Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 53 (27,51) R 402/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 213/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.06.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten im Ghetto Balta, Gebiet Odessa, Transnistrien in der Zeit von Juli 1940 bis März 1944.
Die nach dem israelischen Bevölkerungsregister am 00.02.1926 in Balta, Ukraine, geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens und hatte von Geburt an die ukrainische, schließlich die sowjetische und sodann nach Übersiedlung nach Israel im Jahre 1996 die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 06.09.2002 beantragte sie die Gewährung von Altersrente auf Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Im dazugehörigen Formantrag vom 20.02.2003 gab sie u. a. an, als NS-Verfolgte im Sinne von § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt zu sein. Die Frage nach dem deutschen Sprach- und Kulturkreis blieb unbeantwortet. Sie habe im Ghetto Balta von Juli 1941 bis März 1944 in einer Schuhfabrik als Arbeiterin gearbeitet. Hierfür habe sie Essen und Lebensmittel für zuhause bekommen. In ihrer persönlichen Erklärung vom 10.02.2003 führte sie aus, dass im Juli 1941 nach der Besetzung Baltas durch die Nazis Ghettos errichtet worden seien. Sie sei mit ihrer Familie dorthin eingewiesen worden und habe sich dann bemüht, eine Tätigkeit aufzunehmen, um sich zu ernähren und nicht deportiert zu werden. Durch Vermittlung des Judenrates habe sie eine Arbeit in der Lederfabrik außerhalb des Ghettos erhalten. Dort seien Filzstiefel für Soldaten gefertigt worden. Für diese Arbeit habe sie Essen bekommen.
Den Rentenantrag der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2005 zurück. Balta habe im beantragten Zeitraum zum rumänischen Staatsgebiet gehört. Rumänien sei ein mit dem deutschen Reich verbündeter, aber souveräner Staat gewesen. Das ZRBG setze demgegenüber voraus, dass sich der Anspruchssteller zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten habe, welches sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Dies sei bei Balta nicht der Fall gewesen.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 08.02.2005 Widerspruch ein, ohne diesen weiter zu begründen, sodass die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zurückwies.
Dagegen hat die Klägerin am 13.10.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben. Das ZRBG sei auch auf Ghettos in transnistrischem Gebiet anzuwenden, da Rumänien mit Deutschland verbündet gewesen sei.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 das ZRBG anzuwenden und die Tätigkeit im Ghetto Balta als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unabhängig von der Transnistrien-Frage müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auch weitere Voraussetzungen des ZRBG nicht erfülle. Die Klägerin habe angegeben, die Beschäftigung aufgenommen zu haben, um sich vor schlimmeren Verfolgungsmaßnahmen (Deportationen) zu schützen. Eine solche Ausgangslage sei ein Indiz für ein Zwangsarbeitsverhältnis. Im übrigen könne (nach den Angaben der Klägerin) auch nicht von einer Entgeltlichkeit der Beschäftigung ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 15.06.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Altersrente bestehe nur, wenn Versicherte erstens das 65. Lebensjahr vollendet und zweitens die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren seien grundsätzlich Kalendermonate mit Beitragszeiten und Kalendermontate mit Ersatzzeiten anzurechnen. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Sie verfüge über keine auf die Wartezeit anrechenbaren Pflichtbeitragszeiten, sodass Ersatzzeiten - mangels Versicherteneigenschaft - nicht anzurechnen seien. Pflichtbeitragszeiten könnten vorliegend einzig nach dem ZRBG in Betracht kommen. Voraussetzung hiernach sei aber u. a., dass sich die Betroffenen in einem Ghetto aufgehalten hätten, das sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Dies treffe auf das Ghetto Balta, in dem sich die Klägerin aufgehalten habe, nicht zu. Balta habe in einem Gebiet gelegen, das in der Zeit von Sommer 1941 bis 1944 als Transnistrien bezeichnet worden sei; dieses sei aber weder in das Deutsche Reich eingegliedert noch von diesen besetzt gewesen, sondern habe dem souveränen Staat Rumänien angehört.
