Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2156/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 6060/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7.11.2007 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2007 sowie des Änderungsbescheids vom 27.06.2007 über die Neufestsetzung und Nachforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für die Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Nachzahlung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung.
Der 1976 geborene Kläger besuchte bis 30.7.1999 die G.-D.-Schule (Gewerbliches Schulzentrum), Sindelfingen (Schulbescheinigung Verwaltungsakte S. 5) und war bis 31.7.1999 über seine Mutter (Frau G. S., geboren 1938) nach Maßgabe des § 10 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) familienversichert. Seit 8.12.2006 ist der Kläger als Bezieher von Arbeitslosengeld II pflichtversichert (Verwaltungsakte S. 17).
Unter dem 4.2.2000 gab der Kläger eine Erklärung zur freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten ab; er werde ab 1.8.1999 freiwilliges Mitglied. Die Frage nach der derzeitigen Tätigkeit/Berufsbezeichnung beantwortete er mit "Probestudium"; über Einnahmen verfüge er nicht (Verwaltungsakte S. 6). Der Kläger legte außerdem einen Antrag auf Zulassung zum Studium an der Fernuniversität Hagen (Fernstudienzentrum Villingen-Schwenningen) vom 29.9.1999 vor (Verwaltungsakte S. 1). Der Hörerstatus war als "besonderer Gasthörer" bezeichnet.
Unter dem 24.2.2000 (Verwaltungsakte S. 7) teilte die Beklagte dem Kläger (ohne Beifügen einer Rechtsbehelfsbelehrung) mit, er sei ab 1.8.1999 als freiwilliges Mitglied versichert. Zugleich wurden der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag auf monatlich 81,70 DM bzw. 14,62 DM (insgesamt 96,32 DM) festgesetzt. Nähere Ausführungen zur Beitragsbemessung oder zum Beitragssatz enthält der Bescheid nicht.
Mit Anhörungsschreiben vom 18.5.2006 (Verwaltungsakte S. 9) unterrichtete die Beklagte den Kläger von der Absicht, die freiwillige Versicherung rückwirkend ab 1.8.1999 auf den allgemeinen Beitrag umzustellen. Eine Studien- oder Schulbescheinigung sei nicht vorgelegt worden; man gehe davon aus, dass die Schulausbildung beendet sei. Der Kläger trug hierauf unter dem 8.12.2006 vor, er beantrage einen Nachweis für einen dem Prinzip nach (ausbildungsförderungsrechtlich) förderungsfähigen Studiengang.
Nachdem die Fernuniversität Hagen der Beklagten mitgeteilt hatte, der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt ordentlich eingeschriebener Student gewesen (Verwaltungsakte S. 4), änderte die Beklagte den Beitragsbescheid vom 24.2.2000 (bzw. nachfolgende Bescheide) mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenem) Bescheid vom 27.12.2006 (Verwaltungsakte S. 13) ab und setzte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 neu fest (monatlicher Gesamtbeitrag: Dezember 2001 113,76 EUR, ab Januar 2002 116,46 EUR, ab Januar 2003 123,76 EUR, ab Januar 2004 125,58 EUR, ab Januar 2005 127,59 EUR, ab September 2005 126,78 EUR, ab Januar 2006 128,63 EUR). Dem Kläger wurde aufgegeben, Beiträge in Höhe von insgesamt 4.166,04 EUR nachzuzahlen; der Gesamtbeitrag für den Monat Dezember 2006 wurde auf 128,63 EUR festgesetzt.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, derzeit liege kein Beschäftigungsverhältnis vor, das die geforderte Beitragsnachzahlung rechtfertige. Die seinerzeit eingereichte Schulbescheinigung sei noch gültig. Er habe sich nicht arbeitslos gemeldet. Finanzielle Leistungen erhalte er nicht.
Mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenem und dem Kläger durch einfachen Brief bekannt gegebenen) Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe seinerzeit angegeben, ein Probestudium zu absolvieren, weshalb man die für Schüler geltenden Beiträge angesetzt habe. Da zu keiner Zeit eine Schulbescheinigung seit 1.8.1999 eingereicht worden sei, müssten die tatsächlich geschuldeten Beiträge gem. § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V bzw. § 19 ihrer Satzung für den gesamten Zeitraum der freiwilligen Mitgliedschaft rückwirkend nachberechnet und unter Beachtung der Verjährungsvorschriften nachgefordert werden. Vor Erlass des Widerspruchsbescheids war die Beitragsnachzahlung mit Bescheid vom 22.1.2007 unter Festsetzung von Säumniszuschlägen angemahnt worden (SG-Akte S. 13).
Mit Schreiben vom 15.5.2007 (Verwaltungsakte S. 25) beantragte der Kläger (u. a.), von der Pflichtversicherung bzw. der Beitragszahlung befreit zu werden. Er legte eine Studienbescheinigung der Fernuniversität Hagen für das Wintersemester 2002/03 (1.10.2002 bis 31.3.2003) sowie einen für den gleichen Zeitraum ausgestellten Studierendenausweis vor. Danach war der Kläger als Gasthörer zugelassen worden (Verwaltungsakte S. 23). Vorgelegt wurde am 11.5.2007 außerdem eine (für die Mutter des Klägers ausgestellte und nur teilweise ausgefüllte) Schulbescheinigung des Fernstudienzentrums Villingen-Schwenningen der Fernuniversität Hagen vom 9.11.2000 (Verwaltungsakte S. 22).
Mit Bescheid vom 16.5.2007 wurde dem Kläger gestattet, die Beitragsnachforderung in Monatsraten von 40 EUR ab 1.6.2007 zu begleichen. Mit weiterem Bescheid vom 16.5.2007 wurde der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Pflichtversicherung abgelehnt; der Kläger sei seit 8.12.2006 wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II pflichtversichert, die Befreiungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V seien nicht erfüllt.
Unter dem 15.5.2007 teilte die Fernuniversität Hagen der Beklagten auf Nachfrage (ergänzend) mit, der Kläger sei vom 1.10.1999 bis 31.3.2003 als Gasthörer zugelassen gewesen und zum 31.3.2003 exmatrikuliert worden (Verwaltungsakte S. 29).
