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
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