L 12 AL 5054/08 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AL 181/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5054/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem erhöhten Leistungssatz unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags für die Zeit vom 8. Oktober bis 31. Dezember 2000.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. November 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 8. Oktober 2000 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 389,14 DM und Leistungsgruppe C mit einem Leistungssatz von 186,20 DM wöchentlich. Der Anspruch erlosch am 28. Mai 2001. Im Antrag hatte die Klägerin die Frage nach dem Bezug von Kindergeld verneint und nur ihr jüngstes Kind M. (geb. 1974) angegeben.

Im Januar 2005 machte die Klägerin geltend, sie benötige einen Termin bei der Leistungsabteilung zur Überprüfung ihrer damaligen Leistungen, da sie lediglich Leistungen in Höhe von 60% erhalten habe, obgleich sie ihr am 2. März 2000 geborenes Enkelkind M. H. betreut habe. In der Folgezeit legte sie einen Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 7. Februar 2005 vor, mit welchem die Zeit vom 1. April 2000 bis 31. März 2004 als Kindererziehungszeit anerkannt wurde.

Mit Änderungsbescheid vom 21. November 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Mai 2001 nach dem erhöhten Leistungssatz von 67% in Höhe von 207,90 DM wöchentlich. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe schon im Jahr 2000 angegeben, dass sie ihr Enkelkind betreue, ihr stehe eine Nachzahlung auch für den Zeitraum 8. Oktober bis 31. Dezember 2000 zu.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, gemäß § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) könnten bei Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 27. November 2000 Leistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor Eingang des Überprüfungsantrags erbracht werden, daher nicht für Zeiten vor dem 1. Januar 2001 (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2005).

Mit ihrer am 10. Januar 2006 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. September 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Aufhebung eines bestandskräftigen Bescheids sei rückwirkend nur für einen Zeitraum bis zu vier Jahren möglich. Zur Überzeugung der Kammer sei der Antrag auf Rücknahme frühestens im Jahr 2005 gestellt worden. Für den Zeitpunkt der Antragstellung sei die Klägerin beweispflichtig. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 1. Oktober 2008 zugestellten Urteil hat die Klägerin am 31. Oktober 2008 Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie verwahre sich dagegen, dass die Beklagte ihren Vortrag nicht für glaubwürdig halte. Sie habe bei Beantragung des Alg erwähnt, dass sie ein Kleinkind zu versorgen habe. Der Sachbearbeiter habe aus Unkenntnis das entsprechende Formular nicht akzeptiert und zurückgegeben, wofür ihr Ehemann als Zeuge benannt werde. Die mit der Familienkasse geführten Gespräche seien auf Weisung der Beklagten erfolgt zum Zwecke des Nachweises, dass ihr das Kindergeld zustehe. Die Familienkasse habe sogar die Bestätigung des Jugendamts gefordert, dass das Kind ausschließlich von ihr versorgt werde; diese Bestätigung habe sie im Juli 2004 erbracht. Als weiteren Nachweis habe die Beklagte die Anerkennung von Kindererziehungszeiten gefordert; dies sei durch die BfA erst am 7. Februar 2005 erfolgt. Aus dem Sachverhalt sei eindeutig ersichtlich, dass der Antrag auf Kinderzuschlag bereits im Jahr 2001 und wiederholt in 2004 gestellt worden sei.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zwar zulässig (§ 145 Abs. 1 SGG), jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts (SG) oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist die erforderliche Berufungssumme in Anbetracht des Beschwerdewerts von ungefähr 260 DM erreicht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen, sodass sie der Zulassung durch das LSG bedurft hätte. Eine solche Zulassung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 S. 2), mithin die Antwort darauf so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4 S. 5); dies ist insbesondere der Fall, wenn die bereits vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der Rechtsfrage gibt (BSG SozR 3-1500 § 146 Nr. 2). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, d.h. die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, d.h. die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage hinzutreten (vgl. dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr. 53; SozR 1500 § 160a Nr. 54). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7). Hinsichtlich von Tatsachenfragen kann über § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG eine Klärung nicht verlangt werden.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hier nicht. Das SG hat in Anwendung des § 44 SGB X unter zutreffender Wiedergabe der dortigen Voraussetzungen entschieden, dass im konkreten Fall ein Anspruch auf Alg nach dem erhöhten Leistungssatz für den streitigen Zeitraum nicht besteht. Dabei handelt es sich um eine schlichte Anwendung des Gesetzes im Einzelfall, die über diesen hinaus keine Bedeutung hat.

(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte liegt nicht vor. Eine solche setzt die Aufstellung eines Rechtssatzes voraus, der von einem von den genannten Gerichten aufgestellten objektiv abweicht. Dies ist hier nicht ersichtlich.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist weder dargetan noch erkennbar.

Soweit die Beschwerdeführerin in der Art einer Berufungsbegründung die sachliche Richtigkeit der Entscheidung rügt, kann damit unter keinem der genannten rechtlichen Gesichtspunkte eine Zulassung der Berufung begründet werden.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 22. September 2008 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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