Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 798/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 57/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung der Tumorerkrankung des am 24. Januar 1989 verstorbenen Ehemanns der Klägerin S L (Versicherter) als Berufskrankheit (BK) Nr. 92 (bösartige Neubildungen durch ionisierende Strahlen) der Liste der Berufskrankheiten der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten der DDR (BKVO-DDR) und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.
Der Ehemann der Klägerin war bei der Sowjetisch-Deutschen AG Wismut (SDAG Wismut) von Februar bis Oktober 1948 als Hauer und von Juni 1949 bis Mai 1957 als Baggerfahrer (2,7 Jahre) und als Hauer (5,6 Jahre) beschäftigt. Bei diesen Tätigkeiten war er Belastungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt. Nach Aufgabe dieser Tätigkeit war der Versicherte bis 1984 Maschinist und bezog anschließend eine Invalidenrente. Neben seit Ende der 60er Jahre auftretenden Rücken-, Hüft- und Kniebeschwerden, Herz-/Kreislauferkrankungen, einem 1976 erstmals festgestellten Diabetes mellitus II mit Polyneuropathie und einer Adipositas litt der Versicherte, der von 1940 bis 1970 ca. 20 Zigaretten täglich geraucht hatte, seit Mitte der 70er Jahre unter wiederholt auftretenden Kehlkopf- und Luftröhrenentzündungen. Bei einem Krankenhausaufenthalt im Frühjahr 1978 wurde ein Tumor oberhalb des rechten Schlüsselbeins festgestellt, der in der Zeit bis zum April 1982 operativ entfernt wurde. Eine sichere Beurteilung der Kehlkopferkrankungen war mit den durchgeführten Maßnahmen nicht möglich (vgl. die Unterlagen des A-Kreiskrankenhauses über Behandlungen aus der Zeit von März 1978 bis April 1982). Im Frühjahr 1988 wurde ein Dickdarm (Colon)-Karzinom diagnostiziert. Am 16. Juni 1988 erfolgte im St. Hkrankenhaus B die operative Entfernung eines Teils des Dickdarms. Tochtergeschwülste wurden in der Leber, den Bauchlymphknoten, der Bauchspeicheldrüse und der Lunge vorgefunden. Nach dem histologischen Befund von Dr. W vom 22./24. Juni 1988 handelte es sich bei dem Dickdarmtumor um ein mäßig differenziertes Adenokarzinom. Am 24. Januar 1989 verstarb der Versicherte an Herzversagen. Ein nachfolgendes pathologisches Gutachten bestätigte die früheren Befunde, insbesondere die Diagnose des Colon-Karzinoms als mäßig differenziertes Adeno-Karzinom. Weiter wurden eine Lungenwassersucht (Ödem), Pleuraergüsse, eine Rechtsherzerweiterung, Arteriosklerose, Gallensteine und eine Gallenblasenentzündung festgestellt; eine Silikose konnte ausgeschlossen werden (vgl. Autopsie-Bericht der C vom 08. Mai 1989 über die Autopsie vom 27. Januar 1989).
Nach dem Tod des Versicherten beantragte die Klägerin die Anerkennung einer BK, da dieser während seiner Tätigkeit ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen sei.
Die Beklagte zog die den Versicherten betreffenden medizinischen Unterlagen (Krankenblätter des St. Hkrankenhaus B und des O P) bei und holte eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Bergbau Berufsgenossenschaft (Bergbau-BG) zu der beruflichen Strahlenbelastung des Versicherten ein. Dieser ermittelte die Verursachungswahrscheinlichkeit der Belastungen, denen der Versicherte im Uranbergbau ausgesetzt war, unter Zugrundelegung der Erkenntnisse und Anwendung der Berechnungsmethode aus dem im Auftrag des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften von W. Jacobi und P. Roth im März 1995 unter Berücksichtigung von Erkenntnissen bei den Atombombenopfern von Hiroshima und Nagasaki erstellten Forschungsbericht ("Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit von extrapulmonalen Krebserkrankungen durch die berufliche Strahlenexposition von Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG") – Gutachten Jacobi-II - und weiteren Ermittlungen zum Ausmaß der Strahlenbelastungen in den einzelnen Objekten der SDAG Wismut. Der TAD der Bergbau-BG führte in seiner Stellungnahme vom 17. Juli 1996 aus, dass die inhalative Exposition des Versicherten durch kurzlebige Radonfolgeprodukte insgesamt 755 Working Level Month (WLM) betragen habe. Daneben habe es eine Belastung durch die Inhalation langlebiger Radionuklide von insgesamt 8,24 KBqh/m³ und eine externe Exposition durch Gamma-Strahlen (durch radioaktives Gestein) von insgesamt 26,3 mSv gegeben. Die kumulative Organdosis habe 351,89 mSv betragen. Unter Berücksichtigung der Zeit zwischen der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und dem Beginn der Dickdarmkrebserkrankung (Latenzzeit) betrage die Verursachungswahrscheinlichkeit im Fall des Versicherten lediglich 12,3 %.
Daraufhin lehnte die Beklagte nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme die Anerkennung einer BK Nr. 92 BKVO-DDR mit Bescheid vom 09. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996 ab, da erst bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 % eine Verursachung durch die berufliche Strahlenbelastung wahrscheinlicher sei als das "Spontanrisiko". Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin (S 68 U 37/97) erstattete der Strahlenbiologe und Strahlenschutzmediziner Prof. Dr. A am 20. Dezember 1998 ein Gutachten. Er führte aus, dass nicht alle Krebsarten bei gleicher Strahlenbelastung in gleicher Häufigkeit aufträten. Epidemiologische Studien zu Bergleuten im Uranbergbau hätten keine statistisch gesicherten Erkenntnisse zu einer echten Häufung von Organkrebserkrankungen außerhalb der Lunge ergeben. Bei den beim Versicherten festgestellten Krebsveränderungen in der Lunge handele es sich nicht um ein primäres Bronchialkarzinom, sondern um Fernmetastasen des primären Dickdarmkarzinoms. Zwar habe Prof. Dr. Jacobi ein dosimetrisches Modell entwickelt, welches die besonderen Umstände der beruflichen Strahlenexposition bei der SDAG Wismut besser berücksichtige und eine Anerkennung extrapulmonaler Tumorerkrankungen als Berufskrankheit erlaube. Aber auch danach betrage die Verursachungswahrscheinlichkeit nur 12,7 %. Das Dickdarmkarzinom des Versicherten sei daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durch die berufliche Tätigkeit im Uranbergbau verursacht worden, sondern spontan entstanden. Bösartige Tumore des Dick- und Enddarms gehörten bei Männern mit einem Altersgipfel zwischen 50 und 70 Jahren zur zweithäufigsten Krebsgeschwulst. Es gebe eine Vielzahl von anderen Risikofaktoren, von denen einige beim Versicherten vorlägen (genetische/familiäre Disposition, seit 1976 festgestellter Diabetes mellitus und Adipositas, langjähriger Nikotinmissbrauch).
Daraufhin nahm die Klägerin die Klage zurück.
Mit Schreiben vom 31. März 1999 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Leistungen und die Anerkennung einer BK Nr. 92 BKVO-DDR mit der Begründung, sie habe nachträglich durch Akteneinsicht erfahren, dass bei ihrem Ehemann weitere Krebserkrankungen auch an anderen Organen aufgetreten seien.
Die Beklagte fasste das Schreiben als Überprüfungsantrag auf und lehnte diesen durch Bescheid vom 30. Juni 1999 ab.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, bei Lungenkrebs liege die Verursachungswahrscheinlichkeit nach dem Jacobi-Gutachten bei 81 %, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. September 1999 als unbegründet zurück und führte aus, dass für die Verursachungswahrscheinlichkeit stets auf den Sitz des Primärtumors abzustellen sei. Der Versicherte sei an Dickdarmkrebs gestorben und hier liege die Verursachungswahrscheinlichkeit nur bei 12,3 %. Auf die Lokalisation der Metastasen komme es nicht an.
Mit der bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, bei dem Versicherten habe auch ein Lungenkarzinom vorgelegen, so dass die Verursachungswahrscheinlichkeit 81,2 % betrage.
Das SG hat Ablichtungen aus dem Vorgang der Bergbau-BG (Az.: ) betreffend ein anderes Verfahren der Klägerin zur Anerkennung einer BK (Tumor an der rechten Halsseite, Geschwulstknoten der Lunge) des Versicherten beigezogen. In dem dort für die Bergbau-BG von dem Direktor des Instituts für Pathologie der C, Prof. Dr. D, am 30. November 2000 erstatteten Gutachten wird ausgeführt, dass es sich bei dem Geschwulstknoten in der Lunge mit hoher Wahrscheinlichkeit um Metastasen des Darmkrebses handele. Auf diesen Primärtumor sei für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs abzustellen.
Des Weiteren hat das SG die Behandlungsunterlagen des A-Kreiskrankenhaus beigezogen und den Arbeits- und Umweltmediziner Dr. W mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 03. Mai 2002 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, eine beruflich durch ionisierende Strahlen verursachte Erkrankung an Dickdarmkrebs sei nicht wahrscheinlich. Es gebe weder allgemeine noch auf die SDAG Wismut bezogene epidemiologische Studien, die ein erhöhtes Dickdarmkrebserkrankungsrisiko durch die berufliche Exposition des Versicherten begründen könnten. Grundsätzlich seien Dickdarmkrebserkrankungen sehr häufig und würden nicht als beruflich verursachte Erkrankungen verdächtigt. Nur für drei – hier nicht einschlägige – krebserzeugende Gefahrstoffe werde der Darm als Zielorgan genannt. Risikofaktoren seien eine genetische Veranlagung, fettreiche Ernährung und Alkohol sowie eine Adipositas.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein Gutachten von dem Arzt für Nuklearmedizin Prof. Dr. K vom 12. Dezember 2003 nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. April 2004 eingeholt. Prof. Dr. K hat die Auffassung vertreten, der Versicherte sei an einer Dickdarmkrebserkrankung verstorben. Eine Vorstufe für die Erkrankung seien typischerweise Dickdarmpolypen. Die Umwandlung von Polypen in Krebszellen werde auf einen krebsauslösenden Faktor zurückgeführt, dessen Ursache noch nicht gänzlich erforscht sei. Für die Entstehung von Dickdarmpolypen spielten Faktoren wie Lebensweise und Ernährungsgewohnheiten eine große Rolle, sie träten in der westlichen Welt – anders als etwa in Asien - gehäuft auf. Bei dem Versicherten habe es sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht um eine Dickdarmkrebserkrankung nach Durchlaufen einer Adenom-Karzinom-Sequenz gehandelt, wie der Ort des Auftretens im Bereich der rechten Abbiegung zwischen dem aufsteigenden und querverlaufenden Abschnitt des Dickdarms zeige. Vielmehr spreche das Erkrankungsalter des Versicherten mit 63 Jahren, insbesondere in Anbetracht des sehr fortgeschrittenen Tumorstadiums (T4) mit Verengung des Darms und zahlreichen Tochtergeschwülsten, für einen nicht erblichen Dickdarmkrebs, für den es – wie Studien bei den Atombombenopfern von Hiroshima und Nagasaki zeigten - eindeutige Beobachtungen zur Auslösung durch ionisierende Strahlen gebe, auch wenn die Aussagekraft durch die Zunahme anderer Risikofaktoren in Japan erschwert sei. Es stehe fest, dass der Versicherte bei seiner Berufstätigkeit bei der SDAG Wismut in großem Ausmaß ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen sei. Auch lägen bei ihm relevante außerberufliche Faktoren nicht vor. Eine genetische Veranlagung lasse sich angesichts der Lokalisation des Tumors nicht begründen Der Nikotinabusus habe fördernde Wirkung nur für den Enddarmkrebs, nicht für den Dickdarmkrebs. Die Übergewichtigkeit des Versicherten sei erst seit 1984 dokumentiert, ebenso der Diabetes mellitus Typ II. Zudem verringere die schwere körperliche Tätigkeit das Dickdarmkrebsrisiko. Daher spreche alles für eine Verursachung durch die Strahlenbelastung bei der SDAG Wismut. Demgegenüber sei das Vorgehen der Beklagten, die Kausalitätsbeurteilung auf eine Wahrscheinlichkeitsrechnung zu stützen, nicht zulässig, weil die Beurteilung eines Einzelfalls von Ereigniswahrscheinlichkeiten in einem Kollektiv abhängig gemacht werde, ohne dass individuelle Umstände berücksichtigt würden. Das Gutachten Jacobi-II, auf das sich die Beklagte beziehe, leide darüber hinaus an Mängeln. So berücksichtige es nicht die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der verschiedenen Strahlen. Im Verhältnis zu Strahlen der Atombomben liege die biologische Wirksamkeit der vorliegend dominierenden Alphastahlen um ein 4-faches höher. Unberücksichtigt geblieben sei auch das in den 50er Jahren übliche Trinken von radioaktiv belasteten Grubenquellwässern. Auch dürfe für einen Hauer nicht nur von einer Atemrate von 1,32 m³/h ausgegangen werden, vielmehr müssten zumindest 1,69 m³/h berücksichtigt werden, was einer Erhöhung der Inhalationsbelastung um 28 % entspreche. Führe man unter Berücksichtigung der biologischen Wirksamkeit der Strahlen und einer höheren Atemrate eine Berechnung der Verursachungswahrscheinlichkeit nach dem Gutachten Jacobi-II durch, entspreche dies einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 %.