Am 29.5.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen; er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen. Der Kläger legte Bescheinigungen der Volkshochschule Oberndorf vom 18.7.2002 und 5.5.2003 vor (SG-Akte S. 23,24). Danach hatte der Kläger vom 18.6. bis 18.7.2002 den Volkshochschulkurs "Einführung in objektorientiertes Programmieren" (40 Unterrichtsstunden) besucht und vom 10.2. bis 5.5.2003 am Volkshochschulkurs "Objektorientiertes Programmieren mit C++" (40 Unterrichtsstunden) regelmäßig teilgenommen. Ergänzend trug der Kläger vor, bis Anfang 2006 habe er die Weiterbildung zu Hause fortgeführt. Einkommen habe er nicht erzielt. Arbeitslosengeld II sei am 8.12.2006 bewilligt worden.
Die Beklagte trug vor, gem. § 240 SGB V i. V. m. den Bestimmungen ihrer Satzung und den Richtlinien zur Beitragseinstufung freiwilliger Mitglieder gelte für Schüler einer Fachschule oder Berufsfachschule und für Personen, die sonstige Berufsbildungseinrichtungen besuchten, die Beitragsberechnung gem. § 236 i. V. m. § 245 Abs. 1 SGB V. Die Teilnahme an einem Volkshochschulkurs sowie die Weiterbildung zu Hause begründeten keinen Schülerstatus im sozialversicherungsrechtlichen Sinn.
Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte den Bescheid vom 27.12.2006 durch weiteren (auch im Namen der Pflegekasse ergangenen) Bescheid vom 27.6.2007 (gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) ab (SG-Akte S. 20). Während der Zeit vom 1.10.2002 bis 31.3.2003 sei der Kläger als an der Fernuniversität Hagen eingeschriebener Gasthörer freiwillig versicherter Student gewesen; eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sei ausgeschlossen. Der für die Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 nachzuzahlende Gesamtbeitrag wurde auf 3.990,60 EUR (neu) festgesetzt.
Mit Urteil vom 7.11.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sei der Kläger nach Beendigung der Familienversicherung freiwillig versichert gewesen. Die Voraussetzungen für die Fortführung der Familienversicherung über das 23. Lebensjahr hinaus (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V) seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe die Beiträge zutreffend berechnet und Versicherungspflicht als Student (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) habe ebenfalls nicht bestanden. Die Zulassung als Gasthörer an der Fernuniversität Hagen begründe keine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten. Gasthörer seien nicht verpflichtet, regelmäßig Vorlesungen und Seminare zu besuchen und ggf. Prüfungen abzulegen. Die kontinuierliche Durchführung des Studiums sei für den Gasthörer nicht zwingend (vgl. auch BSG, Urt. vom 29.9.1992, - 12 RK 15/92 -: studienvorbereitende Sprachkurse). Die Teilnahme an Volkshochschulkursen oder die Weiterbildung zu Hause rechtfertige keine andere Sicht der Dinge. Die Beklagte habe die Verjährungsfrist des § 25 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) beachtet.
Auf das ihm am 22.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.12.2007 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7.11.2007 sowie den (auch im Namen der Pflegekasse ergangenen) Bescheid der Beklagten vom 27.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2007 und des Änderungsbescheids vom 27.6.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auf den Hinweis des Senats mit Schreiben vom 28.11. 2008, dass bei der nachträglichen Neufestsetzung höherer Krankenversicherungsbeiträge die Bestimmung des § 45 SGB X zur Anwendung komme und eine Ermessensentscheidung erfordere, die vorliegend gerade nicht getroffen worden sei, hat sie sich nicht weiter geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte hat mit (auch im Namen der Pflegekassen ergangenem) Bescheid vom 27.12.2006 (bzw. dem Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007 und dem gem. § 96 SGG Verfahrensgegenstand gewordenen Änderungsbescheid vom 27.6.2007) zwar die vom Kläger während der Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Nachhinein rechtsfehlerfrei festgesetzt (1.); die Beitragsfestsetzung im Bescheid vom 24.2.2000 (bzw. in ergangenen Folgebescheiden) war rechtswidrig. Bei der rückwirkenden Neufestsetzung der Beiträge und der Nachforderung zuwenig gezahlter Beiträge muss die Beklagte aber den Vertrauensschutz des Versicherten nach näherer Maßgabe des § 45 SGB X wahren. Dies ist hier nicht geschehen. Denn die Beklagte hat verkannt, dass sie gem. § 45 SGB X Ermessen hätte ausüben müssen (2.).
1. Für die Festsetzung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind die Bestimmungen des SGB V bzw. des Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in der während des streitigen Zeitraums (Dezember 2001 bis November 2006) geltenden Gesetzesfassung maßgeblich.
Gem. § 223 Abs. 1 SGB V (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI) sind die Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen. Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (§ 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Sie sind von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat; freiwillige Mitglieder tragen den Beitrag allein (§§ 252 Satz 1, 250 Abs. 2 SGB V; §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 3 SGB XI).
Die Beitragsbemessung wird für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 240 SGB V durch Satzung geregelt (vgl. zur Pflegeversicherung § 57 Abs. 4 SGB XI). Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahme. Hierauf nimmt § 19 der Satzung der Beklagten Bezug. Abweichende Regelungen für freiwillig versicherte Schüler einer Fach- oder Berufsfachschule enthält § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V (in der hier noch maßgeblichen Fassung), der die Bestimmungen des § 236 SGB V i. V. m. § 245 Abs. 1 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt. Gem. § 236 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahmen der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 und 10 SGB V Versicherungspflichtigen (Studenten und Praktikanten) ein Dreißigstel des Betrags, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz für nicht bei ihren Eltern wohnende Studenten festgesetzt ist.
Der Beitragssatz wird in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich durch Satzung festgelegt (vgl. § 241 SGB V). Für Studenten sieht § 245 Abs. 1 Satz 1 SGB V einen besonderen Beitragssatz vor. Er beträgt sieben Zehntel des vom Bundesministerium für Gesundheit jeweils zum 1. Januar festgestellten durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (zzgl. des zusätzlichen Beitragssatzes nach § 241a SGB V). Der für die Pflegeversicherung maßgebliche Beitragssatz folgt aus § 55 SGB XI.
Die Beklagte hat diese Bestimmungen bei Erlass der angefochtenen Bescheide zutreffend angewendet. Der Kläger war während der streitigen Zeit (Dezember 2001 bis November 2006) freiwilliges Mitglied der Beklagten und als solches gesetzlich pflegeversichert (§ 20 Abs. 3 SGB XI). Die Höhe der von ihm zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ist (soweit sie nach Ergehen des die Zeit vom 1.10.2002 bis 31.3.2003 betreffenden Änderungsbescheids vom 27.6.2007 noch streitig ist) fehlerfrei errechnet worden; Fehler in der Beitragsberechnung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Nach Beendigung der Familienversicherung über seine Mutter (§ 10 Abs. 1 und 2 SGB V) ist der Kläger kraft der Beitrittserklärung vom 4.2.2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden (§§ 188, 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Die Mitgliedschaft hat nicht wegen des Beginns einer Pflichtmitgliedschaft geendet (§ 191 Nr. 2 SGB V). Insbesondere wurde eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) nicht begründet.
