Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 3527/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3041/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1957 geborene Klägerin durchlief von Oktober 1972 bis Juni 1974 eine Ausbildung zur Verkäuferin und blieb noch bis Dezember 1974 in diesem Beruf tätig. In den Jahren 1975, 1978 und 1981 wurden ihre drei Kinder geboren. Im Juli 1988 kehrte die Klägerin auf Dauer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Verkauf zurück. Zwischendurch war sie vom 01. Oktober 1991 bis 15. Mai 1992 als Kellnerin und vom 01. April 1993 bis 30. September 1994 sowie vom 09. Mai bis 15. Oktober 1995 als Reinigungsmitarbeiterin beschäftigt. Nach ihren Angaben folgten vom 16. Oktober 1995 bis 31. Dezember 1998 eine Beschäftigung als Imbissmitarbeiterin, vom 07. Februar bis 30. April 2000 als Metallarbeiterin und vom 08. Mai 2000 bis 15. Januar 2001 als Kunststoffarbeiterin. Letztere beide Beschäftigungen habe sie wegen Allergien, die vorherigen wegen Wirbelsäulenleiden aufgegeben. Vom 01. August bis 15. Oktober 2001 ("Übergangsjob") und vom 01. November 2001 bis 31. März 2002 (Beendigung wegen "Personalabbau") war sie nochmals als Verkäuferin beschäftigt. Danach war sie arbeitslos, ohne sich arbeitslos zu melden. Von September 2002 bis Februar 2003 übte sie nach ihren Angaben noch ein "Minijob" bei einer Gaststätte aus; anschließend sei sie Hausfrau geblieben. Ab 01. September 2004 bestand eine versicherungsfreie Beschäftigung (anfänglich drei Stunden an drei Wochentagen) als Raumpflegerin bei der Gemeinde.
Nachdem sich die Klägerin vom 01. bis 13. Juli 1998 erstmals wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 in der Fachklinik für Neurologie D. aufgehalten hatte, wurde sie im Juli 2001 wegen Beschwerden der Halswirbelsäule beim Orthopäden Dr. H. behandelt (Arztbrief an Praktischen Arzt Dr. S. vom 31. Juli 2001). Es folgten Behandlungen beim Orthopäden Dr. M., L. (Arztbrief vom 11. Juni 2003) wegen Brustwirbelsäule sowie bei der Neurologin Dr. B. (Arztbriefe vom 13. Juni und 29. Juli 2003) wegen der Halswirbelsäule. Vom 24. September bis 15. Oktober 2003 nahm die Klägerin an einer von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) bewilligten Heilmaßnahme in der Rheumaklinik B. W. teil. Die Diagnosen lauteten auf chronisch rezidivierendes Cervicalsyndrom mit Kopf- und Armbeschwerden bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall C3/4, Bandscheibenvorwölbung C4-6 mit Wurzelreizsymptomatik C6 rechts; chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit rezidivierender Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L5/S1 links; ferner ernährungsbedingtes Übergewicht (Entlassungsbericht Prof. Dr. J. vom 13. Oktober 2003). Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig für Tätigkeiten ohne Wirbelsäulenzwangshaltung, schweres Heben und Tragen oder häufiges Bücken. Im März 2004 erfolgte eine Bandscheibenfachausräumung und Sequesterexstirpation im Bereich des Halswirbelkörpers 5/6, eine knöchern ligamentäre Nervenwurzedekompression sowie eine ventrale Spondylodese mit Bandscheibenprothese C 4/5. Vom 20. bis 28. Januar 2005 erfolgte nochmals eine stationäre Behandlung in der Fachklinik D. (Arztbrief des Prof. Dr. Ma. vom 02. Februar 2005, Hauptdiagnose: Cervicobrachialgien, Nebendiagnosen: Globusgefühl im Hals und leichte depressive Episode). Es fand noch eine Vorstellung in der Sprechstunde für spezielle orthopädische Schmerztherapie des Universitätsklinikums Ulm statt (Arztbrief Oberarzt Dr. K. vom 07. April 2005);
Am 17. Mai 2005 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Fachärztin für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren/Sozialmedizin Dr. Z.-R. vom Regionalzentrum U. der Beklagten erstattete in Kenntnis der zitierten Befunde das Gutachten vom 21. Juni 2005. Die Klägerin habe angegeben, nach einer Spondylodese C5/6 schmerzfrei gewesen zu sein und dann im September 2004 die Tätigkeit als Reinigungskraft aufgenommen zu haben. Im Anschluss hieran habe sie wegen ausstrahlender Nackenbeschwerden zunehmend mehr Schmerzmittel eingenommen. Seit Februar 2005 seien außer der Einnahme von Schmerzmitteln keine Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Die Gutachterin nannte als Diagnosen: Anhaltende Schulter-Nacken-Armbeschwerden rechts seit September 2004 nach Tätigkeitsantritt bei muskulären Dysbalancen und Fehlstatik sowie Verblockung C5/6; Bandscheibenvorfall L5/S1 seit etwa 1998 ohne Nervenwurzelkompression oder sensomotorisches Defizit, zeitweise Rückenbeschwerden; "interne und externe Kontextfaktoren" mit latenten Fehlverarbeitungstendenzen sowie Heiserkeit bei Risikofaktor Rauchen. Leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit des Haltungswechsels seien 6 Stunden und mehr möglich. Zu vermeiden seien besonderer Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über fünf bis sieben kg, Überkopfarbeiten, Kälte und Nässe; an das räumliche Sehvermögen dürften keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Die Tätigkeit als Reinigungskraft sei mit häufigen Zwangshaltungen verbunden und könne nur noch unter drei Stunden ausgeübt werden.