Die Beklagte ist dem Gutachten von Prof. Dr. K mit einer Stellungnahme der Bergbau-BG vom 13. Februar 2004 entgegengetreten. Hierin wird ausgeführt, dass epidemiologische Untersuchungen allenfalls Hinweise, aber keine gesicherten Erkenntnisse mit epidemiologischer Evidenz für eine strahlenbelastungsbedingte relevante Risikoerhöhung, an extrapulmonalen Krebserkrankungen zu erkranken, ergäben. Ausnahmen gälten nur für Leukämie, Knochen- und Lebertumore. Wie die ersten Ergebnisse der Uranbergarbeiter-Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz zeigten, sei ein erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei mit Ausnahme des Lungenkrebses nicht nachweisbar. Bei Anwendung des dosimetrischen Ansatzes für die Kausalitätsbewertung bei extrapulmonalen Tumoren nach Prof. Dr. Jacobi könne im Fall des Versicherten die erforderliche berufsbedingte Verdoppelung des Erkrankungsrisikos nicht angenommen werden. Die gegenteilige Auffassung von Prof. Dr. K sei eine wissenschaftliche Mindermeinung.
Durch Urteil vom 27. August 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat, ausgehend von einem zulässigen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), u. a. ausgeführt, bei dem Versicherten habe zwar eine berufliche Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen in der Zeit von Februar 1948 bis Mai 1957 vorgelegen, jedoch sei ein Ursachenzusammenhang dieser beruflichen Einwirkung mit dem Dickdarmkrebs nicht hinreichend wahrscheinlich. Nach insoweit übereinstimmender Auffassung aller Gutachter habe es sich bei dem Tumorbefall der Lunge, der Leber und des Lymphgewebes nicht um eine primäre Krebserkrankung des Versicherten gehandelt, sondern um Metastasen des primären Dickdarmkrebses. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Dickdarmkrebserkrankung durch Metastasenbildung des bereits 1979 diagnostizierten und in der Zeit bis 1982 operierten Tumors im Bereich des Halses entstanden sei. Zwar könne nach dem Inhalt der vorliegenden Gutachten und Ausführungen der Bergbau-BG (Stellungnahme vom 13. Februar 2004) die generelle Geeignetheit ionisierender Strahlen, Krebserkrankungen zu verursachen, nicht mehr nur auf Lungentumore begrenzt werden, sondern es seien auch extrapulmonale Krebserkrankungen einzubeziehen, insbesondere etwa Knochenkrebs, Leberkrebs und Leukämie. Selbst wenn man aber eine generelle Gefährdungseignung von Strahlenexpositionen für die Entwicklung von Dickdarmkrebserkrankungen bei Bergleuten im Uranerzbergbau bejahte – was medizinisch umstritten sei -, bestünden erhebliche Zweifel, ob im Fall des Versicherten ein Ursachenzusammenhang festgestellt werden könne. Die arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten zur Strahlenexposition in Verbindung mit dem Gutachten Jacobi-II errechneten lediglich eine Verursachungswahrscheinlichkeit von deutlich unter 50 %. Das berufs-/strahlenbedingte Erkrankungsrisiko sei demnach nicht höher als das sogenannte "Spontanrisiko", an Dickdarmkrebs zu erkranken (so auch Prof. Dr. A in seinem Sachverständigengutachten vom 20. Dezember 1998). Soweit Prof. Dr. K Bedenken gegen eine dosimetrische Wahrscheinlichkeitsbewertung der Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen ionisierenden Strahlen und einer Krebserkrankung vorbringe, sei darauf hinzuweisen, dass andere medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Methoden zur Beurteilung, ob eine Dickdarmkrebserkrankung durch berufsbedingte Strahlenexposition verursacht worden oder ob eine sonstige Ursache anzunehmen sei, nicht zur Verfügung stünden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Dickdarmkrebs bei Männern die zweithäufigste Krebserkrankung mit einem Altersgipfel zwischen 50 und 70 Jahren darstelle. Da das Krankheitsbild beim Versicherten, seine Lokalisation und seine Entwicklung keine Rückschlüsse auf die Ursache zuließen, beschränke sich auch Prof. Dr. K auf den negativen Ausschluss konkurrierender Risiko- bzw. Ursachenfaktoren. Zudem setze Prof. Dr. K bei seiner Kausalitätsbewertung voraus, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit bei der SDAG Wismut in einem solch erheblichen Umfang Strahlenbelastungen ausgesetzt gewesen sei, dass von einem massiv erhöhten Erkrankungsrisiko ausgegangen werden müsse, ohne zu begründen, ab welcher Strahlendosis er von einem signifikanten Erkrankungsrisiko ausgehe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Wirkung ionisierender Strahlen nicht zwangsläufig ab einer bestimmten Strahlendosis auftrete, sondern lediglich die Wahrscheinlichkeit für ihr Auftreten mit wachsender Dosis zunehme, ohne dass eine Schwellendosis angenommen werden könne (s. a. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kapitel 20.4.2, S. 1253). Unklar bleibe auch die von Prof. Dr. K angenommene neuere wissenschaftliche Grundlage, für die Tätigkeit einer Hauers müsse anstelle einer Atemwegsrate von 1,32 m³/h eine solche von 1,69 m³/h angenommen werden. Gleichwohl würde sich die nach dem Gutachten Jacobi-II errechnete Verursachungswahrscheinlichkeit von 12,3 % auch dann nur um 28 % auf ca. 15,75 % erhöhen, wenn man außer Acht lasse, dass sich die Erhöhung der Atemwegsrate auf die Tätigkeit als Baggerfahrer und die nicht über die Atemwege erfolgende externe Belastung durch Gamma-Strahlen nicht auswirke. Unklar blieben auch die Ausführungen zu einer angeblichen zusätzlichen und bei den Berechnungen nach dem Jacobi-II-Gutachten nicht berücksichtigten Belastung der Bergleute unter Tage durch das Trinken von Quellwässern, wodurch erhebliche Mengen von Radioaktivität aufgenommen würden. Es lägen keine hinreichend konkreten Erkenntnisse zu einer zusätzlichen Strahlenbelastung durch das Trinken von Quellwässern vor. Entscheidend für das Ergebnis von Prof. Dr. K, es sei auf Grund der Strahlenexposition von einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 % auszugehen, sei jedoch seine Annahme einer um das 4-fache erhöhten biologischen Wirksamkeit von Alpha-Strahlen gegenüber der Strahlung von Atombomben, auf denen die Berechnungen nach dem Gutachten Jacobi-II beruhten. Diese These sei zu undifferenziert und unspezifisch und weise insbesondere keinerlei Bezug zu Dickdarmkrebserkrankungen auf. Die biologische Wirksamkeit ionisierender Strahlen sei für unterschiedliche Organe sehr unterschiedlich ausgeprägt, so dass die generelle Behauptung einer erhöhten biologischen Wirksamkeit nicht geeignet sei, die auf Grund umfassender Untersuchungen im Gutachten Jacobi-II dargestellten differenzierten Berechnungswege zu unterschiedlichen extrapulmonalen Krebsarten zu widerlegen und selbst eine wissenschaftlich anerkannte Berechnungsmethode zu begründen. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass der Versicherte auf Grund einer seit Jahrzehnten bestehenden Fehlernährung übergewichtig gewesen sei und dass bereits ein 1982 diagnostizierter Diabetes vorgelegen habe, so dass ein nicht unerheblicher außerberuflicher Risikofaktor für die Entstehung eines Dickdarmkrebses bestanden habe. Die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. K überzeuge daher nicht.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass sich im vorliegenden Fall zwei Gutachten mit entgegen gesetzten Ergebnissen gegenüberstünden (zum einen Prof. Dr. A und zum anderen Prof. Dr. K). Zu verweisen sei auch auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Februar 2004 (B 8 KN 1/03 U R), die sich ebenfalls mit einer tödlichen Krebserkrankung durch Arbeiten bei der SDAG Wismut beschäftige. Die Ausführungen des SG zum Gutachten des Prof. Dr. K seien nicht überzeugend. Der Vorwurf, der Sachverständige setze die erst zu überprüfende Frage der Kausalität zwischen Strahlenbelastung und Dickdarmkrebserkrankung bereits voraus, gehe zweifach ins Leere. Auch wenn der Sachverständige grundsätzlich jede Exposition für geeignet halte, eine Geschwulst auszulösen, sei für ihn damit keineswegs die Zusammenhangsfrage geklärt. Der Gutachter setze sich kritisch mit dem Prinzip der Verdoppelungsdosis als Kriterium für einen beruflichen Zusammenhang auseinander und greife bei einer Exposition unterhalb der Verdoppelungsdosis zu einer Abwägung der Indizien, die für und gegen einen beruflichen Zusammenhang sprächen. Wenn sich dabei keine Indizien fänden, die gegen einen Zusammenhang sprächen, außer der Tatsache, dass ein Dickdarmkrebs auch "spontan" entstehen könne, liege dies in den Umständen des vorliegenden Falles begründet. Das SG stütze demgegenüber seine Auffassung darauf, dass bei den Kollektiven der Bergleute im Uranbergbau keine signifikante Erhöhung der Sterblichkeit an Dickdarmkrebs statistisch habe bewiesen werden können. Dabei verhalte es sich gerade so, dass ein statistischer Nachweis einer kausalen Beziehung bei den Kollektiven der Uranbergleute bisher nicht gelungen sei. Ein Grund liege darin, dass es sich fast ausschließlich um Sterblichkeitsstatistiken gehandelt habe, in denen bei relativ gut heilbaren Erkrankungen, wie dem Dickdarmkrebs, eine expositionsabhängige Sterblichkeit schlechter nachweisbar sei. Bei den Kollektiven der Bergleute seien zudem konkurrierende Todesfälle (z. B. Unfall, Gewalteinwirkung e.t.c.) und eine stark verkürzte Lebenserwartung als zusätzliche statistische Störfaktoren bei der Beobachtung von Erkrankungen mit zum Teil langen Latenzzeiten zu beklagen. Der Dickdarmkrebs sei bei dem Versicherten vor dem Cannon-Böhm-Punkt lokalisiert gewesen und habe damit nicht zu den Formen des Dickdarmkrebses, die nach Durchlaufen der Adenom-Karzinom-Sequenz und offensichtlich begünstigt durch Faktoren der Ernährungs- und Lebensweise, in der westlichen Welt gehäuft aufträten, gerechnet. Gerade deshalb seien die Erkenntnisse aus Hiroshima und Nagasaki hier besonders sicher anwendbar, da das japanische Kollektiv nicht mit der hohen und spontanen Dickdarmkrebshäufigkeit der westlichen Welt belastet gewesen sei. Im Fall des Versicherten gebe es zudem keine Anhaltspunkte für eine genetische Disposition, auch sein Übergewicht sei erst seit 1984 ärztlich dokumentiert. US-amerikanische Untersuchungen zeigten bei Männern erst bei einem durchschnittlichen Mehrgewicht von etwa 20 Kilogramm eine Risikoverdoppelung der Darmkrebserkrankung. In der internistischen Fachliteratur gebe es auch keinen Zweifel, dass ein Übergewicht als solches nicht kausal für einen Dickdarmkrebs sei, sondern dass dieses Merkmal ein Surrogat sei für andere, möglicherweise kausale noch unbekannte Faktoren. Selbst wenn ein mit Übergewicht häufig verbundener Diabetes und ein metabolisches Syndrom kausal für die Entstehung von Dickdarmkrebs sein sollten, lägen im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Diagnose eines Hyperinsulinismus vor. Zur Untermauerung des Vortrages werde die Abhandlung von Rainer Karlsch "Uran für Moskau Die Wismut – Eine populäre Geschichte" überreicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheids vom 09. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996 der Klägerin unter Anerkennung der Dickdarmkrebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit nach Nr. 92 der BKVO-DDR Hinterbliebenenleistungen zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und legt das Rundschreiben VW 42/99 vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vor, in dem das BK-Forum "extrapulmonale Krebserkrankungen Wismut" am 12. Februar 1998 in Hennef betreffend das Jacobi-II-Gutachten sowie die im Juli 1997 veröffentlichte Studie von Prof. Dr. Jacobi et al. "Mögliches Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit von Knochen- und Leberkrebs durch berufliche Alpha-Strahlen-Exposition von Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG" (Jacobi III) ausgewertet wird.
Der Senat hat Dr. rer. nat., Dr. med. h. c. C S, Prof. (em.) für medizinische Strahlenbiologie mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. Dr. S führt in seinem Gutachten vom 29. Februar 2008 aus, der Versicherte sei zweifellos bei seiner Tätigkeit ionisierenden Strahlungen ausgesetzt gewesen. Die Entstehung eines Krebses sei ein komplexer Prozess, der über viele Jahre und in mehreren Schritten ablaufe. Für die Darmkrebserkrankung werde eine Latenzzeit von 10 Jahren angenommen, die von dem Versicherten erfüllt sei. Entscheidend sei die Strahlendosis im Kolon. Diese müsse anhand der Ermittlungen des TAD der Bergbau-BG mit ca. 361 mSv bzw. 441 mSv bestimmt werden. Zu berücksichtigen sei hierbei der Abschlussbericht zu dem Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von Lehmann et al. (1998), welches sich mit der Ermittlung der radioaktiven Belastung für die unterschiedlichen Tätigkeiten in den verschiedenen Objekten der SDAG Wismut, insbesondere in den "wilden" Jahren von 1946 bis 1955, für die es keine Expositionsmessungen gebe, beschäftigt habe. Danach sei die Dosisabschätzung des TAD für die Inhalation mit Radon und radioaktiven Folgeprodukten in Höhe von 320,9 mSv nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Inhalation von Staub mit langlebigen radioaktiven Stoffen (insbesondere Uran) müsse die mit 8,24 kBqh/m³ errechnete Dosis von 5,3 mSv im Hinblick auf die ungünstigen Bedingungen in der Zeit von 1946 bis 1955 (schlechte Bewetterung, Trockenbohren) als zu niedrig angesehen werden. Diese sei mit einem um den Faktor 3 höheren Wert, d. h. mit einer Dosis von 15,9 mSv, anzusetzen, so dass zusammen mit der Dosis für die Gamma-Strahlen-Exposition von 26,3 mSv eine Gesamtdosis von etwa 361 mSv der Beurteilung zu Grunde zu legen sei. Berücksichtige man zudem für die Hauertätigkeit die höhere Atemrate von 1,69 m³/h, so ergebe dies eine Gesamtdosis von ca. 441 mSv. Für die Beurteilung des hier vorliegenden Falls seien Untersuchungen an Bergarbeitern, insbesondere Uranbergarbeitern, von hohem Interesse. In wissenschaftlichen Untersuchungen seien die Daten von 64.209 Bergarbeitern, die im Mittel mit einer Exposition von 155 WLM durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte belastet gewesen seien, zusammengefasst worden. Es seien vor allem die Todesfälle durch Krebs außer Lungentumoren (also extrapulmonale Krebse) analysiert worden. Insgesamt seien 1179 solcher Todesfälle erfasst worden, von denen 95 an einem Kolonkarzinom gestorben seien. Von den entsprechenden Vergleichsgruppen hätte man demgegenüber 123 Todesfälle durch Kolonkarzinom erwartet, so dass sich ein relatives Risiko (beobachtete Fälle/erwartete Fälle) von 0,77 (95 % Konfidenzintervall: 0,63; 0,95) ergebe. Bei den Bergarbeitern in dieser umfangreichen Studie sei also keine Erhöhung der Todesfälle durch Darmkrebs beobachtet worden. Allerdings sei die mittlere Exposition durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte mit 155 WLM erheblich niedriger gewesen als die Exposition bei dem Versicherten mit 755 WLM. Jedoch gebe es keinen Hinweis für einen Trend zu einem Anstieg im Gegensatz zu einigen anderen Krebsarten neben dem Lungenkrebs (Speicheldrüse, Magen, Leber, Gallenblase, Pankreas u. a.). Die deutsche Studie an Uranbergarbeitern sei bisher noch nicht so weit fortgeschritten, um sie im Zusammenhang mit dem Streitfall zu diskutieren. Nehme man die Risikobeurteilung für den Dickdarmkrebs des Versicherten nur auf der Basis der Daten aus den Studien an den Bergarbeitern vor, lasse sich kein erhöhtes Risiko, eine Dickdarmkrebserkrankung zu erleiden, feststellen. Gehe man dagegen den von Jacobi und Roth (1995) vorgeschlagenen "dosimetrischen Weg", so könne man mit den neueren Studien in Hiroshima und Nagasaki einen Risikofaktor von 0,75 pro Sv einsetzen und damit aus den für den Versicherten abgeschätzten Dosiswerten von ca. 361 mSv bis maximal 441 mSv ein zusätzliches relatives Risiko von 0,27 bzw. 0,33 ermitteln. Daraus resultiere eine Verursachungswahrscheinlichkeit für den Dickdarmkrebs von 21,4 % bzw. 24,8 %. Aus strahlenbiologischen Gründen sei der "dosimetrische Weg" sinnvoll und vernünftig, setze jedoch voraus, dass die Strahlendosis im Darm durch das Eindringen der radioaktiven Stoffe zuverlässig ermittelt werden könne. Etwa 90 % des Dosisbeitrags liefere die Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten. Um diese Dosis abschätzen zu können, müssten biokinetische Modelle eingesetzt werden, die erhebliche Unsicherheiten beinhalteten und eher zu Dosisüberschätzungen führten. Lege man die Daten aus den Untersuchungen an Beschäftigten in kerntechnischen Anlagen zugrunde, ergäben sich geringere Werte (zusätzliches relatives Risiko von 0,076 bzw. 0,09 und eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 7,0 % bzw. 8,4 %). Zu berücksichtigen seien auch andere Gründe der Entwicklung des Dickdarmkrebses. Dieser Krebs sei die zweithäufigste Krebstodursache bei Männern in Deutschland, wobei als wesentliche Ursachen Ernährungsgewohnheiten angegeben würden. Zu dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. K sei zu sagen, dass er eine Strahlendosis von etwa 350 mSv im Darm nach den üblichen Verfahren ermittelt habe, jedoch durch Berücksichtigung einer erhöhten Atemrate zu einer höheren Strahlendosis von etwa 441 mSv im Darm gekommen sei, was durchaus als Maximaldosis akzeptiert werden könne. Soweit Prof. Dr. K eine weitere Belastung durch das Trinken von Grubenquellwässern mit radioaktiven Stoffen nenne, seien diesbezügliche Daten allgemein sehr spärlich und in den Aktenunterlagen überhaupt nicht enthalten. Aus anderen Studien (Jacobi III) ergebe sich, dass die mögliche Strahlendosis im Darm durch das Trinken von Grubenwässern, selbst bei Aufnahme von mehr als einem Liter täglich über 5 Jahre, keinen wesentlichen Beitrag zu der abgeschätzten Dosis von 361 mSv liefern könne (vgl. die Berechnung im Einzelnen zu 6. 3. des Gutachtens, S. 23, 24). Es werde einer Reihe von biologisch-medizinischen Argumenten von Prof. Dr. K zur Entstehung einer Krebserkrankung zugestimmt. Der Berechnung einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 % für den Dickdarmkrebs durch die berufliche Strahlenexposition beim Versicherten könne jedoch nicht zugestimmt werden. Dieser hohe Wert werde nur dadurch erreicht, dass Herr Prof. Dr. K eine Umrechnung der Strahlendosis, die mit allgemein anerkannten wissenschaftlichen Methoden ermittelt worden sei, in eine um den Faktor 4 höhere "biologisch äquivalente" Dosis vornehme. Dieses Verfahren sei auch nach den neueren Studien wissenschaftlich nicht begründet. Es werde weder durch tierexperimentelle Daten noch durch epidemiologische Studien gedeckt.
Dem Senat haben ein Band Verwaltungsakten der Beklagten sowie aus den Akten des Verfahrens L 2 U 7/98 gefertigte Kopien vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07. September 1999 rechtmäßig ist und die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, ihren bestandskräftigen Bescheid vom 09. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996, mit welchem sie es abgelehnt hatte, Leistungen wegen einer BK nach Nr. 92 BKVO-DDR (bösartige Neubildung durch ionisierende Strahlen) bei dem Versicherten anzuerkennen, zurückzunehmen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die Beklagte ist in ihrem Ausgangsbescheid vom 09. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und hat auch keine rechtswidrige Entscheidung getroffen. Die Tumorerkrankung des Versicherten ist nicht als BK Nr. 92 BKVO-DDR anzuerkennen und der Klägerin steht damit ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nicht zu.
Hinterbliebenenleistungen, wie z. B. Witwenrente nach §§ 590, 591 Reichsversicherungsordnung (RVO), sind bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren, § 589 Abs. 1 RVO. Nach § 551 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. Arbeitsunfälle und BK’en, die – wie die hier streitige Erkrankung - vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und BK’en der Sozialversicherung waren, gelten nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO i. d. F. des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, in Kraft ab dem 01. Januar 1992, [Art 42 RÜG]) i. V. m. §§ 212, 215 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) als Arbeitsunfälle und BK’en im Sinne des Dritten Buches der RVO. Der Ausschluss nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO (Bekanntwerden beim zuständigen Träger erst nach dem 31. Dezember 1993) findet im Streitfall keine Anwendung, denn die Klägerin hatte gegenüber der Bergbau-BG den Erstantrag auf Entschädigung einer BK bereits mit Schreiben vom 29. August 1991 und dann nochmals gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 07. Mai 1992 angezeigt.
Nach § 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) vom 16. Juni 1977 (GBl. DDR I, S. 185) und § 2 Abs. 1 BKVO-DDR vom 26. Februar 1981 (GBl. DDR I, S. 137) ist eine BK eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) herausgegebenen Liste der BK’en (Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung der BKVO-DDR vom 21. April 1981 [GBl. DDR I, S, 139]) genannt ist. Diese Rechtsvorschriften sind im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft geblieben (Anl. II Kap. VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 4 und 5 EinigVtr; vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1997 - 8 RKn U 1/96 - SozR 3-8440 Nr. 70 Nr. 1). In der Liste der BK’en nach der BKVO-DDR enthalten sind auch Erkrankungen durch ionisierende Strahlung, u. a. "Bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung" (Abschnitt VII "Beruflich verursachte bösartige Neubildungen" Nr. 92).
Aufgrund des Ergebnisses der umfangreichen medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Versicherte am 24. Januar 1989 an dem Dickdarmkarzinom mit einhergehender Herzschwäche gestorben ist und dass es sich bei dem Dickdarmkarzinom vom Typ des Adenom-Karzinoms um die primäre Krebserkrankung gehandelt hat, wogegen die weiteren Organe, u. a. Leber und Lunge, von Metastasen des Dickdarmkrebses befallen waren (vgl. u. a. das für die Bergbau-BG von Prof. Dr. D am 30. November 2000 erstattete pathologische Gutachten, den Autopsie-Bericht vom 08. Mai 1989 und den histologischen Befund vom 22./24. Juni 1988). Es ist daher für die Beurteilung einer BK nach Nr. 92 BKVO-DDR auf den Dickdarmkrebs als Primärtumor abzustellen. Ob es sich bei dem Tumor oberhalb des rechten Schlüsselbeins des Versicherten, der in der Zeit von 1979 bis April 1982 entfernt worden war, um eine gutartige oder bösartige Geschwulst gehandelt hat, konnte anhand der durchgeführten medizinischen Ermittlungen nicht beurteilt werden. Entsprechende Hinweise haben sich auch nicht aus den beigezogenen Unterlagen des A-Kreiskrankenhauses über Behandlungen aus der Zeit von März 1978 bis April 1982 ergeben. Der Senat brauchte dieser Frage nicht weiter nachzugehen, da es sich bei dem bereits vor 1982 operativ entfernten Tumor nicht um die zum Tode des Versicherten führende Erkrankung gehandelt hat. Im Übrigen war die Frage, ob die Geschwulst oberhalb des rechten Schlüsselbeins des Versicherten eine BK Nr. 92 BKVO-DDR darstellte, bereits Gegenstand des von der Klägerin gegenüber der Bergbau-BG geführten, mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2001 bestandskräftig abgeschlossenen BK-Verfahrens (Az.: ).
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der zum Tode des Versicherten führenden Dickdarmkrebserkrankung als BK Nr. 92 BKVO-DDR sind nicht erfüllt.
Die generelle Eignung ionisierender Strahlen, das hier in Rede stehende Dickdarmkarzinom hervorzurufen, ist nach wie vor umstritten. So haben sowohl der Strahlenbiologe und Strahlenschutzmediziner Prof. Dr. A (im Klageverfahren S 68 U 37/97 erstattetes Gutachten vom 20. Dezember 1998) als auch der im vorliegenden Klageverfahren beauftragte Arbeits- und Umweltmediziner Dr. W (Gutachten vom 03. Mai 2002) ausgeführt, dass epidemiologische Studien zu Bergleuten im Uranbergbau keine statistisch gesicherten Erkenntnisse zu einer echten Häufung von Organkrebsen außerhalb der Lunge, also auch betreffend ein erhöhtes Dickdarmkrebserkrankungsrisiko, begründen könnten. Dickdarmkrebserkrankungen seien sehr häufig und würden nicht als beruflich verursachte Erkrankungen verdächtigt; Risikofaktoren seien vor allem auch eine genetische Veranlagung, fettreiche Ernährung, Alkoholmissbrauch sowie eine Adipositas. Zudem sind Körpergewebe bzw. -organe nicht von gleicher Strahlenempfindlichkeit (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 1145, 1256) und die Bevölkerung ist auch außerberuflich einer Strahlenbelastung ausgesetzt. Auch der vom LSG beauftragte Prof. Dr. Dr. S hat ausgeführt, dass in umfangreichen Studien über Untersuchungen an Bergarbeitern, insbesondere Uranbergarbeitern, keine Erhöhung der Todesfälle durch Darmkrebs beobachtet worden sei, allerdings sei dort die ermittelte mittlere Exposition durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte mit 155 WLM erheblich niedriger gewesen als die Exposition bei dem Versicherten mit 755 WLM (Gutachten vom 29. Februar 2008).
Jedoch differenziert die BKVO-DDR in Nr. 92 ihrer Liste der BK’en - anders als § 9 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 SGB VII – nicht danach, ob die Krankheit "durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind" oder "ob die Einwirkungen für gruppentypische Erkrankungen generell geeignet" sind. Mit der Aufnahme der Erkrankung "Bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung" in die Nr. 92 der Liste der BK’en der Anlage zur BKVO-DDR hat der DDR-Verordnungsgeber vielmehr die Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und damit alle Krebserkrankungen als solche, auch die extrapulmonalen, für entschädigungswürdig befunden, ohne nach Strahlenart oder Organbelastung zu differenzieren (vgl. auch BSG, Urteil vom 18. August 2004 - B 8 KN 2/03 U R – SozR 4-8440 Nr. 92 Nr.1; ferner zu Nr. 92 der Anlage zur BKVO-DDR: BSG, Beschluss vom 18. Juni 2001 - B 2 U 104/01 B - in JURIS). Es ist daher davon auszugehen, dass die hier vorliegende Darmkrebserkrankung im Sinne der generellen Geeignetheit von der BK Nr. 92 BKVO-DDR erfasst wird.
Die Anerkennung einer BK Nr. 92 BKVO-DDR scheitert indes daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bei dem Versicherten unstreitig gegebenen beruflichen Strahleneinwirkung und dem bei ihm aufgetretenen Dickdarmkarzinom nicht festzustellen ist. Nach der im Recht der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre ist für das Vorliegen des Tatbestandes der BK neben einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während der ursächliche Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, also grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N.; BSG, Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 18/72 - SozR 2200 § 551 Nr. 1 und Urteil vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl 1 Nr. 2402 Nr. 1).
