Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 62/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 56/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. März 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 27. Dezember 1972.
Der 1952 geborene Kläger leistete vom 02. November 1971 bis 25. April 1973 seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA), ab. Am 27. Dezember 1972 rutschte er bei Reifglätte von der Leiter eines Beobachtungsturms ab, und zwar 2 Stufen abwärts bis zum Erdboden und verletzte sich dabei das rechte Knie. Die Nationale Volksarmee - Wehrkreiskommando B bescheinigte im August 1978, dass der Kläger laut Dienstbeschädigungsliste vom 27. Dezember 1972 an diesem Tag einen Unfall erlitten habe, der als Dienstbeschädigung anerkannt worden sei. Im Mai 1978 wurde der Kläger stationär behandelt mit der Diagnose einer Meniskusläsion rechts.
Ab 1981 wurde die Berufsunfähigkeit des Klägers als Bauarbeiter anerkannt. Ab 15. September 1982 nahm er eine Tätigkeit als Haushandwerker auf. Ab demselben Tage zahlte die Staatliche Versicherung der DDR bis 1990 eine Rente als Schadensersatz. Der Kläger beantragte anschließend zunächst bei der Wehrbereichsverwaltung eine Dienstbeschädigungsrente, die diese im Februar 1999 mit der Begründung ablehnte, die damalige Sozialversicherung der DDR sei für den Unfall zuständig. Rechtsnachfolgerin für solche Fälle sei die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung. Diese zog auf den im August 1999 bei ihr eingegangenen Antrag des Klägers Krankenunterlagen bei und holte ein Gutachtern ein, das im Jahr 1999 von dem Oberarzt Dr. K, der Assistenzärztin Dr. R und von Prof. Dr. E, Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Unfallkrankenhauses B, Krankenhaus B-mit Berufsgenossenschaftlicher Unfallklinik e.V. erstattet wurde. Im Ergebnis gelangten die Ärzte zu der Beurteilung, dass aus den Folgen des Unfalls keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) resultiere.
Mit Bescheid vom 09. März 2000 lehnte die Bundesausführungsbehörde entsprechend dem Gutachten einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen des Arbeitsunfalls ab.
Auf den dagegen vom seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers eingelegten Widerspruch holte die Beklagte ein weiteres Gutachten ein, das Prof. Dr. Z, Direktor der Klinik für Orthopädie der Charite und der Oberarzt Dr. L am 24. Januar 2002 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 13. November 2001 erstatteten.
Mit Bescheid vom 21. Mai 2002 wies die Bundesausführungsbehörde den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 09. März 2000 zurück.
Mit der am 24. Juni 2002 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung weiter verfolgt: Er gehe davon aus, dass der Gutachter die vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den orthopädischen Status zwar richtig festgestellt habe, die damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen und letztendlich auch die unfallbedingte MdE unter dem Eindruck, dass der Kläger seinen bisherigen Beruf als Hausmeister weiter ausübe, nicht richtig bewertet habe. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit, die den Kläger in seiner Ausübung als Hausmeister hindere und nur durch Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte kompensiert werden könne, müsse sich auch auf eine abstrakte Betrachtung der Arbeitsfähigkeit, auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, auswirken. Insbesondere reichte er die Beurteilung seines behandelnden Arztes Dr. Sam 14. August 2000 zu den Gerichtsakten, der die MdE mit 20 v. H. beurteilte.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid vom 09. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 01. Januar 1997 bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent zu zahlen.
Die Beklagte, Rechtsnachfolgerin der Bundesausführungsbehörde, hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG holte ein Gutachten ein, das der Facharzt für Orthopädie Dr. E am 12. März 2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 10. März 2003 erstattete und wies mit dem am 10. März 2005 verkündeten Urteil die Klage ab: Die gerichtlichen Ermittlungen hätten zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigendem Maße eingeschränkt sei. Die jetzige Beschwerdesymptomatik am rechten Kniegelenk sei nicht ausschließlich auf das Unfallereignis zurückführen. Sie werde durch die anlagebedingte Fehlbildung der Kniescheibe und vermutlich auch durch das rheumatische Geschehen bei Morbus Bechterew mitbestimmt. Mit seiner MdE-Beurteilung stimme der Gutachter Dr. E im Wesentlichen mit dem Gutachten von Prof. Dr. Z überein.