Nach näherer Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sind Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, versicherungspflichtig (zur Krankenversicherung der Studenten). Die Versicherungspflicht dauert grundsätzlich bis zum Abschluss des vierzehnten Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahrs, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Versicherungsdauer möglich ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 SGB V). Der Gesetzgeber hat die Krankenversicherung der Studenten damit auf einen Altersabschnitt (grundsätzlich bis zum 30. Lebensjahr) begrenzt, in dem der Gesundheitszustand im Allgemeinen gut ist, und beitragsfrei versicherte Familienangehörige (§ 10 SGB V) oft noch nicht vorhanden sind. Dies beruht auf der Erwägung, dass die gesetzliche Krankenversicherung - unbeschadet ihrer Erweiterungen (hier auf Studenten) - im Kern als Versicherung der abhängig Beschäftigten konzipiert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) und mit Risiken von Personen, die typischerweise nicht zu ihrer Kernzuständigkeit gehören, an sich nicht belastet werden soll. Im Hinblick darauf muss die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 SGB V, die eine Verlängerung der Krankenversicherung der Studenten über das 30. Lebensjahr hinaus ermöglicht, eng ausgelegt werden (vgl. etwa LSG Saarland, Urt. v. 7.6.2006, - L 2 KR 2/05 –, unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 30.1.1997, - 12 RK 39/96 -). Nichts wesentlich anderes gilt für den Begriff des "eingeschriebenen Studenten" i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V. Der in der Krankenversicherung der Studenten versicherte Personenkreis soll mit der Bezugnahme auf die Einschreibung an der Hochschule festgelegt, zugleich aber auch begrenzt werden. Der Senat kann offen lassen, ob der hochschulrechtlichen Zurechnung von Personen zum Kreis der Studenten oder einer Anknüpfung allein an die Einschreibung für die Sozialversicherung ausnahmslos zu folgen wäre (zweifelnd insoweit BSG, Urt. v. 29.9.1992, - 12 RK 15/92 -). Gasthörer an Hochschulen sind jedenfalls nicht in der Krankenversicherung der Studenten versichert (so auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung der Krankenversicherung der Studenten BT-Drs. 7/2993 S. 8, II § 1 zu Nr. 1 - § 165 RVO – Buchstabe a). Das Sozialgericht hat dies richtig erkannt und zutreffend darauf verwiesen, dass Gasthörer, anders als reguläre Studenten, nicht verpflichtet sind, regelmäßig Lehrveranstaltungen zu besuchen und ggf. Prüfungen abzulegen. Teilnehmer an Volkshochschulkursen können von vornherein nicht Mitglieder der Krankenversicherung der Studenten sein, da Volkshochschulen nicht den Status staatlicher oder staatlich anerkannter Hochschulen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V haben; die Vorschrift nimmt insoweit auf das einschlägige Hochschulrecht Bezug.
Die vom Kläger als freiwilliges Mitglied der Beklagten geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind daher nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V bzw. des § 19 der Satzung der Beklagten zu bemessen. Die Sonderregelungen für versicherungspflichtige bzw. freiwillig versicherte Studenten oder Praktikanten (§§ 240 Abs. 4 Satz 4, 236, 245 SGB V) sind nicht einschlägig. Der Bescheid vom 24.2.2000 war daher insoweit rechtswidrig, als darin zu niedrige Beiträge festgesetzt worden waren; entsprechendes gilt für in der Folgezeit ergangene Beitragsbescheide.
2. Die Beklagte hätte bei der Neufestsetzung der ab Dezember 2001 geschuldeten Beiträge aber die Maßgaben des § 45 SGB X einschließlich der dort vorgesehenen Fristen (etwa in § 45 Abs. 3 SGB X) und nicht nur die Verjährungsvorschriften beachten müssen. Letzteres ist freilich geschehen, da Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, verjähren (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), die Beiträge ab Dezember 2001 nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen in § 23 SGB IV bzw. der Satzung der Beklagten zum 15.1.2002 fällig geworden sind und damit frühestens nach Ablauf des Jahres 2006 verjährt gewesen wären und schließlich der (die Verjährung gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bzw. den einschlägigen Bestimmungen des BGB unterbrechende) Nachforderungsbescheid unter dem 27.12.2006 erlassen und somit am 30.12.2006 wirksam wurde (§ 37 Abs. 2 SGB X).
Die Vorschrift des § 45 SGB X ist vorliegend anzuwenden. Die Beklagte hat unter dem 24.2.2000 (u.a.) die vom Kläger künftig geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt. Unbeschadet des Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung handelt es sich dabei (und bei entsprechenden Folgebescheiden) um einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X; hiervon geht auch die Beklagte (zu Recht) aus. Der Bescheid über die Festsetzung der monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge stellt als Verwaltungsakt mit Mischwirkung einen – auch – begünstigenden Verwaltungsakt i. S. d. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar (zum Begriff des Verwaltungsakts mit Mischwirkung näher etwa VG Osnabrück, - 6 A 162/03 - (jugendhilferechtlicher Kostenbeitragsbescheid); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. II § 46 VII Rdnr. 24). Er spricht ausdrücklich zwar (nur) eine belastende Regelung aus, indem der zu zahlende Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag festgesetzt wird. Der Bescheid begründet daneben aber gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein Recht des Beitragspflichtigen und enthält damit eine begünstigende Regelung insoweit, als er zugleich schlüssig festlegt, dass der Beitragspflichtige nicht nachträglich (bei gleichem Leistungsspektrum) zu einem höheren Beitrag herangezogen werden soll. Dies ergibt die Auslegung des Beitragsbescheids nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB (in entsprechender Anwendung). Aus Sicht des Klägers als Beitragspflichtigem soll mit dem nach Abgabe der Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung ergangenen Beitragsbescheid vom 24.2.2000 – vorbehaltlich etwaiger Anpassungen an veränderte Verhältnisse in der Zukunft (vgl. § 48 SGB X), wie geänderte Beitragssätze – nämlich abschließend über die an diesen Sachverhalt anknüpfende Beitragspflicht bzw. die Bemessung der geschuldeten Beiträge entschieden werden (vgl. dazu Schütze in von Wulffen, SGB X § 45 Rn 24 m.w.N., auch etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.3.2003, - L 16 KR 263/02 -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.10.2006, - L 5 ER 189/06 KR -; auch BVerwG, Urt. v. 2.9.1999, - 2 C 22/98 –, und Urt. v. 15.4.1983, - C 170/81 -; einschränkend OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.3.2001, - 16 A 4212/00 – (Elternbeiträge für Kindertagesstätte) unter Hinweis auf Rechtsgrundsätze des allgemeinen Abgabenrechts). Einen dem entgegenstehenden Vorbehalt enthält der Bescheid nicht. Er setzt die Beiträge auch nicht nur vorläufig fest, wie dies bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) in Betracht kommt (vgl. dazu Senatsurteil vom 30.7.2008, - L 5 KR 4645/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSG, Urt. v. 22.3.2006, - B 12 KR 14/05 R -).
