L 17 B 464/08 U

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 260/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 B 464/08 U
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.03.2008 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Untätigkeitsklage sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.







Gründe:


I.

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten nach Erledigterklärung der am 07.11.2007 erhobenen Untätigkeitsklage gegen die Beklagte.

Die Klägerin stürzte in ihrem Krankenpflegebetrieb am 08.12.2006 von einer Leiter. Im H-Arzt-Bericht vom 15.12.2006 wurde als Röntgenergebnis u.a. eine muldenförmige Eindellung der Grundplatte links mitgeteilt. Mit Schreiben vom 02.01.2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Gesundheitszustand so sei, dass ein längerer Krankenzustand zu erwarten sei. In dem von der Beklagten angeforderten Krankheitsbericht (Zwischenbericht) der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr.S. u.a. wurde als Diagnose eine traumatische LWK-Fraktur aufgeführt. Die Privatdozentin und Radiologin Dr.H. hatte der Gemeinschaftspraxis Dr.S. nach Durchführung einer Kernspintomographie die Diagnose einer frischen Fraktur des ersten LW-Körpers mit Beteiligung der Hinterkante übermittelt. Mit Schreiben vom 28.04.2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei. Mit Schreiben vom 18.07.2007 unterrichtete die Beklagte die Klägerin dahingehend, dass nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erhebliche Bedenken bestünden, ob die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich auf den Unfall zurückzuführen sei und kündigte an, demnächst ein Zusammenhangsgutachten zu veranlassen. Am 06.08.2007 beauftragte die Beklagte den Chirurgen Durchgangsarzt Dr.A. mit der Erstellung eines Gutachtens. Das Gutachten ging am 19.10.2007 bei der Beklagten ein, eine Gutachtensergänzung erfolgte am 21.11.2007. Mit Bescheid vom 11.12.2007 gewährte die Beklagte Verletztengeld für die Zeit vom 05.01.2007 bis 08.03.2007. Mit Bescheid vom 20.12.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 verneinte die Beklagte einen Anspruch auf Rente mit der Begründung, die Erwerbsfähigkeit sei durch die Folgen des Arbeitsunfalles nicht über die 26.Woche nach dem Arbeitsunfall in rentenberechtigendem Grad gemindert.

Die Klägerin erhob am 07.11.2007 Untätigkeitsklage mit der Begründung, die Beklagte habe bis dahin ohne hinreichenden Grund nicht entschieden. Mit Schreiben vom 28.01.2008 erklärte die Klägerin im Hinblick auf die ergangenen Bescheide die Hauptsache für erledigt. Hinsichtlich der entstandenen außergerichtlichen Kosten beantragte sie, diese der Beklagten aufzuerlegen. Aus der eigenen Begründung der Beklagten ergebe sich, dass diese bis zum 18.07.2007 mit der Beauftragung eines Gutachters zugewartet habe. Nachdem die Beklagte erstmals mit dem Hausarztbericht vom 14.12.2006 Kenntnis von dem Unfallereignis Kenntnis genommen habe, habe sie erst nach sieben Monaten einen Gutachter ausgewählt. Dies sei ohne zureichenden Grund geschehen, sodass die Erhebung der Untätigkeitsklage begründet und somit die außergerichtlichen Kosten der Klägerin von der Beklagten zu erstatten seien.

Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 08.02.2008, dass sich die Notwendigkeit einer Begutachtung erst aus dem mit der Klägerin am 03.07.2007 geführten Telefonat ergeben habe, aus dem hervorgegangen sei, dass sie ihrer beruflichen Tätigkeit nur erheblich eingeschränkt nachkommen könne. Die Tatsache, dass sich die Gutachtenserstellung bis letztlich 28.11.2007 hingezogen habe, habe die Beklagte nicht zu vertreten. Denn einerseits habe die Klägerin selbst die erforderliche Untersuchung verschoben, andererseits habe die Beklagte zweimal bei dem Gutachter nachfragen müssen, bis dieser die im Gutachtensauftrag gestellten Fragen vollständig beantwortet habe. Danach habe die Beklagte mit Verwaltungsakt vom 11.12.2007 das Verletztengeld festgestellt und mit Bescheid vom 20.12.2007 über den Rentenanspruch der Klägerin zeitgerecht entschieden.

Die Klägerin bemerkte in ihrem Schriftsatz vom 12.03.2008 zu den Ausführungen der Beklagten, dass sich die Notwendigkeit einer Begutachtung nicht erst aus dem am 03.07.2007 geführten Telefonat ergeben habe, dass bereits vorher bekannt gewesen sei, dass die berufliche Tätigkeit durch den Arbeitsunfall deutlich eingeschränkt gewesen sei. Sie habe bereits mit Schreiben vom 02.01.2007 der Beklagten mitgeteilt, dass ein längerer Krankenstand zu erwarten sei.