Durch Bescheid vom 22. Juli 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Diesem könne schon deshalb nicht entsprochen werden, weil in den letzten fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden seien; im Zeitraum vom 17. Mai 2000 bis 16. Mai 2005 seien nur zwei Jahre und vier Kalendermonate mit Beiträgen belegt und Verlängerungstatbestände griffen nicht ein. Nach dem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf wurde zuletzt im August 2002 ein Pflichtbeitrag entrichtet.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie sei bereits seit Januar 2003 erwerbsgemindert. Arbeitslos habe sie sich aus Unwissenheit nicht gemeldet. Beigefügt waren der Arztbrief des Facharztes für Neuchirurgie Dr. G. vom 04. August 2005, aufgrund des MRT-Befundes sei eine Indikation zur Dekompression und ventralen Fusion der Halswirbelkörper 4/5 gegeben; ferner der Bericht des Radiologen Dr. F. vom 15. Juli 2005, gegenüber einer Voruntersuchung vom 16. August 2004 zeige sich jetzt eine breitbasige Vorwölbung der Bandscheibe HWK 4/5 mit höhergradiger Spinalkanalstenose.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2005. Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin nicht als erfüllt anzusehen.
Mit der am 14. November 2005 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, die Erwerbsminderung bestehe schon seit 2003. Im Februar dieses Jahres habe sie eine Art Hexenschuss erlitten. Sie habe wahllos Schmerztabletten genommen und daraufhin ihre Stelle als Bedienung verloren. Im Juni 2003 seien Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich festgestellt worden und im März 2004 der erste Halswirbel versteift. Da zunächst keine Kopfschmerzen mehr bestanden hätten, habe sie im September 2004 die neue Stelle angenommen. Von da an habe sie immer mehr Tabletten nehmen müssen. Spätestens im März 2004 müsse Erwerbsminderung vorgelegen haben. Dies hätten die Arztbriefe im Widerspruchsverfahren bestätigt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und stellte klar, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis einschließlich September 2004 erfüllt wären.
Durch Urteil vom 04. April 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Gutachterin Dr. Z.-R. habe noch im Juni 2005 eine Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich genannt. Die Klägerin könne auch neun Monate zuvor nicht erwerbsgemindert gewesen sein. Dies werde auch durch den Entlassungsbericht (des Prof. Dr. J.) vom 13. Oktober 2003 bestätigt.
Gegen das am 19. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Juni 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat unter Vorlage von Attesten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 16. Mai 2006 und des Facharztes für Neurochirurgie Dr. G. vom 29. April 2008 geltend gemacht, aufgrund der seit März 2004 einsetzenden anhaltenden Verschlechterung des Zustands sei sie bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, mehr als zwei Stunden erwerbstätig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt habe sie noch nicht einmal den Haushalt eigenständig führen können. Die Betätigung als Reinigungskraft habe wegen der anhaltenden und immer stärker werdenden Schmerzen aufgegeben werden müssen. Sie könne kaum noch länger als eine Stunde auf den Beinen sein.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2005 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Juni 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Durch Bescheid vom 28. August 2007 ist der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 24. November 2006 abgelehnt worden; hierzu hat der Ambulanzbrief der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Klinikums R. M. vom 14. Dezember 2006 vorgelegen (Zustand nach Implantation einer Bandscheibenprothese C4/5 sowie einer Spondylodese C5/6; persistierende Nackenschmerzen und brachialgiforme Schmerzen rechts in C6/Projektion; kein sicheres motorisches Defizit).
