L 17 U 156/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 27/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 156/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 322/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts W. vom 27.01.2000 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat.

Der 1945 geborene Kläger war von April 1968 bis Februar 1970 als Transportarbeiter, Farbenspritzer und angelernter Fräser tätig. Nach den Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der BG der Chemischen Industrie vom 23.02.1996 und der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik vom 26.03.1996 war er dort zeitweilig einer Lärmeinwirkung von höchstens 75 dB(A) ausgesetzt. Ab März 1970 war er bei der Firma P. - Werk S. - beschäftigt, zunächst als Rolleneinhänger, Stoffauslöser und Palettenwieger. Nach einer Arbeitsunterbrechung vom 12.06.1971 bis 24.07.1972 bediente er ab 25.07.1972 als Planschneideführer in der Abt. Handsortierung Planschneidemaschinen (PSM). Seinen Angaben zufolge arbeitete er bis 1982 an der PSM 3. Sie habe starke Geräuschemissionen verursacht. Ab 1982 war er auch an der PSM 4 - ohne Hubtisch - tätig. Sie habe ebenfalls sehr laute Emissionen verursacht. PSM 3 und 4 seien im Abstand von ca. zwei Metern mit dazwischen liegendem Hubtisch gestanden. Es sei zu akustischen Überschneidungen gekommen. Seit 1986 habe er an der PSM 2 ohne Gehörschutz im Keller gearbeitet ("sehr laute Maschine") ebenso an der PSM 1, die ebenfalls im Keller gestanden habe. Nach den Stellungnahmen des TAD der Beklagten vom 18.04.1995/ 19.12.1996 war er dort keiner Gehörschädigung ausgesetzt. Es wurde ein Beurteilungspegel von 78 dB(A) bzw. 74 dB(A) errechnet. Die Beklagte führte am 09.09.1996 aus, dass die Planschneider im Laufe der Zeit mehrfach versetzt worden seien, das Arbeitsverfahren selbst sei aber nicht geändert worden. Seit 18.12.1995 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis ist am 31.12.1995 aufgelöst worden.

Eine Schwerhörigkeit bemerkte der Kläger erstmals im Februar 1994. Seit 16.01.1995 trägt er ein Hörgerät. Der HNO-Arzt Dr.R.W. (A-Stadt) legte am 21.10.1994 eine ärztliche Anzeige über eine BK wegen Lärmschwerhörigkeit vor.

Die Beklagte zog eine Auskunft über Erkrankungen des Klägers von der BKK der Firma P. vom 21.12.1994, einen Anpassbericht des Hörgeräte-Akustikers C.G. vom 03.01.1994 sowie med. Unterlagen über einen Arbeitsunfall vom 05.02.1987 bei. Anschließend erstellte der Gewerbearzt Dr.A.E. (W.) am 18.09.1995 ein Gutachten, in dem er die beim Kläger vorliegende Hörminderung durch eine evtl. Lärmeinwirkung während der Tätigkeit bei der Firma P. als nicht erklärbar ansah. Zudem spreche gegen eine berufliche Hörschädigung die deutliche Zunahme der Hörminderung beim Vergleich der Tonaudiogramme von November 1981 und Februar 1994, obwohl der Kläger in diesem Zeitraum keinem gehörschädigenden Lärm von 85 dB(A) und mehr ausgesetzt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 21.05.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer Lärmschwerhörigkeit ab, da der Kläger nicht lärmgefährdet tätig gewesen sei (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.02.1997).

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht W. (SG) erhoben und beantragt, die Hörstörungen als BK nach Nr 2301 der Anlage zur BKV ab frühest möglichem Zeitpunkt zu entschädigen. Er hat ausgeführt, es treffe nicht zu, dass er seit Aufnahme der Beschäftigung bei der Firma P. keinem gehörschädigenden Lärm ausgesetzt gewesen sei. Für die PSM im Keller hat er Zeugen angeboten.