Da es sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft bei einer Krebserkrankung – wie dargelegt - um ein multifaktorielles Geschehen handelt, kommt es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der bei dem Versicherten unstreitig gegebenen beruflichen Strahleneinwirkung und dem bei ihm aufgetretenen Dickdarmkarzinom darauf an, ob die bei ihm festgestellte berufliche Strahleneinwirkung nach Art und Dosis ausreichte, um als wesentliche Bedingung für diese Erkrankung angesehen zu werden.
Dies kann jedoch nicht festgestellt werden. Der TAD der Bergbau-BG hat die Strahlenbelastung, der der Versicherte ausgesetzt war, unter Zugrundelegung der Erkenntnisse und unter Anwendung der Berechnungsmethode nach dem Gutachten Jacobi-II zum Ausmaß der Strahlenbelastungen in den einzelnen Objekten nach den bekannten individuellen Voraussetzungen geprüft. Hiernach ist von folgenden Anknüpfungstatsachen auszugehen: Der Versicherte war während seiner Tätigkeit in den Objekten der SDAG Wismut Johanngeorgenstadt, Lauter und Aue in der Zeit zwischen Februar 1948 bis Mai 1957 unter Berücksichtigung der besonderen Situation im Schacht sowie der tatsächlichen Arbeitstätigkeit unter Tage einer kumulativen Organdosis von 351,98 mSv und einer Exposition gegenüber Radon einschließlich der strahlenden kurz- und langlebigen Zerfallsprodukte von insgesamt 755 WLM ausgesetzt. Die konkrete individuelle Verursachungswahrscheinlichkeit wurde beim Versicherten unter Berücksichtigung der Latenzzeit für das Dickdarmkarzinom mit 12,3 % ermittelt.
Das Gericht hat keine Bedenken, dem Grunde nach der Berechnungsgrundlage des TAD zu folgen. Das Gutachten Jacobi-II, das der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften im Einvernehmen mit der Beklagten und dem Institut für Strahlenschutz zur Erarbeitung verbindlicher Maßstäbe in Auftrag gegeben hat, hat in der Praxis anwendbare standardisierte Modelle für die Verwaltungen entwickelt, die auf der Grundlage der bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse erstellt worden sind. Es ist vom BSG in mehreren Entscheidungen als eine verlässliche Grundlage für individuelle Feststellungen der Verursachungswahrscheinlichkeit extrapulmonaler Krebserkrankungen angesehen worden (BSG, Urteile vom 18. August 2004 - B 8 KN 2/03 und B 8 KN 1/03). Die Anwendung des Gutachtens Jacobi-II führt auch für den Versicherten zum günstigsten Ergebnis. Denn ginge der Senat von den vorliegenden Studien an Bergarbeitern aus, würde sich für den Versicherten, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. Sdargelegt hat, überhaupt kein erhöhtes Risiko für eine Dickdarmkrebserkrankung ergeben. Legte man demgegenüber die Daten aus den Untersuchungen an Beschäftigten in kerntechnischen Anlagen zugrunde, ergäben sich geringere Werte als unter Anwendung des Gutachtens Jacobi-II, nämlich nur ein zusätzliches relatives Risiko von 0,076 bzw. 0,09 und damit eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 7,0 % bzw. 8,4 %. Demgegenüber stellt sich die statistische Datenlage bei den Untersuchungen in Hiroshima und Nagasaki am sichersten dar. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S dargelegt hat, ist allerdings die vom TAD in seiner Berechnung zugrunde gelegte Strahlendosis im Kolon von ca. 350 mSv mit Unsicherheiten behaftet. Für die "wilden" Jahre von 1946 bis 1955, in denen der Versicherte im Uranabbau beschäftigt gewesen ist, liegen detaillierte Analysen für die einzelnen Gruben und Anlagen nur sehr unvollständig vor. Expositionsmessungen wurden überhaupt nicht vorgenommen, es gab noch keine Bewetterung der Schächte und die Bohrungen wurden trocken ausgeführt, was zu einer erhöhten Exposition durch radioaktiven Staub führte. Daher ist mit Prof. Dr. Dr. Sder Dosiswert für die Inhalation von Staub mit langlebigen radioaktiven Stoffen von 5,3 mSv um den Faktor 3 auf 15,9 mSv zu erhöhen, was zu einer Gesamtdosis von etwa 361 mSv führt. Berücksichtigt man für die Zeit der Tätigkeit als Hauer noch eine höhere Atemrate von 1,69 m³/h, was auch von Prof. Dr. Dr. S als angemessen erachtet wird, erhöht sich die Gesamtdosis auf ca. 441 mSv. Nach Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S ist der von Jacobi und Roth (1995) vorgeschlagene "dosimetrische Weg" aus strahlenbiologischen Gründen sinnvoll und vernünftig, auch wenn die Ermittlung der Strahlendosis im Darm durch das Eindringen der radioaktiven Stoffe mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist und eher zu Dosisüberschätzungen führt. Unter Anwendung des Risikofaktors aus den neueren Studien in Hiroshima und Nagasaki von 0,75 pro Sv und mit den für den Versicherten abgeschätzten Dosiswerten (berufliche Strahlenexposition auf der Grundlage der Ermittlungen des TAD der Bergbau-BG von ca. 361 mSv bis maximal 441 mSv im Darm) lässt sich für den Versicherten ein zusätzliches relatives Risiko errechnen, welches zwischen 0,27 und 0,33 liegt und woraus sich eine Verursachungswahrscheinlichkeit für eine Dickdarmkrebserkrankung von 21,4 % bzw. 24,8 % errechnet.
Nicht zu folgen vermag der Senat demgegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. KGutachten vom 12. Dezember 2003 und ergänzende Stellungnahme vom 13. April 2004), der zur Annahme einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 % gelangt. Das Gutachten leidet zunächst daran, dass der Sachverständige – entgegen der fachärztlichen Feststellungen im Autopsie-Bericht der C vom 05. Mai 1989 und im histologischen Befund vom 22./24. Juni 1988 (Histologie: mäßig differenziertes Adenom-Karzinom) – davon ausgeht, die Dickdarmkrebserkrankung habe aufgrund ihrer Lokalisation nicht zu den Formen des Dickdarmkrebses gehört, die nach Durchlaufen der Adenom-Karzinom-Sequenz begünstigt durch Faktoren der Ernährungs- und Lebensweise in der westlichen Welt gehäuft aufträten. Er schließt somit andere Entstehungsursachen wie eine genetische Disposition, Übergewicht, falsche Ernährungsgewohnheiten, Nikotinabusus von vornherein aus und findet darin die Bestätigung seiner Annahme einer überwiegenden Verursachungs-wahrscheinlichkeit durch ionisierende Strahlen. Im Rahmen der Ermittlung des Grades der Verursachungswahrscheinlichkeit stellt der Sachverständige zunächst fest, dass die Erkenntnisse aufgrund des im Jahr 1998 ergangenen Forschungsberichts "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DD" von Lehmann et al. (1998) in die zugrunde gelegten Berechnungen des TAD noch nicht eingeflossen seien, führt aber sogleich aus, dass sich diese auch nicht weiter auswirkten. Die von ihm angenommene weitere erhebliche Belastung durch das Trinken von Grubenquellwässern mit radioaktiven Stoffen lässt sich wegen der nur spärlich vorhandenen Daten nicht bestätigen. Wie Prof. Dr. Dr. S überzeugend dargelegt hat, ergibt sich jedoch aus Studien (Jacobi III), dass die mögliche Strahlendosis im Darm durch das Trinken von Grubenwässern, selbst bei Aufnahme von mehr als einem Liter täglich über 5 Jahre, keinen wesentlichen Beitrag zu der abgeschätzten Dosis von 361 mSv liefern kann (vgl. hierzu die Berechnungen zu Punkt 6.3. auf Seite 23, 24 des Gutachtens). Weitere Erkenntnisse, die seine Annahme stützen könnten, zeigt Prof. Dr. Knicht auf. Hauptsächlich begründet der Sachverständige aber die von ihm mit 57 % ermittelte Verursachungswahrscheinlichkeit für die Dickdarmkrebserkrankung des Versicherten mit dem Argument, dass das Gutachten Jacobi-II und die darauf beruhenden Vorgutachten die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der verglichenen Strahlenarten nicht ausreichend beachte und ermittelt deshalb eine höhere "biologisch äquivalente" Strahlenbelastung durch Hochrechnung mit einem Faktor 4. Der Senat vermag dem Gutachten nicht zu entnehmen, dass Prof. Dr. K seine Erkenntnisse auf das Ergebnis epidemiologischer Studien zurückführt, die weitergehender, konkreter und für die Verwaltungspraxis der Berufsgenossenschaften geeigneter sind, als die in den Gutachten von Jacobi berücksichtigten Studien und Erkenntnisse zur Auswirkung der Strahlenintensität auf die bei der früheren SDAG Wismut Beschäftigten. Im Gegenteil spricht der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S unter Darlegung des aktuellen wissenschaftlichen Stands sowie neuerer Forschungsergebnisse sogar von einer Unzulässigkeit der Umrechnung der weltweit anerkannten Äquivalentdosis für Alphastrahlen zu einer höheren "biologisch äquivalenten" Dosis. Eine derartige Hochrechnung der für den Strahlenschutz fest definierten Äquivalentdosis basiert jedenfalls nicht auf einer von den beteiligten Fachkreisen überwiegend zumindest akzeptierten wissenschaftlichen Grundlage und ist daher nach den Grundsätzen, die das BSG aufgestellt hat, nicht für die Ermittlung einer Verursachungswahrscheinlich geeignet (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16).
Soweit von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. K geltend gemacht wird, der Versicherte sei bei seiner Tätigkeit im Uranerzabbau der DDR einer weitaus höheren Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen, als vom TAD der Bergbau-BG bzw. von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S angenommen, fehlt es hierfür an dem erforderlichen Vollbeweis des Umfanges der schädigenden Einwirkungen, da entsprechende Messungen für die Objekte der SDAG Wismut aus der Zeit von 1946 bis 1955 nicht existieren. Der Senat hat daher keine Bedenken, sich die von Prof. Dr. Dr. S auf der Grundlage der Beschäftigungsdaten des Versicherten, der vom TAD der Bergbau-BG in Übereinstimmung mit dem Gutachten Jacobi-II ermittelten Daten und der Erkenntnisse der Studie "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DD" von Lehmann et al. (1998) vorgenommenen Bewertung der Strahlenbelastung zu eigen zu machen. Zumal – wie von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S verdeutlicht wird – es zur retrospektiven Einschätzung der Strahlenexposition der früheren Beschäftigten der SDAG Wismut bis jetzt keine besser erforschte Datenlage als nach dem Gutachten Jacobi-II sowie der Studie von Lehmann et al. (1998) gibt.
Ebenso wenig vermag der Senat bzgl. der Beurteilung der Verursachungswahrscheinlichkeit der von Prof. Dr. K geäußerten Kritik, der hierzu herangezogene "dosimetrische Weg" des Gutachtens Jacobi-II sei revisionsbedürftig und dem Stand der Wissenschaft nicht mehr angepasst, zu folgen. Im Hinblick darauf, dass es nach wie vor keine wissenschaftlichen Studien gibt, die ein beruflich erhöhtes Risiko für Darmkrebserkrankungen durch Strahlenbelastung bei Tätigkeit im Uranbergbau belegen und konkrete Daten zu einer Dosis-Wirkung-Beziehung liefern, handelt es sich bei dem Berechnungsmodell nach dem Gutachten Jacobi-II um die derzeit wissenschaftlich fundierteste, verlässlichste und praktikabelste Methode zur Feststellung der Verursachungswahrscheinlichkeit.
Der Senat war sich bei seiner Entscheidungsfindung bewusst, dass die Meinungsbildung zur Frage der Entstehungswahrscheinlichkeit von Krebserkrankungen durch den Einfluss ionisierender Strahlen nach wie vor nicht abgeschlossen ist, wie sich etwa an den von der Beklagten zu den Akten gereichten ersten Ergebnissen der Uranbergarbeiter-Studie des Bundesamts für Strahlenschutz (Forschung zum Problemkreis "Radon", Vortragsmanuskript des 16. Statusgespräches, Berlin, 21./22. Oktober 2003, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn, Januar 2004) zeigt. Da im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht von einer allseitig anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnismethode über die Auswirkungen früherer Strahlenbelastungen ausgegangen werden kann, sind auch dem Senat Grenzen gesetzt, die Ursachen der Krebserkrankung des Versicherten zuverlässig zu ermitteln. Der Senat folgt deshalb dem auf der Grundlage der Jacobi-Gutachten, die auch das BSG als eine zulässige Methode der Ermittlung der Strahlenbelastung der Beschäftigten bei der SDAG Wismut anerkannt hat (BSG, Urteile vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R und B 8 KN 2/03 U R), erstellten Gutachten und den Berechnungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. Davon ausgehend ist es bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 21,4 % bzw. 24,8 % nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Dickdarmkrebserkrankung des Versicherten ursächlich auf dessen frühere Beschäftigung im Uranerzbergbau der DDR zurückführen lässt. Der Senat konnte es deshalb auch dahinstehen lassen, welchen Einfluss konkurrierende Faktoren (Lebensalter, Nikotinabusus, Übergewichtigkeit, Diabetes mellitus Typ II, genetische Vorbelastung) auf das Erkrankungsbild bei dem Versicherten hatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen bereits im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R und B 8 KN 2/03 U R -, in denen sich das BSG mit den anzuwendenden Rechtsgrundlagen sowie den Grundsätzen der Ermittlung der Strahlenbelastung der Beschäftigten bei der SDAG Wismut auseinandergesetzt hat, nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung der Tumorerkrankung des am 24. Januar 1989 verstorbenen Ehemanns der Klägerin S L (Versicherter) als Berufskrankheit (BK) Nr. 92 (bösartige Neubildungen durch ionisierende Strahlen) der Liste der Berufskrankheiten der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten der DDR (BKVO-DDR) und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.
