L 18 B 2213/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 30111/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 2213/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners zu 2. wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2008 geändert. Der Antragsgegner zu 1. wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1. für die Zeit vom 1. November 2008 bis 28. Februar 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 200,00 EUR monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurück gewiesen. Der Antragsgegner zu 1. trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1. im gesamten Verfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners zu 2., mit der sich dieser bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) gegen seine (alleinige) erstinstanzliche Verpflichtung durch die vom Sozialgericht erlassene einstweilige Anordnung wendet, ist begründet. Denn ein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner zu 2. steht den Antragstellerinnen jedenfalls nicht zu. Da im Rahmen der vom Antragsgegner zu 2. eingelegten Beschwerde aber auch über die Ansprüche der Antragstellerinnen gegen den Antragsgegner zu 1. zu entscheiden war (vgl. insoweit zum vergleichbaren Verhältnis zwischen Beklagtem und Beigeladenem bei Verurteilung des Beigeladenen: BSG, Urteil vom 11. September 1980 – 1 RA 47/79 = SozR 2200 § 1237a Nr 16 mwN) und der Antragstellerin zu 1. gegen den Antragsgegner zu 1. ein durch eine einstweilige Anordnung zu sichernder Leistungsanspruch im tenorierten Umfang zusteht, hat der Senat den Antragsgegner zu 1. entsprechend verpflichtet. Im Übrigen war der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückzuweisen, da der Antragstellerin zu 2. ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Regelleistung von 208,00 EUR monatlich auch gegen den Antragsgegner zu 1. nicht zusteht und wegen der von den Antragstellerinnen geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung bereits ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich ist.

Die Antragstellerin zu 1. hat nach Maßgabe der hier vorzunehmenden Folgenabwägung einen im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu sichernden Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im tenorierten Umfang gegen den erstangegangenen Antragsgegner zu 1. auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), der sich – was im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren dahingestellt bleiben kann - entweder nach den §§ 7, 8, 9 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) oder nach § 23 Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) richtet. Ein Ausgleich im Innenverhältnis der Antragsgegner zueinander kann nach einer abschließenden Klärung gegebenenfalls nach Maßgabe von § 102 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) – erfolgen.

Ob das aus § 2 Freizügigkeitsgesetz /EU folgende Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1. (vgl. Bescheinigung des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Ausländerbehörde – vom 19. Juni 2008) sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, was einem Anspruch sowohl nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) als auch nach dem SGB XII (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) entgegen stünde, war im vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend zu klären. In derartigen Fällen ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Danach bestünde im Falle der Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hinsichtlich der Antragstellerin zu 1., soweit Leistungen zur Existenzsicherung mit Ausnahme der geltend gemachten Unterkunftskosten begehrt werden, die Gefahr, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin zu 1. zeitweise nicht gesichert wäre. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den dem Antragsgegner zu 1. drohenden Nachteilen ungleich schwerer. Aus diesem Grund war der erstangegangene Antragsgegner zu 1., gegenüber dem die Antragstellerin zu 1. die Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I beantragt hatte, insoweit zur Erbringung vorläufiger Leistungen zu verpflichten. Diese waren für den streitbefangenen Zeitraum in Anlehnung an § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz im Hinblick auf die ungeklärte Frage, ob die Antragstellerin zu 1. sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält, auf 200,00 EUR monatlich zu begrenzen. Der Antragstellerin zu 2. steht hingegen ein Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Regelleistung in Höhe von monatlich 208,00 EUR schon deshalb nicht zu, weil sie über – anrechenbares – Einkommen in Höhe von 154,00 EUR monatlich (Kindergeld; vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II) und weitere 125,00 EUR monatlich Unterhaltsvorschuss verfügt.

Für die im Übrigen geltend gemachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 200,00 EUR liegt ein Anordnungsgrund im Sinne eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses nicht vor. Die Antragstellerinnen leben nach ihrem Vorbringen seit August 2008 zur Untermiete bei der Schwester der Antragstellerin zu 1. und haben "bis jetzt" (vgl. Vereinbarung im vorgelegten Untermietvertrag vom 29. August 2008) keine Miete gezahlt. Vertraglich wurde insoweit "Kredit" eingeräumt, "weil ich kein Geld habe". Bei dieser Sachlage ist derzeit eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragstellerinnen nicht zu besorgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved