L 7 AS 3614/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 5722/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3614/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei den in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Bezug genommenen Eingliederungsleistungen des SGB III handelt es sich um Ermessensleistungen. Die Ermessensausübung ist allerdings darauf beschränkt, ob die im SGB III näher ausgestalteten Leistungen nach ihren dort aufgeführten Inhalten gewährt werden.
2. Fahrkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendelkosten) sind nach den in § 81 Abs. 2 SGB III geregelten Leistungssätzen auch SGB II-Leistungsberechtigten zu erstatten; ein (Auswahl-) Ermessen des Grundsicherungsträgers zur Festsetzung niedrigerer Sätze besteht nicht.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger weitere Fahrkosten in Höhe von 593,40 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kostenerstattung für Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Bildungsstätte (sog. Pendelkosten).

Der am 6. Oktober 1964 geborene Kläger, der vom Beklagten seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhält, nahm in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 2006 und dem 14. Mai 2007 an insgesamt 129 Tagen an einer Qualifizierungsmaßnahme bei der Fa. Quantum in Offenburg teil. Am 30. November 2006 beantragte er die Übernahme der Fahrkosten. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2006 gewährte der Beklagte zunächst eine einmalige Leistung für Fahrkosten für den Zeitraum bis einschließlich November 2006 nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Höhe von 88,30 EUR, was den Kosten für zwei Wochen- und eine Monatskarte für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in diesem Zeitraum entsprach. Hierzu wurde ausgeführt, die Kosten für die Fahrten mit einem privaten Pkw könnten nicht übernommen werden, da der Lehrgangsort gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und die Monatskarte für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel weitaus günstiger sei. Dagegen ließ der Kläger am 2. Januar 2007 Widerspruch erheben mit der Begründung, der Kursort sei gerade nicht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Um zum Lehrgangsbeginn um 7.30 Uhr in Offenburg zu sein, müsse er das Haus um 5.45 Uhr verlassen, benötige also 1 ¾ Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln; Gleiches gelte für die Rückfahrt. Er sei damit täglich drei Stunden unterwegs anstatt insgesamt einer Stunde, die er bei Benutzung des eigenen privaten Pkw benötige.

Mit Änderungs- und Abhilfebescheid vom 6. Juli 2007 wurden dem Kläger Fahrkosten für die Fahrten mit dem privaten Pkw zur Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme in Höhe von insgesamt 645,- EUR bewilligt. Diese errechneten sich aus dem Besuch der Maßnahme an 129 Tagen unter Berücksichtigung einer einfachen Fahrstrecke von 25 km und einem zugrunde gelegten Kilometersatz von 0,20 EUR. Dagegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 2007 Widerspruch erheben mit der Begründung, die kürzeste einfache Fahrstrecke betrage 24,1 km. Nach § 81 Abs. 2 SGB III seien für die ersten zehn Entfernungskilometer 0,36 EUR/km und ab dem elften Entfernungskilometer 0,40 EUR/km zu Grunde zu legen; es fielen daher pro Tag 9,20 EUR Fahrkosten an. Daraus ergebe sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.186,80 EUR.

Am 2. November 2007 erhob der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2007 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Juli 2007 zurückgewiesen mit der Begründung, nach der hier angewandten Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 b Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (i.d.F. vom 22. August 2005, BGBl. I S. 2499 (Alg II-V 2005)) würden bei Benutzung eines Pkw für die Fahrt zwischen Wohn- und Arbeitsstätte 0,20 EUR je Entfernungskilometer erstattet. Bei einer Entfernung von 25 km ergebe sich daher ein Betrag von insgesamt 645,- EUR. Daraufhin stellte der Kläger die Klage um und machte die Erstattung restlicher Fahrkosten in Höhe von 593,40 EUR geltend mit der Begründung, die Alg II-V beziehe sich nur auf die Einkommensermittlung und könne nicht zur Erstattungsberechnung von Fahrkosten herangezogen werden. Der Beklagte habe sein Ermessen aus § 16 SGB II bereits durch die Kostengrundentscheidung ausgeübt. Bezüglich der Höhe der Kostenerstattung räume § 81 Abs. 2 SGB III kein Ermessen ein. Bei einer vom Beklagten angenommenen Entfernung von 25 km betrage der Erstattungsanspruch somit insgesamt 1238,40 EUR.

Mit Urteil vom 8. Juli 2008 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 6. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2007 verpflichtet, dem Kläger weitere 593,40 EUR Fahrkosten zu bewilligen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II könne die Agentur für Arbeit u.a. die im Ersten bis Dritten (§§ 45-55) und Sechsten Abschnitt (§§ 77-87) des Vierten Kapitels des SGB III geregelten Leistungen erbringen. Soweit das SGB II nichts Abweichendes regele, fänden für diese Leistungen nach § 16 Abs. 1 a SGB II die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des SGB III Anwendung. Nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III könnten Fahrkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendelfahrten) übernommen werden. Dabei seien nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift als Fahrkosten für jeden Tag, an dem der Teilnehmer die Bildungsstätte aufsuche, für die ersten zehn vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Bildungsstätte 0,36 EUR und für jeden weiteren vollen Kilometer 0,40 EUR als Entfernungspauschale anzusetzen. Die Entscheidung, ob Fahrkosten erstattet würden, stehe sowohl nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II als auch nach § 81 Abs. 1 SGB III im Ermessen des Leistungsträgers. Dieses Ermessen beziehe sich entgegen der Auffassung des Beklagten jedoch nur auf die Frage, ob Leistungen erbracht würden, nicht auf die Höhe der Leistungsgewährung. Der Gesetzgeber habe die Frage, ob § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II auch ein Ermessen bezüglich des Umfangs der dort genannten Leistungen eröffne, nicht ausdrücklich geregelt. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/2997, 24 zu Art. 1 Nr. 9a) werde ausgeführt, dass es sich bei den jetzt in § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II genannten Leistungen um solche handele, deren Erbringung auch dann im Ermessen stehe, wenn es sich nach dem SGB III um Pflichtleistungen handele. Damit werde jedoch nur klargestellt, dass das "Ob" der Leistungserbringung in jedem Fall im Ermessen des Leistungsträgers stehe, somit ein Entschließungsermessen bestehe. Ob jedoch die Rechtsfolgen auch dann im Ermessen stünden, wenn sie im SGB III ausdrücklich geregelt würden, also ein Auswahlermessen bestehe, könne dieser Begründung nicht entnommen werden. Bereits aus dem Wortlaut von § 16 Abs. la SGB II, wonach für Leistungen des Abs. 1 die Rechtsfolgen des SGB III gelten, wenn das SGB II nichts Abweichendes regele, ergebe sich jedoch, dass nur die Frage des "Ob" der Leistungsgewährung im Ermessen des Leistungsträgers stehen könne. Eine abweichende Regelung im Sinne des § 16 Abs. la, 1. Halbsatz SGB II bestehe im SGB II nicht. Die Regelung des Abs. 1 S. 2 SGB II könne nicht als andere Regelung in diesem Sinne verstanden werden. Dagegen spreche die systematische Stellung dieser Vorschrift, da in diesem Fall die Regelung des Abs. la, 1. Halbsatz, der ausdrücklich von den Leistungen des Abs. 1 spreche, keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Mit abweichender Regelung könne daher nur eine Regelung im SGB II außerhalb des § 16 Abs. 1 SGB II gemeint sein. Die Vorschriften der Alg II-V stellten keine Regelungen des SGB II im Sinne dieser Vorschrift dar. Im Übrigen dienten sie der Berechnung des Einkommens und enthielten keine Regelung zur Kostenerstattung. Zudem sei kein Grund ersichtlich, warum Empfänger von Arbeitslosengeld (Alg) II hinsichtlich einer Fahrkostenerstattung nach § 81 SGB III anders behandelt werden sollten als Empfänger von Alg I, indem sie für eine mit ihrem privaten Pkw zurückgelegte Strecke eine niedrigere pauschalierte Kostenerstattung erhielten. Der Beklagte habe sein ihm zustehendes Ermessen durch die Entscheidung, dem Kläger Fahrkosten zu erstatten, ausgeübt. Bezüglich der Höhe sei er an die Regelung in § 81 Abs. 2 SGB III gebunden. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf eine tägliche Fahrkostenpauschale in Höhe von 9,60 EUR (10 km - 0,36 EUR + 15 km - 0,40 EUR). Bei 129 Ausbildungstagen ergebe sich eine Fahrkostenpauschale in Höhe von 1.238,40 EUR. Abzüglich der bereits vom Beklagten geleisteten 645,- EUR habe der Kläger Anspruch auf den begehrten Differenzbetrag in Höhe von 593,40 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das dem Beklagten am 21. Juli 2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil Bezug genommen.

Am 30. Juli 2008 hat der Beklagte die vom SG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das SG habe zwar zutreffend festgestellt, dass der SGB II-Leistungsträger nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II u.a. die im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III geregelten Leistungen erbringen könne. Diese Eingliederungsleistungen stünden aber im Ermessen des Leistungsträgers. Die Wirkung der Regelung sei zunächst die, dass die in Bezug genommenen Leistungsarten des SGB III dem Grunde nach Ermessensleistungen seien, auch wenn sie im SGB III als Anspruchsleistungen ausgestaltet seien. Von den aufgezählten Leistungen seien das aber nur die Beratung (§§ 29 bis 43 SGB III), der Vermittlungsgutschein (§ 421 g SGB III) und die Tragung der Beiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (§ 421 k SGB III). Wenn nur diese Wirkung beabsichtigt gewesen wäre, dann hätte es aber bei den Leistungen, die im SGB III als Ermessensleistungen ausgestaltet sind, ausgereicht, die Vorschriften des SGB III für "entsprechend anwendbar" zu erklären. Der Vergleich mit Abs. 1 Satz 3 und 4, bei dem der Gesetzgeber diese Technik verwendet habe, mache deutlich, dass die Wirkung des Abs. 1 Satz 2 weiter gehe; es werde auch der Leistungsumfang in das Ermessen der Leistungsträger gestellt (so ganz deutlich der Gesetzgeber in BT-Dr. 15/2997, 24 zu Art. 1 Nr. 9a). Aus Abs. 1 a ergebe sich nichts anderes; diese Vorschrift stelle nur klar, welche Rechtsfolgen überhaupt möglich seien.

Die vom SG aufgeworfene Frage, aus welchem Grund Empfänger von Alg II hinsichtlich einer Fahrkostenerstattung anders als Empfänger von Alg I behandelt werden sollten, lasse sich damit beantworten, dass es sich bei den Alg I-Leistungen um beitragsbezogene Versicherungsleistungen handele, während das Alg II eine staatliche Fürsorgeleistung zur Existenzsicherung darstelle. Darum seien unterschiedliche Maßstäbe gerechtfertigt. Unbestritten komme § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) Alg II-V hier nicht unmittelbar zur Anwendung. Die Vorschrift zeige jedoch, dass sich auch der Gesetzgeber von den Maßstäben des Einkommensteuerrechts, welche der Regelung des § 81 Abs. 2 SGB III zu Grunde lägen, gelöst und geringere Absetzungsbeträge festgelegt habe. Zur weiteren Begründung hat der Beklagte auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Stade vom 17. Januar 2007 ( S 28 AS 419/05) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Berichterstatter des Senats hat am 11. September 2008 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes durchgeführt. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist wegen der für den Senat bindenden Zulassung durch das SG (vgl. § 144 Abs. 3 SGG) auch statthaft. Sie ist jedoch in der Sache unbegründet.

Gegenstand der zunächst als Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG zulässigerweise erhobenen und nach Erlass des negativen Widerspruchsbescheids sachdienlich i.S. des § 99 Abs. 1 SGG umgestellten Klage und damit auch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (allein) der Anspruch des Klägers auf Erstattung von Fahrkosten. Bei den geltend gemachten Pendelkosten handelt es sich um einen von den übrigen Leistungen des SGB II abtrennbaren, eigenständigen Streitgegenstand (vgl. entsprechend für Reisekosten zu einem Beratungstermin Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 50/06 R - SozR 4-4200 § 59 Nr. 1; zur Beschränkung des Streitgegenstandes s. auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Dementsprechend hat der Beklagte mit gesonderten Bescheiden über den Erstattungsantrag des Klägers entschieden. Dagegen ist die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) statthaft.

Der Kläger, der sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt und insbesondere hilfebedürftig i.S. der Nr. 3 ist, hat Anspruch auf Übernahme auch der restlichen Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (sog. Pendelkosten). Die Erstattung von Pendelkosten richtet sich nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V. mit § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB III. Wie die Formulierung in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II ("kann erbringen") klarstellt, handelt es bei den Eingliederungsleistungen nach dieser Bestimmung - im Gegensatz zu den Pflichtleistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II - um Ermessensleistungen. Das gilt auch in den Fällen, in denen nach dem SGB III in den Vorschriften, auf welche sich die Verweisung bezieht, eine Pflichtleistung geregelt ist. Das Ermessen erstreckt sich allerdings regelmäßig auf das "Ob" (= Entschließungsermessen), auf das "Wie" (= Auswahlermessen) der Leistungserbringung jedoch nur, soweit dies auch im SGB III vorgesehen ist (Eicher in ders./Spellbrink, SGB II 2. Aufl., § 16 Rdnr. 62; Harks in jPK-SGB II, Rdnr. 36). Der Auffassung, wonach eine Ermessensleistung grundsätzlich auch dem Inhalt der Leistungen bzw. deren jeweiliger Höhe nach anzunehmen ist (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Juli 2007 - L 5 B 549/07 AS ER - (juris); Schumacher in Oestreicher, SGB XII/SGB II, Stand 01.03.2007, § 16 SGB II Rn. 27; Niewald in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 16 Rn. 7), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn weder bei einer Rechtsgrund- noch bei einer Rechtsfolgenverweisung kann davon ausgegangen werden, dass der Inhalt der in Bezug genommenen Rechtsfolgen ohne ausdrückliche Ermächtigung erheblich modifiziert werden kann. Außerdem würde dadurch für den Leistungsträger ein wohl kaum beabsichtigter Entscheidungsspielraum geschaffen, der im Ergebnis zu einer weitgehend freien Förderung führen würde. Die Ermessensausübung ist vielmehr darauf beschränkt, ob die im SGB III näher ausgestalteten Leistungen nach ihren dort aufgeführten Inhalten gewährt werden (ebenso Eicher, a.a.O.; Harks, a.a.O.; Stark in Estelmann, SGB II, Stand Sept. 2008, § 16 Rdnr. 69; SG Berlin, Urteil vom 15. Januar 2006 - S 102 AS 4364/06 -; hiervon ausgehend wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. September 2007 - L 20 B 80/07 AS - (jeweils juris)).

