S 2 KA 160/08 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 160/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine uneingeschränkte Fortführung der Vertragszahnarztpraxis durch Frau T bis zum Dienstag, den 31.03.2009, als Übergangsregelung zu genehmigen, wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (BVerfGE 79, 69, 74). Das Begehren muss begründet erscheinen (Anordnungsanspruch). Ferner bedarf es einer besonderen Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens bzw. nicht wieder rückgängig zu machender Nachteile (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht werden.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch.

Die vertragszahnarztrechtlichen Regelungen über eine Vertretung enthält § 32 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV). Nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift kann sich der Vertragszahnarzt bei Krankheit, Urlaub, Teilnahme an zahnärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung innerhalb von 12 Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Hierbei bedarf er keiner Genehmigung; es ist lediglich eine Vertretung von einer längeren Dauer als einer Woche der Antragsgegnerin mitzuteilen (Satz 4). Nach Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift darf der Vertragszahnarzt im Übrigen aus Gründen der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung einen Vertreter nur mit vorheriger Genehmigung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung beschäftigen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift greifen vorliegend nicht, da der Antragsteller nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen ist. Auf Antrag von Krankenkassen hat ihm der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 15.03.2004 die Zulassung entzogen, der Berufungsausschuss hat seinen Widerspruch mit Beschluss vom 09.11.2004 zurückgewiesen. Seine Klage und seine Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 - S 19 KA 3/05 -; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.05.2008 - L 11 KA 16/08 -); seine Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 05.11.2008 - B 6 KA 59/08 B - zurückgewiesen. Damit steht fachgerichtlich fest, dass der Antragsteller nicht mehr über eine vertragszahnärztliche Zulassung verfügt.

Eine vertretungsweise Fortführung der Praxis des Antragstellers kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer entsprechenden Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs. 2 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein in Betracht. Danach kann die Praxis eines verstorbenen Zahnarztes unter dessen Namen bis zu einem halben Jahr durch einen befugten Zahnarzt fortgeführt werden. Dieser dem Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) dienenden Regelung mag entsprechend einer Verwaltungsübung auch im vertragszahnärztlichen Rechtskreis dadurch Rechnung getragen werden, dass die Praxis eines verstorbenen Zahnarztes zugunsten der unterhaltsberechtigten Angehörigen durch einen Vertreter während eines "Gnadenquartals" weitergeführt werden kann. Soweit die Kammer aufgrund entsprechender Erwägungen mit Beschluss vom 30.11.2004 - S 2 KA 360/04 ER - die Vertretung des Antragstellers für ein Quartal gestattet hatte, geschah dies vor dem Hintergrund, dass zum damaligen Zeitpunkt die Bezirksregierung Düsseldorf allein im Hinblick auf das eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren das Ruhen der zahnärztlichen Approbation des Antragstellers mit Sofortvollzug angeordnet hatte. In diese Phase fielen auch die beiden positiven Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 29.12.2004 - 1 BvR 2820/04 und 1 BvR 2851/04 - sowie vom 04.10.2006 - 1 BvR 2403/06 -, mit denen die sofortige Vollziehung des Ruhens der Approbation bzw. das angeordnete Ruhen der Approbation vorläufig ausgesetzt wurden. Nachdem der Antragsteller jedoch inzwischen rechtskräftig wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 36 Fällen verurteilt worden ist (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.11.2006 - 3 StR 204/06 -) und die Bezirksregierung Düsseldorf daraufhin unter Aufhebung des Ruhens der Approbation die Approbation insgesamt widerrufen hat, hat das Bundesverfassungsgericht mit weiterem Beschluss vom 02.04.2007 - 1 BvR 2403/06 - eine Verfassungsbeschwerde des Antragstellers nicht zur Entscheidung angenommen. Bei solcherart geänderten Verhältnissen besteht für ein weiteres "Gnadenquartal" kein Raum mehr, zumal die Antragsgegnerin dem Antragsteller ohnehin insoweit ent-

gegen gekommen ist, als sie ihm außerhalb bestehender gesetzlicher Verpflichtungen eine Vertretergenehmigung bis zum 24.12.2008 erteilt hat.

Es liegt auch kein Anordnungsgrund vor.

Der Antragsteller musste sich spätestens seit der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.05.2008 - L 11 KA 16/08 -, gegen die Revision nicht zugelassen worden war, ernsthaft darauf einstellen, keine vertragszahnärztlichen Leistungen mehr erbringen zu dürfen. In diesem Urteil ist umfassend ausgeführt, die Zulassungsentziehung sei sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Sicherlich ist es das gute Recht des Antragstellers, wegen der aufschiebenden Wirkung seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil seinen Status als Vertragszahnarzt möglichst lange zu erhalten. Daraus resultiert jedoch kein schützenswertes Interesse dahin, nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde noch weitergehend die vertragszahnärztliche Tätigkeit vertretungsweise fortzuführen. Insbesondere hätte sich der Antragsteller zum Schutz des Eigentums an seiner Praxis frühzeitig um deren Abwicklung bemühen müssen, gerade angesichts des vorgetragenen Umstandes, dass er erhebliche Investitionen getätigt hat. Dies hätte sich konkret durch entsprechende Vertragsgestaltung mit auflösender/aufschiebender Bedingung erreichen lassen. Bis zum 19.12.2008 lag nach Mitteilung der Antragsgegnerin beim Zulassungsausschuss jedoch kein Zulassungsantrag für seinen ehemaligen Vertragszahnarztsitz vor. Die geringfügige zeitliche Verzögerung bis zur nächsten Sitzung des Zulassungsausschusses am 21.01.2009 hat der Antragsteller angesichts dessen hinzunehmen.

Ein schutzwürdiges Interesse erwächst auch nicht aus dem Umstand, dass der Antragsteller in erheblichem Umfang Notdienste leistet. Eigene Notdienste kann er, solange er berufsrechtlich zur Ausübung der Zahnheilkunde befugt ist, ohne- hin selbst leisten, auch wenn er nicht mehr über eine Kassenzulassung verfügt. Soweit er in hohem Maße Notdienste seiner Kollegen übernimmt - was der Kammer aus einer Reihe von Klageverfahren im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung bekannt ist -, stehen ihm daraus indes keine eigenen Rechtspositionen zu (vgl. Beschluss der Kammer vom 07.07.2008 - S 2 KA 102/08 ER - zum ärztlichen Notfalldienst).

Soweit der Antragsteller vorträgt, er könne nicht alle anbehandelten Fälle zum Abschluss bringen, rechtfertigt auch dies keine vertretungsweise Fortführung seiner Praxis. Ein etwaiges Interesse der Patienten, allein von dem Antragsteller behandelt zu werden, bleibt unberücksichtigt, da lediglich bedeutsam ist, ob und welche Nachteile dem Antragsteller selbst drohen. Drittinteressen sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht rechtserheblich (LSG NRW, Beschluss vom 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER - m.w.N.). Im Übrigen hätte der Antragsteller spätestens seit der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.05.2008 dafür Sorge tragen müssen, keine Behandlungsfälle mehr anzunehmen, die nicht in überschaubarer Zeit zum Abschluss gebracht werden konnten. Die Interessen der Patienten bleiben gleichwohl hinreichend gewahrt, nachdem die Antragsgegnerin ihre Bereitschaft bekundet hat, den betroffenen Patienten Hilfestellung zu leisten, einen geeigneten Vertragszahnarzt für die Fortsetzung der Behandlung zu benennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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