Soweit der Bescheid vom 24.2.2000 danach (auch) eine begünstigende Regelung enthält, ist er rechtswidrig. Wie bereits unter 1. dargelegt wurde, hätte die Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 Satz 1 bzw. § 19 der Satzung der Beklagten erfolgen müssen, was zu Unrecht nicht geschehen ist.
Die dem Kläger aus der Begünstigungswirkung des insoweit rechtswidrigen Beitragsbescheids erwachsene Rechtsstellung kann ihm nur unter Wahrung der Anforderungen des § 45 SGB X entzogen werden, wobei vor allem die Einschränkungen des § 45 Abs. 2 SGB X zu beachten sind. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauensschutz kann sich der Begünstigte (u.a.) nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X).
Hier kann man dem Kläger vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige bzw. unvollständige Angaben nicht vorwerfen, da er in der Beitrittserklärung vom 4.2.2000 als derzeitige Tätigkeit ein "Probestudium" angegeben hatte. Im Hinblick darauf wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, den unklaren Sachverhalt (sogleich) näher aufzuklären (§ 20 SGB X) und etwa die Vorlage einer Immatrikulations- oder Studienbescheinigung zu verlangen; dazu kam es freilich erst im Jahr 2006. Auch Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der zu niedrigen Beitragsfestsetzung liegt nicht vor. Aus dem Beitragsbescheid vom 24.2.2000 geht zur Beitragsbemessung, etwa zum einschlägigen Beitragssatz nichts hervor, was beim Kläger Zweifel an deren Richtigkeit hätte wecken müssen. Wie die danach gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X anzustellende Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit der Beitragsfestsetzung und den öffentlichen Interessen auszufallen hätte, kann offen bleiben, da die Beklagte verkannt hat, dass sie - selbst bei einer zu ihren Gunsten ausgefallenen Abwägung - noch eine Ermessensentscheidung treffen muss.
Über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts entscheidet die Behörde gem. § 45 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen. Das gilt auch für die Rücknahme der in einem Verwaltungsakt mit Mischwirkung (schlüssig) ausgesprochenen Begünstigung. Die Behörde muss das ihr eröffnete Ermessen ausüben, der Entscheidung einen vollständigen und zutreffenden Sachverhalt zugrunde legen und die rechtlichen Grenzen des Ermessensspielraums wahren (näher etwa Meyer-Ladewig, SGG § 54 Rdnr. 29 ff.). In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die dem schriftlichen Verwaltungsakt beizufügende Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 SGB X). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 SGB X bedarf es einer Begründung nicht, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne Weiteres erkennbar ist. Gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X kann eine erforderliche Begründung schließlich bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Hier liegt ein rechtlich beachtlicher Ermessensfehler schon deswegen vor, weil die Beklagte nicht erkannt hat, dass sie Ermessen ausüben muss und eine rechtlich gebundene Entscheidung nicht zu treffen ist. Die Maßgeblichkeit des § 45 SGB X für die nachträgliche Neufestsetzung der Kranken- und Pflegversicherungsbeiträge für einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum in der Vergangenheit und die Nachforderung von Beiträgen in Höhe von über 4.000 EUR war der Beklagten offensichtlich nicht bewusst. Davon ist weder im Neufestsetzungs- und Nachforderungsbescheid vom 27.12.2006 noch im Änderungsbescheid vom 27.6.2007 oder im Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007 die Rede. In allen Bescheiden sind Ermessenserwägungen irgendwelcher Art auch nicht ansatzweise erkennbar. Vielmehr ist unmissverständlich davon die Rede, dass die Beiträge "nachzuberechnen waren" (Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007). Die Beklagte hat daher eine gebundene Entscheidung allein nach Maßgabe der für die Beitragsfestsetzung als solcher geltenden Vorschriften des SGB V und des SGB XI getroffen.
Der Nichtgebrauch des der Beklagten in § 45 SGB X eröffneten Ermessens führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Neufestsetzungs- und Nachforderungsbescheide. Dieser Rechtsfehler ist nicht heilbar. Die Heilungsvorschrift des § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X betrifft lediglich die Nachholung einer gem. § 35 SGB X erforderlichen, aber unterbliebenen Begründung und damit einen Verfahrensmangel. Hier steht jedoch ein materiell-rechtlicher Ermessensfehler in Rede. Das erstmalige Anstellen von zuvor unterbliebenen Ermessenserwägungen noch während des gerichtlichen Verfahrens ermöglicht § 41 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 SGB X nicht. Das SGG enthält auch keine der Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO entsprechende Bestimmung über die Ergänzung von Ermessenserwägungen. Außerdem erlaubt auch § 114 Satz 2 VwGO nur das Ergänzen, nicht jedoch das erstmalige Ausüben des Ermessens (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.3.2007, - L 2 U 46/03 –, und Urt. v. 12.2.2008, - L 2 U 221/06 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG).
Die Beklagte könnte zwar einen neuen Bescheid erlassen und darin die erforderliche Ermessensentscheidung nach § 45 SGB X treffen (so BSG v. 6.10.1994 - GS 1/91). Ob ein solcher Bescheid als gänzlich neuer (Aufhebungs- und Neufestsetzungs-)Bescheid zu betrachten wäre und den verfahrensrechtlichen Erfordernissen des § 45 SGB X, auch der Rücknahmefirst des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X unterläge, kann offen bleiben. Denn die Beklagte hat einen solchen Bescheid nicht erlassen und auch nicht angekündigt, einen solchen Bescheid noch während des Berufungsverfahrens erlassen zu wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Nachzahlung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung.
