Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 124/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 364/08 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die vom Gesetzgeber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Lichte von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz eingeführte Übergangsregelung in § 126 Abs. 2 SGB V liefe leer, wenn nach Abschluss von Verträgen der Krankenkassen alle Leistungserbringer als Lieferanten sofort und schon vor dem 31. Dezember 2008 aus dem Versorgungssystem herausfallen müssten.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 31. Juli 2008 aufgehoben. Im Wege einstweiliger Anordnung wird festgestellt, dass die Antragstellerin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin mit aufsaugenden Inkontinenzhilfen zugelassen ist. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 31. Juli 2008 ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist von Gesetzes wegen berechtigt, die Versicherten der Antragsgegnerin bis zum 31. Dezember 2008 mit aufsaugenden Inkontinenzhilfen zu versorgen.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Anordnungsanspruch stellt ab auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache und ist mit dem Anordnungsgrund von dem Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). In dem vorliegenden Verfahren geht der Senat auf der Grundlage der Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V von einer überwiegenden Erfolgsaussicht aus. Nach dieser Vorschrift bleiben Leistungserbringer, die – wie die Antragstellerin – am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB V in der zu jenem Zeitpunkt geltenden Fassung verfügten, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt.
Mit Wirkung vom 1. April 2007 sind die Beziehungen der Versicherten zu den Leistungserbringern von Hilfsmitteln in wesentlichen Teilen neu gefasst worden. Nach § 126 Abs. 1 S. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden. § 127 SGB V sieht grundsätzlich Verträge der Krankenkassen, ihrer Verbände oder Arbeitsgemeinschaften mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer vor, die nach erfolgter Ausschreibung zu Stande kommen (Abs. 1). Verträge ohne Ausschreibung sind möglich, wenn Ausschreibungen nicht zweckmäßig sind (Abs. 2). Bestehen keine solchen Verträge, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer (Abs. 3).
Über eine Zulassung verfügte die Antragstellerin bisher nach § 126 SGB V (a.F.) und war berechtigt, gesetzlich Versicherte der Antragsgegnerin zu versorgen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und des Sozialgerichts bleibt die Antragstellerin aber gemäß § 126 Abs. 2 SGB V weiterhin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt. Schon der klare Wortlaut des § 126 Abs. 2 SGB V lässt eine andere Entscheidung nicht zu. Vor allem scheitert dies nicht an § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V in der seit dem 1. April 2007 geltenden Fassung. Hat hiernach die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Da die Antragsgegnerin nach einem Ausschreibungsverfahren entsprechende Verträge geschlossen hat, leitet sie hieraus ab, dass die Antragstellerin seitdem nicht mehr berechtigt ist, die Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2008 auszunutzen.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht (ebenso u. a.: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 8. Februar 2008, L 1 B 41/08 KR ER; Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 167. September 2008, L 8 KR 166/08 B ER; zitiert jeweils nach juris). Maßgeblich hierfür ist – neben dem unzweideutigen Wortlaut der Norm – die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3100, S. 141, zu Nr. 92) zu § 126 Abs. 2 SGB V. Dort heißt es: "Abs. 2 (des § 126 SGB V) enthält Übergangsvorschriften für die bisherigen Zulassungsinhaber. Diesen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich während einer angemessenen Übergangszeit auf die neuen Bedingungen einzustellen, soweit sie nicht ohnehin schon vertragliche Beziehungen zu den Krankenkassen unterhalten." Hieraus ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, den grundlegenden Systemwechsel im Leistungserbringungsrecht für Hilfsmittel zeitlich zu strecken. Die vom Gesetzgeber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Neuregelung im Lichte von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz eingeführte Übergangsregelung wäre sinnlos, wenn nach Abschluss von Verträgen der Krankenkassen alle Leistungserbringer als Lieferanten sofort aus dem Versorgungssystem herausfallen müssten. Die Übergangsregelung liefe leer, wollte man ihre Anwendbarkeit (in zeitlicher Hinsicht) zur Disposition der Krankenkassen stellen. Es käme nur darauf an, wie schnell die jeweilige Krankenkasse Verträge abschlösse. Die mit der Übergangsfrist bezweckte Planungssicherheit für die betroffenen Leistungserbringer ließe sich so nicht erreichen. Die Wirkung und Dauer der Übergangsfrist darf nicht geprägt sein von Elementen der Zufälligkeit (Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses). Auch im Interesse der Rechtssicherheit und mit Blick auf eine bundeseinheitliche Verfahrensweise muss die Fristen- und Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 SGB V zur Überzeugung des Senats dispositionsfrei wirken.