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Neurochirurgie Dr. G. vom 27. Oktober 2008 eingeholt. Eine nochmalige Untersuchung durch diesen - behandelnden - Arzt ist unterblieben. Der Sachverständige hat als Diagnose auf neurochirurgischem Fachgebiet genannt ein multisegmentales cervicales degeneratives Syndrom mit Zustand nach Fusion HW5/6, Prothesenimplantation HW4/5, Revision HW4/5 und Fusion HW4-6; ferner anhaltendes cervicales Facettensyndrom. Im September 2004 sei eine täglich sechsstündige Arbeit grundsätzlich auszuschließen gewesen. Eine leichte Arbeit in wechselnder Haltung ohne qualitative Einschränkungen sei bis zu drei Stunden möglich gewesen. Auch nach regelrechtem Verlauf der vier Operationen hätten im Zeitraum von mehreren Monaten an der Wirbelsäule Einschränkungen bestanden. Der Zustand bestehe seit 2003. Anhaltende Beschwerdefreiheit sei nicht zu erzielen gewesen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu durch Schreiben vom 18. November 2008 gehört worden. Anlass, von der angekündigten Entscheidungsform abzugehen, hat sich - auch aufgrund des Schriftsatzes vom 15. Dezember 2008 - nicht mehr ergeben.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG vom 04. April 2006 ist als zutreffend zu bestätigen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2005 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat ab 01. Juni 2005 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und im welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI oder § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ("Drei-Fünftel-Belegung" mit Pflichtbeitragszeiten) erfüllen zu können, müsste ein Tatbestand der Erwerbsminderung der Klägerin spätestens im September 2004 eingetreten sein. Dies ergibt sich daraus, dass, nachdem die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Verkäuferin mit 31. März 2002 geendet hatte, bis 11. August 2002 noch Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung der Arbeiter mit einem beitragspflichtigen Entgelt von (01. Januar bis 11. August 2002) insgesamt EUR 844,00 gemeldet sind. Der hierfür zugrunde liegende Tatbestand ist von der Klägerin nicht näher bezeichnet worden. Anschließende "Streckungszeiten" etwa der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit (vgl. hierzu im Einzelnen § 43 Abs. 4 SGB VI) sind nicht geltend gemacht und auch aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Auf die von der Beklagten vorgelegte Wartezeitaufstellung vom 06. Dezember 2005 (Blatt 14 der SG-Akte) wird Bezug genommen Im September 2004 hat aus den im Folgenden darzulegenden Gründen Erwerbsminderung nicht bestanden.
Die Klägerin war vor September 2004 zuletzt (vgl. Auszug der Deutschen Angestellten-Krankenkasse vom 10. November 2006, Blatt M9 der Reha-Akte) vom 09. bis 15. Oktober 2001 sowie vom 21. bis 25. Januar 2002 wegen einer Magen-Darm-Erkrankung, die nicht als rentenerheblich geltend gemacht worden ist, arbeitsunfähig gewesen. Die Beschäftigung als Verkäuferin wurde zum 31. März 2002 nach eigenen Angaben wegen Personalabbau, nicht jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Weitere Krankmeldungen oder Arbeitslosmeldungen erfolgten nicht; die Klägerin ist ihren Angaben zufolge Hausfrau geblieben. Zum 01. September 2004 hat die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung (dreimal drei Stunden wöchentlich) bei der Gemeinde B. aufgenommen. Diese bestand (vgl. Angaben im Gutachten Dr. Z.-R. vom 21. Juni 2005) darin, dass in der Schule Fenster, Klassenzimmer, Schwimmbad, Turnhalle und Toiletten zu reinigen waren, mit Auf- und Abstuhlen, Bodenreinigung und Nasswischen. Diese Tätigkeit wurde bis ins Jahr 2005 hinein fortgesetzt, ohne dass vor dem 17. Mai 2005 ein Rentenantrag erwogen wurde. Erst im Lauf der Beschäftigung hat sich herausgestellt, dass diese auf Dauer ungünstig bleiben würde.