Das SG hat Auskünfte des Arbeitgebers vom 22.01.1998 über die PSM eingeholt. Danach seien die Angaben des Klägers über die PSM unzutreffend. Die Schallpegelmessungen lägen bei 74/75 dB(A). Der Abstand zwischen PSM 3 und 4 habe acht Meter betragen. Nach Auskunft der Herstellerfirma W. (H.) vom 16.02.1998 habe bei vergleichbaren Maschinen die Lärmbelastung zwischen 81 und 86 dB(A) gelegen. Der TAD der Beklagten hat mit Schreiben vom 06.02.1998/ 05.05.1998 ergänzt, dass nochmalige Nachmessungen am 08.01.1998 bei PSM 1 und 4 einen Beurteilungspegel von 74 bzw. 75 dB(A) erbracht haben. Bei Planschneidern, deren Beurteilungspegel über 80 dB(A) betrage, handle es sich um Maschinen, auf denen Karton bzw. Pappe verarbeitet werde. Im Bereich des Klägers seien aber fast ausschließlich graphische Papiere zugeschnitten worden. Die Messergebnisse der Firma W. seien nicht verwertbar, da der Kläger an den PSM ausschließlich manuell, d.h. in Handanlage, gearbeitet habe. Zudem seien die Maschinen im Schreiben der Firma W. Halbautomaten bzw. Automaten gewesen (siehe auch Schreiben des Arbeitgebers vom 23.06.1998). Mit Schreiben vom 11.09.1998 hat der TAD ausgeführt, dass auch bei zwei nebeneinander betriebenen PSM (Abstand zwei Meter) es zu keiner wesentlichen Schallpegelerhöhung, höchstens 76 dB(A), gekommen sei; bei einem Abstand von acht Metern trete eine Pegelreduzierung auf 68 dB(A) ein.

Mit Urteil vom 27.01.2000 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass im Arbeitsbereich des Klägers eine für eine Lärmschädigung ausreichende Lärmeinwirkung nicht nachgewiesen sei. Liege die Lärmexposition durchweg unter 85 dB(A), sei eine Lärmschwerhörigkeit grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Lärmpegel von 85 dB(A) sei aber nicht erreicht worden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, es habe eine berufliche Lärmentwicklung oberhalb des erlaubten Pegels stattgefunden. Ein beantragter Zeugenbeweis sei vom SG nicht wahrgenommen worden. Auch seien keine Lärmmessungen an den z.T. noch vorhandenen Maschinen vorgenommen worden. Die von dem Arbeitgeber verwendeten Messungen der PSM seien unzuverlässig. Es handle sich um idealisierte Messungen. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass im akustisch ungünstigen Kellerraum mit zwei zusammen arbeitenden PSM in Parallelschichtbetrieb gearbeitet worden sei, wobei jede Maschine knapp unterhalb des gesundheitsschädigenden Lärmpegels im Betrieb gewesen sei.

Mit Schreiben vom 06.07.2001 hat der Kläger zusätzlich ausgeführt, die Ermittlungen der Beklagten seien fehlerhaft, da die aufgeführten PSM nicht den Maschinen entsprächen, mit denen der Kläger gearbeitet hatte. Einen Hörschutz habe der Kläger im Keller nicht tragen können, da er am Telefon habe erreichbar sein müssen. Der Kläger hat daher die Einvernahme von Zeugen sowie die Einholung eines medizinischen Gutachtens beantragt.

Der Senat hat einen Befundbericht des HNO-Arztes Dr.W. vom 14.12.2000, die Akte der LVA Unterfranken sowie die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. zum Verfahren beigezogen.

Der TAD der Beklagten hat am 23.06.2003 neue Ermittlungen in der früheren Firma P. durchgeführt. Danach wurden die Angaben der Firma, der Kläger sei zu keiner Zeit lärmexponiert gewesen, durch erneute Schallpegelmessungen bestätigt. Bei der alten PSM 1, die im Keller stehe, betrage der Schallpegel 75,8 dB(A). Der Abstand zwischen PSM 1 und 2 habe acht Meter betragen. Dies habe anhand von noch vorhandenen Aufstellungsrückständen erkannt werden können. Bei einem Abstand von acht Metern trete bei parallel laufenden PSM eine Pegelreduzierung von 75 dB(A) auf 69 dB(A) für den Schall der PSM 2 ein. Unter Berücksichtigung eines Korrekturwertes von ca. 1 dB(A), der dem höheren Pegel der PSM 1 (75,8 dB(A)) zuaddiert wird, erhöhe sich der Schallpegel des Arbeitsplatzes selbst auf 76,8 dB(A).