Der Ehemann der Klägerin war bei der Sowjetisch-Deutschen AG Wismut (SDAG Wismut) von Februar bis Oktober 1948 als Hauer und von Juni 1949 bis Mai 1957 als Baggerfahrer (2,7 Jahre) und als Hauer (5,6 Jahre) beschäftigt. Bei diesen Tätigkeiten war er Belastungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt. Nach Aufgabe dieser Tätigkeit war der Versicherte bis 1984 Maschinist und bezog anschließend eine Invalidenrente. Neben seit Ende der 60er Jahre auftretenden Rücken-, Hüft- und Kniebeschwerden, Herz-/Kreislauferkrankungen, einem 1976 erstmals festgestellten Diabetes mellitus II mit Polyneuropathie und einer Adipositas litt der Versicherte, der von 1940 bis 1970 ca. 20 Zigaretten täglich geraucht hatte, seit Mitte der 70er Jahre unter wiederholt auftretenden Kehlkopf- und Luftröhrenentzündungen. Bei einem Krankenhausaufenthalt im Frühjahr 1978 wurde ein Tumor oberhalb des rechten Schlüsselbeins festgestellt, der in der Zeit bis zum April 1982 operativ entfernt wurde. Eine sichere Beurteilung der Kehlkopferkrankungen war mit den durchgeführten Maßnahmen nicht möglich (vgl. die Unterlagen des A-Kreiskrankenhauses über Behandlungen aus der Zeit von März 1978 bis April 1982). Im Frühjahr 1988 wurde ein Dickdarm (Colon)-Karzinom diagnostiziert. Am 16. Juni 1988 erfolgte im St. Hkrankenhaus B die operative Entfernung eines Teils des Dickdarms. Tochtergeschwülste wurden in der Leber, den Bauchlymphknoten, der Bauchspeicheldrüse und der Lunge vorgefunden. Nach dem histologischen Befund von Dr. W vom 22./24. Juni 1988 handelte es sich bei dem Dickdarmtumor um ein mäßig differenziertes Adenokarzinom. Am 24. Januar 1989 verstarb der Versicherte an Herzversagen. Ein nachfolgendes pathologisches Gutachten bestätigte die früheren Befunde, insbesondere die Diagnose des Colon-Karzinoms als mäßig differenziertes Adeno-Karzinom. Weiter wurden eine Lungenwassersucht (Ödem), Pleuraergüsse, eine Rechtsherzerweiterung, Arteriosklerose, Gallensteine und eine Gallenblasenentzündung festgestellt; eine Silikose konnte ausgeschlossen werden (vgl. Autopsie-Bericht der C vom 08. Mai 1989 über die Autopsie vom 27. Januar 1989).
Nach dem Tod des Versicherten beantragte die Klägerin die Anerkennung einer BK, da dieser während seiner Tätigkeit ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen sei.
Die Beklagte zog die den Versicherten betreffenden medizinischen Unterlagen (Krankenblätter des St. Hkrankenhaus B und des O P) bei und holte eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Bergbau Berufsgenossenschaft (Bergbau-BG) zu der beruflichen Strahlenbelastung des Versicherten ein. Dieser ermittelte die Verursachungswahrscheinlichkeit der Belastungen, denen der Versicherte im Uranbergbau ausgesetzt war, unter Zugrundelegung der Erkenntnisse und Anwendung der Berechnungsmethode aus dem im Auftrag des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften von W. Jacobi und P. Roth im März 1995 unter Berücksichtigung von Erkenntnissen bei den Atombombenopfern von Hiroshima und Nagasaki erstellten Forschungsbericht ("Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit von extrapulmonalen Krebserkrankungen durch die berufliche Strahlenexposition von Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG") – Gutachten Jacobi-II - und weiteren Ermittlungen zum Ausmaß der Strahlenbelastungen in den einzelnen Objekten der SDAG Wismut. Der TAD der Bergbau-BG führte in seiner Stellungnahme vom 17. Juli 1996 aus, dass die inhalative Exposition des Versicherten durch kurzlebige Radonfolgeprodukte insgesamt 755 Working Level Month (WLM) betragen habe. Daneben habe es eine Belastung durch die Inhalation langlebiger Radionuklide von insgesamt 8,24 KBqh/m³ und eine externe Exposition durch Gamma-Strahlen (durch radioaktives Gestein) von insgesamt 26,3 mSv gegeben. Die kumulative Organdosis habe 351,89 mSv betragen. Unter Berücksichtigung der Zeit zwischen der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und dem Beginn der Dickdarmkrebserkrankung (Latenzzeit) betrage die Verursachungswahrscheinlichkeit im Fall des Versicherten lediglich 12,3 %.
Daraufhin lehnte die Beklagte nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme die Anerkennung einer BK Nr. 92 BKVO-DDR mit Bescheid vom 09. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996 ab, da erst bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 % eine Verursachung durch die berufliche Strahlenbelastung wahrscheinlicher sei als das "Spontanrisiko". Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin (S 68 U 37/97) erstattete der Strahlenbiologe und Strahlenschutzmediziner Prof. Dr. A am 20. Dezember 1998 ein Gutachten. Er führte aus, dass nicht alle Krebsarten bei gleicher Strahlenbelastung in gleicher Häufigkeit aufträten. Epidemiologische Studien zu Bergleuten im Uranbergbau hätten keine statistisch gesicherten Erkenntnisse zu einer echten Häufung von Organkrebserkrankungen außerhalb der Lunge ergeben. Bei den beim Versicherten festgestellten Krebsveränderungen in der Lunge handele es sich nicht um ein primäres Bronchialkarzinom, sondern um Fernmetastasen des primären Dickdarmkarzinoms. Zwar habe Prof. Dr. Jacobi ein dosimetrisches Modell entwickelt, welches die besonderen Umstände der beruflichen Strahlenexposition bei der SDAG Wismut besser berücksichtige und eine Anerkennung extrapulmonaler Tumorerkrankungen als Berufskrankheit erlaube. Aber auch danach betrage die Verursachungswahrscheinlichkeit nur 12,7 %. Das Dickdarmkarzinom des Versicherten sei daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durch die berufliche Tätigkeit im Uranbergbau verursacht worden, sondern spontan entstanden. Bösartige Tumore des Dick- und Enddarms gehörten bei Männern mit einem Altersgipfel zwischen 50 und 70 Jahren zur zweithäufigsten Krebsgeschwulst. Es gebe eine Vielzahl von anderen Risikofaktoren, von denen einige beim Versicherten vorlägen (genetische/familiäre Disposition, seit 1976 festgestellter Diabetes mellitus und Adipositas, langjähriger Nikotinmissbrauch).
Daraufhin nahm die Klägerin die Klage zurück.
Mit Schreiben vom 31. März 1999 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Leistungen und die Anerkennung einer BK Nr. 92 BKVO-DDR mit der Begründung, sie habe nachträglich durch Akteneinsicht erfahren, dass bei ihrem Ehemann weitere Krebserkrankungen auch an anderen Organen aufgetreten seien.
Die Beklagte fasste das Schreiben als Überprüfungsantrag auf und lehnte diesen durch Bescheid vom 30. Juni 1999 ab.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, bei Lungenkrebs liege die Verursachungswahrscheinlichkeit nach dem Jacobi-Gutachten bei 81 %, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. September 1999 als unbegründet zurück und führte aus, dass für die Verursachungswahrscheinlichkeit stets auf den Sitz des Primärtumors abzustellen sei. Der Versicherte sei an Dickdarmkrebs gestorben und hier liege die Verursachungswahrscheinlichkeit nur bei 12,3 %. Auf die Lokalisation der Metastasen komme es nicht an.
Mit der bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, bei dem Versicherten habe auch ein Lungenkarzinom vorgelegen, so dass die Verursachungswahrscheinlichkeit 81,2 % betrage.
Das SG hat Ablichtungen aus dem Vorgang der Bergbau-BG (Az.: ) betreffend ein anderes Verfahren der Klägerin zur Anerkennung einer BK (Tumor an der rechten Halsseite, Geschwulstknoten der Lunge) des Versicherten beigezogen. In dem dort für die Bergbau-BG von dem Direktor des Instituts für Pathologie der C, Prof. Dr. D, am 30. November 2000 erstatteten Gutachten wird ausgeführt, dass es sich bei dem Geschwulstknoten in der Lunge mit hoher Wahrscheinlichkeit um Metastasen des Darmkrebses handele. Auf diesen Primärtumor sei für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs abzustellen.
Des Weiteren hat das SG die Behandlungsunterlagen des A-Kreiskrankenhaus beigezogen und den Arbeits- und Umweltmediziner Dr. W mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 03. Mai 2002 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, eine beruflich durch ionisierende Strahlen verursachte Erkrankung an Dickdarmkrebs sei nicht wahrscheinlich. Es gebe weder allgemeine noch auf die SDAG Wismut bezogene epidemiologische Studien, die ein erhöhtes Dickdarmkrebserkrankungsrisiko durch die berufliche Exposition des Versicherten begründen könnten. Grundsätzlich seien Dickdarmkrebserkrankungen sehr häufig und würden nicht als beruflich verursachte Erkrankungen verdächtigt. Nur für drei – hier nicht einschlägige – krebserzeugende Gefahrstoffe werde der Darm als Zielorgan genannt. Risikofaktoren seien eine genetische Veranlagung, fettreiche Ernährung und Alkohol sowie eine Adipositas.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein Gutachten von dem Arzt für Nuklearmedizin Prof. Dr. K vom 12. Dezember 2003 nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. April 2004 eingeholt. Prof. Dr. K hat die Auffassung vertreten, der Versicherte sei an einer Dickdarmkrebserkrankung verstorben. Eine Vorstufe für die Erkrankung seien typischerweise Dickdarmpolypen. Die Umwandlung von Polypen in Krebszellen werde auf einen krebsauslösenden Faktor zurückgeführt, dessen Ursache noch nicht gänzlich erforscht sei. Für die Entstehung von Dickdarmpolypen spielten Faktoren wie Lebensweise und Ernährungsgewohnheiten eine große Rolle, sie träten in der westlichen Welt – anders als etwa in Asien - gehäuft auf. Bei dem Versicherten habe es sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht um eine Dickdarmkrebserkrankung nach Durchlaufen einer Adenom-Karzinom-Sequenz gehandelt, wie der Ort des Auftretens im Bereich der rechten Abbiegung zwischen dem aufsteigenden und querverlaufenden Abschnitt des Dickdarms zeige. Vielmehr spreche das Erkrankungsalter des Versicherten mit 63 Jahren, insbesondere in Anbetracht des sehr fortgeschrittenen Tumorstadiums (T4) mit Verengung des Darms und zahlreichen Tochtergeschwülsten, für einen nicht erblichen Dickdarmkrebs, für den es – wie Studien bei den Atombombenopfern von Hiroshima und Nagasaki zeigten - eindeutige Beobachtungen zur Auslösung durch ionisierende Strahlen gebe, auch wenn die Aussagekraft durch die Zunahme anderer Risikofaktoren in Japan erschwert sei. Es stehe fest, dass der Versicherte bei seiner Berufstätigkeit bei der SDAG Wismut in großem Ausmaß ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen sei. Auch lägen bei ihm relevante außerberufliche Faktoren nicht vor. Eine genetische Veranlagung lasse sich angesichts der Lokalisation des Tumors nicht begründen Der Nikotinabusus habe fördernde Wirkung nur für den Enddarmkrebs, nicht für den Dickdarmkrebs. Die Übergewichtigkeit des Versicherten sei erst seit 1984 dokumentiert, ebenso der Diabetes mellitus Typ II. Zudem verringere die schwere körperliche Tätigkeit das Dickdarmkrebsrisiko. Daher spreche alles für eine Verursachung durch die Strahlenbelastung bei der SDAG Wismut. Demgegenüber sei das Vorgehen der Beklagten, die Kausalitätsbeurteilung auf eine Wahrscheinlichkeitsrechnung zu stützen, nicht zulässig, weil die Beurteilung eines Einzelfalls von Ereigniswahrscheinlichkeiten in einem Kollektiv abhängig gemacht werde, ohne dass individuelle Umstände berücksichtigt würden. Das Gutachten Jacobi-II, auf das sich die Beklagte beziehe, leide darüber hinaus an Mängeln. So berücksichtige es nicht die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der verschiedenen Strahlen. Im Verhältnis zu Strahlen der Atombomben liege die biologische Wirksamkeit der vorliegend dominierenden Alphastahlen um ein 4-faches höher. Unberücksichtigt geblieben sei auch das in den 50er Jahren übliche Trinken von radioaktiv belasteten Grubenquellwässern. Auch dürfe für einen Hauer nicht nur von einer Atemrate von 1,32 m³/h ausgegangen werden, vielmehr müssten zumindest 1,69 m³/h berücksichtigt werden, was einer Erhöhung der Inhalationsbelastung um 28 % entspreche. Führe man unter Berücksichtigung der biologischen Wirksamkeit der Strahlen und einer höheren Atemrate eine Berechnung der Verursachungswahrscheinlichkeit nach dem Gutachten Jacobi-II durch, entspreche dies einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 %.