Der 1976 geborene Kläger besuchte bis 30.7.1999 die G.-D.-Schule (Gewerbliches Schulzentrum), Sindelfingen (Schulbescheinigung Verwaltungsakte S. 5) und war bis 31.7.1999 über seine Mutter (Frau G. S., geboren 1938) nach Maßgabe des § 10 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) familienversichert. Seit 8.12.2006 ist der Kläger als Bezieher von Arbeitslosengeld II pflichtversichert (Verwaltungsakte S. 17).
Unter dem 4.2.2000 gab der Kläger eine Erklärung zur freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten ab; er werde ab 1.8.1999 freiwilliges Mitglied. Die Frage nach der derzeitigen Tätigkeit/Berufsbezeichnung beantwortete er mit "Probestudium"; über Einnahmen verfüge er nicht (Verwaltungsakte S. 6). Der Kläger legte außerdem einen Antrag auf Zulassung zum Studium an der Fernuniversität Hagen (Fernstudienzentrum Villingen-Schwenningen) vom 29.9.1999 vor (Verwaltungsakte S. 1). Der Hörerstatus war als "besonderer Gasthörer" bezeichnet.
Unter dem 24.2.2000 (Verwaltungsakte S. 7) teilte die Beklagte dem Kläger (ohne Beifügen einer Rechtsbehelfsbelehrung) mit, er sei ab 1.8.1999 als freiwilliges Mitglied versichert. Zugleich wurden der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag auf monatlich 81,70 DM bzw. 14,62 DM (insgesamt 96,32 DM) festgesetzt. Nähere Ausführungen zur Beitragsbemessung oder zum Beitragssatz enthält der Bescheid nicht.
Mit Anhörungsschreiben vom 18.5.2006 (Verwaltungsakte S. 9) unterrichtete die Beklagte den Kläger von der Absicht, die freiwillige Versicherung rückwirkend ab 1.8.1999 auf den allgemeinen Beitrag umzustellen. Eine Studien- oder Schulbescheinigung sei nicht vorgelegt worden; man gehe davon aus, dass die Schulausbildung beendet sei. Der Kläger trug hierauf unter dem 8.12.2006 vor, er beantrage einen Nachweis für einen dem Prinzip nach (ausbildungsförderungsrechtlich) förderungsfähigen Studiengang.
Nachdem die Fernuniversität Hagen der Beklagten mitgeteilt hatte, der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt ordentlich eingeschriebener Student gewesen (Verwaltungsakte S. 4), änderte die Beklagte den Beitragsbescheid vom 24.2.2000 (bzw. nachfolgende Bescheide) mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenem) Bescheid vom 27.12.2006 (Verwaltungsakte S. 13) ab und setzte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 neu fest (monatlicher Gesamtbeitrag: Dezember 2001 113,76 EUR, ab Januar 2002 116,46 EUR, ab Januar 2003 123,76 EUR, ab Januar 2004 125,58 EUR, ab Januar 2005 127,59 EUR, ab September 2005 126,78 EUR, ab Januar 2006 128,63 EUR). Dem Kläger wurde aufgegeben, Beiträge in Höhe von insgesamt 4.166,04 EUR nachzuzahlen; der Gesamtbeitrag für den Monat Dezember 2006 wurde auf 128,63 EUR festgesetzt.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, derzeit liege kein Beschäftigungsverhältnis vor, das die geforderte Beitragsnachzahlung rechtfertige. Die seinerzeit eingereichte Schulbescheinigung sei noch gültig. Er habe sich nicht arbeitslos gemeldet. Finanzielle Leistungen erhalte er nicht.
Mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenem und dem Kläger durch einfachen Brief bekannt gegebenen) Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe seinerzeit angegeben, ein Probestudium zu absolvieren, weshalb man die für Schüler geltenden Beiträge angesetzt habe. Da zu keiner Zeit eine Schulbescheinigung seit 1.8.1999 eingereicht worden sei, müssten die tatsächlich geschuldeten Beiträge gem. § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V bzw. § 19 ihrer Satzung für den gesamten Zeitraum der freiwilligen Mitgliedschaft rückwirkend nachberechnet und unter Beachtung der Verjährungsvorschriften nachgefordert werden. Vor Erlass des Widerspruchsbescheids war die Beitragsnachzahlung mit Bescheid vom 22.1.2007 unter Festsetzung von Säumniszuschlägen angemahnt worden (SG-Akte S. 13).
Mit Schreiben vom 15.5.2007 (Verwaltungsakte S. 25) beantragte der Kläger (u. a.), von der Pflichtversicherung bzw. der Beitragszahlung befreit zu werden. Er legte eine Studienbescheinigung der Fernuniversität Hagen für das Wintersemester 2002/03 (1.10.2002 bis 31.3.2003) sowie einen für den gleichen Zeitraum ausgestellten Studierendenausweis vor. Danach war der Kläger als Gasthörer zugelassen worden (Verwaltungsakte S. 23). Vorgelegt wurde am 11.5.2007 außerdem eine (für die Mutter des Klägers ausgestellte und nur teilweise ausgefüllte) Schulbescheinigung des Fernstudienzentrums Villingen-Schwenningen der Fernuniversität Hagen vom 9.11.2000 (Verwaltungsakte S. 22).
Mit Bescheid vom 16.5.2007 wurde dem Kläger gestattet, die Beitragsnachforderung in Monatsraten von 40 EUR ab 1.6.2007 zu begleichen. Mit weiterem Bescheid vom 16.5.2007 wurde der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Pflichtversicherung abgelehnt; der Kläger sei seit 8.12.2006 wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II pflichtversichert, die Befreiungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V seien nicht erfüllt.
Unter dem 15.5.2007 teilte die Fernuniversität Hagen der Beklagten auf Nachfrage (ergänzend) mit, der Kläger sei vom 1.10.1999 bis 31.3.2003 als Gasthörer zugelassen gewesen und zum 31.3.2003 exmatrikuliert worden (Verwaltungsakte S. 29).
Am 29.5.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen; er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen. Der Kläger legte Bescheinigungen der Volkshochschule Oberndorf vom 18.7.2002 und 5.5.2003 vor (SG-Akte S. 23,24). Danach hatte der Kläger vom 18.6. bis 18.7.2002 den Volkshochschulkurs "Einführung in objektorientiertes Programmieren" (40 Unterrichtsstunden) besucht und vom 10.2. bis 5.5.2003 am Volkshochschulkurs "Objektorientiertes Programmieren mit C++" (40 Unterrichtsstunden) regelmäßig teilgenommen. Ergänzend trug der Kläger vor, bis Anfang 2006 habe er die Weiterbildung zu Hause fortgeführt. Einkommen habe er nicht erzielt. Arbeitslosengeld II sei am 8.12.2006 bewilligt worden.
