L 19 B 1829/08 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 160 AS 7256/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 1829/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts B vom 6. August 2008 hinsichtlich der Auferlegung der durch das Ausbleiben zum Termin verursachten Kosten des Verfahrens aufgehoben. Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Hauptsacheentscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) B vom 6. August 2008 ist zulässig und teilweise begründet. Dem Kläger sind wegen unentschuldigten Fernbleibens zum Termin am 6. August 2008 die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten nicht aufzuerlegen. Dagegen ist die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 105,00 EUR wegen unentschuldigten Ausbleibens zum Termin rechtmäßig.

Als Rechtsgrundlage für das vom SG auferlegte Ordnungsgeld kommt nur § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Hiernach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld festsetzen, wenn er ohne genügende Entschuldigung zu dem Termin nicht erschienen ist. Die Anordnung einer Ordnungshaft ist - anders als bei einem unentschuldigt ausgebliebenen Zeugen - unzulässig (vgl. LSG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2004, L 3 B 14/04 U, mwN, veröffentlicht in juris). Die vom SG zitierte Vorschrift des § 118 SGG verweist dagegen wegen der Beweisaufnahme auf die Vorschriften der ZPO und regelt u.a. die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen Zeugen und Sachverständige, nicht jedoch gegen Beteiligte (§ 69 SGG). Dem Kläger können die durch sein Ausbleiben zum Termin verursachten Kosten nicht gemäß § 202 SGG iVm §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 ZPO auferlegt werden. Denn nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann gegen die im Termin ausgebliebene Partei "Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen festgesetzt werden." Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist jedoch nur eine der beiden in § 380 Abs. 1 ZPO geregelten Folgen des Ausbleibens des Zeugen. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO enthält insoweit eine ausschließende Bezugnahme. Somit ist über diese Norm die Auferlegung der durch das Ausbleiben eines Beteiligten zum Termin verursachten Kosten (§ 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht zulässig (vgl. auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 141 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Auflage, § 141 Rn. 43). Die angefochtene Entscheidung des SG war deshalb auf die Beschwerde des Klägers insoweit aufzuheben.

Der aufgrund mündlicher Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergangene Beschluss des SG ist hinsichtlich der Auferlegung eines Ordnungsgeldes nicht zu beanstanden. Das persönliche Erscheinen des Klägers zu dem Termin am 6. August 2008 war ausdrücklich angeordnet worden. Die mit einem Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens versehene Ladung wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 2. Juli 2008 durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung zugestellt. Zudem war der Kläger bereits in dem vom SG am 18. Juni 2008 durchgeführten Termin zur mündlichen Verhandlung mit noch im Termin verkündeten Beschluss der Kammer wirksam unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zu dem Termin am 6. August 2008 geladen worden. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers durch das SG erfolgte auch zur Aufklärung des Sachverhalts. Denn nach der Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 18. Juni 2008 bestand nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen S) weiterer Aufklärungsbedarf. Durch das Ausbleiben des Klägers zu dem (dritten) Termin am 6. August 2008 ist eine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten, weil das SG keine die Instanz abschließende Entscheidung getroffen hat. Nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 6. August 2008 haben sowohl die Beteiligtenvertreter als auch der Vorsitzende die getrennte Einvernahme des - anwesenden - Zeugen S für nicht sinnvoll erachtet.

Der Kläger hat sein Fernbleiben zum Termin auch nicht nachträglich genügend entschuldigt. Soweit er in seiner Erklärung vom 12. August 2008 vorträgt, in T auf Arbeitssuche gewesen zu sein und über keine finanziellen Mittel zur Rückkehr nach B verfügt zu haben, erschließt sich nicht, warum er bei der Planung seiner auswärtigen Arbeitssuche nicht den bereits seit 18. Juni 2008 bekannten Gerichtstermin am 6. August 2008 berücksichtigt hat. Auch geht aus seiner Erklärung nicht hervor, seit wann und wie lange er sich in T aufgehalten haben will. Zwar hat der Kläger den Zeugen S offenbar vor dem Termin am 6. August 2008 über sein Nichterscheinen informiert. Der in der Erklärung des Klägers vom 12. August 2008 angegebene Grund für sein Fernbleiben (Arbeitssuche in T) stimmt jedoch mit dem vom Zeugen S bekundeten Grund (der Kläger habe Probleme mit seinen Kindern - vgl. Sitzungsniederschrift vom 6. August 2008) nicht überein.

Die Gründe für die Verhängung des Ordnungsgeldes sind nicht unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsunerheblichkeit (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, aaO, § 141 Rn. 40) durch den Eingang der Verwaltungsakten der Bundesagentur für Arbeit bei dem SG mit einem darin enthaltenen Antrag vom 27. Januar 2005 entfallen. Denn das SG wird über diese erst nach dem Termin vom 6. August 2008 bekannt gewordene Tatsache und deren Folgen für den erhobenen Anspruch in freier Würdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) zu entscheiden haben. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ist das SG - und nicht das Beschwerdegericht - zur Entscheidung über die Erforderlichkeit einer (erneuten) persönlichen Anhörung des Klägers in einem (weiteren) Termin berufen.

Das SG hat seine Ermessensentscheidung zur Höhe des Ordnungsgeldes hinreichend begründet und dabei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers berücksichtigt. Im Hinblick auf die Höhe des Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch ist das Ordnungsgeld nicht unverhältnismäßig. Der Betrag von 105,- EUR liegt im unteren Bereich des nach Art. 6 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch zulässigen Rahmens (5 EUR bis 1.000 EUR).

Eine Kostenentscheidung ist im Rahmen der Beschwerdeentscheidung nicht veranlasst. Die auf das Beschwerdeverfahren bezogene Kostengrundentscheidung bleibt der abschließenden Hauptsacheentscheidung des SG vorbehalten (vgl. BAG, Beschluss vom 20. August 2007, 3 AZB 50/05; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007, VI ZB 4/07; beide veröffentlicht in juris). Die Kosten der (teilweise) erfolgreichen Beschwerde sind auch nicht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG der Staatskasse aufzuerlegen (so aber Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 111 Rn. 6c; unter Bezugnahme auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. April 1997, L 11 S 2/97 = Breith. 97, 291 - der im Breithaupt veröffentlichte Text des Beschlusses enthält hierzu jedoch keine Ausführungen). Denn die Staatskasse ist gerade nicht an dem Rechtsstreit beteiligt. Daher gehen die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde einer Partei (hier eines Beteiligten) gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen ihres Ausbleibens im Termin entgegen der Anordnung des persönlichen Erscheinens zu Lasten der letztlich kostenpflichtigen Partei (vgl. BAG, Beschluss vom 20. August 2007, 3 AZB 50/05; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007, VI ZB 4/07; aaO). Da das Hauptsacheverfahren noch nicht erledigt ist, bleibt die Kostengrundentscheidung (auch) bezüglich der Beschwerde dem SG vorbehalten.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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