Gegen das dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Mai 2005 beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers, die mit Schriftsatz vom 23. Januar 2006 begründet wurde. Er nahm Bezug auf ein von der Beklagten im Rahmen der Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes zum 01. März 2005 von Prof. Dr. E und Dres. G und R am 17. Januar 2005 erstelltes Zusammenhangsgutachten.
Die Beklagte erkannte im Verlauf des Berufungsverfahrens den Unfall des Klägers vom 27. Dezember 1971 als Arbeitsunfall und als dessen Unfallfolgen an:
"Anteilige Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Kniegelenkes, subjektive Beschwerden bei medial betonter Gonarthrose und Narben nach Operation".
Unfallunabhängig bestehe eine retropatellare Arthrose des rechten Kniegelenks bei Fehlform der Patella im Sinne einer Jägerhutpatella und Patellahochstand. Die unfallbedingte MdE bewertete sie mit 10 v. H.
Der Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Prof. Dr. S erstattete am 15. Januar 2007 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 05. Januar 2007 und nahm ergänzend Stellung am 17. Oktober 2007 und 29. Februar 2008.
Im April 2008 zeigte die jetzige Prozessbevollmächtigte der Vertretung an, das Mandat mit dem bisherigen Prozessbevollmächtigen G sei beendet.
Mit Schriftsatz vom 18. November 2008 stellte die Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Begutachtung durch Dr. B nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Geschäftszeichen S 6 U 21/08 und L 22 U 56/08 und auf den der Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls, weil der anerkannte Arbeitsunfall keine Gesundheitsstörungen in rentenberechtigendem Grade verursacht hat. Das SG hat daher die Klage zu Recht abgewiesen.
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt deren Träger nach Eintritt des Versicherungsfalls. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs.1 SGB VII.
Im Fall des Fehlens eines Stützrententatbestandes wie hier haben Versicherte Anspruch auf Rente gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. Woche (früher die 13.) nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist.
Die Beklagte hat zwar - für die Beteiligten und das Gericht bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz, SGG) - den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, jedoch ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge dieses Unfalls weder über die 13. noch über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Unfall vom 27. Dezember 1972 über die von der Beklagten hinaus anerkannten Unfallfolgen keine weiteren Gesundheitsstörungen (mit-) verursacht hat. Die anerkannten Gesundheitsstörungen begründen keine MdE um mindestens 20 v. H.
Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden maßgeblichen Lehre von der wesentlichen Bedingung ist eine Bedingung als (mit-)ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), BSGE 1, 76 ff.). Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Bedingung für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSGE 12, 242, 245). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Gewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Zur Überzeugung des Senats ist zweifelsfrei feststellbar, dass das Unfallereignis ausschließlich wesentliche Ursache der verminderten Streckfähigkeit ist, während die unfallunabhängige Arthrose im retropatellaren Raum alleinige Ursache für eine Einschränkung der Beugefähigkeit ist. Beide Gesundheitsstörungen haben jeweils alleinige Ursachen. Die Arthrose zwischen Oberschenkelrollhügel und Schienbeinteller, die bei dem Kläger zu einem Streckdefizit führt, eindeutig ausschließlich kausal dem Unfallereignis zuzuordnen, da die unfallbedingte Meniskusentfernung zu einer erhöhten Druckbelastung des Knorpels geführt hat. Die Beugehemmung ist hingegen eindeutig der unfallunabhängigen retropatellaren Arthrose zuzuordnen, da beim Beugevorgang der Anpressdruck auf die Kniescheibenrückfläche erheblich steigt.
Prof. Dr. S hat dies in seinem Gutachten überzeugend dargestellt. Er hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Ursache für die verminderte Streckhemmung trennbar ist von der Einschränkung der Beugefähigkeit. Der Senat folgt dieser Beurteilung durch Prof. Dr. S und nimmt auf seine Ausführungen hierzu Bezug.
Das infolge der posttraumatischen Arthrose eingetretene Streckdefizit oder auch als Streckhemmung bezeichnet kann entsprechend den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen allenfalls mit einer MdE um 10 v. H. bewertet werden.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG unter der Geltung der RVO (BSGE 63, 207, 209).
Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dies gilt für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffenden Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG a.a.O.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE (BSGE 82, 212). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in Jahrzehnte langer Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallversicherungsmedizinischen Schrifttum heraus-gearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten, sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).