Die Beklagte ist dem Gutachten von Prof. Dr. K mit einer Stellungnahme der Bergbau-BG vom 13. Februar 2004 entgegengetreten. Hierin wird ausgeführt, dass epidemiologische Untersuchungen allenfalls Hinweise, aber keine gesicherten Erkenntnisse mit epidemiologischer Evidenz für eine strahlenbelastungsbedingte relevante Risikoerhöhung, an extrapulmonalen Krebserkrankungen zu erkranken, ergäben. Ausnahmen gälten nur für Leukämie, Knochen- und Lebertumore. Wie die ersten Ergebnisse der Uranbergarbeiter-Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz zeigten, sei ein erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei mit Ausnahme des Lungenkrebses nicht nachweisbar. Bei Anwendung des dosimetrischen Ansatzes für die Kausalitätsbewertung bei extrapulmonalen Tumoren nach Prof. Dr. Jacobi könne im Fall des Versicherten die erforderliche berufsbedingte Verdoppelung des Erkrankungsrisikos nicht angenommen werden. Die gegenteilige Auffassung von Prof. Dr. K sei eine wissenschaftliche Mindermeinung.
Durch Urteil vom 27. August 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat, ausgehend von einem zulässigen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), u. a. ausgeführt, bei dem Versicherten habe zwar eine berufliche Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen in der Zeit von Februar 1948 bis Mai 1957 vorgelegen, jedoch sei ein Ursachenzusammenhang dieser beruflichen Einwirkung mit dem Dickdarmkrebs nicht hinreichend wahrscheinlich. Nach insoweit übereinstimmender Auffassung aller Gutachter habe es sich bei dem Tumorbefall der Lunge, der Leber und des Lymphgewebes nicht um eine primäre Krebserkrankung des Versicherten gehandelt, sondern um Metastasen des primären Dickdarmkrebses. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Dickdarmkrebserkrankung durch Metastasenbildung des bereits 1979 diagnostizierten und in der Zeit bis 1982 operierten Tumors im Bereich des Halses entstanden sei. Zwar könne nach dem Inhalt der vorliegenden Gutachten und Ausführungen der Bergbau-BG (Stellungnahme vom 13. Februar 2004) die generelle Geeignetheit ionisierender Strahlen, Krebserkrankungen zu verursachen, nicht mehr nur auf Lungentumore begrenzt werden, sondern es seien auch extrapulmonale Krebserkrankungen einzubeziehen, insbesondere etwa Knochenkrebs, Leberkrebs und Leukämie. Selbst wenn man aber eine generelle Gefährdungseignung von Strahlenexpositionen für die Entwicklung von Dickdarmkrebserkrankungen bei Bergleuten im Uranerzbergbau bejahte – was medizinisch umstritten sei -, bestünden erhebliche Zweifel, ob im Fall des Versicherten ein Ursachenzusammenhang festgestellt werden könne. Die arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten zur Strahlenexposition in Verbindung mit dem Gutachten Jacobi-II errechneten lediglich eine Verursachungswahrscheinlichkeit von deutlich unter 50 %. Das berufs-/strahlenbedingte Erkrankungsrisiko sei demnach nicht höher als das sogenannte "Spontanrisiko", an Dickdarmkrebs zu erkranken (so auch Prof. Dr. A in seinem Sachverständigengutachten vom 20. Dezember 1998). Soweit Prof. Dr. K Bedenken gegen eine dosimetrische Wahrscheinlichkeitsbewertung der Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen ionisierenden Strahlen und einer Krebserkrankung vorbringe, sei darauf hinzuweisen, dass andere medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Methoden zur Beurteilung, ob eine Dickdarmkrebserkrankung durch berufsbedingte Strahlenexposition verursacht worden oder ob eine sonstige Ursache anzunehmen sei, nicht zur Verfügung stünden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Dickdarmkrebs bei Männern die zweithäufigste Krebserkrankung mit einem Altersgipfel zwischen 50 und 70 Jahren darstelle. Da das Krankheitsbild beim Versicherten, seine Lokalisation und seine Entwicklung keine Rückschlüsse auf die Ursache zuließen, beschränke sich auch Prof. Dr. K auf den negativen Ausschluss konkurrierender Risiko- bzw. Ursachenfaktoren. Zudem setze Prof. Dr. K bei seiner Kausalitätsbewertung voraus, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit bei der SDAG Wismut in einem solch erheblichen Umfang Strahlenbelastungen ausgesetzt gewesen sei, dass von einem massiv erhöhten Erkrankungsrisiko ausgegangen werden müsse, ohne zu begründen, ab welcher Strahlendosis er von einem signifikanten Erkrankungsrisiko ausgehe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Wirkung ionisierender Strahlen nicht zwangsläufig ab einer bestimmten Strahlendosis auftrete, sondern lediglich die Wahrscheinlichkeit für ihr Auftreten mit wachsender Dosis zunehme, ohne dass eine Schwellendosis angenommen werden könne (s. a. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kapitel 20.4.2, S. 1253). Unklar bleibe auch die von Prof. Dr. K angenommene neuere wissenschaftliche Grundlage, für die Tätigkeit einer Hauers müsse anstelle einer Atemwegsrate von 1,32 m³/h eine solche von 1,69 m³/h angenommen werden. Gleichwohl würde sich die nach dem Gutachten Jacobi-II errechnete Verursachungswahrscheinlichkeit von 12,3 % auch dann nur um 28 % auf ca. 15,75 % erhöhen, wenn man außer Acht lasse, dass sich die Erhöhung der Atemwegsrate auf die Tätigkeit als Baggerfahrer und die nicht über die Atemwege erfolgende externe Belastung durch Gamma-Strahlen nicht auswirke. Unklar blieben auch die Ausführungen zu einer angeblichen zusätzlichen und bei den Berechnungen nach dem Jacobi-II-Gutachten nicht berücksichtigten Belastung der Bergleute unter Tage durch das Trinken von Quellwässern, wodurch erhebliche Mengen von Radioaktivität aufgenommen würden. Es lägen keine hinreichend konkreten Erkenntnisse zu einer zusätzlichen Strahlenbelastung durch das Trinken von Quellwässern vor. Entscheidend für das Ergebnis von Prof. Dr. K, es sei auf Grund der Strahlenexposition von einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 % auszugehen, sei jedoch seine Annahme einer um das 4-fache erhöhten biologischen Wirksamkeit von Alpha-Strahlen gegenüber der Strahlung von Atombomben, auf denen die Berechnungen nach dem Gutachten Jacobi-II beruhten. Diese These sei zu undifferenziert und unspezifisch und weise insbesondere keinerlei Bezug zu Dickdarmkrebserkrankungen auf. Die biologische Wirksamkeit ionisierender Strahlen sei für unterschiedliche Organe sehr unterschiedlich ausgeprägt, so dass die generelle Behauptung einer erhöhten biologischen Wirksamkeit nicht geeignet sei, die auf Grund umfassender Untersuchungen im Gutachten Jacobi-II dargestellten differenzierten Berechnungswege zu unterschiedlichen extrapulmonalen Krebsarten zu widerlegen und selbst eine wissenschaftlich anerkannte Berechnungsmethode zu begründen. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass der Versicherte auf Grund einer seit Jahrzehnten bestehenden Fehlernährung übergewichtig gewesen sei und dass bereits ein 1982 diagnostizierter Diabetes vorgelegen habe, so dass ein nicht unerheblicher außerberuflicher Risikofaktor für die Entstehung eines Dickdarmkrebses bestanden habe. Die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. K überzeuge daher nicht.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass sich im vorliegenden Fall zwei Gutachten mit entgegen gesetzten Ergebnissen gegenüberstünden (zum einen Prof. Dr. A und zum anderen Prof. Dr. K). Zu verweisen sei auch auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Februar 2004 (B 8 KN 1/03 U R), die sich ebenfalls mit einer tödlichen Krebserkrankung durch Arbeiten bei der SDAG Wismut beschäftige. Die Ausführungen des SG zum Gutachten des Prof. Dr. K seien nicht überzeugend. Der Vorwurf, der Sachverständige setze die erst zu überprüfende Frage der Kausalität zwischen Strahlenbelastung und Dickdarmkrebserkrankung bereits voraus, gehe zweifach ins Leere. Auch wenn der Sachverständige grundsätzlich jede Exposition für geeignet halte, eine Geschwulst auszulösen, sei für ihn damit keineswegs die Zusammenhangsfrage geklärt. Der Gutachter setze sich kritisch mit dem Prinzip der Verdoppelungsdosis als Kriterium für einen beruflichen Zusammenhang auseinander und greife bei einer Exposition unterhalb der Verdoppelungsdosis zu einer Abwägung der Indizien, die für und gegen einen beruflichen Zusammenhang sprächen. Wenn sich dabei keine Indizien fänden, die gegen einen Zusammenhang sprächen, außer der Tatsache, dass ein Dickdarmkrebs auch "spontan" entstehen könne, liege dies in den Umständen des vorliegenden Falles begründet. Das SG stütze demgegenüber seine Auffassung darauf, dass bei den Kollektiven der Bergleute im Uranbergbau keine signifikante Erhöhung der Sterblichkeit an Dickdarmkrebs statistisch habe bewiesen werden können. Dabei verhalte es sich gerade so, dass ein statistischer Nachweis einer kausalen Beziehung bei den Kollektiven der Uranbergleute bisher nicht gelungen sei. Ein Grund liege darin, dass es sich fast ausschließlich um Sterblichkeitsstatistiken gehandelt habe, in denen bei relativ gut heilbaren Erkrankungen, wie dem Dickdarmkrebs, eine expositionsabhängige Sterblichkeit schlechter nachweisbar sei. Bei den Kollektiven der Bergleute seien zudem konkurrierende Todesfälle (z. B. Unfall, Gewalteinwirkung e.t.c.) und eine stark verkürzte Lebenserwartung als zusätzliche statistische Störfaktoren bei der Beobachtung von Erkrankungen mit zum Teil langen Latenzzeiten zu beklagen. Der Dickdarmkrebs sei bei dem Versicherten vor dem Cannon-Böhm-Punkt lokalisiert gewesen und habe damit nicht zu den Formen des Dickdarmkrebses, die nach Durchlaufen der Adenom-Karzinom-Sequenz und offensichtlich begünstigt durch Faktoren der Ernährungs- und Lebensweise, in der westlichen Welt gehäuft aufträten, gerechnet. Gerade deshalb seien die Erkenntnisse aus Hiroshima und Nagasaki hier besonders sicher anwendbar, da das japanische Kollektiv nicht mit der hohen und spontanen Dickdarmkrebshäufigkeit der westlichen Welt belastet gewesen sei. Im Fall des Versicherten gebe es zudem keine Anhaltspunkte für eine genetische Disposition, auch sein Übergewicht sei erst seit 1984 ärztlich dokumentiert. US-amerikanische Untersuchungen zeigten bei Männern erst bei einem durchschnittlichen Mehrgewicht von etwa 20 Kilogramm eine Risikoverdoppelung der Darmkrebserkrankung. In der internistischen Fachliteratur gebe es auch keinen Zweifel, dass ein Übergewicht als solches nicht kausal für einen Dickdarmkrebs sei, sondern dass dieses Merkmal ein Surrogat sei für andere, möglicherweise kausale noch unbekannte Faktoren. Selbst wenn ein mit Übergewicht häufig verbundener Diabetes und ein metabolisches Syndrom kausal für die Entstehung von Dickdarmkrebs sein sollten, lägen im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Diagnose eines Hyperinsulinismus vor. Zur Untermauerung des Vortrages werde die Abhandlung von Rainer Karlsch "Uran für Moskau Die Wismut – Eine populäre Geschichte" überreicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheids vom 09. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996 der Klägerin unter Anerkennung der Dickdarmkrebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit nach Nr. 92 der BKVO-DDR Hinterbliebenenleistungen zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und legt das Rundschreiben VW 42/99 vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vor, in dem das BK-Forum "extrapulmonale Krebserkrankungen Wismut" am 12. Februar 1998 in Hennef betreffend das Jacobi-II-Gutachten sowie die im Juli 1997 veröffentlichte Studie von Prof. Dr. Jacobi et al. "Mögliches Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit von Knochen- und Leberkrebs durch berufliche Alpha-Strahlen-Exposition von Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG" (Jacobi III) ausgewertet wird.