Der Kläger hat moniert, dass eine Messung im Parallelbetrieb nicht stattgefunden habe.

Im Termin vom 21.03.2006 hat der Senat die Zeugen D., T., W. und O. einvernommen. Der Zeuge D. hat ausgeführt, dass die PSM 3 und 4 vier bis sechs Meter auseinander gestanden hätten. Sie seien sehr laut gewesen. Erst die zuletzt benutzte PSM 2 sei in der Lautstärke niedriger einzustufen gewesen. Die sog. Einriesmaschine, die ca. 25 Meter vom Arbeitsplatz entfernt gestanden habe, sei ebenfalls sehr laut gewesen. Der Zeuge T. konnte keine konkreten Meterangaben in der Distanz zwischen den beiden PSM machen. Die Einriesmaschine sei ca. 10-15 Meter von der PSM entfernt gestanden. Der Zeuge W., technischer Aufsichtsbeamter der Beklagten, führte aus, dass er wegen des Falles des Klägers dessen Arbeitgeber ca. zehnmal aufgesucht habe und an den für den Kläger einschlägigen Maschinen ca. vier- bis fünfmal Lärmanalysen vorgenommen habe mit den einschlägigen Messgeräten.

Der Senat hat ein Lärmgutachten des Dipl.Ing. C. vom 13.05.2008 eingeholt. Daraus ergibt sich, dass am Arbeitsplatz des Klägers im Keller im ungünstigsten Fall ein Schalldruckpegel von 84,4 dB(A) erreicht worden sei. Ein höherer Beurteilungspegel könne auch der Literatur nicht entnommen werden.

Der Kläger hat das Gutachten mit Schriftsatz vom 23.06.2008 für nicht verwertbar gehalten, da u.a. eine Ortsbegehung nicht durchgeführt worden sei. Im Übrigen lägen die dort festgestellten Erkenntnisse noch im Bereich krankheitserzeugender Emissionen. Außerdem hat er einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt (Dipl.Ing. W. M.).

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.02.1997 sowie des Urteils des SG W. vom 27.01.2000 zu verurteilen, die beim Kläger bestehende Hörstörung als BK nach Nr 2301 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG W. vom 27.01.2000 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der Akten der LVA Unterfranken und des AVF W. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist - und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass bei dem Kläger keine BK vorliegt, weil die in Nr 2301 der Anlage zur BKV bezeichneten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Der Anspruch des Klägers ist noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da eine etwaige BK jedenfalls vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543-545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach Nr 2301 der Anlage 1 zur BKV gilt als BK eine "Lärmschwerhörigkeit". Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK in der Person des Klägers erfüllt sein müssen, zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK vorliegen muss und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. Kasseler Kommentar - Ricke - § 9 SGB VII Rdnr 11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Band III - Stand 1997 - § 9 SGB VII Rdnr 21 ff).

Nach Auffassung des Senats fehlt es bereits am Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nr 2301. Es ist nicht mit der notwendigen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit einer für eine Lärmschädigung ausreichenden Lärmeinwirkung ausgesetzt war. Ohne ausreichende Lärmexposition kann aber eine Lärmschwerhörigkeit nicht entstehen.

Gehörschädigend ist ein Dauerlärm oberhalb von 90 dB(A) während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit. Je höher der Schallpegel, desto kürzere Einwirkungszeiten sind bereits gehörschädigend. Liegt der Beurteilungspegel unter 90 dB(A), hat er aber den Wert von 85 dB(A) erreicht, so kommt bei langjähriger Exposition oder außergewöhnlich großer individueller Gehörsensibilität eine Lärmschädigung in Betracht. Hat die Lärmexposition durchwegs unter 85 dB(A) gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile (Schönberger/
Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage, S 418; Mehrtens/ Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301 S 31/32). Nach medizinischen Erfahrungen kann eine Lärmschwerhörigkeit bei einem Lärmpegel von weniger als 85 dB(A) nicht entstehen. Auch das Merkblatt zur Lärmschwerhörigkeit (Bekanntmachung des BMA vom 20.07.1977) sieht erst bei einem Beurteilungspegel ab 85 dB(A) berufsbedingten Lärm als gehörschädigend an.