Die Beklagte trug vor, gem. § 240 SGB V i. V. m. den Bestimmungen ihrer Satzung und den Richtlinien zur Beitragseinstufung freiwilliger Mitglieder gelte für Schüler einer Fachschule oder Berufsfachschule und für Personen, die sonstige Berufsbildungseinrichtungen besuchten, die Beitragsberechnung gem. § 236 i. V. m. § 245 Abs. 1 SGB V. Die Teilnahme an einem Volkshochschulkurs sowie die Weiterbildung zu Hause begründeten keinen Schülerstatus im sozialversicherungsrechtlichen Sinn.
Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte den Bescheid vom 27.12.2006 durch weiteren (auch im Namen der Pflegekasse ergangenen) Bescheid vom 27.6.2007 (gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) ab (SG-Akte S. 20). Während der Zeit vom 1.10.2002 bis 31.3.2003 sei der Kläger als an der Fernuniversität Hagen eingeschriebener Gasthörer freiwillig versicherter Student gewesen; eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sei ausgeschlossen. Der für die Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 nachzuzahlende Gesamtbeitrag wurde auf 3.990,60 EUR (neu) festgesetzt.
Mit Urteil vom 7.11.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sei der Kläger nach Beendigung der Familienversicherung freiwillig versichert gewesen. Die Voraussetzungen für die Fortführung der Familienversicherung über das 23. Lebensjahr hinaus (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V) seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe die Beiträge zutreffend berechnet und Versicherungspflicht als Student (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) habe ebenfalls nicht bestanden. Die Zulassung als Gasthörer an der Fernuniversität Hagen begründe keine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten. Gasthörer seien nicht verpflichtet, regelmäßig Vorlesungen und Seminare zu besuchen und ggf. Prüfungen abzulegen. Die kontinuierliche Durchführung des Studiums sei für den Gasthörer nicht zwingend (vgl. auch BSG, Urt. vom 29.9.1992, - 12 RK 15/92 -: studienvorbereitende Sprachkurse). Die Teilnahme an Volkshochschulkursen oder die Weiterbildung zu Hause rechtfertige keine andere Sicht der Dinge. Die Beklagte habe die Verjährungsfrist des § 25 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) beachtet.
Auf das ihm am 22.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.12.2007 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7.11.2007 sowie den (auch im Namen der Pflegekasse ergangenen) Bescheid der Beklagten vom 27.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2007 und des Änderungsbescheids vom 27.6.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auf den Hinweis des Senats mit Schreiben vom 28.11. 2008, dass bei der nachträglichen Neufestsetzung höherer Krankenversicherungsbeiträge die Bestimmung des § 45 SGB X zur Anwendung komme und eine Ermessensentscheidung erfordere, die vorliegend gerade nicht getroffen worden sei, hat sie sich nicht weiter geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte hat mit (auch im Namen der Pflegekassen ergangenem) Bescheid vom 27.12.2006 (bzw. dem Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007 und dem gem. § 96 SGG Verfahrensgegenstand gewordenen Änderungsbescheid vom 27.6.2007) zwar die vom Kläger während der Zeit von Dezember 2001 bis November 2006 geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Nachhinein rechtsfehlerfrei festgesetzt (1.); die Beitragsfestsetzung im Bescheid vom 24.2.2000 (bzw. in ergangenen Folgebescheiden) war rechtswidrig. Bei der rückwirkenden Neufestsetzung der Beiträge und der Nachforderung zuwenig gezahlter Beiträge muss die Beklagte aber den Vertrauensschutz des Versicherten nach näherer Maßgabe des § 45 SGB X wahren. Dies ist hier nicht geschehen. Denn die Beklagte hat verkannt, dass sie gem. § 45 SGB X Ermessen hätte ausüben müssen (2.).
1. Für die Festsetzung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind die Bestimmungen des SGB V bzw. des Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in der während des streitigen Zeitraums (Dezember 2001 bis November 2006) geltenden Gesetzesfassung maßgeblich.
Gem. § 223 Abs. 1 SGB V (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI) sind die Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen. Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (§ 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Sie sind von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat; freiwillige Mitglieder tragen den Beitrag allein (§§ 252 Satz 1, 250 Abs. 2 SGB V; §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 3 SGB XI).
Die Beitragsbemessung wird für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 240 SGB V durch Satzung geregelt (vgl. zur Pflegeversicherung § 57 Abs. 4 SGB XI). Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahme. Hierauf nimmt § 19 der Satzung der Beklagten Bezug. Abweichende Regelungen für freiwillig versicherte Schüler einer Fach- oder Berufsfachschule enthält § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V (in der hier noch maßgeblichen Fassung), der die Bestimmungen des § 236 SGB V i. V. m. § 245 Abs. 1 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt. Gem. § 236 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahmen der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 und 10 SGB V Versicherungspflichtigen (Studenten und Praktikanten) ein Dreißigstel des Betrags, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz für nicht bei ihren Eltern wohnende Studenten festgesetzt ist.
Der Beitragssatz wird in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich durch Satzung festgelegt (vgl. § 241 SGB V). Für Studenten sieht § 245 Abs. 1 Satz 1 SGB V einen besonderen Beitragssatz vor. Er beträgt sieben Zehntel des vom Bundesministerium für Gesundheit jeweils zum 1. Januar festgestellten durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (zzgl. des zusätzlichen Beitragssatzes nach § 241a SGB V). Der für die Pflegeversicherung maßgebliche Beitragssatz folgt aus § 55 SGB XI.
Die Beklagte hat diese Bestimmungen bei Erlass der angefochtenen Bescheide zutreffend angewendet. Der Kläger war während der streitigen Zeit (Dezember 2001 bis November 2006) freiwilliges Mitglied der Beklagten und als solches gesetzlich pflegeversichert (§ 20 Abs. 3 SGB XI). Die Höhe der von ihm zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ist (soweit sie nach Ergehen des die Zeit vom 1.10.2002 bis 31.3.2003 betreffenden Änderungsbescheids vom 27.6.2007 noch streitig ist) fehlerfrei errechnet worden; Fehler in der Beitragsberechnung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Nach Beendigung der Familienversicherung über seine Mutter (§ 10 Abs. 1 und 2 SGB V) ist der Kläger kraft der Beitrittserklärung vom 4.2.2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden (§§ 188, 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Die Mitgliedschaft hat nicht wegen des Beginns einer Pflichtmitgliedschaft geendet (§ 191 Nr. 2 SGB V). Insbesondere wurde eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) nicht begründet.