Gegen das ihr am 11.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2007 Berufung eingelegt. Es sei historisch nicht abschließend geklärt, ob Transnistrien als vom deutschen Reich eingegliedertes oder besetztes Gebiet im Sinne des ZRBG zu qualifizieren sei. Dies gelte es zu ermitteln. Im übrigen sei daran gedacht, noch eine eigene eidesstattliche Erklärung der Klägerin über die Umstände des Beschäftigungsverhältnisses vorzulegen.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.06.2007, des Bescheides vom 02.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 das ZRBG anzuwenden und die Tätigkeit von Juli 1940 bis März 1944 im Ghetto Balta als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Unabhängig von der Transnistrien-Frage könne nach dem Vortrag der Klägerin nicht von einer Entgeltlichkeit der ausgeübten Beschäftigung im Sinne der Definition des 13. Senats des BSG ausgegangen werden.
Bereits am 06.03.2003 ist die Klägerin gebeten worden, ergänzende Fragen des Senats zu beantworten. Eine Beantwortung ist trotz Erinnerung mit Fristsetzung zum 01.08.2008 nicht erfolgt.
Auf Anfrage des Senats hat die Jewish Claims Conference (JCC) - Art. 2 Fund - mitgeteilt, dass die Klägerin dort Leistungen erhalten habe. Im dazugehörigen Antrag vom 15.04.1996 hat die Klägerin kurz ihren Ghetto-Aufenthalt geschildert, eine berufliche Tätigkeit allerdings nicht erwähnt.
Von der JCC wurde daneben auch im Rahmen der Zwangsarbeiter-Entschädigung durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft eine Zahlung auf Grundlage der Angaben der Klägerin gegenüber dem Art. 2 Fund an diese g.
Die Bezirksregierung Düsseldorf hat auf Anfrage mitgeteilt, dass keine Karteikarten vorlägen würden, nach denen die Klägerin Ansprüche nach dem BEG geltend gemacht habe.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Terminsmitteilung, die ihm am 18.09.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene und im Ergebnis vom SG bestätigte Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat weder unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG noch nach den allgemeinen Rentenvorschriften einen Rentenanspruch gegenüber der Beklagten.
Wie der Senat bereits mit näherer Begründung entschieden hat (z. B. Urteil vom 06.06.2007 L 8 R 54/05, sozialgerichtsbarkeit.de), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem SGB VI, ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4, aA BSG Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3). Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente kann daher im Fall der Klägerin nur § 35 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 1. Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG Urteil vom 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 48 Nr. 17).
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags- und Ersatzzeiten in Sachen der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", d. h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, mwN).
Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Solche Beitragszeiten bestehen hier weder nach § 2 Abs. 1 ZRBG (dazu unter 1.) noch nach den Vorschriften des Fremdrentenrechts (dazu unter 2.).
1. Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. m. § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG]). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900, § 15 Nr. 4).
a) Die Anerkennung von Beitragszeiten scheitert für den Zeitraum von Juli 1940 bis März 1944 nicht schon daran, dass die Klägerin für diese Zeiten eine Entschädigung nach dem Gesetz zur Entrichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) erhalten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, erstrecken sich die in § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 S. 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer (ggf. höheren) Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 18.06.2008, L 8 R 298/07, sozialgerichtsbarkeit.de, mit eingehender Begründung).
b) Keine grundlegenden Zweifel ergeben sich nach den dem Senat vorliegenden Informationen daran, dass die Klägerin sich zwangsweise im Ghetto Balta aufgehalten hat. Der Senat geht hierbei von den eigenen schriftlichen Bekundungen der Klägerin im Rentenverfahren aus, die allerdings nicht durch solche im Entschädigungsverfahren und auch nicht durch Zeugenerklärungen in einem Entschädigungsverfahren belegt sind. Ein solches scheint - nachdem die Bezirksregierung Düsseldorf unter verschiedenen in der Akte auftauchenden Geburtsdaten entsprechende Karteikarten nicht auffinden konnte - entgegen der Angabe der Klägerin im Rentenformantrag nicht durchgeführt worden zu sein. Wird aber von einem zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto ausgegangen, ist auch die Verfolgteneigenschaft der Klägerin glaubhaft, (vgl. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 2 Bundesentschädigungsgesetz BEG)).