Der Senat hat Dr. rer. nat., Dr. med. h. c. C S, Prof. (em.) für medizinische Strahlenbiologie mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. Dr. S führt in seinem Gutachten vom 29. Februar 2008 aus, der Versicherte sei zweifellos bei seiner Tätigkeit ionisierenden Strahlungen ausgesetzt gewesen. Die Entstehung eines Krebses sei ein komplexer Prozess, der über viele Jahre und in mehreren Schritten ablaufe. Für die Darmkrebserkrankung werde eine Latenzzeit von 10 Jahren angenommen, die von dem Versicherten erfüllt sei. Entscheidend sei die Strahlendosis im Kolon. Diese müsse anhand der Ermittlungen des TAD der Bergbau-BG mit ca. 361 mSv bzw. 441 mSv bestimmt werden. Zu berücksichtigen sei hierbei der Abschlussbericht zu dem Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von Lehmann et al. (1998), welches sich mit der Ermittlung der radioaktiven Belastung für die unterschiedlichen Tätigkeiten in den verschiedenen Objekten der SDAG Wismut, insbesondere in den "wilden" Jahren von 1946 bis 1955, für die es keine Expositionsmessungen gebe, beschäftigt habe. Danach sei die Dosisabschätzung des TAD für die Inhalation mit Radon und radioaktiven Folgeprodukten in Höhe von 320,9 mSv nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Inhalation von Staub mit langlebigen radioaktiven Stoffen (insbesondere Uran) müsse die mit 8,24 kBqh/m³ errechnete Dosis von 5,3 mSv im Hinblick auf die ungünstigen Bedingungen in der Zeit von 1946 bis 1955 (schlechte Bewetterung, Trockenbohren) als zu niedrig angesehen werden. Diese sei mit einem um den Faktor 3 höheren Wert, d. h. mit einer Dosis von 15,9 mSv, anzusetzen, so dass zusammen mit der Dosis für die Gamma-Strahlen-Exposition von 26,3 mSv eine Gesamtdosis von etwa 361 mSv der Beurteilung zu Grunde zu legen sei. Berücksichtige man zudem für die Hauertätigkeit die höhere Atemrate von 1,69 m³/h, so ergebe dies eine Gesamtdosis von ca. 441 mSv. Für die Beurteilung des hier vorliegenden Falls seien Untersuchungen an Bergarbeitern, insbesondere Uranbergarbeitern, von hohem Interesse. In wissenschaftlichen Untersuchungen seien die Daten von 64.209 Bergarbeitern, die im Mittel mit einer Exposition von 155 WLM durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte belastet gewesen seien, zusammengefasst worden. Es seien vor allem die Todesfälle durch Krebs außer Lungentumoren (also extrapulmonale Krebse) analysiert worden. Insgesamt seien 1179 solcher Todesfälle erfasst worden, von denen 95 an einem Kolonkarzinom gestorben seien. Von den entsprechenden Vergleichsgruppen hätte man demgegenüber 123 Todesfälle durch Kolonkarzinom erwartet, so dass sich ein relatives Risiko (beobachtete Fälle/erwartete Fälle) von 0,77 (95 % Konfidenzintervall: 0,63; 0,95) ergebe. Bei den Bergarbeitern in dieser umfangreichen Studie sei also keine Erhöhung der Todesfälle durch Darmkrebs beobachtet worden. Allerdings sei die mittlere Exposition durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte mit 155 WLM erheblich niedriger gewesen als die Exposition bei dem Versicherten mit 755 WLM. Jedoch gebe es keinen Hinweis für einen Trend zu einem Anstieg im Gegensatz zu einigen anderen Krebsarten neben dem Lungenkrebs (Speicheldrüse, Magen, Leber, Gallenblase, Pankreas u. a.). Die deutsche Studie an Uranbergarbeitern sei bisher noch nicht so weit fortgeschritten, um sie im Zusammenhang mit dem Streitfall zu diskutieren. Nehme man die Risikobeurteilung für den Dickdarmkrebs des Versicherten nur auf der Basis der Daten aus den Studien an den Bergarbeitern vor, lasse sich kein erhöhtes Risiko, eine Dickdarmkrebserkrankung zu erleiden, feststellen. Gehe man dagegen den von Jacobi und Roth (1995) vorgeschlagenen "dosimetrischen Weg", so könne man mit den neueren Studien in Hiroshima und Nagasaki einen Risikofaktor von 0,75 pro Sv einsetzen und damit aus den für den Versicherten abgeschätzten Dosiswerten von ca. 361 mSv bis maximal 441 mSv ein zusätzliches relatives Risiko von 0,27 bzw. 0,33 ermitteln. Daraus resultiere eine Verursachungswahrscheinlichkeit für den Dickdarmkrebs von 21,4 % bzw. 24,8 %. Aus strahlenbiologischen Gründen sei der "dosimetrische Weg" sinnvoll und vernünftig, setze jedoch voraus, dass die Strahlendosis im Darm durch das Eindringen der radioaktiven Stoffe zuverlässig ermittelt werden könne. Etwa 90 % des Dosisbeitrags liefere die Inhalation von Radon und radioaktiven Folgeprodukten. Um diese Dosis abschätzen zu können, müssten biokinetische Modelle eingesetzt werden, die erhebliche Unsicherheiten beinhalteten und eher zu Dosisüberschätzungen führten. Lege man die Daten aus den Untersuchungen an Beschäftigten in kerntechnischen Anlagen zugrunde, ergäben sich geringere Werte (zusätzliches relatives Risiko von 0,076 bzw. 0,09 und eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 7,0 % bzw. 8,4 %). Zu berücksichtigen seien auch andere Gründe der Entwicklung des Dickdarmkrebses. Dieser Krebs sei die zweithäufigste Krebstodursache bei Männern in Deutschland, wobei als wesentliche Ursachen Ernährungsgewohnheiten angegeben würden. Zu dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. K sei zu sagen, dass er eine Strahlendosis von etwa 350 mSv im Darm nach den üblichen Verfahren ermittelt habe, jedoch durch Berücksichtigung einer erhöhten Atemrate zu einer höheren Strahlendosis von etwa 441 mSv im Darm gekommen sei, was durchaus als Maximaldosis akzeptiert werden könne. Soweit Prof. Dr. K eine weitere Belastung durch das Trinken von Grubenquellwässern mit radioaktiven Stoffen nenne, seien diesbezügliche Daten allgemein sehr spärlich und in den Aktenunterlagen überhaupt nicht enthalten. Aus anderen Studien (Jacobi III) ergebe sich, dass die mögliche Strahlendosis im Darm durch das Trinken von Grubenwässern, selbst bei Aufnahme von mehr als einem Liter täglich über 5 Jahre, keinen wesentlichen Beitrag zu der abgeschätzten Dosis von 361 mSv liefern könne (vgl. die Berechnung im Einzelnen zu 6. 3. des Gutachtens, S. 23, 24). Es werde einer Reihe von biologisch-medizinischen Argumenten von Prof. Dr. K zur Entstehung einer Krebserkrankung zugestimmt. Der Berechnung einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 % für den Dickdarmkrebs durch die berufliche Strahlenexposition beim Versicherten könne jedoch nicht zugestimmt werden. Dieser hohe Wert werde nur dadurch erreicht, dass Herr Prof. Dr. K eine Umrechnung der Strahlendosis, die mit allgemein anerkannten wissenschaftlichen Methoden ermittelt worden sei, in eine um den Faktor 4 höhere "biologisch äquivalente" Dosis vornehme. Dieses Verfahren sei auch nach den neueren Studien wissenschaftlich nicht begründet. Es werde weder durch tierexperimentelle Daten noch durch epidemiologische Studien gedeckt.
Dem Senat haben ein Band Verwaltungsakten der Beklagten sowie aus den Akten des Verfahrens L 2 U 7/98 gefertigte Kopien vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07. September 1999 rechtmäßig ist und die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, ihren bestandskräftigen Bescheid vom 09. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996, mit welchem sie es abgelehnt hatte, Leistungen wegen einer BK nach Nr. 92 BKVO-DDR (bösartige Neubildung durch ionisierende Strahlen) bei dem Versicherten anzuerkennen, zurückzunehmen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die Beklagte ist in ihrem Ausgangsbescheid vom 09. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 1996 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und hat auch keine rechtswidrige Entscheidung getroffen. Die Tumorerkrankung des Versicherten ist nicht als BK Nr. 92 BKVO-DDR anzuerkennen und der Klägerin steht damit ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nicht zu.
Hinterbliebenenleistungen, wie z. B. Witwenrente nach §§ 590, 591 Reichsversicherungsordnung (RVO), sind bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren, § 589 Abs. 1 RVO. Nach § 551 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. Arbeitsunfälle und BK’en, die – wie die hier streitige Erkrankung - vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und BK’en der Sozialversicherung waren, gelten nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO i. d. F. des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, in Kraft ab dem 01. Januar 1992, [Art 42 RÜG]) i. V. m. §§ 212, 215 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) als Arbeitsunfälle und BK’en im Sinne des Dritten Buches der RVO. Der Ausschluss nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO (Bekanntwerden beim zuständigen Träger erst nach dem 31. Dezember 1993) findet im Streitfall keine Anwendung, denn die Klägerin hatte gegenüber der Bergbau-BG den Erstantrag auf Entschädigung einer BK bereits mit Schreiben vom 29. August 1991 und dann nochmals gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 07. Mai 1992 angezeigt.
Nach § 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) vom 16. Juni 1977 (GBl. DDR I, S. 185) und § 2 Abs. 1 BKVO-DDR vom 26. Februar 1981 (GBl. DDR I, S. 137) ist eine BK eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) herausgegebenen Liste der BK’en (Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung der BKVO-DDR vom 21. April 1981 [GBl. DDR I, S, 139]) genannt ist. Diese Rechtsvorschriften sind im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft geblieben (Anl. II Kap. VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 4 und 5 EinigVtr; vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1997 - 8 RKn U 1/96 - SozR 3-8440 Nr. 70 Nr. 1). In der Liste der BK’en nach der BKVO-DDR enthalten sind auch Erkrankungen durch ionisierende Strahlung, u. a. "Bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung" (Abschnitt VII "Beruflich verursachte bösartige Neubildungen" Nr. 92).
Aufgrund des Ergebnisses der umfangreichen medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Versicherte am 24. Januar 1989 an dem Dickdarmkarzinom mit einhergehender Herzschwäche gestorben ist und dass es sich bei dem Dickdarmkarzinom vom Typ des Adenom-Karzinoms um die primäre Krebserkrankung gehandelt hat, wogegen die weiteren Organe, u. a. Leber und Lunge, von Metastasen des Dickdarmkrebses befallen waren (vgl. u. a. das für die Bergbau-BG von Prof. Dr. D am 30. November 2000 erstattete pathologische Gutachten, den Autopsie-Bericht vom 08. Mai 1989 und den histologischen Befund vom 22./24. Juni 1988). Es ist daher für die Beurteilung einer BK nach Nr. 92 BKVO-DDR auf den Dickdarmkrebs als Primärtumor abzustellen. Ob es sich bei dem Tumor oberhalb des rechten Schlüsselbeins des Versicherten, der in der Zeit von 1979 bis April 1982 entfernt worden war, um eine gutartige oder bösartige Geschwulst gehandelt hat, konnte anhand der durchgeführten medizinischen Ermittlungen nicht beurteilt werden. Entsprechende Hinweise haben sich auch nicht aus den beigezogenen Unterlagen des A-Kreiskrankenhauses über Behandlungen aus der Zeit von März 1978 bis April 1982 ergeben. Der Senat brauchte dieser Frage nicht weiter nachzugehen, da es sich bei dem bereits vor 1982 operativ entfernten Tumor nicht um die zum Tode des Versicherten führende Erkrankung gehandelt hat. Im Übrigen war die Frage, ob die Geschwulst oberhalb des rechten Schlüsselbeins des Versicherten eine BK Nr. 92 BKVO-DDR darstellte, bereits Gegenstand des von der Klägerin gegenüber der Bergbau-BG geführten, mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2001 bestandskräftig abgeschlossenen BK-Verfahrens (Az.: ).
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der zum Tode des Versicherten führenden Dickdarmkrebserkrankung als BK Nr. 92 BKVO-DDR sind nicht erfüllt.
Die generelle Eignung ionisierender Strahlen, das hier in Rede stehende Dickdarmkarzinom hervorzurufen, ist nach wie vor umstritten. So haben sowohl der Strahlenbiologe und Strahlenschutzmediziner Prof. Dr. A (im Klageverfahren S 68 U 37/97 erstattetes Gutachten vom 20. Dezember 1998) als auch der im vorliegenden Klageverfahren beauftragte Arbeits- und Umweltmediziner Dr. W (Gutachten vom 03. Mai 2002) ausgeführt, dass epidemiologische Studien zu Bergleuten im Uranbergbau keine statistisch gesicherten Erkenntnisse zu einer echten Häufung von Organkrebsen außerhalb der Lunge, also auch betreffend ein erhöhtes Dickdarmkrebserkrankungsrisiko, begründen könnten. Dickdarmkrebserkrankungen seien sehr häufig und würden nicht als beruflich verursachte Erkrankungen verdächtigt; Risikofaktoren seien vor allem auch eine genetische Veranlagung, fettreiche Ernährung, Alkoholmissbrauch sowie eine Adipositas. Zudem sind Körpergewebe bzw. -organe nicht von gleicher Strahlenempfindlichkeit (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 1145, 1256) und die Bevölkerung ist auch außerberuflich einer Strahlenbelastung ausgesetzt. Auch der vom LSG beauftragte Prof. Dr. Dr. S hat ausgeführt, dass in umfangreichen Studien über Untersuchungen an Bergarbeitern, insbesondere Uranbergarbeitern, keine Erhöhung der Todesfälle durch Darmkrebs beobachtet worden sei, allerdings sei dort die ermittelte mittlere Exposition durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte mit 155 WLM erheblich niedriger gewesen als die Exposition bei dem Versicherten mit 755 WLM (Gutachten vom 29. Februar 2008).
Jedoch differenziert die BKVO-DDR in Nr. 92 ihrer Liste der BK’en - anders als § 9 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 SGB VII – nicht danach, ob die Krankheit "durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind" oder "ob die Einwirkungen für gruppentypische Erkrankungen generell geeignet" sind. Mit der Aufnahme der Erkrankung "Bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung" in die Nr. 92 der Liste der BK’en der Anlage zur BKVO-DDR hat der DDR-Verordnungsgeber vielmehr die Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und damit alle Krebserkrankungen als solche, auch die extrapulmonalen, für entschädigungswürdig befunden, ohne nach Strahlenart oder Organbelastung zu differenzieren (vgl. auch BSG, Urteil vom 18. August 2004 - B 8 KN 2/03 U R – SozR 4-8440 Nr. 92 Nr.1; ferner zu Nr. 92 der Anlage zur BKVO-DDR: BSG, Beschluss vom 18. Juni 2001 - B 2 U 104/01 B - in JURIS). Es ist daher davon auszugehen, dass die hier vorliegende Darmkrebserkrankung im Sinne der generellen Geeignetheit von der BK Nr. 92 BKVO-DDR erfasst wird.
Die Anerkennung einer BK Nr. 92 BKVO-DDR scheitert indes daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bei dem Versicherten unstreitig gegebenen beruflichen Strahleneinwirkung und dem bei ihm aufgetretenen Dickdarmkarzinom nicht festzustellen ist. Nach der im Recht der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre ist für das Vorliegen des Tatbestandes der BK neben einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während der ursächliche Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, also grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N.; BSG, Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 18/72 - SozR 2200 § 551 Nr. 1 und Urteil vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl 1 Nr. 2402 Nr. 1).