Nach näherer Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sind Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, versicherungspflichtig (zur Krankenversicherung der Studenten). Die Versicherungspflicht dauert grundsätzlich bis zum Abschluss des vierzehnten Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahrs, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Versicherungsdauer möglich ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 SGB V). Der Gesetzgeber hat die Krankenversicherung der Studenten damit auf einen Altersabschnitt (grundsätzlich bis zum 30. Lebensjahr) begrenzt, in dem der Gesundheitszustand im Allgemeinen gut ist, und beitragsfrei versicherte Familienangehörige (§ 10 SGB V) oft noch nicht vorhanden sind. Dies beruht auf der Erwägung, dass die gesetzliche Krankenversicherung - unbeschadet ihrer Erweiterungen (hier auf Studenten) - im Kern als Versicherung der abhängig Beschäftigten konzipiert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) und mit Risiken von Personen, die typischerweise nicht zu ihrer Kernzuständigkeit gehören, an sich nicht belastet werden soll. Im Hinblick darauf muss die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 SGB V, die eine Verlängerung der Krankenversicherung der Studenten über das 30. Lebensjahr hinaus ermöglicht, eng ausgelegt werden (vgl. etwa LSG Saarland, Urt. v. 7.6.2006, - L 2 KR 2/05 –, unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 30.1.1997, - 12 RK 39/96 -). Nichts wesentlich anderes gilt für den Begriff des "eingeschriebenen Studenten" i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V. Der in der Krankenversicherung der Studenten versicherte Personenkreis soll mit der Bezugnahme auf die Einschreibung an der Hochschule festgelegt, zugleich aber auch begrenzt werden. Der Senat kann offen lassen, ob der hochschulrechtlichen Zurechnung von Personen zum Kreis der Studenten oder einer Anknüpfung allein an die Einschreibung für die Sozialversicherung ausnahmslos zu folgen wäre (zweifelnd insoweit BSG, Urt. v. 29.9.1992, - 12 RK 15/92 -). Gasthörer an Hochschulen sind jedenfalls nicht in der Krankenversicherung der Studenten versichert (so auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung der Krankenversicherung der Studenten BT-Drs. 7/2993 S. 8, II § 1 zu Nr. 1 - § 165 RVO – Buchstabe a). Das Sozialgericht hat dies richtig erkannt und zutreffend darauf verwiesen, dass Gasthörer, anders als reguläre Studenten, nicht verpflichtet sind, regelmäßig Lehrveranstaltungen zu besuchen und ggf. Prüfungen abzulegen. Teilnehmer an Volkshochschulkursen können von vornherein nicht Mitglieder der Krankenversicherung der Studenten sein, da Volkshochschulen nicht den Status staatlicher oder staatlich anerkannter Hochschulen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V haben; die Vorschrift nimmt insoweit auf das einschlägige Hochschulrecht Bezug.
Die vom Kläger als freiwilliges Mitglied der Beklagten geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind daher nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V bzw. des § 19 der Satzung der Beklagten zu bemessen. Die Sonderregelungen für versicherungspflichtige bzw. freiwillig versicherte Studenten oder Praktikanten (§§ 240 Abs. 4 Satz 4, 236, 245 SGB V) sind nicht einschlägig. Der Bescheid vom 24.2.2000 war daher insoweit rechtswidrig, als darin zu niedrige Beiträge festgesetzt worden waren; entsprechendes gilt für in der Folgezeit ergangene Beitragsbescheide.
2. Die Beklagte hätte bei der Neufestsetzung der ab Dezember 2001 geschuldeten Beiträge aber die Maßgaben des § 45 SGB X einschließlich der dort vorgesehenen Fristen (etwa in § 45 Abs. 3 SGB X) und nicht nur die Verjährungsvorschriften beachten müssen. Letzteres ist freilich geschehen, da Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, verjähren (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), die Beiträge ab Dezember 2001 nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen in § 23 SGB IV bzw. der Satzung der Beklagten zum 15.1.2002 fällig geworden sind und damit frühestens nach Ablauf des Jahres 2006 verjährt gewesen wären und schließlich der (die Verjährung gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bzw. den einschlägigen Bestimmungen des BGB unterbrechende) Nachforderungsbescheid unter dem 27.12.2006 erlassen und somit am 30.12.2006 wirksam wurde (§ 37 Abs. 2 SGB X).
Die Vorschrift des § 45 SGB X ist vorliegend anzuwenden. Die Beklagte hat unter dem 24.2.2000 (u.a.) die vom Kläger künftig geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt. Unbeschadet des Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung handelt es sich dabei (und bei entsprechenden Folgebescheiden) um einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X; hiervon geht auch die Beklagte (zu Recht) aus. Der Bescheid über die Festsetzung der monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge stellt als Verwaltungsakt mit Mischwirkung einen – auch – begünstigenden Verwaltungsakt i. S. d. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar (zum Begriff des Verwaltungsakts mit Mischwirkung näher etwa VG Osnabrück, - 6 A 162/03 - (jugendhilferechtlicher Kostenbeitragsbescheid); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. II § 46 VII Rdnr. 24). Er spricht ausdrücklich zwar (nur) eine belastende Regelung aus, indem der zu zahlende Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag festgesetzt wird. Der Bescheid begründet daneben aber gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein Recht des Beitragspflichtigen und enthält damit eine begünstigende Regelung insoweit, als er zugleich schlüssig festlegt, dass der Beitragspflichtige nicht nachträglich (bei gleichem Leistungsspektrum) zu einem höheren Beitrag herangezogen werden soll. Dies ergibt die Auslegung des Beitragsbescheids nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB (in entsprechender Anwendung). Aus Sicht des Klägers als Beitragspflichtigem soll mit dem nach Abgabe der Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung ergangenen Beitragsbescheid vom 24.2.2000 – vorbehaltlich etwaiger Anpassungen an veränderte Verhältnisse in der Zukunft (vgl. § 48 SGB X), wie geänderte Beitragssätze – nämlich abschließend über die an diesen Sachverhalt anknüpfende Beitragspflicht bzw. die Bemessung der geschuldeten Beiträge entschieden werden (vgl. dazu Schütze in von Wulffen, SGB X § 45 Rn 24 m.w.N., auch etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.3.2003, - L 16 KR 263/02 -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.10.2006, - L 5 ER 189/06 KR -; auch BVerwG, Urt. v. 2.9.1999, - 2 C 22/98 –, und Urt. v. 15.4.1983, - C 170/81 -; einschränkend OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.3.2001, - 16 A 4212/00 – (Elternbeiträge für Kindertagesstätte) unter Hinweis auf Rechtsgrundsätze des allgemeinen Abgabenrechts). Einen dem entgegenstehenden Vorbehalt enthält der Bescheid nicht. Er setzt die Beiträge auch nicht nur vorläufig fest, wie dies bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) in Betracht kommt (vgl. dazu Senatsurteil vom 30.7.2008, - L 5 KR 4645/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSG, Urt. v. 22.3.2006, - B 12 KR 14/05 R -).
Soweit der Bescheid vom 24.2.2000 danach (auch) eine begünstigende Regelung enthält, ist er rechtswidrig. Wie bereits unter 1. dargelegt wurde, hätte die Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 Satz 1 bzw. § 19 der Satzung der Beklagten erfolgen müssen, was zu Unrecht nicht geschehen ist.
Die dem Kläger aus der Begünstigungswirkung des insoweit rechtswidrigen Beitragsbescheids erwachsene Rechtsstellung kann ihm nur unter Wahrung der Anforderungen des § 45 SGB X entzogen werden, wobei vor allem die Einschränkungen des § 45 Abs. 2 SGB X zu beachten sind. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauensschutz kann sich der Begünstigte (u.a.) nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X).
Hier kann man dem Kläger vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige bzw. unvollständige Angaben nicht vorwerfen, da er in der Beitrittserklärung vom 4.2.2000 als derzeitige Tätigkeit ein "Probestudium" angegeben hatte. Im Hinblick darauf wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, den unklaren Sachverhalt (sogleich) näher aufzuklären (§ 20 SGB X) und etwa die Vorlage einer Immatrikulations- oder Studienbescheinigung zu verlangen; dazu kam es freilich erst im Jahr 2006. Auch Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der zu niedrigen Beitragsfestsetzung liegt nicht vor. Aus dem Beitragsbescheid vom 24.2.2000 geht zur Beitragsbemessung, etwa zum einschlägigen Beitragssatz nichts hervor, was beim Kläger Zweifel an deren Richtigkeit hätte wecken müssen. Wie die danach gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X anzustellende Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit der Beitragsfestsetzung und den öffentlichen Interessen auszufallen hätte, kann offen bleiben, da die Beklagte verkannt hat, dass sie - selbst bei einer zu ihren Gunsten ausgefallenen Abwägung - noch eine Ermessensentscheidung treffen muss.
Über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts entscheidet die Behörde gem. § 45 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen. Das gilt auch für die Rücknahme der in einem Verwaltungsakt mit Mischwirkung (schlüssig) ausgesprochenen Begünstigung. Die Behörde muss das ihr eröffnete Ermessen ausüben, der Entscheidung einen vollständigen und zutreffenden Sachverhalt zugrunde legen und die rechtlichen Grenzen des Ermessensspielraums wahren (näher etwa Meyer-Ladewig, SGG § 54 Rdnr. 29 ff.). In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die dem schriftlichen Verwaltungsakt beizufügende Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 SGB X). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 SGB X bedarf es einer Begründung nicht, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne Weiteres erkennbar ist. Gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X kann eine erforderliche Begründung schließlich bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Hier liegt ein rechtlich beachtlicher Ermessensfehler schon deswegen vor, weil die Beklagte nicht erkannt hat, dass sie Ermessen ausüben muss und eine rechtlich gebundene Entscheidung nicht zu treffen ist. Die Maßgeblichkeit des § 45 SGB X für die nachträgliche Neufestsetzung der Kranken- und Pflegversicherungsbeiträge für einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum in der Vergangenheit und die Nachforderung von Beiträgen in Höhe von über 4.000 EUR war der Beklagten offensichtlich nicht bewusst. Davon ist weder im Neufestsetzungs- und Nachforderungsbescheid vom 27.12.2006 noch im Änderungsbescheid vom 27.6.2007 oder im Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007 die Rede. In allen Bescheiden sind Ermessenserwägungen irgendwelcher Art auch nicht ansatzweise erkennbar. Vielmehr ist unmissverständlich davon die Rede, dass die Beiträge "nachzuberechnen waren" (Widerspruchsbescheid vom 26.4.2007). Die Beklagte hat daher eine gebundene Entscheidung allein nach Maßgabe der für die Beitragsfestsetzung als solcher geltenden Vorschriften des SGB V und des SGB XI getroffen.
Der Nichtgebrauch des der Beklagten in § 45 SGB X eröffneten Ermessens führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Neufestsetzungs- und Nachforderungsbescheide. Dieser Rechtsfehler ist nicht heilbar. Die Heilungsvorschrift des § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X betrifft lediglich die Nachholung einer gem. § 35 SGB X erforderlichen, aber unterbliebenen Begründung und damit einen Verfahrensmangel. Hier steht jedoch ein materiell-rechtlicher Ermessensfehler in Rede. Das erstmalige Anstellen von zuvor unterbliebenen Ermessenserwägungen noch während des gerichtlichen Verfahrens ermöglicht § 41 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 SGB X nicht. Das SGG enthält auch keine der Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO entsprechende Bestimmung über die Ergänzung von Ermessenserwägungen. Außerdem erlaubt auch § 114 Satz 2 VwGO nur das Ergänzen, nicht jedoch das erstmalige Ausüben des Ermessens (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.3.2007, - L 2 U 46/03 –, und Urt. v. 12.2.2008, - L 2 U 221/06 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG).
Die Beklagte könnte zwar einen neuen Bescheid erlassen und darin die erforderliche Ermessensentscheidung nach § 45 SGB X treffen (so BSG v. 6.10.1994 - GS 1/91). Ob ein solcher Bescheid als gänzlich neuer (Aufhebungs- und Neufestsetzungs-)Bescheid zu betrachten wäre und den verfahrensrechtlichen Erfordernissen des § 45 SGB X, auch der Rücknahmefirst des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X unterläge, kann offen bleiben. Denn die Beklagte hat einen solchen Bescheid nicht erlassen und auch nicht angekündigt, einen solchen Bescheid noch während des Berufungsverfahrens erlassen zu wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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