c) Keine durchgreifenden Zweifel ergeben sich für den Senat auch daran, dass die Klägerin in Balta Tätigkeiten als Arbeiterin in einer Schuhfabrik im streitigen Zeitraum ausgeführt hat. Dies hat sie während des gesamten Verfahrens widerspruchsfrei ausgeführt.
d) Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die vorbeschriebenen Tätigkeiten gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG ausgeübt hat. Denn der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebene Typus der Beschäftigung ist nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch durch die Entgeltlichkeit von der nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG erfassten Zwangsarbeit abzugrenzen. Danach ist neben der Aufnahme und Ausübung der Arbeit aus eigenem Willensentschluss auch die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann (Senat, Urteil vom 21.11.2007, L 8 R 98/07; sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in seiner sogenannten Ghetto-Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.04.1999 B 5 RJ 48/98 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, aaO.) entwickelt hat (vgl. hierzu im Einzelnen BSG Urteil vom 07.10.2004, aaO.; Senatsurteil vom 21.11.2007, aaO.).
Wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat, ist als Entgelt in diesem Sinne ein die Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (vgl. zum Folgenden Urteile vom 12.12.2007, L 8 R 187/07 und vom 28.01.2008, L 8 RJ 139/04; jeweils aaO.). Danach lassen sich die im Zusammenhang mit Streitigkeiten nach dem ZRBG auftretenden Fallgruppen zunächst wie folgt systematisieren: Die Gewährung von Entgelt in der ortsüblichen Währung, von Ghettogeld oder zum Tausch bestimmten Bezugsscheinen ist Entgelt in Sachen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG, soweit ihr Umfang zumindest 1/6 des ortsüblichen Arbeitsentgelts für ungelernte Arbeiter (-innen) übersteigt. Bei der Gewährung von Sachbezügen ist dagegen zu unterscheiden: Übersteigen die Sachbezüge (insbesondere Verpflegung, Unterkunft und Kleidung) nicht das Maß freien Unterhalts, d.h. derjenigen wirtschaftlichen Güter, die zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Einzelnen erforderlich sind, liegt kein Entgelt vor. Bei Lebensmitteln kommt es darauf an, ob sie nach Art und Umfang des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden. Wird das Maß des persönlichen Bedarfs hingegen überschritten, und werden die Lebensmittel zur freien Verfügung gewährt, ist von Entgelt auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn glaubhaft gemacht wird, dass gewährte Lebensmittel auch den Bedarf eines Angehörigen sicherstellen. Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten, oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelnen als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist. Ohne Bedeutung ist es dagegen, ob die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien gewährt worden sind, oder ob die Betroffenen Lebensmittelcoupons erhalten haben, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die von der Klägerin ausgeübte Beschäftigung nicht als entgeltlich anzusehen.
Insoweit steht zunächst nach den unmissverständlichen (schriftlichen) Angaben der Klägerin fest, dass sie für ihre Arbeiten in der Schuhfabrik weder Geld noch vergleichbare Zahlungsmittel, sondern lediglich Essen und weitere Lebensmittel erhalten hat. Weder im von ihr am 20.02.2003 unterzeichneten Rentenformantrag noch in der zum Verfahren gereichten persönlichen Erklärung der Klägerin vom 10.02.2003 hat sie vorgetragen, Bargeld erhalten zu haben, sondern stattdessen Essen und Lebensmittel für zuhause. Weitere Angaben der Klägerin hierzu und auch zu den weiteren Umständen des Ghetto-Aufenthaltes gibt es im Verfahren nicht. Die präzisen, ergänzenden Fragen des Senats vom 06.03.2008 sind trotz mehrfacher Erinnerung, schließlich mit Fristsetzung zum 01.08.2008, unbeantwortet geblieben.
Bezüglich des erhaltenen Essens bzw. der erhaltenen Lebensmittel kann nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden, dass diese nach dem vorbestimmten Maß zur beliebigen Verfügung geeignet gewesen, d. h. über den unmittelbaren Bedarf der Klägerin hinausgegangen wären. Angaben der Klägerin hierzu sind ebenfalls nicht vorhanden. Eine Ernährung zum Zwecke des Erhalts der eigenen Arbeitskraft ist aber ein Umstand, der in gleicher Weise für Zwangsarbeit typisch ist - dies schon aus reinem eigenen Interesse desjenigen, der die Arbeitskraft der Zwangsarbeiter für sich ausbeutet. Einen deutlichen Unterschied sieht der Senat erst dann als gegeben an, wenn das Maß der empfangenen Gegenleistung - unabhängig davon, ob in Form von Coupons oder Naturalien gewährt - das Maß des zum persönlichen Unterhalt Erforderlichen deutlich übersteigt, was z.B. darin zum Ausdruck kommen kann, dass die gewährten Lebensmittel objektiv bewertet dazu ausgereicht haben, nicht nur den Arbeitenden selbst, sondern mindestens eine weitere Person für einen erheblichen Zeitraum zu ernähren bzw. hierzu einen entscheidenden Beitrag zu leisten, sei es nur auf dem im Ghetto allgemein herrschenden außerordentlich niedrigen Ernährungsniveau. Entsprechende Behauptungen hat die Klägerin allerdings an keiner Stelle des Verfahrens aufgestellt. Auch sonst gibt es keine Erkenntnisse, die den Senat veranlassen würden, eine solche Annahme zu unterstellen.
Da eine Entgeltlichkeit der Beschäftigung nicht gegeben ist, kann der Senat offenlassen, ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 ZRBG vorliegen. Insbesondere kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die von ihr verrichteten Arbeiten "aus eigenem Willensentschluss", d. h. freiwillig und nicht gezwungenermaßen aufgenommen hat. Es kann auch offenbleiben, ob Balta im streitigen Zeitraum sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG war. Einer historischen Erklärung dieser Tatbestandsvoraussetzung bedarf es vorliegend nicht, da sie nicht entscheidungserheblich ist.
2. Die von der Klägerin in Balta von Juli 1940 bis März 1944 verrichteten Arbeiten können auch nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. den §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG) i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17a FRG oder § 12 WGSVG als Versicherungszeiten angerechnet werden.
Die Arbeit der Klägerin in Balta unterfiel nicht den Reichsversicherungsgesetzen. In Transnistrien galten diese jedenfalls nicht für Personen, die - wie die Klägerin - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, zum sogenannten Generalgouvernement).
Eine Anrechnung als Versicherungszeit kann sich daher allein nach den §§ 15, 16 FRG i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17a FRG richten. Eine Anrechnung als Beitragszeit nach § 15 Abs. 1 FRG kommt indessen nicht in Betracht, weil eine Beitragsentrichtung zu einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht und von der Klägerin auch gar nicht behauptet worden ist. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 FRG sind bereits deshalb nicht erfüllt, da - wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein nach deutschem Recht dem Grunde nach rentenversicherungsrechtpflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden kann. Auch § 16 FRG greift nicht zugunsten der Klägerin ein, da die von ihr ausgeübten Tätigkeiten nicht nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht (§§ 1227 und 1228 RVO) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätten, wenn sie im Gebiet der BRD oder im Beitrittsgebiet verrichtet worden wären. Da nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, dass die Klägerin eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, liegen die Voraussetzungen des § 12 WGSVG ebenfalls nicht vor.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Insbesondere die Frage, wann eine Beschäftigung im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG gegen Entgelt ausgeübt worden ist, ist unter Berücksichtigung der von den übrigen Senaten des Bundessozialgerichts abweichenden Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, a.a.O.) nach wie vor nicht als höchstrichterlich geklärt anzusehen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten im Ghetto Balta, Gebiet Odessa, Transnistrien in der Zeit von Juli 1940 bis März 1944.