Unter Berücksichtigung der weiteren Angabe, nach der Bandscheibenfachausräumung C5/6 mit ventraler Spondylodese im März 2004 in der N.-klinik Bi. habe Schmerzfreiheit bestanden, überzeugt die gutachterliche Beurteilung der Fachärztin Dr. Z.-R. vom 21. Juni 2005, im September 2004 und auch noch in der Folgezeit sei eine leichte bis mittelschwere Arbeit mit der Möglichkeit wechselnder Körperhaltung sechs Stunden täglich und mehr möglich gewesen. Die qualitativen Einschränkungen betreffen besonderen Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über fünf bis sieben kg, Zwangshaltung, häufige Überkopfarbeiten, Arbeit in Kälte oder Nässe sowie - wegen angeborener Beeinträchtigung des Sehens - besondere Anforderungen an das räumliche Sehvermögen. Lediglich die auf Dauer als ungeeignet zu erachtende Tätigkeit als Reinigungskraft hatte anhaltende Schulter-Nacken-Armbeschwerden rechts hervorgerufen. Der Bandscheibenvorfall L5/S1 ohne Nervenwurzelkompression hat intervallweise Kreuzbeschwerden ohne wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten bewirkt. Psychische Faktoren ("latente Fehlverarbeitungstendenzen") sowie auf Rauchen zurückzuführende Heiserkeit vermögen keine weitere Einschränkung zu begründen. Die Haushaltsarbeit in der jetzigen Ehe wurde anlässlich der gutachterlichen Untersuchung als nicht merklich eingeschränkt dargestellt. Soweit vom 20. bis 28. Januar 2005 eine stationäre Behandlung in der Fachklinik für Neurologie D. wegen Cervicobrachialgien, Globusgefühl sowie leichter depressiver Episode erforderlich geworden ist (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. Ma. vom 02. Februar 2005), hatte sich auch insoweit außer einem beginnenden Hinweis auf mittelgradiges Carpaltunnelsyndrom rechts kein dauerhaft leistungsbeeinträchtigender Befund herausgestellt. Kopf, Hals, Wirbelsäule, Hirnnerven, Motorik, Reflexe, Sensibilität und Koordination waren bei umfassender neurologischer Untersuchung unauffällig. Dies unterstreicht, dass noch für Januar 2005 eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen nicht erweislich ist.
Das gemäß § 109 SGG erstattete Gutachten des Dr. G., der auch behandelnder Arzt ist, vom 27. Oktober 2008 ist unter diesen Umständen nicht überzeugend. Der von Dr. G. gegebenen Leistungsbeurteilung, die Klägerin sei bereits seit März 2004 nicht mehr in der Lage gewesen, mehr als zwei Stunden erwerbstätig zu sein, die er bereits zuvor geäußert hatte (vgl. zuletzt Attest vom 29. April 2008), widerspricht bereits die Aufnahme einer - wenn auch nur dreitägig pro Woche - Arbeit als Reinigungskraft von drei Stunden täglich. Die von der Klägerin seit März 2004 gegenüber der Dr. Z.-R. angegebene Schmerzfreiheit nach der Operation im März 2004 wird nicht in die gutachterliche Beurteilung einbezogen. Eine schlüssige Begründung für die quantitative Leistungseinschränkung fehlt. Weshalb die Beurteilung des Entlassungsberichts (vom 13. Oktober 2003) der Rehabilitationsmaßnahme in der Rheumaklinik Bad Wurzach vom 24. September bis 15. Oktober 2003, die Klägerin sei weiterhin für leichte Tätigkeiten einsetzbar, keinen Bestand gehabt hätte, wird nicht deutlich. Laut dem Entlassungsbericht war die Klägerin ausdrücklich arbeitsfähig zum Heilverfahren gekommen. Die Erwägung eines Rentenantrags wurde verneint. Aus der weiteren Entwicklung bis September 2004 ist eine Abweichung von der in der Klinik getroffenen Beurteilung nicht nachvollziehbar. Dies erschließt sich auch nicht aus dem insoweit mit der Einschätzung durch Dr. G. übereinstimmenden Meinung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. (vgl. zuletzt Attest vom 16. Mai 2006).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Auch insoweit wäre festzuhalten, dass eine körperlich leichte Tätigkeit als Verkäuferin im Rahmen der Leistungsfähigkeit gelegen hätte, die im September 2004 noch bestanden hat.