Da es sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft bei einer Krebserkrankung – wie dargelegt - um ein multifaktorielles Geschehen handelt, kommt es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der bei dem Versicherten unstreitig gegebenen beruflichen Strahleneinwirkung und dem bei ihm aufgetretenen Dickdarmkarzinom darauf an, ob die bei ihm festgestellte berufliche Strahleneinwirkung nach Art und Dosis ausreichte, um als wesentliche Bedingung für diese Erkrankung angesehen zu werden.
Dies kann jedoch nicht festgestellt werden. Der TAD der Bergbau-BG hat die Strahlenbelastung, der der Versicherte ausgesetzt war, unter Zugrundelegung der Erkenntnisse und unter Anwendung der Berechnungsmethode nach dem Gutachten Jacobi-II zum Ausmaß der Strahlenbelastungen in den einzelnen Objekten nach den bekannten individuellen Voraussetzungen geprüft. Hiernach ist von folgenden Anknüpfungstatsachen auszugehen: Der Versicherte war während seiner Tätigkeit in den Objekten der SDAG Wismut Johanngeorgenstadt, Lauter und Aue in der Zeit zwischen Februar 1948 bis Mai 1957 unter Berücksichtigung der besonderen Situation im Schacht sowie der tatsächlichen Arbeitstätigkeit unter Tage einer kumulativen Organdosis von 351,98 mSv und einer Exposition gegenüber Radon einschließlich der strahlenden kurz- und langlebigen Zerfallsprodukte von insgesamt 755 WLM ausgesetzt. Die konkrete individuelle Verursachungswahrscheinlichkeit wurde beim Versicherten unter Berücksichtigung der Latenzzeit für das Dickdarmkarzinom mit 12,3 % ermittelt.
Das Gericht hat keine Bedenken, dem Grunde nach der Berechnungsgrundlage des TAD zu folgen. Das Gutachten Jacobi-II, das der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften im Einvernehmen mit der Beklagten und dem Institut für Strahlenschutz zur Erarbeitung verbindlicher Maßstäbe in Auftrag gegeben hat, hat in der Praxis anwendbare standardisierte Modelle für die Verwaltungen entwickelt, die auf der Grundlage der bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse erstellt worden sind. Es ist vom BSG in mehreren Entscheidungen als eine verlässliche Grundlage für individuelle Feststellungen der Verursachungswahrscheinlichkeit extrapulmonaler Krebserkrankungen angesehen worden (BSG, Urteile vom 18. August 2004 - B 8 KN 2/03 und B 8 KN 1/03). Die Anwendung des Gutachtens Jacobi-II führt auch für den Versicherten zum günstigsten Ergebnis. Denn ginge der Senat von den vorliegenden Studien an Bergarbeitern aus, würde sich für den Versicherten, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. Sdargelegt hat, überhaupt kein erhöhtes Risiko für eine Dickdarmkrebserkrankung ergeben. Legte man demgegenüber die Daten aus den Untersuchungen an Beschäftigten in kerntechnischen Anlagen zugrunde, ergäben sich geringere Werte als unter Anwendung des Gutachtens Jacobi-II, nämlich nur ein zusätzliches relatives Risiko von 0,076 bzw. 0,09 und damit eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 7,0 % bzw. 8,4 %. Demgegenüber stellt sich die statistische Datenlage bei den Untersuchungen in Hiroshima und Nagasaki am sichersten dar. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S dargelegt hat, ist allerdings die vom TAD in seiner Berechnung zugrunde gelegte Strahlendosis im Kolon von ca. 350 mSv mit Unsicherheiten behaftet. Für die "wilden" Jahre von 1946 bis 1955, in denen der Versicherte im Uranabbau beschäftigt gewesen ist, liegen detaillierte Analysen für die einzelnen Gruben und Anlagen nur sehr unvollständig vor. Expositionsmessungen wurden überhaupt nicht vorgenommen, es gab noch keine Bewetterung der Schächte und die Bohrungen wurden trocken ausgeführt, was zu einer erhöhten Exposition durch radioaktiven Staub führte. Daher ist mit Prof. Dr. Dr. Sder Dosiswert für die Inhalation von Staub mit langlebigen radioaktiven Stoffen von 5,3 mSv um den Faktor 3 auf 15,9 mSv zu erhöhen, was zu einer Gesamtdosis von etwa 361 mSv führt. Berücksichtigt man für die Zeit der Tätigkeit als Hauer noch eine höhere Atemrate von 1,69 m³/h, was auch von Prof. Dr. Dr. S als angemessen erachtet wird, erhöht sich die Gesamtdosis auf ca. 441 mSv. Nach Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S ist der von Jacobi und Roth (1995) vorgeschlagene "dosimetrische Weg" aus strahlenbiologischen Gründen sinnvoll und vernünftig, auch wenn die Ermittlung der Strahlendosis im Darm durch das Eindringen der radioaktiven Stoffe mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist und eher zu Dosisüberschätzungen führt. Unter Anwendung des Risikofaktors aus den neueren Studien in Hiroshima und Nagasaki von 0,75 pro Sv und mit den für den Versicherten abgeschätzten Dosiswerten (berufliche Strahlenexposition auf der Grundlage der Ermittlungen des TAD der Bergbau-BG von ca. 361 mSv bis maximal 441 mSv im Darm) lässt sich für den Versicherten ein zusätzliches relatives Risiko errechnen, welches zwischen 0,27 und 0,33 liegt und woraus sich eine Verursachungswahrscheinlichkeit für eine Dickdarmkrebserkrankung von 21,4 % bzw. 24,8 % errechnet.
Nicht zu folgen vermag der Senat demgegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. KGutachten vom 12. Dezember 2003 und ergänzende Stellungnahme vom 13. April 2004), der zur Annahme einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 57 % gelangt. Das Gutachten leidet zunächst daran, dass der Sachverständige – entgegen der fachärztlichen Feststellungen im Autopsie-Bericht der C vom 05. Mai 1989 und im histologischen Befund vom 22./24. Juni 1988 (Histologie: mäßig differenziertes Adenom-Karzinom) – davon ausgeht, die Dickdarmkrebserkrankung habe aufgrund ihrer Lokalisation nicht zu den Formen des Dickdarmkrebses gehört, die nach Durchlaufen der Adenom-Karzinom-Sequenz begünstigt durch Faktoren der Ernährungs- und Lebensweise in der westlichen Welt gehäuft aufträten. Er schließt somit andere Entstehungsursachen wie eine genetische Disposition, Übergewicht, falsche Ernährungsgewohnheiten, Nikotinabusus von vornherein aus und findet darin die Bestätigung seiner Annahme einer überwiegenden Verursachungs-wahrscheinlichkeit durch ionisierende Strahlen. Im Rahmen der Ermittlung des Grades der Verursachungswahrscheinlichkeit stellt der Sachverständige zunächst fest, dass die Erkenntnisse aufgrund des im Jahr 1998 ergangenen Forschungsberichts "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DD" von Lehmann et al. (1998) in die zugrunde gelegten Berechnungen des TAD noch nicht eingeflossen seien, führt aber sogleich aus, dass sich diese auch nicht weiter auswirkten. Die von ihm angenommene weitere erhebliche Belastung durch das Trinken von Grubenquellwässern mit radioaktiven Stoffen lässt sich wegen der nur spärlich vorhandenen Daten nicht bestätigen. Wie Prof. Dr. Dr. S überzeugend dargelegt hat, ergibt sich jedoch aus Studien (Jacobi III), dass die mögliche Strahlendosis im Darm durch das Trinken von Grubenwässern, selbst bei Aufnahme von mehr als einem Liter täglich über 5 Jahre, keinen wesentlichen Beitrag zu der abgeschätzten Dosis von 361 mSv liefern kann (vgl. hierzu die Berechnungen zu Punkt 6.3. auf Seite 23, 24 des Gutachtens). Weitere Erkenntnisse, die seine Annahme stützen könnten, zeigt Prof. Dr. Knicht auf. Hauptsächlich begründet der Sachverständige aber die von ihm mit 57 % ermittelte Verursachungswahrscheinlichkeit für die Dickdarmkrebserkrankung des Versicherten mit dem Argument, dass das Gutachten Jacobi-II und die darauf beruhenden Vorgutachten die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der verglichenen Strahlenarten nicht ausreichend beachte und ermittelt deshalb eine höhere "biologisch äquivalente" Strahlenbelastung durch Hochrechnung mit einem Faktor 4. Der Senat vermag dem Gutachten nicht zu entnehmen, dass Prof. Dr. K seine Erkenntnisse auf das Ergebnis epidemiologischer Studien zurückführt, die weitergehender, konkreter und für die Verwaltungspraxis der Berufsgenossenschaften geeigneter sind, als die in den Gutachten von Jacobi berücksichtigten Studien und Erkenntnisse zur Auswirkung der Strahlenintensität auf die bei der früheren SDAG Wismut Beschäftigten. Im Gegenteil spricht der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S unter Darlegung des aktuellen wissenschaftlichen Stands sowie neuerer Forschungsergebnisse sogar von einer Unzulässigkeit der Umrechnung der weltweit anerkannten Äquivalentdosis für Alphastrahlen zu einer höheren "biologisch äquivalenten" Dosis. Eine derartige Hochrechnung der für den Strahlenschutz fest definierten Äquivalentdosis basiert jedenfalls nicht auf einer von den beteiligten Fachkreisen überwiegend zumindest akzeptierten wissenschaftlichen Grundlage und ist daher nach den Grundsätzen, die das BSG aufgestellt hat, nicht für die Ermittlung einer Verursachungswahrscheinlich geeignet (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16).
Soweit von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. K geltend gemacht wird, der Versicherte sei bei seiner Tätigkeit im Uranerzabbau der DDR einer weitaus höheren Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen, als vom TAD der Bergbau-BG bzw. von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S angenommen, fehlt es hierfür an dem erforderlichen Vollbeweis des Umfanges der schädigenden Einwirkungen, da entsprechende Messungen für die Objekte der SDAG Wismut aus der Zeit von 1946 bis 1955 nicht existieren. Der Senat hat daher keine Bedenken, sich die von Prof. Dr. Dr. S auf der Grundlage der Beschäftigungsdaten des Versicherten, der vom TAD der Bergbau-BG in Übereinstimmung mit dem Gutachten Jacobi-II ermittelten Daten und der Erkenntnisse der Studie "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DD" von Lehmann et al. (1998) vorgenommenen Bewertung der Strahlenbelastung zu eigen zu machen. Zumal – wie von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S verdeutlicht wird – es zur retrospektiven Einschätzung der Strahlenexposition der früheren Beschäftigten der SDAG Wismut bis jetzt keine besser erforschte Datenlage als nach dem Gutachten Jacobi-II sowie der Studie von Lehmann et al. (1998) gibt.
Ebenso wenig vermag der Senat bzgl. der Beurteilung der Verursachungswahrscheinlichkeit der von Prof. Dr. K geäußerten Kritik, der hierzu herangezogene "dosimetrische Weg" des Gutachtens Jacobi-II sei revisionsbedürftig und dem Stand der Wissenschaft nicht mehr angepasst, zu folgen. Im Hinblick darauf, dass es nach wie vor keine wissenschaftlichen Studien gibt, die ein beruflich erhöhtes Risiko für Darmkrebserkrankungen durch Strahlenbelastung bei Tätigkeit im Uranbergbau belegen und konkrete Daten zu einer Dosis-Wirkung-Beziehung liefern, handelt es sich bei dem Berechnungsmodell nach dem Gutachten Jacobi-II um die derzeit wissenschaftlich fundierteste, verlässlichste und praktikabelste Methode zur Feststellung der Verursachungswahrscheinlichkeit.
Der Senat war sich bei seiner Entscheidungsfindung bewusst, dass die Meinungsbildung zur Frage der Entstehungswahrscheinlichkeit von Krebserkrankungen durch den Einfluss ionisierender Strahlen nach wie vor nicht abgeschlossen ist, wie sich etwa an den von der Beklagten zu den Akten gereichten ersten Ergebnissen der Uranbergarbeiter-Studie des Bundesamts für Strahlenschutz (Forschung zum Problemkreis "Radon", Vortragsmanuskript des 16. Statusgespräches, Berlin, 21./22. Oktober 2003, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn, Januar 2004) zeigt. Da im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht von einer allseitig anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnismethode über die Auswirkungen früherer Strahlenbelastungen ausgegangen werden kann, sind auch dem Senat Grenzen gesetzt, die Ursachen der Krebserkrankung des Versicherten zuverlässig zu ermitteln. Der Senat folgt deshalb dem auf der Grundlage der Jacobi-Gutachten, die auch das BSG als eine zulässige Methode der Ermittlung der Strahlenbelastung der Beschäftigten bei der SDAG Wismut anerkannt hat (BSG, Urteile vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R und B 8 KN 2/03 U R), erstellten Gutachten und den Berechnungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. Davon ausgehend ist es bei einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 21,4 % bzw. 24,8 % nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Dickdarmkrebserkrankung des Versicherten ursächlich auf dessen frühere Beschäftigung im Uranerzbergbau der DDR zurückführen lässt. Der Senat konnte es deshalb auch dahinstehen lassen, welchen Einfluss konkurrierende Faktoren (Lebensalter, Nikotinabusus, Übergewichtigkeit, Diabetes mellitus Typ II, genetische Vorbelastung) auf das Erkrankungsbild bei dem Versicherten hatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen bereits im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 18. August 2004 - B 8 KN 1/03 U R und B 8 KN 2/03 U R -, in denen sich das BSG mit den anzuwendenden Rechtsgrundlagen sowie den Grundsätzen der Ermittlung der Strahlenbelastung der Beschäftigten bei der SDAG Wismut auseinandergesetzt hat, nicht vor.
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