Prof. Dr. S und auch die übrigen Gutachter bewegen sich mit der Beurteilung der unfallbedingten MdE im Rahmen der im versicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze. So sehen diese bei Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage auf S. 675 und in der 7. Auflage auf S. 724 vor:
Bewegungseinschränkung des Kniegelenks Streckung/Beugung 0/0/120: 10 v. H. Streckung/Beugung 0/0/90: 20 v. H. Streckung/Beugung 0/30/90: 30 v. H. Arthrose je nach Funktionsbehinderung 10 bis 30 v. H.
Hinsichtlich des hier allein zur Bewertung der MdE heranzuziehenden Streckdefizits ist dem zu entnehmen, dass sich erst ein Streckdefizit bei 30 Grad auf die Höhe der MdE bedeutsam auswirkt.
Den vorliegenden Gutachten ist nach diesen Maßstäben eine Begründbarkeit der MdE mit 20 v. H. nicht zu entnehmen. Der für die Streckfähigkeit maßgebliche Wert ist sowohl von Dr. E, von Prof. Dr. E als auch von Prof. Dr. S mit 10 Grad beurteilt worden. Der behandelnde Arzt Dr. S stellte mit 5 Grad ein noch besseres Messergebnisse fest.
Ein Reizknie, das sich bei der Beurteilung der MdE auswirken könnte, hat keiner der Gutachter festgestellt. Prof. Dr. S verweist insbesondere darauf, dass die letzte Punktion vor 10 Jahren gewesen sei. Dies entspricht den Angaben des behandelnden Arztes Dr. S.
Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG, wonach Vorschäden unter Umständen Auswirkungen auf die Höhe der MdE haben können, ist eine höhere MdE nicht gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BSG (z. B. BSG Urteil vom 05. September 2006, B 2 U 25/05 R) ist zu berücksichtigen, wenn vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (so genannte Vorschäden) bestanden haben, wenn die Folgen des Versicherungsfalls durch die Vorschäden beeinflusst werden. Typischerweise ist eine derartige Beeinflussung anzunehmen, wenn durch zwei Schäden bzw. Erkrankungen dasselbe Organ oder dieselbe Körperfunktion betroffen ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers vor dem Unfall noch nicht beeinträchtigt war, ein Vorschaden im o. g. Sinne ist hier nicht feststellbar. Zwar bestand bereits die Fehlform der Kniescheibe (Jägerhut-Fehlform), allerdings beeinträchtigte diese nicht Erwerbsfähigkeit. Der Verschleiß trat nach Ausführungen von Prof. Dr. S erst im Verlaufe des weiteren Lebens ein. Spätere unfallunabhängige Nachschäden sind hingegen von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen, selbst wenn sie sich auf die Arbeitsunfallfolgen dahin auswirken, dass sie die unfallbedingte MdE verstärken (BSGE, 27, 142, 145, BSGE 41, 70, Urteil vom 17. März 1992, 2 RU 20/91).
Auf die Nachfrage des Gerichts, seit wann sich die unfallunabhängige Schädigung am rechten Knie des Klägers zweifelsfrei als Vorschaden feststellen lasse, hat der Gutachter ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der im Januar 1972 29 Jahre alte Kläger bereits altersbedingte Beeinträchtigungen nachgewiesen habe, die als Vorschaden die Folgen des Versicherungsfalls beeinflusst hätten. Es habe zum damaligen Zeitpunkt vielmehr eine Fehlform der Kniescheibe (Jägerhut-Typ) bestanden, die als präarthrotische Deformität im Sinne einer angeborenen oder in der frühen knöchernen Entwicklung liegenden Fehlform zu beschreiben sei mit der Folge einer Inkongruenz der Gelenkflächen und damit im Sinne einer unfallunabhängigen Vorschädigung des Kniegelenks, welche im Laufe des Lebens unfallunabhängig zu einer isolierten Arthrose zwischen Kniescheibe und Gleitlager der Rollhügel geführt habe. Zum Unfallzeitpunkt am 27. Dezember 1972 sei ein Verschleiß des Kniegelenks mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht vorhanden gewesen. Es sei "über das Leben" zu einer vorzeitigen degenerativen Schädigung retropatellar gekommen.
Auch insoweit folgt der Senat dem Gutachter.