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat mit Beschluss vom 18.03.2008 entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. In den Gründen hat es ausgeführt, nach Studium der Verwaltungsakte der Beklagten komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte keine außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten habe. Der Beklagten sei keine verzögerte Bearbeitung des Falles vorzuwerfen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte über die zu gewährenden Leistungen erst nach Auswertung des in Auftrag gegebenen Gutachtens entscheide. Ebenso könne der Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe das Gutachten erst unangemessen spät in Auftrag gegeben.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin beim SG Beschwerde eingelegt. Das SG hat die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.06.2008 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das SG habe zu Recht entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien, da die Bearbeitung des Falles nicht verzögert erfolgt sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Der durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vom 26.03.2008 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I, 444) verfügte Ausschluss der Beschwerde bei Kostengrundentscheidungen (§ 172 Abs.3 SGG n.F.) berührt die Zulässigkeit der am 28.04.2008 erhobenen Beschwerde nicht. Denn das neue Recht ist erst auf Beschlüsse anwendbar, die nach dem 31.03.2008 mit Inkrafttreten des Gesetzes am 01.04.2008 ergangen sind (Art.4 des Gesetzes vom 26.03.2008).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Bei einer Erledigung der Untätigkeitsklage - wie hier durch den Erlass der Bescheide vom 11.12.2007 und 20.12.2007 nach Ablauf der sechsmonatigen Sperrfrist des § 88 Abs.1 Satz 1 SGG und nachfolgender Erledigungserklärung des Klägers - ist nach § 193 Abs.1 Satz 3 SGG auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Die Kosten fallen dann in der Regel dem Beklagten zur Last, wenn er keinen hinreichenden Grund für die Untätigkeit hatte oder wenn der Kläger nach den ihm bekannten Umständen mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Die sechsmonatige Sperrfrist des § 88 Abs.1 Satz 1 SGG, die mit Eingang des H-Arzt-Berichtes vom 15.12.2006 bei der Beklagten am 21.12.2006 zu Laufen begann, war bei Erhebung der Untätigkeitsklage am 07.11.2007 bereits abgelaufen. Die Untätigkeit der Beklagten lässt sich anhand der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ohne Weiteres nachvollziehen. Der Senat sieht die Untätigkeit in der verspäteten Entscheidung über die Zahlung von Verletztengeld sowie in der verspäteten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Unfallfolgen der Beschwerdeführerin. Nach Lage der Akten kann der folgende Sachverhalt nicht unberücksichtigt bleiben:
Die Röntgenpraxen A-Stadt/S. hatten in ihren Röntgenbefund vom 09.01.2007 eine frische Fraktur des 1.LWK mit Beteiligung der Hinterkante diagnostiziert. Im Krankheitsbericht der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr.S. u.a. vom 18.01.2007 war die Diagnose einer traumatischen LWK-Fraktur gestellt worden. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit war nach Aktenlage nicht absehbar. Bei diesem Sachverhalt hätte sich die Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die nicht unbedeutende Verletzung gedrängt fühlen müssen, umgehend eine ärztliche Begutachtung bei der Beschwerdeführerin zu veranlassen. Die Überschreitung der Sperrfrist um mehr als ein halbes Jahr hätte damit vermieden werden können. Ein hinreichender Grund für die erst am 06.08.2007 erfolgte Anforderung eines Gutachtens liegt nicht vor. Die Notwendigkeit einer Begutachtung ergab sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erst aus dem mit der Klägerin geführten Telefonat am 23.07.2007, zumal die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 02.01.2007 und nochmals am 28.04.2007 darauf hingewiesen hatte, dass ein längerer Krankenstand zu erwarten sei.

Die Tätigkeit der Beklagten hat sich von Anfang Januar 2007 bis Anfang Juli 2007 im Wesentlichen darauf beschränkt, fortlaufend Befundberichte von den behandelnden Ärzten einzuholen. Erst als der Beklagten im Juli 2007 nach einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt Dr.G. Bedenken kamen, ob die Arbeitsunfähigkeit auf den Unfall vom 08.12.2006 zurückzuführen sei, veranlasste sie umgehend eine Zusammenhangsbegutachtung. Für die Frage der Untätigkeit kommt es daher auf die von der Beklagten nicht zu vertretende verzögerte Erstellung des in Auftrag gegebenen Gutachtens nicht entscheidungserheblich an.

Nach alledem hat die Beschwerdegegnerin die Kosten der Untätigkeitsklage der Beschwerdeführerin sowie des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs.1 SGG.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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