Die nach dem israelischen Bevölkerungsregister am 00.02.1926 in Balta, Ukraine, geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens und hatte von Geburt an die ukrainische, schließlich die sowjetische und sodann nach Übersiedlung nach Israel im Jahre 1996 die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 06.09.2002 beantragte sie die Gewährung von Altersrente auf Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Im dazugehörigen Formantrag vom 20.02.2003 gab sie u. a. an, als NS-Verfolgte im Sinne von § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt zu sein. Die Frage nach dem deutschen Sprach- und Kulturkreis blieb unbeantwortet. Sie habe im Ghetto Balta von Juli 1941 bis März 1944 in einer Schuhfabrik als Arbeiterin gearbeitet. Hierfür habe sie Essen und Lebensmittel für zuhause bekommen. In ihrer persönlichen Erklärung vom 10.02.2003 führte sie aus, dass im Juli 1941 nach der Besetzung Baltas durch die Nazis Ghettos errichtet worden seien. Sie sei mit ihrer Familie dorthin eingewiesen worden und habe sich dann bemüht, eine Tätigkeit aufzunehmen, um sich zu ernähren und nicht deportiert zu werden. Durch Vermittlung des Judenrates habe sie eine Arbeit in der Lederfabrik außerhalb des Ghettos erhalten. Dort seien Filzstiefel für Soldaten gefertigt worden. Für diese Arbeit habe sie Essen bekommen.
Den Rentenantrag der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2005 zurück. Balta habe im beantragten Zeitraum zum rumänischen Staatsgebiet gehört. Rumänien sei ein mit dem deutschen Reich verbündeter, aber souveräner Staat gewesen. Das ZRBG setze demgegenüber voraus, dass sich der Anspruchssteller zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten habe, welches sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Dies sei bei Balta nicht der Fall gewesen.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 08.02.2005 Widerspruch ein, ohne diesen weiter zu begründen, sodass die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zurückwies.
Dagegen hat die Klägerin am 13.10.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben. Das ZRBG sei auch auf Ghettos in transnistrischem Gebiet anzuwenden, da Rumänien mit Deutschland verbündet gewesen sei.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 das ZRBG anzuwenden und die Tätigkeit im Ghetto Balta als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unabhängig von der Transnistrien-Frage müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auch weitere Voraussetzungen des ZRBG nicht erfülle. Die Klägerin habe angegeben, die Beschäftigung aufgenommen zu haben, um sich vor schlimmeren Verfolgungsmaßnahmen (Deportationen) zu schützen. Eine solche Ausgangslage sei ein Indiz für ein Zwangsarbeitsverhältnis. Im übrigen könne (nach den Angaben der Klägerin) auch nicht von einer Entgeltlichkeit der Beschäftigung ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 15.06.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Altersrente bestehe nur, wenn Versicherte erstens das 65. Lebensjahr vollendet und zweitens die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren seien grundsätzlich Kalendermonate mit Beitragszeiten und Kalendermontate mit Ersatzzeiten anzurechnen. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Sie verfüge über keine auf die Wartezeit anrechenbaren Pflichtbeitragszeiten, sodass Ersatzzeiten - mangels Versicherteneigenschaft - nicht anzurechnen seien. Pflichtbeitragszeiten könnten vorliegend einzig nach dem ZRBG in Betracht kommen. Voraussetzung hiernach sei aber u. a., dass sich die Betroffenen in einem Ghetto aufgehalten hätten, das sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Dies treffe auf das Ghetto Balta, in dem sich die Klägerin aufgehalten habe, nicht zu. Balta habe in einem Gebiet gelegen, das in der Zeit von Sommer 1941 bis 1944 als Transnistrien bezeichnet worden sei; dieses sei aber weder in das Deutsche Reich eingegliedert noch von diesen besetzt gewesen, sondern habe dem souveränen Staat Rumänien angehört.