Da die Klägerin von dem Antragsrecht nach § 109 SGG Gebrauch gemacht hat, war auch kein weiteres Gutachten nach § 109 SGG zu erheben. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung. Dies entspricht dem Grundsatz des Beweisrechts, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG SozR 3-1500 § 109 Nr. 1). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 Rdnr. 10b; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Februar 2006 - L 1 U 2572/05 -, veröffentlicht in juris). Solche sind nicht gegeben. Die Beweislage hat sich nach dem im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erhobenen Gutachten des Dr. G. nicht geändert. Bei unverändertem Sachverhalt muss im Berufungsverfahren kein neues Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden (BSG SozR Nr. 18 zu § 109 SGG; LSG Baden-Württemberg a.a.O.).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1957 geborene Klägerin durchlief von Oktober 1972 bis Juni 1974 eine Ausbildung zur Verkäuferin und blieb noch bis Dezember 1974 in diesem Beruf tätig. In den Jahren 1975, 1978 und 1981 wurden ihre drei Kinder geboren. Im Juli 1988 kehrte die Klägerin auf Dauer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Verkauf zurück. Zwischendurch war sie vom 01. Oktober 1991 bis 15. Mai 1992 als Kellnerin und vom 01. April 1993 bis 30. September 1994 sowie vom 09. Mai bis 15. Oktober 1995 als Reinigungsmitarbeiterin beschäftigt. Nach ihren Angaben folgten vom 16. Oktober 1995 bis 31. Dezember 1998 eine Beschäftigung als Imbissmitarbeiterin, vom 07. Februar bis 30. April 2000 als Metallarbeiterin und vom 08. Mai 2000 bis 15. Januar 2001 als Kunststoffarbeiterin. Letztere beide Beschäftigungen habe sie wegen Allergien, die vorherigen wegen Wirbelsäulenleiden aufgegeben. Vom 01. August bis 15. Oktober 2001 ("Übergangsjob") und vom 01. November 2001 bis 31. März 2002 (Beendigung wegen "Personalabbau") war sie nochmals als Verkäuferin beschäftigt. Danach war sie arbeitslos, ohne sich arbeitslos zu melden. Von September 2002 bis Februar 2003 übte sie nach ihren Angaben noch ein "Minijob" bei einer Gaststätte aus; anschließend sei sie Hausfrau geblieben. Ab 01. September 2004 bestand eine versicherungsfreie Beschäftigung (anfänglich drei Stunden an drei Wochentagen) als Raumpflegerin bei der Gemeinde.
Nachdem sich die Klägerin vom 01. bis 13. Juli 1998 erstmals wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 in der Fachklinik für Neurologie D. aufgehalten hatte, wurde sie im Juli 2001 wegen Beschwerden der Halswirbelsäule beim Orthopäden Dr. H. behandelt (Arztbrief an Praktischen Arzt Dr. S. vom 31. Juli 2001). Es folgten Behandlungen beim Orthopäden Dr. M., L. (Arztbrief vom 11. Juni 2003) wegen Brustwirbelsäule sowie bei der Neurologin Dr. B. (Arztbriefe vom 13. Juni und 29. Juli 2003) wegen der Halswirbelsäule. Vom 24. September bis 15. Oktober 2003 nahm die Klägerin an einer von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) bewilligten Heilmaßnahme in der Rheumaklinik B. W. teil. Die Diagnosen lauteten auf chronisch rezidivierendes Cervicalsyndrom mit Kopf- und Armbeschwerden bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall C3/4, Bandscheibenvorwölbung C4-6 mit Wurzelreizsymptomatik C6 rechts; chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit rezidivierender Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L5/S1 links; ferner ernährungsbedingtes Übergewicht (Entlassungsbericht Prof. Dr. J. vom 13. Oktober 2003). Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig für Tätigkeiten ohne Wirbelsäulenzwangshaltung, schweres Heben und Tragen oder häufiges Bücken. Im März 2004 erfolgte eine Bandscheibenfachausräumung und Sequesterexstirpation im Bereich des Halswirbelkörpers 5/6, eine knöchern ligamentäre Nervenwurzedekompression sowie eine ventrale Spondylodese mit Bandscheibenprothese C 4/5. Vom 20. bis 28. Januar 2005 erfolgte nochmals eine stationäre Behandlung in der Fachklinik D. (Arztbrief des Prof. Dr. Ma. vom 02. Februar 2005, Hauptdiagnose: Cervicobrachialgien, Nebendiagnosen: Globusgefühl im Hals und leichte depressive Episode). Es fand noch eine Vorstellung in der Sprechstunde für spezielle orthopädische Schmerztherapie des Universitätsklinikums Ulm statt (Arztbrief Oberarzt Dr. K. vom 07. April 2005);
Am 17. Mai 2005 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Fachärztin für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren/Sozialmedizin Dr. Z.-R. vom Regionalzentrum U. der Beklagten erstattete in Kenntnis der zitierten Befunde das Gutachten vom 21. Juni 2005. Die Klägerin habe angegeben, nach einer Spondylodese C5/6 schmerzfrei gewesen zu sein und dann im September 2004 die Tätigkeit als Reinigungskraft aufgenommen zu haben. Im Anschluss hieran habe sie wegen ausstrahlender Nackenbeschwerden zunehmend mehr Schmerzmittel eingenommen. Seit Februar 2005 seien außer der Einnahme von Schmerzmitteln keine Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Die Gutachterin nannte als Diagnosen: Anhaltende Schulter-Nacken-Armbeschwerden rechts seit September 2004 nach Tätigkeitsantritt bei muskulären Dysbalancen und Fehlstatik sowie Verblockung C5/6; Bandscheibenvorfall L5/S1 seit etwa 1998 ohne Nervenwurzelkompression oder sensomotorisches Defizit, zeitweise Rückenbeschwerden; "interne und externe Kontextfaktoren" mit latenten Fehlverarbeitungstendenzen sowie Heiserkeit bei Risikofaktor Rauchen. Leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit des Haltungswechsels seien 6 Stunden und mehr möglich. Zu vermeiden seien besonderer Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über fünf bis sieben kg, Überkopfarbeiten, Kälte und Nässe; an das räumliche Sehvermögen dürften keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Die Tätigkeit als Reinigungskraft sei mit häufigen Zwangshaltungen verbunden und könne nur noch unter drei Stunden ausgeübt werden.
Durch Bescheid vom 22. Juli 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Diesem könne schon deshalb nicht entsprochen werden, weil in den letzten fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden seien; im Zeitraum vom 17. Mai 2000 bis 16. Mai 2005 seien nur zwei Jahre und vier Kalendermonate mit Beiträgen belegt und Verlängerungstatbestände griffen nicht ein. Nach dem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf wurde zuletzt im August 2002 ein Pflichtbeitrag entrichtet.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie sei bereits seit Januar 2003 erwerbsgemindert. Arbeitslos habe sie sich aus Unwissenheit nicht gemeldet. Beigefügt waren der Arztbrief des Facharztes für Neuchirurgie Dr. G. vom 04. August 2005, aufgrund des MRT-Befundes sei eine Indikation zur Dekompression und ventralen Fusion der Halswirbelkörper 4/5 gegeben; ferner der Bericht des Radiologen Dr. F. vom 15. Juli 2005, gegenüber einer Voruntersuchung vom 16. August 2004 zeige sich jetzt eine breitbasige Vorwölbung der Bandscheibe HWK 4/5 mit höhergradiger Spinalkanalstenose.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2005. Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin nicht als erfüllt anzusehen.
Mit der am 14. November 2005 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, die Erwerbsminderung bestehe schon seit 2003. Im Februar dieses Jahres habe sie eine Art Hexenschuss erlitten. Sie habe wahllos Schmerztabletten genommen und daraufhin ihre Stelle als Bedienung verloren. Im Juni 2003 seien Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich festgestellt worden und im März 2004 der erste Halswirbel versteift. Da zunächst keine Kopfschmerzen mehr bestanden hätten, habe sie im September 2004 die neue Stelle angenommen. Von da an habe sie immer mehr Tabletten nehmen müssen. Spätestens im März 2004 müsse Erwerbsminderung vorgelegen haben. Dies hätten die Arztbriefe im Widerspruchsverfahren bestätigt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und stellte klar, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis einschließlich September 2004 erfüllt wären.
Durch Urteil vom 04. April 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Gutachterin Dr. Z.-R. habe noch im Juni 2005 eine Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich genannt. Die Klägerin könne auch neun Monate zuvor nicht erwerbsgemindert gewesen sein. Dies werde auch durch den Entlassungsbericht (des Prof. Dr. J.) vom 13. Oktober 2003 bestätigt.
Gegen das am 19. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Juni 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat unter Vorlage von Attesten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 16. Mai 2006 und des Facharztes für Neurochirurgie Dr. G. vom 29. April 2008 geltend gemacht, aufgrund der seit März 2004 einsetzenden anhaltenden Verschlechterung des Zustands sei sie bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, mehr als zwei Stunden erwerbstätig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt habe sie noch nicht einmal den Haushalt eigenständig führen können. Die Betätigung als Reinigungskraft habe wegen der anhaltenden und immer stärker werdenden Schmerzen aufgegeben werden müssen. Sie könne kaum noch länger als eine Stunde auf den Beinen sein.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2005 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Juni 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Durch Bescheid vom 28. August 2007 ist der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 24. November 2006 abgelehnt worden; hierzu hat der Ambulanzbrief der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Klinikums R. M. vom 14. Dezember 2006 vorgelegen (Zustand nach Implantation einer Bandscheibenprothese C4/5 sowie einer Spondylodese C5/6; persistierende Nackenschmerzen und brachialgiforme Schmerzen rechts in C6/Projektion; kein sicheres motorisches Defizit).
