L 16 AS 48/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 335/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 48/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 131/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30. November 2007 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Berufung.

Die 1950 geborene Klägerin erhielt seit dem 25.07.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Nach einer Kostensenkungsaufforderung vom 18.01.2006, in der die Beklagte die Klägerin darauf hinwies, dass die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe von 413,87 Euro für ihre 69,4 qm große Drei-Zimmer-Wohnung unangemessen seien, gewährte die Beklagte erstmals mit Bescheid vom 26.06.2006 für den Zeitraum vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 Unterkunftskosten nur noch in Höhe von 335,64 Euro. Am 16.08.2008 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid zum Bescheid vom 26.06.2006, weil eine Nebenkostenrückerstattung für den Monat August 2006 angerechnet wurde.

Gegen die Bescheide legte die Klägerin am 19.07.2006 und am 13.09.2006 Widerspruch ein und erklärte, dass es ihr nicht gelungen sei, eine angemessene Wohnung zu finden. Ihre schwere Erkrankung sei zu berücksichtigen und es sei auch zu beachten, dass sie in der Nähe ihres Hausarztes wohnen bleiben müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, da nach Verstreichen der 6-Monats-Frist des § 22 SGB II nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von 335,64 Euro zu übernehmen seien.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg und trug zur Begründung vor, dass es für die Klägerin notwendig sei, in unmittelbarer Nähe zu ihrem Hausarzt zu wohnen. Im Übrigen habe sie sich intensiv um eine neue Wohnung bemüht, es sei ihr aber nicht möglich gewesen, eine bedarfsgerechte Wohnung zu finden.

Mit Urteil vom 30.11.2007 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage gegen die Bescheide vom 26.06.2006 und 16.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2007 ab, da nach Ablauf der 6-Monats-Frist nur noch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu erstatten seien. Hinderungsgründe, die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu berücksichtigten seien, habe die Klägerin nicht vorgetragen, daher seien die Bescheide nicht zu beanstanden. Die Berufung sei gemäß § 144 Abs. 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zulässig, da der Klagegegenstand 500,00 Euro nicht übersteige. Das Sozialgericht lies die Berufung nicht zu, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung habe und das Urteil nicht von einer Entscheidung einer höheren Instanz abweiche und auch kein Verfahrensmangel geltend gemacht worden sei.

Am 01.02.2008 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Berufung zulässig sei, da es sich um wiederkehrende und laufende Leistungen handle, die mehr als ein Jahr beträfen. Es handle sich um wiederkehrende Leistungen, bei denen die Leistungsdauer ungewiss sei. Dies zeige sich u.a. auch daran, dass die Klägerin weiterhin in der Wohnung lebe und die Kosten für die Wohnung nicht voll übernommen werden würden. Im Übrigen würde der ausgeurteilte Antrag keine zeitliche Grenze enthalten, so dass auch die Berufungssumme von 500,00 Euro überschritten wäre. Darüber hinaus sei die Berufung auch begründet, da das Sozialgericht Augsburg die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin sowie ihre Bemühungen, eine angemessene Wohnung zu finden, nicht ausreichend gewürdigt habe.

Nach einem Hinweis des Senats, dass die Berufung nicht zulässig sei, hat die Klägerbevollmächtigte erklärt, dass sie an ihrem bisherigen Sachvortrag zur Zulässigkeit der Berufung festhalten wolle. Mit Schriftsatz vom 17.03.2008 beantragt sie,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.11.2007 sowie die Bescheide vom 26.06.2006 und 16.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2007 abzuändern und der Klägerin die tatsächlichen Unterkunftskosten zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nach § 158 Satz 1 SGG nicht statthaft ist.

Nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung ist gegen Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht nicht statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 Euro nicht übersteigt oder wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für nicht mehr als ein Jahr betrifft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), es sei denn, die Berufung ist im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichtes zugelassen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG) worden.