Gegen das ihr am 11.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2007 Berufung eingelegt. Es sei historisch nicht abschließend geklärt, ob Transnistrien als vom deutschen Reich eingegliedertes oder besetztes Gebiet im Sinne des ZRBG zu qualifizieren sei. Dies gelte es zu ermitteln. Im übrigen sei daran gedacht, noch eine eigene eidesstattliche Erklärung der Klägerin über die Umstände des Beschäftigungsverhältnisses vorzulegen.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.06.2007, des Bescheides vom 02.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 das ZRBG anzuwenden und die Tätigkeit von Juli 1940 bis März 1944 im Ghetto Balta als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Unabhängig von der Transnistrien-Frage könne nach dem Vortrag der Klägerin nicht von einer Entgeltlichkeit der ausgeübten Beschäftigung im Sinne der Definition des 13. Senats des BSG ausgegangen werden.
Bereits am 06.03.2003 ist die Klägerin gebeten worden, ergänzende Fragen des Senats zu beantworten. Eine Beantwortung ist trotz Erinnerung mit Fristsetzung zum 01.08.2008 nicht erfolgt.
Auf Anfrage des Senats hat die Jewish Claims Conference (JCC) - Art. 2 Fund - mitgeteilt, dass die Klägerin dort Leistungen erhalten habe. Im dazugehörigen Antrag vom 15.04.1996 hat die Klägerin kurz ihren Ghetto-Aufenthalt geschildert, eine berufliche Tätigkeit allerdings nicht erwähnt.
Von der JCC wurde daneben auch im Rahmen der Zwangsarbeiter-Entschädigung durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft eine Zahlung auf Grundlage der Angaben der Klägerin gegenüber dem Art. 2 Fund an diese g.
Die Bezirksregierung Düsseldorf hat auf Anfrage mitgeteilt, dass keine Karteikarten vorlägen würden, nach denen die Klägerin Ansprüche nach dem BEG geltend gemacht habe.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Terminsmitteilung, die ihm am 18.09.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene und im Ergebnis vom SG bestätigte Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat weder unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG noch nach den allgemeinen Rentenvorschriften einen Rentenanspruch gegenüber der Beklagten.
Wie der Senat bereits mit näherer Begründung entschieden hat (z. B. Urteil vom 06.06.2007 L 8 R 54/05, sozialgerichtsbarkeit.de), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem SGB VI, ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4, aA BSG Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3). Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente kann daher im Fall der Klägerin nur § 35 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 1. Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG Urteil vom 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 48 Nr. 17).
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags- und Ersatzzeiten in Sachen der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", d. h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, mwN).
Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Solche Beitragszeiten bestehen hier weder nach § 2 Abs. 1 ZRBG (dazu unter 1.) noch nach den Vorschriften des Fremdrentenrechts (dazu unter 2.).
1. Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. m. § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG]). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900, § 15 Nr. 4).
a) Die Anerkennung von Beitragszeiten scheitert für den Zeitraum von Juli 1940 bis März 1944 nicht schon daran, dass die Klägerin für diese Zeiten eine Entschädigung nach dem Gesetz zur Entrichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) erhalten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, erstrecken sich die in § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 S. 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer (ggf. höheren) Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 18.06.2008, L 8 R 298/07, sozialgerichtsbarkeit.de, mit eingehender Begründung).
b) Keine grundlegenden Zweifel ergeben sich nach den dem Senat vorliegenden Informationen daran, dass die Klägerin sich zwangsweise im Ghetto Balta aufgehalten hat. Der Senat geht hierbei von den eigenen schriftlichen Bekundungen der Klägerin im Rentenverfahren aus, die allerdings nicht durch solche im Entschädigungsverfahren und auch nicht durch Zeugenerklärungen in einem Entschädigungsverfahren belegt sind. Ein solches scheint - nachdem die Bezirksregierung Düsseldorf unter verschiedenen in der Akte auftauchenden Geburtsdaten entsprechende Karteikarten nicht auffinden konnte - entgegen der Angabe der Klägerin im Rentenformantrag nicht durchgeführt worden zu sein. Wird aber von einem zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto ausgegangen, ist auch die Verfolgteneigenschaft der Klägerin glaubhaft, (vgl. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 2 Bundesentschädigungsgesetz BEG)).