Angesichts des Umstandes, dass das Eilverfahren hier an die Stelle des Hauptsacheverfahrens tritt und die Antragstellerin rechtsschutzlos gestellt wäre, wenn sie keine Möglichkeit hätte, im Eilverfahren effektiven Rechtsschutz zu erlangen, sieht der Senat auch einen Anordnungsgrund als gegeben an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 31. Juli 2008 ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist von Gesetzes wegen berechtigt, die Versicherten der Antragsgegnerin bis zum 31. Dezember 2008 mit aufsaugenden Inkontinenzhilfen zu versorgen.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Anordnungsanspruch stellt ab auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache und ist mit dem Anordnungsgrund von dem Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). In dem vorliegenden Verfahren geht der Senat auf der Grundlage der Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V von einer überwiegenden Erfolgsaussicht aus. Nach dieser Vorschrift bleiben Leistungserbringer, die – wie die Antragstellerin – am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB V in der zu jenem Zeitpunkt geltenden Fassung verfügten, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt.
Mit Wirkung vom 1. April 2007 sind die Beziehungen der Versicherten zu den Leistungserbringern von Hilfsmitteln in wesentlichen Teilen neu gefasst worden. Nach § 126 Abs. 1 S. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden. § 127 SGB V sieht grundsätzlich Verträge der Krankenkassen, ihrer Verbände oder Arbeitsgemeinschaften mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer vor, die nach erfolgter Ausschreibung zu Stande kommen (Abs. 1). Verträge ohne Ausschreibung sind möglich, wenn Ausschreibungen nicht zweckmäßig sind (Abs. 2). Bestehen keine solchen Verträge, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer (Abs. 3).
Über eine Zulassung verfügte die Antragstellerin bisher nach § 126 SGB V (a.F.) und war berechtigt, gesetzlich Versicherte der Antragsgegnerin zu versorgen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und des Sozialgerichts bleibt die Antragstellerin aber gemäß § 126 Abs. 2 SGB V weiterhin bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt. Schon der klare Wortlaut des § 126 Abs. 2 SGB V lässt eine andere Entscheidung nicht zu. Vor allem scheitert dies nicht an § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V in der seit dem 1. April 2007 geltenden Fassung. Hat hiernach die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Da die Antragsgegnerin nach einem Ausschreibungsverfahren entsprechende Verträge geschlossen hat, leitet sie hieraus ab, dass die Antragstellerin seitdem nicht mehr berechtigt ist, die Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2008 auszunutzen.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht (ebenso u. a.: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 8. Februar 2008, L 1 B 41/08 KR ER; Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 167. September 2008, L 8 KR 166/08 B ER; zitiert jeweils nach juris). Maßgeblich hierfür ist – neben dem unzweideutigen Wortlaut der Norm – die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3100, S. 141, zu Nr. 92) zu § 126 Abs. 2 SGB V. Dort heißt es: "Abs. 2 (des § 126 SGB V) enthält Übergangsvorschriften für die bisherigen Zulassungsinhaber. Diesen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich während einer angemessenen Übergangszeit auf die neuen Bedingungen einzustellen, soweit sie nicht ohnehin schon vertragliche Beziehungen zu den Krankenkassen unterhalten." Hieraus ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, den grundlegenden Systemwechsel im Leistungserbringungsrecht für Hilfsmittel zeitlich zu strecken. Die vom Gesetzgeber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Neuregelung im Lichte von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz eingeführte Übergangsregelung wäre sinnlos, wenn nach Abschluss von Verträgen der Krankenkassen alle Leistungserbringer als Lieferanten sofort aus dem Versorgungssystem herausfallen müssten. Die Übergangsregelung liefe leer, wollte man ihre Anwendbarkeit (in zeitlicher Hinsicht) zur Disposition der Krankenkassen stellen. Es käme nur darauf an, wie schnell die jeweilige Krankenkasse Verträge abschlösse. Die mit der Übergangsfrist bezweckte Planungssicherheit für die betroffenen Leistungserbringer ließe sich so nicht erreichen. Die Wirkung und Dauer der Übergangsfrist darf nicht geprägt sein von Elementen der Zufälligkeit (Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses). Auch im Interesse der Rechtssicherheit und mit Blick auf eine bundeseinheitliche Verfahrensweise muss die Fristen- und Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 SGB V zur Überzeugung des Senats dispositionsfrei wirken.
Angesichts des Umstandes, dass das Eilverfahren hier an die Stelle des Hauptsacheverfahrens tritt und die Antragstellerin rechtsschutzlos gestellt wäre, wenn sie keine Möglichkeit hätte, im Eilverfahren effektiven Rechtsschutz zu erlangen, sieht der Senat auch einen Anordnungsgrund als gegeben an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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