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Neurochirurgie Dr. G. vom 27. Oktober 2008 eingeholt. Eine nochmalige Untersuchung durch diesen - behandelnden - Arzt ist unterblieben. Der Sachverständige hat als Diagnose auf neurochirurgischem Fachgebiet genannt ein multisegmentales cervicales degeneratives Syndrom mit Zustand nach Fusion HW5/6, Prothesenimplantation HW4/5, Revision HW4/5 und Fusion HW4-6; ferner anhaltendes cervicales Facettensyndrom. Im September 2004 sei eine täglich sechsstündige Arbeit grundsätzlich auszuschließen gewesen. Eine leichte Arbeit in wechselnder Haltung ohne qualitative Einschränkungen sei bis zu drei Stunden möglich gewesen. Auch nach regelrechtem Verlauf der vier Operationen hätten im Zeitraum von mehreren Monaten an der Wirbelsäule Einschränkungen bestanden. Der Zustand bestehe seit 2003. Anhaltende Beschwerdefreiheit sei nicht zu erzielen gewesen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu durch Schreiben vom 18. November 2008 gehört worden. Anlass, von der angekündigten Entscheidungsform abzugehen, hat sich - auch aufgrund des Schriftsatzes vom 15. Dezember 2008 - nicht mehr ergeben.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG vom 04. April 2006 ist als zutreffend zu bestätigen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2005 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat ab 01. Juni 2005 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und im welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI oder § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ("Drei-Fünftel-Belegung" mit Pflichtbeitragszeiten) erfüllen zu können, müsste ein Tatbestand der Erwerbsminderung der Klägerin spätestens im September 2004 eingetreten sein. Dies ergibt sich daraus, dass, nachdem die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Verkäuferin mit 31. März 2002 geendet hatte, bis 11. August 2002 noch Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung der Arbeiter mit einem beitragspflichtigen Entgelt von (01. Januar bis 11. August 2002) insgesamt EUR 844,00 gemeldet sind. Der hierfür zugrunde liegende Tatbestand ist von der Klägerin nicht näher bezeichnet worden. Anschließende "Streckungszeiten" etwa der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit (vgl. hierzu im Einzelnen § 43 Abs. 4 SGB VI) sind nicht geltend gemacht und auch aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Auf die von der Beklagten vorgelegte Wartezeitaufstellung vom 06. Dezember 2005 (Blatt 14 der SG-Akte) wird Bezug genommen Im September 2004 hat aus den im Folgenden darzulegenden Gründen Erwerbsminderung nicht bestanden.
Die Klägerin war vor September 2004 zuletzt (vgl. Auszug der Deutschen Angestellten-Krankenkasse vom 10. November 2006, Blatt M9 der Reha-Akte) vom 09. bis 15. Oktober 2001 sowie vom 21. bis 25. Januar 2002 wegen einer Magen-Darm-Erkrankung, die nicht als rentenerheblich geltend gemacht worden ist, arbeitsunfähig gewesen. Die Beschäftigung als Verkäuferin wurde zum 31. März 2002 nach eigenen Angaben wegen Personalabbau, nicht jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Weitere Krankmeldungen oder Arbeitslosmeldungen erfolgten nicht; die Klägerin ist ihren Angaben zufolge Hausfrau geblieben. Zum 01. September 2004 hat die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung (dreimal drei Stunden wöchentlich) bei der Gemeinde B. aufgenommen. Diese bestand (vgl. Angaben im Gutachten Dr. Z.-R. vom 21. Juni 2005) darin, dass in der Schule Fenster, Klassenzimmer, Schwimmbad, Turnhalle und Toiletten zu reinigen waren, mit Auf- und Abstuhlen, Bodenreinigung und Nasswischen. Diese Tätigkeit wurde bis ins Jahr 2005 hinein fortgesetzt, ohne dass vor dem 17. Mai 2005 ein Rentenantrag erwogen wurde. Erst im Lauf der Beschäftigung hat sich herausgestellt, dass diese auf Dauer ungünstig bleiben würde.