c) Keine durchgreifenden Zweifel ergeben sich für den Senat auch daran, dass die Klägerin in Balta Tätigkeiten als Arbeiterin in einer Schuhfabrik im streitigen Zeitraum ausgeführt hat. Dies hat sie während des gesamten Verfahrens widerspruchsfrei ausgeführt.
d) Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die vorbeschriebenen Tätigkeiten gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG ausgeübt hat. Denn der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebene Typus der Beschäftigung ist nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch durch die Entgeltlichkeit von der nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG erfassten Zwangsarbeit abzugrenzen. Danach ist neben der Aufnahme und Ausübung der Arbeit aus eigenem Willensentschluss auch die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann (Senat, Urteil vom 21.11.2007, L 8 R 98/07; sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in seiner sogenannten Ghetto-Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.04.1999 B 5 RJ 48/98 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, aaO.) entwickelt hat (vgl. hierzu im Einzelnen BSG Urteil vom 07.10.2004, aaO.; Senatsurteil vom 21.11.2007, aaO.).
Wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat, ist als Entgelt in diesem Sinne ein die Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (vgl. zum Folgenden Urteile vom 12.12.2007, L 8 R 187/07 und vom 28.01.2008, L 8 RJ 139/04; jeweils aaO.). Danach lassen sich die im Zusammenhang mit Streitigkeiten nach dem ZRBG auftretenden Fallgruppen zunächst wie folgt systematisieren: Die Gewährung von Entgelt in der ortsüblichen Währung, von Ghettogeld oder zum Tausch bestimmten Bezugsscheinen ist Entgelt in Sachen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG, soweit ihr Umfang zumindest 1/6 des ortsüblichen Arbeitsentgelts für ungelernte Arbeiter (-innen) übersteigt. Bei der Gewährung von Sachbezügen ist dagegen zu unterscheiden: Übersteigen die Sachbezüge (insbesondere Verpflegung, Unterkunft und Kleidung) nicht das Maß freien Unterhalts, d.h. derjenigen wirtschaftlichen Güter, die zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Einzelnen erforderlich sind, liegt kein Entgelt vor. Bei Lebensmitteln kommt es darauf an, ob sie nach Art und Umfang des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden. Wird das Maß des persönlichen Bedarfs hingegen überschritten, und werden die Lebensmittel zur freien Verfügung gewährt, ist von Entgelt auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn glaubhaft gemacht wird, dass gewährte Lebensmittel auch den Bedarf eines Angehörigen sicherstellen. Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten, oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelnen als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist. Ohne Bedeutung ist es dagegen, ob die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien gewährt worden sind, oder ob die Betroffenen Lebensmittelcoupons erhalten haben, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die von der Klägerin ausgeübte Beschäftigung nicht als entgeltlich anzusehen.
Insoweit steht zunächst nach den unmissverständlichen (schriftlichen) Angaben der Klägerin fest, dass sie für ihre Arbeiten in der Schuhfabrik weder Geld noch vergleichbare Zahlungsmittel, sondern lediglich Essen und weitere Lebensmittel erhalten hat. Weder im von ihr am 20.02.2003 unterzeichneten Rentenformantrag noch in der zum Verfahren gereichten persönlichen Erklärung der Klägerin vom 10.02.2003 hat sie vorgetragen, Bargeld erhalten zu haben, sondern stattdessen Essen und Lebensmittel für zuhause. Weitere Angaben der Klägerin hierzu und auch zu den weiteren Umständen des Ghetto-Aufenthaltes gibt es im Verfahren nicht. Die präzisen, ergänzenden Fragen des Senats vom 06.03.2008 sind trotz mehrfacher Erinnerung, schließlich mit Fristsetzung zum 01.08.2008, unbeantwortet geblieben.