Das gegenteilige Ergebnis lässt sich auch nicht ohne Weiteres aus der Gesetzesbegründung zu der zum 1. August 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II herleiten (so aber Niewald, a.a.O.). Denn in der hierfür in Bezug genommenen Bundestagsdrucksache (15/2997 zu Art. 1 Nr. 9a S. 24) ist - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - zwar davon die Rede, dass die Erbringung bestimmter Leistungen auch dann im Ermessen stehen solle, wenn es sich nach dem Dritten Buch um Pflichtleistungen handele; sehe das Dritte Buch hingegen hierbei eine Ermessensleistung vor, gelte dies nach Satz 2 (von § 16 Abs. 1 SGB II) auch im Zweiten Buch. Mit dieser Begründung ist aber noch nicht gesagt, dass das somit dem Grunde nach bestehende Ermessen des Leistungsträgers auch Art, Umfang und Höhe der Leistungsgewährung erfasst. Es ergibt sich hieraus nicht das Ermessen des Leistungsträgers, entgegen einer - wie hier in § 81 Abs. 2 SGB III - im Einzelfall gesetzlich festgelegten Leistungshöhe Leistungen in anderer Höhe gewähren zu dürfen.

Die abweichende, § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) Alg II-V 2005 - und die dortige Entfernungspauschale von 0,20 EUR - entsprechend anwendende Verwaltungspraxis des Beklagten lässt sich schließlich nicht unter Hinweis auf die unterschiedlichen Kreise der Leistungsbegünstigten - im SGB II einerseits und dem SGB III andererseits - bzw. der unterschiedlichen Finanzierung dieser staatlichen Leistungen rechtfertigen. Denn diese Verwaltungspraxis kann dazu führen, dass Hilfeempfänger nach dem SGB II entweder vor die schwer zu realisierende Aufgabe gestellt sind, aus der Regelleistung eventuell - sofern die gewährten Entfernungspauschalen nicht kostendeckend sind - auch noch die anteiligen, vom SGB II-Träger nicht erstatteten Pendelkosten anzusparen, wenn sie diese nicht wenigstens darlehensweise erhalten oder aber von der Teilnahme an solchen Maßnahmen aus Kostengründen absehen müssen. Letzteres wäre jedoch schon mit Blick darauf problematisch, dass nach dem gesetzgeberischen Willen auch Alg II-Empfänger möglichst zügig wieder in Arbeit zu bringen sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Diesem vorrangigen Ziel des SGB II dienen auch die Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II. Dass die Kilometerpauschalen des § 81 Abs. 2 SGB III nicht nur höher sind als die nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) Alg II-V 2005, sondern auch als die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. §§ 45 Satz 2 Nr. 2, 46 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 5 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz mit der Folge, dass z. B. Fahrten zu Weiterbildungen - wie hier - höher entschädigt werden als solche zu Melde- und Beratungsterminen (s. dazu auch BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 50/06 R - SozR 4-4200 § 59 Nr. 1), spricht nicht gegen dieses Ergebnis, sondern ist als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen.

Der Beklagte ist daher verpflichtet, auch die restlichen Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte - die (einfache) Entfernung beträgt 25 km, darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit - zu übernehmen (zur Berücksichtigung von Fahrkosten (nur) für jeden vollen Kilometer, s. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Die Berufung ist daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagte auf die erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage dementsprechend zu verurteilen - nicht zu verpflichten - ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) zuzulassen, da die Rechtsfrage, wie weit die Ermessensermächtigung des § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II reicht, für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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