Unter Berücksichtigung der weiteren Angabe, nach der Bandscheibenfachausräumung C5/6 mit ventraler Spondylodese im März 2004 in der N.-klinik Bi. habe Schmerzfreiheit bestanden, überzeugt die gutachterliche Beurteilung der Fachärztin Dr. Z.-R. vom 21. Juni 2005, im September 2004 und auch noch in der Folgezeit sei eine leichte bis mittelschwere Arbeit mit der Möglichkeit wechselnder Körperhaltung sechs Stunden täglich und mehr möglich gewesen. Die qualitativen Einschränkungen betreffen besonderen Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über fünf bis sieben kg, Zwangshaltung, häufige Überkopfarbeiten, Arbeit in Kälte oder Nässe sowie - wegen angeborener Beeinträchtigung des Sehens - besondere Anforderungen an das räumliche Sehvermögen. Lediglich die auf Dauer als ungeeignet zu erachtende Tätigkeit als Reinigungskraft hatte anhaltende Schulter-Nacken-Armbeschwerden rechts hervorgerufen. Der Bandscheibenvorfall L5/S1 ohne Nervenwurzelkompression hat intervallweise Kreuzbeschwerden ohne wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten bewirkt. Psychische Faktoren ("latente Fehlverarbeitungstendenzen") sowie auf Rauchen zurückzuführende Heiserkeit vermögen keine weitere Einschränkung zu begründen. Die Haushaltsarbeit in der jetzigen Ehe wurde anlässlich der gutachterlichen Untersuchung als nicht merklich eingeschränkt dargestellt. Soweit vom 20. bis 28. Januar 2005 eine stationäre Behandlung in der Fachklinik für Neurologie D. wegen Cervicobrachialgien, Globusgefühl sowie leichter depressiver Episode erforderlich geworden ist (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. Ma. vom 02. Februar 2005), hatte sich auch insoweit außer einem beginnenden Hinweis auf mittelgradiges Carpaltunnelsyndrom rechts kein dauerhaft leistungsbeeinträchtigender Befund herausgestellt. Kopf, Hals, Wirbelsäule, Hirnnerven, Motorik, Reflexe, Sensibilität und Koordination waren bei umfassender neurologischer Untersuchung unauffällig. Dies unterstreicht, dass noch für Januar 2005 eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen nicht erweislich ist.
Das gemäß § 109 SGG erstattete Gutachten des Dr. G., der auch behandelnder Arzt ist, vom 27. Oktober 2008 ist unter diesen Umständen nicht überzeugend. Der von Dr. G. gegebenen Leistungsbeurteilung, die Klägerin sei bereits seit März 2004 nicht mehr in der Lage gewesen, mehr als zwei Stunden erwerbstätig zu sein, die er bereits zuvor geäußert hatte (vgl. zuletzt Attest vom 29. April 2008), widerspricht bereits die Aufnahme einer - wenn auch nur dreitägig pro Woche - Arbeit als Reinigungskraft von drei Stunden täglich. Die von der Klägerin seit März 2004 gegenüber der Dr. Z.-R. angegebene Schmerzfreiheit nach der Operation im März 2004 wird nicht in die gutachterliche Beurteilung einbezogen. Eine schlüssige Begründung für die quantitative Leistungseinschränkung fehlt. Weshalb die Beurteilung des Entlassungsberichts (vom 13. Oktober 2003) der Rehabilitationsmaßnahme in der Rheumaklinik Bad Wurzach vom 24. September bis 15. Oktober 2003, die Klägerin sei weiterhin für leichte Tätigkeiten einsetzbar, keinen Bestand gehabt hätte, wird nicht deutlich. Laut dem Entlassungsbericht war die Klägerin ausdrücklich arbeitsfähig zum Heilverfahren gekommen. Die Erwägung eines Rentenantrags wurde verneint. Aus der weiteren Entwicklung bis September 2004 ist eine Abweichung von der in der Klinik getroffenen Beurteilung nicht nachvollziehbar. Dies erschließt sich auch nicht aus dem insoweit mit der Einschätzung durch Dr. G. übereinstimmenden Meinung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. (vgl. zuletzt Attest vom 16. Mai 2006).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Auch insoweit wäre festzuhalten, dass eine körperlich leichte Tätigkeit als Verkäuferin im Rahmen der Leistungsfähigkeit gelegen hätte, die im September 2004 noch bestanden hat.
Da die Klägerin von dem Antragsrecht nach § 109 SGG Gebrauch gemacht hat, war auch kein weiteres Gutachten nach § 109 SGG zu erheben. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung. Dies entspricht dem Grundsatz des Beweisrechts, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG SozR 3-1500 § 109 Nr. 1). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 Rdnr. 10b; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Februar 2006 - L 1 U 2572/05 -, veröffentlicht in juris). Solche sind nicht gegeben. Die Beweislage hat sich nach dem im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erhobenen Gutachten des Dr. G. nicht geändert. Bei unverändertem Sachverhalt muss im Berufungsverfahren kein neues Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden (BSG SozR Nr. 18 zu § 109 SGG; LSG Baden-Württemberg a.a.O.).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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