Bezüglich des erhaltenen Essens bzw. der erhaltenen Lebensmittel kann nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden, dass diese nach dem vorbestimmten Maß zur beliebigen Verfügung geeignet gewesen, d. h. über den unmittelbaren Bedarf der Klägerin hinausgegangen wären. Angaben der Klägerin hierzu sind ebenfalls nicht vorhanden. Eine Ernährung zum Zwecke des Erhalts der eigenen Arbeitskraft ist aber ein Umstand, der in gleicher Weise für Zwangsarbeit typisch ist - dies schon aus reinem eigenen Interesse desjenigen, der die Arbeitskraft der Zwangsarbeiter für sich ausbeutet. Einen deutlichen Unterschied sieht der Senat erst dann als gegeben an, wenn das Maß der empfangenen Gegenleistung - unabhängig davon, ob in Form von Coupons oder Naturalien gewährt - das Maß des zum persönlichen Unterhalt Erforderlichen deutlich übersteigt, was z.B. darin zum Ausdruck kommen kann, dass die gewährten Lebensmittel objektiv bewertet dazu ausgereicht haben, nicht nur den Arbeitenden selbst, sondern mindestens eine weitere Person für einen erheblichen Zeitraum zu ernähren bzw. hierzu einen entscheidenden Beitrag zu leisten, sei es nur auf dem im Ghetto allgemein herrschenden außerordentlich niedrigen Ernährungsniveau. Entsprechende Behauptungen hat die Klägerin allerdings an keiner Stelle des Verfahrens aufgestellt. Auch sonst gibt es keine Erkenntnisse, die den Senat veranlassen würden, eine solche Annahme zu unterstellen.
Da eine Entgeltlichkeit der Beschäftigung nicht gegeben ist, kann der Senat offenlassen, ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 ZRBG vorliegen. Insbesondere kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die von ihr verrichteten Arbeiten "aus eigenem Willensentschluss", d. h. freiwillig und nicht gezwungenermaßen aufgenommen hat. Es kann auch offenbleiben, ob Balta im streitigen Zeitraum sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG war. Einer historischen Erklärung dieser Tatbestandsvoraussetzung bedarf es vorliegend nicht, da sie nicht entscheidungserheblich ist.
2. Die von der Klägerin in Balta von Juli 1940 bis März 1944 verrichteten Arbeiten können auch nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. den §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG) i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17a FRG oder § 12 WGSVG als Versicherungszeiten angerechnet werden.
Die Arbeit der Klägerin in Balta unterfiel nicht den Reichsversicherungsgesetzen. In Transnistrien galten diese jedenfalls nicht für Personen, die - wie die Klägerin - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, zum sogenannten Generalgouvernement).
Eine Anrechnung als Versicherungszeit kann sich daher allein nach den §§ 15, 16 FRG i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17a FRG richten. Eine Anrechnung als Beitragszeit nach § 15 Abs. 1 FRG kommt indessen nicht in Betracht, weil eine Beitragsentrichtung zu einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht und von der Klägerin auch gar nicht behauptet worden ist. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 FRG sind bereits deshalb nicht erfüllt, da - wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein nach deutschem Recht dem Grunde nach rentenversicherungsrechtpflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden kann. Auch § 16 FRG greift nicht zugunsten der Klägerin ein, da die von ihr ausgeübten Tätigkeiten nicht nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht (§§ 1227 und 1228 RVO) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätten, wenn sie im Gebiet der BRD oder im Beitrittsgebiet verrichtet worden wären. Da nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, dass die Klägerin eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, liegen die Voraussetzungen des § 12 WGSVG ebenfalls nicht vor.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Insbesondere die Frage, wann eine Beschäftigung im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG gegen Entgelt ausgeübt worden ist, ist unter Berücksichtigung der von den übrigen Senaten des Bundessozialgerichts abweichenden Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, a.a.O.) nach wie vor nicht als höchstrichterlich geklärt anzusehen.
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