Den Antrag des Klägers mit Schriftsatz vom 18. November 2008, Herrn Dr. B gemäß § 109 SGG als Gutachter zu beauftragen, hat das Gericht gemäß § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht den Antrag, einen bestimmten Arzt gutachtlich zu hören, ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Die Zulassung des Antrags würde hier den entscheidungsreifen Rechtsstreit eindeutig verzögern. Zudem ist das Gericht nach seiner freien Überzeugung zu der Auffassung gelangt, dass der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Schon mit gerichtlichem Schreiben vom 16. Mai 2008 wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers gebeten, nach erfolgter Akteneinsicht möglichst umgehend Stellung zu nehmen. Der Rechtsstreit sei zur mündlichen Verhandlung vorgesehen. Mit weiterem gerichtlichem Schreiben vom 10. Juli 2008 wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers um Mitteilung gebeten, ob Anträge oder ein Vortrag zu erwarten sei. Es wurde wiederum darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Im September 2008 wurde der Prozessbevollmächtigten die Terminsnachricht von dem auf den 20. November 2008 anberaumten Verhandlungstermin übermittelt. Am 18. November 2008 ging der Antrag auf Anhörung von Dr. B nach § 109 SGG beim Landessozialgericht ein. Damit hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Sie musste bei dem vorgenannten Ablauf aufgrund der richterlichen Schreiben nach erfolgter Akteneinsicht erkennen, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigte. Jedem Sachkundigen hätte eingeleuchtet, dass der Antrag vom 18. November 2008 zu dieser Zeit die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und früher hätte gestellt werden müssen. Soweit die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie habe "erst spät" eine Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung erhalten, erschließt sich hieraus bereits nicht, dass sie erst am 18. November 2008 die Kostenzusage erhalten hat. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass sie bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorher dem Gericht hätte mitteilen können, dass der Kläger eine Begutachtung nach § 109 SGG anstrebe, dass er seinen Antrag von der Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung abhängig machen wolle, und dass ein entsprechender Antrag bei der Rechtsschutzversicherung gestellt worden sei. Hierauf hätte sich das Gericht rechtzeitig einstellen können.
Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 27. Dezember 1972.
Der 1952 geborene Kläger leistete vom 02. November 1971 bis 25. April 1973 seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA), ab. Am 27. Dezember 1972 rutschte er bei Reifglätte von der Leiter eines Beobachtungsturms ab, und zwar 2 Stufen abwärts bis zum Erdboden und verletzte sich dabei das rechte Knie. Die Nationale Volksarmee - Wehrkreiskommando B bescheinigte im August 1978, dass der Kläger laut Dienstbeschädigungsliste vom 27. Dezember 1972 an diesem Tag einen Unfall erlitten habe, der als Dienstbeschädigung anerkannt worden sei. Im Mai 1978 wurde der Kläger stationär behandelt mit der Diagnose einer Meniskusläsion rechts.
Ab 1981 wurde die Berufsunfähigkeit des Klägers als Bauarbeiter anerkannt. Ab 15. September 1982 nahm er eine Tätigkeit als Haushandwerker auf. Ab demselben Tage zahlte die Staatliche Versicherung der DDR bis 1990 eine Rente als Schadensersatz. Der Kläger beantragte anschließend zunächst bei der Wehrbereichsverwaltung eine Dienstbeschädigungsrente, die diese im Februar 1999 mit der Begründung ablehnte, die damalige Sozialversicherung der DDR sei für den Unfall zuständig. Rechtsnachfolgerin für solche Fälle sei die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung. Diese zog auf den im August 1999 bei ihr eingegangenen Antrag des Klägers Krankenunterlagen bei und holte ein Gutachtern ein, das im Jahr 1999 von dem Oberarzt Dr. K, der Assistenzärztin Dr. R und von Prof. Dr. E, Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Unfallkrankenhauses B, Krankenhaus B-mit Berufsgenossenschaftlicher Unfallklinik e.V. erstattet wurde. Im Ergebnis gelangten die Ärzte zu der Beurteilung, dass aus den Folgen des Unfalls keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) resultiere.
Mit Bescheid vom 09. März 2000 lehnte die Bundesausführungsbehörde entsprechend dem Gutachten einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen des Arbeitsunfalls ab.