Im vorliegenden Fall übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes weder die
500,00 Euro-Grenze noch betrifft die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen von mehr als einem Jahr. Auch wurde die Berufung im Urteil des Sozialgerichtes nicht zugelassen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin betrifft ihre Berufung keine "wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr". Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 26.06.2006 und 16.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2007, mit den über die Leistungsbewilligung nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 entschieden wurde. Auf diesen Zeitraum ist die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruches beschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 07.1.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R, ebenso Urteil vom 23.11.2006, Az.: B 11b AS 9/06 R) werden Folgebescheide im Bereich des Arbeitslosengeldes II gerade nicht Gegenstand von anhängigen Klageverfahren gemäß § 96 SGG, sie sind nicht einzubeziehen. Gerade die Prozessökonomie widerspreche der Einbeziehung der Folgebescheide im Verfahren nach dem SGB II. Bei Leistungen nach dem SGB II seien für jeden Bewilligungsabschnitt erneut die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft, das Vermögen, gegebenenfalls Einkünfte und die Kosten für Unterkunft und Heizung zu überprüfen. Dieser Überprüfungsaufwand sei für jeden Bescheid gesondert zu führen, so dass das Interesse an einem schnellen und zweckmäßigen Verfahren der Einbeziehung von Folgebescheiden entgegenstehe. Auch wenn in der Kommentarliteratur wie z.B. von Leitherer in Meyer-Ladewig, SGB II, 9.Aufl 2008, § 144 RdNr. 24 vertreten wird, dass eine Zusammenrechnung von prozessualen Ansprüchen bei gleichem Entstehungsgrund und bei gleichartigen wiederkehrenden Leistungen zu befürworten sei, so ist vor dem Hintergrund der eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum SGB II zur Anwendbarkeit des § 96 SGG (vgl. oben a.a.O.) gerade wegen der Prozessökonomie und der jeweils gesondert zu überprüfenden Anspruchvoraussetzungen bei einzelnen Leistungsbewilligungsabschnitten im Bereich des SGB II eine Zusammenrechnung nicht möglich. Der Senat folgt aus diesem Grund nicht der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15.04.2008, Az.: L 11 AS 35/07, das der Auffassung ist, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Kassenarztrecht (BSG, Urteil vom 24.1.1974 Az.: 6 RKa 2/73) auf die Streitigkeiten nach dem SGB II anzuwenden sei. Nach dieser Rechtsprechung sei bei verbundenen Klagen, die jeweils nicht berufungsfähig sind, die Berufung nicht ausgeschlossen, wenn sie sich auf Honorarkürzungen von mehr als drei Monaten beziehe. Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, da es sich zum einen nicht um im Wege der Klagehäufung verbundene Klagen handelt, sondern um eine isolierte Anfechtungsklage mit einem durch die Bewilligungsbescheide der Beklagten zeitlich klar eingegrenzten Streitgegenstand. Zum anderen hat das Bundessozialgericht durch die für das SGB II zuständigen Senate zur Anwendbarkeit des § 96 SGG bereits entschieden, dass Leistungen für Folgezeiträume nicht nach § 96 SGG Gegenstand von anhängigen Klageverfahren werden (vgl. oben). Diese Argumentation ist auch auf die Frage der Zusammenrechnung der Leistungen nach § 144 Abs. 1 SGG und der damit verbundenen Frage der Zulässigkeit der Berufung anwendbar. Wenn schon für die Vorschrift des § 96 SGG das Bundessozialgericht ausführt, dass dieser für Streitigkeiten nach dem SGB II nicht anwendbar ist, so gilt dies erst recht für den Anwendungsbereich des § 144 SGG. Für eine erweiternde Auslegung bleibt daher kein Raum. Andernfalls würde die strenge Trennung des Klagegegenstandes nach Leistungsbewilligungsabschnitten im Bereich des SGB II über die Zusammenrechnung der Folgezeiträume bei der Anwendung des § 144 SGG zu einer Aufhebung dieser Trennung der Leistungszeiträume führen. Dies widerspricht den der oben genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugrundeliegenden Erwägungen.

Daher ist im Bereich des SGB II eine Zusammenrechnung der Ansprüche auch dann nicht zulässig, wenn diese auf den gleichen Entstehungsgrund zurückgehen und zu gleichbleibenden wiederkehrenden Leistungen führen.

Auch der Argumentation der Klägerbevollmächtigten, dass der ausgeurteilte Antrag keine zeitliche Grenze enthalte, ist nicht zu folgen, da sich aus den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts klar, deutlich und unmissverständlich ergibt, dass eine Entscheidung lediglich über den Leistungsbewilligungsabschnitt vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 getroffen wurde. Daher ist der überprüfte Leistungszeitraum eindeutig zeitlich eingeschränkt.

Aus diesem Grund ist die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht der Senat durch die vorliegende Entscheidung von einem Urteil des Bundessozialgerichts ab, da es sich nicht um verbundene Klagen für mehrere Bewilligungszeiträume handelt.
Rechtskraft
Aus
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