Nach den Feststellungen des Senats hat der Kläger von April 1968 bis Februar 1970 nicht im lärmgefährdeten Bereich gearbeitet. Spätestens ab Juli 1972 war er bis 1995 an 4 PSM tätig.

a) PSM 1 (Schneider Senator Typ 155)
An ihr arbeitete der Kläger ab 1986 im Keller. Sie befindet sich als einzige der erwähnten PSM noch im Betrieb.
Messungen:
16.12.1996: 75 dB(A)
08.01.1998: 75 dB(A)
23.06.2003: 75,8 dB (A)

b) PSM 2 (W.) (wurde für PSM 4 angeschafft)
Seit 1986 hat der Kläger an dieser Maschine gearbeitet, zuerst im Erdgeschoss, seit ca. 1988 stand sie im Keller (Rauminhalt: 80 x 30 x 4 m), parallel zu PSM 1, bis 1995. Beide Maschinen standen fünf bis acht Meter auseinander. Der vom Kläger angegebene 2-m-Abstand ist unzutreffend, da er nicht den Aufstellungsrückständen entspricht.

Messung:
08.01.1998: 74,8 dB (A)
Beim Parallellaufen betrug der Schallpegel des Arbeitsplatzes: 76,8 dB(A)

c) PSM 3
Kläger hatte an ihr - ersatzweise neben PSM 4 - bis 1982 gearbeitet; sie stand im Palettenraum und war eine alte Maschine (ca. 30 Jahre alt); bestehend aus 2 Hubtischen und einem Sattel. PSM 3 und 4 waren nebeneinander aufgestellt und arbeiteten gleichzeitig. Distanz: acht Meter (BG), zwei Meter (Kläger). Diese PSM ist nicht mehr vorhanden.

d) PSM 4 (W. Schnellschneider 185)
Kläger arbeitete an ihr ab 1972. Sie wurde 1986 verkauft.
Messung (bei Hersteller-Firma mit 300 Hüben/Stunde) vom:
23.01.1990: 81 dB(A)
08.01.1998: 74 dB(A)

Der Kläger hat an den PSM nur manuell gearbeitet, d.h. an halbautomatischen Maschinen mit Handanlage (64 Hübe/Stunde). Dabei wurde nicht Karton oder Pappe, sondern graphisches Papier geschnitten. Die Laufzeit der Maschinen betrug 6 Std./Schicht.

Die sog. italienische Einriesmaschine (Wrapmatic) hat im Erdgeschoss gestanden, lt. Kläger ca. acht Meter entfernt von PSM 4. Sie sei sehr laut gewesen und sei ununterbrochen gelaufen. Sie ist spätestens seit 1997 nicht mehr im Betrieb vorhanden. Lt. Messergebnissen aus dem Jahr 1975 wurde sie nicht dem Lärmbereich zugewiesen.

Messung:
09.01.1975: 82 dB(A) [an der lautesten Stelle der Maschine im direkten Arbeitsbe
reich des Bedieners]
09.05.1975: 80-84 dB(A).

Entsprechend den Auskünften des TAD der Beklagten vom 18.04.1995/ 19.12.1996/06.02.1998, 11.09.1998 und 23.06.2003 und dem Gutachten vom 13.05.2008 ist bei der Messung der PSM und der Einriesmaschine ein Beurteilungspegel von mindestens 85 dB(A) nie erreicht worden. Bereits der Arbeitgeber hat in seinem Schreiben vom 22.01.1998 auf den geringen Schallpegel der vier PSM hingewiesen. Dies ergibt sich zudem aus den Betriebslärmanalysen des Arbeitgebers vom 09.01.1975 und 06.11.1976. Auch war nach den Angaben des Arbeitgebers die Abteilung Handsortierung, in der der Kläger als Planschneiderführer tätig war, die leiseste Produktionsstätte der Firma. Die von der Herstellerfirma an vergleichbaren Planschneidern durchgeführten Messungen sind hinsichtlich des Lärmpegels unter 85 dB(A) geblieben. Wenn dennoch an einem Planschneider ein Lärmpegel von 85 dB(A) erreicht wurde, ist zu berücksichtigen, dass dieses Messergebnis bei 1.080 Hüben/Stunde nur bei einem Vollautomaten möglich war. Der Kläger hat aber an halbautomatischen Planschneidemaschinen, die manuell betrieben wurden, d.h. in Handanlage, gearbeitet. Dabei wurden maximal 64 Hübe/Stunde erreicht (Mitteilung des Arbeitgebers vom 23.07.1998), was auf einen niedrigeren Lärmpegel schließen lässt. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger nicht lärmfördernden Karton oder Pappe, sondern graphisches Papier schnitt. Diese Ergebnisse wurden im Wesentlichen im Gutachten des Dipl.Ing. L. bestätigt. Es geht nicht zu Lasten der Beklagten, dass die Lärmmessungen neuerer Zeit nicht oder nur unvollständig durchgeführt werden konnten und nicht nachgeholt werden können, weil die lärmfördernden PSM bis auf eine nicht mehr vorhanden sind. Zu Recht hat daher der Gutachter Vergleichswerte herangezogen und die Lärmbelastung nur annähernd geschätzt (Schönberger, aaO, S 418/419).

Auch geht der Hinweis des Klägers auf eine Schallpegeladdition zweier nebeneinander betriebener PSM im Abstand von zwei und acht Metern fehl. Bei der Addition zweier ungleicher Schallquellen kann der Gesamtpegel nur um weniger als 3 dB(A) über dem höheren Pegel liegen. Da beide PSM eine gleiche Schallabstrahlung von 74 dB(A) hatten und falls der Abstand zwei Meter betrug, konnte sich der Schallpegel an den beiden Maschinenarbeitsplätzen höchstens um ca. 2 dB(A) auf 75 dB(A) erhöhen. Bei einem Abstand von acht Metern ergibt sich durch das Abstandsgesetz eine Pegelreduzierung von 6 dB(A) des ankommenden Schalls der zweiten Maschine vom betrachteten Arbeitsplatz aus und beträgt nur noch 68 dB(A). Der Schallpegel des zu betrachtenden Arbeitsplatzes erhöht sich andererseits auf 75 dB(A).

Nachdem die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch unter "worst case"-Gesichtspunkten nicht nachgewiesen sind, (es ist nicht der Nachweis erbracht, dass der Kläger einem Beurteilungspegel von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt war, auch die Zeugenaussagen führen zu keinem anderen Ergebnis), hat sich eine medizinische Begutachtung erübrigt. Auch führt ein Ortstermin in der Sache nicht weiter, da die Messergebnisse bekannt, die ursprünglichen Maschinen bis auf eine nicht mehr vorhanden sind und die als Zeugen benannten Mitarbeiter des Klägers keine Verfahren bei der Beklagten anhängig haben. Jedenfalls ist nicht nachgewiesen, dass der Lärmpegel oberhalb des eine Lärmschwerhörigkeit auslösenden Beurteilungspegels von 85 dB(A) gelegen hat. Das vom Senat eingeholte Gutachten hat zudem die Lärmanalysen der Beklagten sowie des früheren Arbeitgebers im Wesentlichen bestätigt. Das Gutachten ist überzeugend und für den Senat nachvollziehbar. Die Einholung eines weiteren lärmtechnischen Gutachtens ist daher von Amts wegen nicht geboten.

Der Antrag des Klägers auf Einholung eines lärmtechnischen Gutachtens nach § 109 SGG ist unzulässig. Nach der Gesetzeslage kommt ein Antrag nach § 109 SGG nur für ärztliche Gutachten in Betracht.

Das Urteil des SG W. ist daher nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers bleibt erfolglos.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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