Auf den dagegen vom seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers eingelegten Widerspruch holte die Beklagte ein weiteres Gutachten ein, das Prof. Dr. Z, Direktor der Klinik für Orthopädie der Charite und der Oberarzt Dr. L am 24. Januar 2002 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 13. November 2001 erstatteten.
Mit Bescheid vom 21. Mai 2002 wies die Bundesausführungsbehörde den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 09. März 2000 zurück.
Mit der am 24. Juni 2002 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung weiter verfolgt: Er gehe davon aus, dass der Gutachter die vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den orthopädischen Status zwar richtig festgestellt habe, die damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen und letztendlich auch die unfallbedingte MdE unter dem Eindruck, dass der Kläger seinen bisherigen Beruf als Hausmeister weiter ausübe, nicht richtig bewertet habe. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit, die den Kläger in seiner Ausübung als Hausmeister hindere und nur durch Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte kompensiert werden könne, müsse sich auch auf eine abstrakte Betrachtung der Arbeitsfähigkeit, auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, auswirken. Insbesondere reichte er die Beurteilung seines behandelnden Arztes Dr. Sam 14. August 2000 zu den Gerichtsakten, der die MdE mit 20 v. H. beurteilte.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid vom 09. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 01. Januar 1997 bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent zu zahlen.
Die Beklagte, Rechtsnachfolgerin der Bundesausführungsbehörde, hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG holte ein Gutachten ein, das der Facharzt für Orthopädie Dr. E am 12. März 2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 10. März 2003 erstattete und wies mit dem am 10. März 2005 verkündeten Urteil die Klage ab: Die gerichtlichen Ermittlungen hätten zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigendem Maße eingeschränkt sei. Die jetzige Beschwerdesymptomatik am rechten Kniegelenk sei nicht ausschließlich auf das Unfallereignis zurückführen. Sie werde durch die anlagebedingte Fehlbildung der Kniescheibe und vermutlich auch durch das rheumatische Geschehen bei Morbus Bechterew mitbestimmt. Mit seiner MdE-Beurteilung stimme der Gutachter Dr. E im Wesentlichen mit dem Gutachten von Prof. Dr. Z überein.
Gegen das dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Mai 2005 beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers, die mit Schriftsatz vom 23. Januar 2006 begründet wurde. Er nahm Bezug auf ein von der Beklagten im Rahmen der Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes zum 01. März 2005 von Prof. Dr. E und Dres. G und R am 17. Januar 2005 erstelltes Zusammenhangsgutachten.
Die Beklagte erkannte im Verlauf des Berufungsverfahrens den Unfall des Klägers vom 27. Dezember 1971 als Arbeitsunfall und als dessen Unfallfolgen an:
"Anteilige Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Kniegelenkes, subjektive Beschwerden bei medial betonter Gonarthrose und Narben nach Operation".
Unfallunabhängig bestehe eine retropatellare Arthrose des rechten Kniegelenks bei Fehlform der Patella im Sinne einer Jägerhutpatella und Patellahochstand. Die unfallbedingte MdE bewertete sie mit 10 v. H.
Der Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Prof. Dr. S erstattete am 15. Januar 2007 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 05. Januar 2007 und nahm ergänzend Stellung am 17. Oktober 2007 und 29. Februar 2008.
Im April 2008 zeigte die jetzige Prozessbevollmächtigte der Vertretung an, das Mandat mit dem bisherigen Prozessbevollmächtigen G sei beendet.
Mit Schriftsatz vom 18. November 2008 stellte die Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Begutachtung durch Dr. B nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Geschäftszeichen S 6 U 21/08 und L 22 U 56/08 und auf den der Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls, weil der anerkannte Arbeitsunfall keine Gesundheitsstörungen in rentenberechtigendem Grade verursacht hat. Das SG hat daher die Klage zu Recht abgewiesen.
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt deren Träger nach Eintritt des Versicherungsfalls. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs.1 SGB VII.
Im Fall des Fehlens eines Stützrententatbestandes wie hier haben Versicherte Anspruch auf Rente gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. Woche (früher die 13.) nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist.
Die Beklagte hat zwar - für die Beteiligten und das Gericht bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz, SGG) - den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, jedoch ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge dieses Unfalls weder über die 13. noch über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Unfall vom 27. Dezember 1972 über die von der Beklagten hinaus anerkannten Unfallfolgen keine weiteren Gesundheitsstörungen (mit-) verursacht hat. Die anerkannten Gesundheitsstörungen begründen keine MdE um mindestens 20 v. H.
Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden maßgeblichen Lehre von der wesentlichen Bedingung ist eine Bedingung als (mit-)ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), BSGE 1, 76 ff.). Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Bedingung für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSGE 12, 242, 245). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Gewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Zur Überzeugung des Senats ist zweifelsfrei feststellbar, dass das Unfallereignis ausschließlich wesentliche Ursache der verminderten Streckfähigkeit ist, während die unfallunabhängige Arthrose im retropatellaren Raum alleinige Ursache für eine Einschränkung der Beugefähigkeit ist. Beide Gesundheitsstörungen haben jeweils alleinige Ursachen. Die Arthrose zwischen Oberschenkelrollhügel und Schienbeinteller, die bei dem Kläger zu einem Streckdefizit führt, eindeutig ausschließlich kausal dem Unfallereignis zuzuordnen, da die unfallbedingte Meniskusentfernung zu einer erhöhten Druckbelastung des Knorpels geführt hat. Die Beugehemmung ist hingegen eindeutig der unfallunabhängigen retropatellaren Arthrose zuzuordnen, da beim Beugevorgang der Anpressdruck auf die Kniescheibenrückfläche erheblich steigt.
Prof. Dr. S hat dies in seinem Gutachten überzeugend dargestellt. Er hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Ursache für die verminderte Streckhemmung trennbar ist von der Einschränkung der Beugefähigkeit. Der Senat folgt dieser Beurteilung durch Prof. Dr. S und nimmt auf seine Ausführungen hierzu Bezug.
Das infolge der posttraumatischen Arthrose eingetretene Streckdefizit oder auch als Streckhemmung bezeichnet kann entsprechend den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen allenfalls mit einer MdE um 10 v. H. bewertet werden.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG unter der Geltung der RVO (BSGE 63, 207, 209).
Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dies gilt für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffenden Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG a.a.O.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE (BSGE 82, 212). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in Jahrzehnte langer Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallversicherungsmedizinischen Schrifttum heraus-gearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten, sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).
Prof. Dr. S und auch die übrigen Gutachter bewegen sich mit der Beurteilung der unfallbedingten MdE im Rahmen der im versicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze. So sehen diese bei Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage auf S. 675 und in der 7. Auflage auf S. 724 vor:
Bewegungseinschränkung des Kniegelenks Streckung/Beugung 0/0/120: 10 v. H. Streckung/Beugung 0/0/90: 20 v. H. Streckung/Beugung 0/30/90: 30 v. H. Arthrose je nach Funktionsbehinderung 10 bis 30 v. H.
Hinsichtlich des hier allein zur Bewertung der MdE heranzuziehenden Streckdefizits ist dem zu entnehmen, dass sich erst ein Streckdefizit bei 30 Grad auf die Höhe der MdE bedeutsam auswirkt.
Den vorliegenden Gutachten ist nach diesen Maßstäben eine Begründbarkeit der MdE mit 20 v. H. nicht zu entnehmen. Der für die Streckfähigkeit maßgebliche Wert ist sowohl von Dr. E, von Prof. Dr. E als auch von Prof. Dr. S mit 10 Grad beurteilt worden. Der behandelnde Arzt Dr. S stellte mit 5 Grad ein noch besseres Messergebnisse fest.
Ein Reizknie, das sich bei der Beurteilung der MdE auswirken könnte, hat keiner der Gutachter festgestellt. Prof. Dr. S verweist insbesondere darauf, dass die letzte Punktion vor 10 Jahren gewesen sei. Dies entspricht den Angaben des behandelnden Arztes Dr. S.
Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG, wonach Vorschäden unter Umständen Auswirkungen auf die Höhe der MdE haben können, ist eine höhere MdE nicht gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BSG (z. B. BSG Urteil vom 05. September 2006, B 2 U 25/05 R) ist zu berücksichtigen, wenn vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (so genannte Vorschäden) bestanden haben, wenn die Folgen des Versicherungsfalls durch die Vorschäden beeinflusst werden. Typischerweise ist eine derartige Beeinflussung anzunehmen, wenn durch zwei Schäden bzw. Erkrankungen dasselbe Organ oder dieselbe Körperfunktion betroffen ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers vor dem Unfall noch nicht beeinträchtigt war, ein Vorschaden im o. g. Sinne ist hier nicht feststellbar. Zwar bestand bereits die Fehlform der Kniescheibe (Jägerhut-Fehlform), allerdings beeinträchtigte diese nicht Erwerbsfähigkeit. Der Verschleiß trat nach Ausführungen von Prof. Dr. S erst im Verlaufe des weiteren Lebens ein. Spätere unfallunabhängige Nachschäden sind hingegen von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen, selbst wenn sie sich auf die Arbeitsunfallfolgen dahin auswirken, dass sie die unfallbedingte MdE verstärken (BSGE, 27, 142, 145, BSGE 41, 70, Urteil vom 17. März 1992, 2 RU 20/91).
Auf die Nachfrage des Gerichts, seit wann sich die unfallunabhängige Schädigung am rechten Knie des Klägers zweifelsfrei als Vorschaden feststellen lasse, hat der Gutachter ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der im Januar 1972 29 Jahre alte Kläger bereits altersbedingte Beeinträchtigungen nachgewiesen habe, die als Vorschaden die Folgen des Versicherungsfalls beeinflusst hätten. Es habe zum damaligen Zeitpunkt vielmehr eine Fehlform der Kniescheibe (Jägerhut-Typ) bestanden, die als präarthrotische Deformität im Sinne einer angeborenen oder in der frühen knöchernen Entwicklung liegenden Fehlform zu beschreiben sei mit der Folge einer Inkongruenz der Gelenkflächen und damit im Sinne einer unfallunabhängigen Vorschädigung des Kniegelenks, welche im Laufe des Lebens unfallunabhängig zu einer isolierten Arthrose zwischen Kniescheibe und Gleitlager der Rollhügel geführt habe. Zum Unfallzeitpunkt am 27. Dezember 1972 sei ein Verschleiß des Kniegelenks mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht vorhanden gewesen. Es sei "über das Leben" zu einer vorzeitigen degenerativen Schädigung retropatellar gekommen.
Auch insoweit folgt der Senat dem Gutachter.
Den Antrag des Klägers mit Schriftsatz vom 18. November 2008, Herrn Dr. B gemäß § 109 SGG als Gutachter zu beauftragen, hat das Gericht gemäß § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht den Antrag, einen bestimmten Arzt gutachtlich zu hören, ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Die Zulassung des Antrags würde hier den entscheidungsreifen Rechtsstreit eindeutig verzögern. Zudem ist das Gericht nach seiner freien Überzeugung zu der Auffassung gelangt, dass der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Schon mit gerichtlichem Schreiben vom 16. Mai 2008 wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers gebeten, nach erfolgter Akteneinsicht möglichst umgehend Stellung zu nehmen. Der Rechtsstreit sei zur mündlichen Verhandlung vorgesehen. Mit weiterem gerichtlichem Schreiben vom 10. Juli 2008 wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers um Mitteilung gebeten, ob Anträge oder ein Vortrag zu erwarten sei. Es wurde wiederum darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Im September 2008 wurde der Prozessbevollmächtigten die Terminsnachricht von dem auf den 20. November 2008 anberaumten Verhandlungstermin übermittelt. Am 18. November 2008 ging der Antrag auf Anhörung von Dr. B nach § 109 SGG beim Landessozialgericht ein. Damit hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Sie musste bei dem vorgenannten Ablauf aufgrund der richterlichen Schreiben nach erfolgter Akteneinsicht erkennen, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigte. Jedem Sachkundigen hätte eingeleuchtet, dass der Antrag vom 18. November 2008 zu dieser Zeit die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und früher hätte gestellt werden müssen. Soweit die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie habe "erst spät" eine Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung erhalten, erschließt sich hieraus bereits nicht, dass sie erst am 18. November 2008 die Kostenzusage erhalten hat. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass sie bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorher dem Gericht hätte mitteilen können, dass der Kläger eine Begutachtung nach § 109 SGG anstrebe, dass er seinen Antrag von der Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung abhängig machen wolle, und dass ein entsprechender Antrag bei der Rechtsschutzversicherung gestellt worden sei. Hierauf hätte sich das Gericht rechtzeitig einstellen können.
Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved