Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 221/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 254/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente als vorläufige Entschädigung nach einem höheren Grad der MdE als 20, die Bewilligung von Rente auf unbestimmte Zeit sowie die Fortführung einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation.
Der 1961 geborene Kläger, der - eigener Einlassung zufolge - in Rumänien als Ingenieur tätig war, siedelte 1990 in die Bundesrepublik aus und arbeitete in der Stanzerei der Firma G. I & T1 GmbH & Co. KG als Maschineneinrichter. Bei einem Arbeitsunfall am 19.02.2004 zog er sich eine schwere Quetschverletzung mit offener Mehrfragmentfraktur in Höhe der Grundglieder beider Daumen mit Gefäß-, Sehnen- und Nervenbeteiligung zu. Wegen der Unfallfolgen musste der Kläger mehrfach operiert werden. Nach erfolgreicher Reimplantation der subtotal amputierten Daumen erfolgte bei guter wiederhergestellten Weichteilstrukturen eine Reposition der Trümmerfrakturen. Später wurde die Fraktur mittels Spondylosaplastik und Plattenosteonthese im Bereich beider Daumen stabilisiert. Nach intensiver ergotherapeutischer und krankengymnastischer Behandlung verblieb eine Wackelsteifigkeit im Bereich der Daumenend- und Grundgelenke. Wegen der Unfallfolgen konnte der Kläger seinen Beruf als Maschineneinrichter nicht mehr ausüben. Nachdem C1 neurologisch-psychiatrischerseits eine Anpassungsstörung des Klägers diagnostiziert und zur Überwindung dieser Störung eine berufliche Rehabiliation des so C1 - damals sehr motivierten Klägers empfohlen hatte, bewilligte die Beklagte eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme in der E1 B, X1, ab dem 02.11.2005 (Bescheid vom 17.10.2005). Durch Bescheid vom 17.10.2005 verpflichtete sich die Beklagte für die Dauer der beruflichen Rehabilitation Übergangsgeld zu zahlen (Bescheid vom 17.10.2005), dessen Höhe sie mit Bescheid vom 07.11.2005 festlegte. Ab dem 28.11.2005 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Unter dem 20.01.2006 teilte die E1 B der Beklagten den Abbruch der Rehabilitationsmaßnahme mit: Der Kläger habe angegeben, aus psychischen Gründen nicht in der Lage zu sein am Unterricht teilzunehmen. In einem Bericht der Diplom-Psychologin E2 heißt es dazu, der Kläger sei psychisch nicht in der Lage die berufliche Rehabilitation mit dem Ziel der Wiedereingliederung fortzuführen (Bericht vom 25.01.2006). Nach vorheriger Anhörung des Klägers verfügte die Beklagte daraufhin den Abbruch der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme und stellte die Gewährung von Übergangsgeld mit Ablauf des 31.03.2006 ein (Bescheid vom 30.03.2006). Mit Bescheid vom 14.07.2006 lehnte es die Beklagte ab, diese Entscheidung gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006). Zur Rentenfeststellung veranlasste die Beklagte eine augenärztliche, HNO-ärztliche und chirurgische Begutachtung des Klägers. Die Augenärztin U konnte von Seiten ihres Fachgebiets keine unfallbedingte Funktionseinbuße ermitteln. HNO-ärztlicherseits beschrieb S1 zwar einen Tinnitus (bei Normalhörigkeit), den er als Ausdruck eines unfallunabhängigen Psychosyndroms wertete. Chirurgischerseits stellte X2 eine Bewegungseinschränkung beider Daumengrundgelenke sowie eine Einsteifung beider Daumenendgelenke in Beugestellung fest, berichtete von Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen an beiden Daumen sowie einer Schwächung der Greiffunktionen der Hände und schätzte die unfallbedingte MdE auf 20 vom Hundert. Auf dieser medizinischen Grundlage bewilligte die Beklagte Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 vom Hundert ab dem 02.11.2005 (Bescheid vom 18.05.2006). Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch die S2 und C2. Diese berichteten von sensiblen Schädigungen im Bereich beider Daumen und von einer schweren depressiven Episode bei Verdacht auf narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung. Den Arbeitsunfall sahen die Gutachter als Gelegenheitsursache für die schwere depressive Entwicklung an. Sie vertraten die Auffassung, die Erkrankung sei vor allem auf die Primär-Persönlichkeit des Klägerszurückzuführen, demgegenüber hätten die Unfallfolgen keine wesentliche Bedeutung (Gutachten vom 06.07.2006). Außerdem hörte die Beklagte handchirurgischerseits T2, der unter Berücksichtigung der neurologischerseits beschriebenen Sensibilitätsstörungen die unfallbedingte MdE mit 15 vom Hundert veranschlagte, wobei er von Seiten seines Fachgebiets eine Fehlstellung der Daumenendgelenke und Daumengrundgelenke feststellte. Die Beklagte lehnte daraufhin die Bewilligung von Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Ablauf des 30.09.2006 (Bescheid vom 21.09.2006). Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006) verfolgt der Kläger sein Begehren, das zunächst vom Sozialgericht unter dem Aktenzeichen: S 16 U 275/06 geführt worden ist, weiter. Das Gericht hat den Rechtsstreit mit dem Verfahren verbunden, dass die Weitergewährung von Teilhabeleistungen am Arbeitsleben zum Gegenstand hat und unter dem Aktenzeichen: S 16 U 221/07 weitergeführt. Während des Klageverfahrens hat die Widerspruchsstelle bei der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2007 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 31.03.2006 zurückgewiesen, durch den der Abbruch der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme verfügt worden war. Der Kläger, der ausgehend von einem Leistungsfall am 16.01.2006 vom 01.01.2007 an bis zum 30.09.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung V erhält, macht geltend, die vorläufige Rente hätte erheblich höher festgestellt werden müssen, und zwar für die erste Zeit der Anpassungs- und Gewöhnungsschwierigkeiten. Der Abbruch der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme sei nicht gerechtfertigt gewesen. Nur auf dem Wege der beruflichen Rehabilitation könnten die schweren Auswirkungen des Arbeitsunfalls angemessen angegangen werden. Die Depression des Klägers sei Folge des Arbeitsunfalls. Dies liege auf der Hand. Es sei bekannt, dass Handverletzungen psychisch außerordentlich belastend seien. Im Übrigen könne der Kläger was die Dauerrente anbelange nicht mit einer Quetsch-MdE von 15 % abgespeist werden.
Schriftsätzlich begehrt der Kläger,
unter Abänderung der Bescheide vom 18.05.2006, 21.09.2006 und 31.03.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 16.11.2006 und 02.08.2007, die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren und Übergangszahlungen über den 31.03.2006 hinaus, sowie eine höhere vorläufige Rente als eine solche von 20 % aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 19.02.2004 zu gewähren sowie eine Rente aus Anlass des Arbeitsunfalls bis auf weiteres zu zahlen.
Die Beklagte begehrt die Klageabweisung.
Das Gericht hat eine Stellungnahme von T2 eingeholt, der seine MdE-Bewertung (15 vom Hundert) bestätigt hat. Außerdem hat das Gericht ein von T3 für die Deutsche Rentenversicherung Rheinland erstattetes psychiatrischen Gutachten beigezogen, in dem es u. a. heißt, die beim Kläger vorliegende Depression sei nach dem Unfall sicher zunächst reaktiv entstanden. Mittlerweile übertreffe das Ausmaß der Symptome aber weitem die in der ICD formulierten Merkmale einer reaktiven Depression (Anpassungsstörung). Es fänden sich sogar anklingende psychotische Symptome in Form von Beobachtungserleben. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei soweit herabgesetzt, dass Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch in stundenweiser Form nicht ausgeübt werden könnten. Im Übrigen zeige der Kläger derzeit für berufliche Rehamaßnahmen nicht die ausreichende Leistungsfähigkeit.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Beklagten Bezug genommen.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 31.03.2006, 18.05.2006, 14.07.2006 und 21.09.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 02.08.2007 und 16.11.2006 sind rechtmäßig. Der Kläger kann über den 31.03.2006 hinaus nicht die Weitergewährung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen und damit auch nicht die Weiterbewilligung von Übergangsgeld verlangen, außerdem hat er nicht Anspruch auf Rente als vorläufige Entschädigung nach einem höheren Grad der MdE als 20. Darüber hinaus kann er die Bewilligung von Rente auf unbestimmte Zeit nicht beanspruchen.
Nach den Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung V ist der Kläger seit dem 16.01.2006 vollerwerbsgemindert. T3, der für die Deutsche Rentenversicherung Rheinland tätig gewesen ist, hat darauf hingewiesen, dass beim Kläger keine ausreichende Leistungsfähigkeit für eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme vorliegt. Damit ist die Auffassung der Diplom-Psychologin E2, der Kläger sei nicht in der Lage, eine berufliche Rehabilitation mit dem Ziel der Wiedereingliederung zu durchlaufen (Bericht vom 25.01.2006) bestätigt worden. Im Vergleich zu der Leistungseinschätzung von C1, die dem Bewilligungsbescheid vom 17.10.2005 zugrundelag hat sich in der Folgezeit das Leistungsvermögen des Klägers soweit verringert, dass er nicht mehr in der Lage gewesen ist, die bewilligte berufliche Rehabilitationsmaßnahme fortzuführen. Zu Recht hat deshalb die Beklagte die Fortführung der Maßnahme abgelehnt und die Zahlung des Übergangsgeldes eingestellt (vgl. § 48 SGB X).
Ferner kann der Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einem höheren Grad der MdE als 20 vom Hundert nicht beanspruchen: Dem Gutachten von X2 ist zu entnehmen, dass die Daumengrundgelenke in einer leichten Beugestellung wackelsteif und die Daumenendgelenke in einer steifen Beugestellung von 40 Grad bewegungseingeschränkt gewesen sind. Darüber hinaus haben Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen an beiden Daumen bestanden. Die seinerzeit festgestellte Minderbeschwielung der rechten und linken Hand weisen auf die damals noch bestehende fehlende Anpassung an die Unfallfolgen hin. Der Daumenspitzgriff rechts wie links ist zu allen Fingern möglich gewesen, jedoch sehr kraftgemindert erfolgt. Mit X2 schätzt die Kammer die dadurch bedingte MdE auf 20 vom Hundert ein. Zur Veranschaulichung wird auf die unfallmedizinischen Erfahrungswerte verwiesen, die für die Amputation zweier Glieder des Mittel- und Ringfingers eine MdE von 20 vom Hundert für 12 Monate (danach 15 vom Hundert) vorsehen. Weitere Unfallfolgen, die eine Anhebung der MdE rechtfertigen, bestehen beim Kläger nicht: S1 hat darauf hingewiesen, dass die beim Kläger bestehenden Ohrgeräusche bereits deshalb nicht auf den Unfall vom 19.02.2004 ursächlich zurückgeführt werden können, weil es damals zu keiner Kopfverletzung gekommen ist. Auch die neurologisch-psychiatrischerseits beschriebene schwere Depression des Klägers lässt sich - so die plausiblen Ausführungen der S2 und C2 - den Unfallfolgen nicht zurechnen. Zwar mag zunächst - wie C1 angenommen hat - eine Anpassungsstörung bestanden haben, jedoch hat der Kläger eigenen Angaben zufolge im Laufe des Jahres 2005 eine Zusatzqualifikation als staatlich geprüfter Techniker erfolgreich abgeschlossen, später ist es zu einer psychischen Befundverschlechterung gekommen, so dass es eher unwahrscheinlich ist, dass dem Unfall vom 19.02.2004 noch eine wesentliche Bedeutung zukommt. Plausibel erscheint es vielmehr angesichts des - so die Gutachter - mutistisch gesperrten schwer regressiv ausgestalteten depressiven Zustandsbildes die wesentliche Ursache in einer tiefer greifenden Persönlichkeitsakzentuierung im Sinne einer erhöht kränkbaren, narzisstischen Persönlichkeitsstruktur zu sehen, so dass dem Arbeitsunfall für die depressive Entwicklung lediglich die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zukommt. Auch Rente auf unbestimmte Zeit kann der Kläger nicht beanspruchen. Dies steht aufgrund der Ausführungen des Handchirurgen T2 fest. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das für die Funktion des Daumens besonders wichtige Daumensattelgelenk, das die Gegenüberstellung mit den anderen Fingern der Hand ermöglicht, an beiden Daumen des Klägers in seiner Funktion nicht beeinträchtigt ist. Vom Unfall in ihrer Funktion betroffen sind lediglich End- und Grundgelenke beider Daumen, die jedoch in einer funktionell günstigen Funktionsstellung eingesteift worden sind, so dass der Kläger bessergestellt ist als ein Verletzter mit Daumenverlust in Höhe des Grundgelenkes (MdE 20 vom Hundert). Einem so Geschädigten ist nämlich jedwede Oppositionsbewegung unmöglich, damit ist die so wichtige Funktion - nämlich die gezielten Opposition des Daumens gegenüber den Langfingern - nicht mehr vorhanden. Eine derart weitgehende Funktionseinbuße besteht beim Kläger nicht. Es ist deshalb gerechtfertigt die MdE zur Feststellung der Dauerrente mit 15 vom Hundert zu veranschlagen, zumal die neurologisch-psychiatrischerseits und HNO-ärztlicherseits beklagten Gesundheitsstörungen den Unfallfolgen nicht zugerechnet werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente als vorläufige Entschädigung nach einem höheren Grad der MdE als 20, die Bewilligung von Rente auf unbestimmte Zeit sowie die Fortführung einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation.
Der 1961 geborene Kläger, der - eigener Einlassung zufolge - in Rumänien als Ingenieur tätig war, siedelte 1990 in die Bundesrepublik aus und arbeitete in der Stanzerei der Firma G. I & T1 GmbH & Co. KG als Maschineneinrichter. Bei einem Arbeitsunfall am 19.02.2004 zog er sich eine schwere Quetschverletzung mit offener Mehrfragmentfraktur in Höhe der Grundglieder beider Daumen mit Gefäß-, Sehnen- und Nervenbeteiligung zu. Wegen der Unfallfolgen musste der Kläger mehrfach operiert werden. Nach erfolgreicher Reimplantation der subtotal amputierten Daumen erfolgte bei guter wiederhergestellten Weichteilstrukturen eine Reposition der Trümmerfrakturen. Später wurde die Fraktur mittels Spondylosaplastik und Plattenosteonthese im Bereich beider Daumen stabilisiert. Nach intensiver ergotherapeutischer und krankengymnastischer Behandlung verblieb eine Wackelsteifigkeit im Bereich der Daumenend- und Grundgelenke. Wegen der Unfallfolgen konnte der Kläger seinen Beruf als Maschineneinrichter nicht mehr ausüben. Nachdem C1 neurologisch-psychiatrischerseits eine Anpassungsstörung des Klägers diagnostiziert und zur Überwindung dieser Störung eine berufliche Rehabiliation des so C1 - damals sehr motivierten Klägers empfohlen hatte, bewilligte die Beklagte eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme in der E1 B, X1, ab dem 02.11.2005 (Bescheid vom 17.10.2005). Durch Bescheid vom 17.10.2005 verpflichtete sich die Beklagte für die Dauer der beruflichen Rehabilitation Übergangsgeld zu zahlen (Bescheid vom 17.10.2005), dessen Höhe sie mit Bescheid vom 07.11.2005 festlegte. Ab dem 28.11.2005 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Unter dem 20.01.2006 teilte die E1 B der Beklagten den Abbruch der Rehabilitationsmaßnahme mit: Der Kläger habe angegeben, aus psychischen Gründen nicht in der Lage zu sein am Unterricht teilzunehmen. In einem Bericht der Diplom-Psychologin E2 heißt es dazu, der Kläger sei psychisch nicht in der Lage die berufliche Rehabilitation mit dem Ziel der Wiedereingliederung fortzuführen (Bericht vom 25.01.2006). Nach vorheriger Anhörung des Klägers verfügte die Beklagte daraufhin den Abbruch der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme und stellte die Gewährung von Übergangsgeld mit Ablauf des 31.03.2006 ein (Bescheid vom 30.03.2006). Mit Bescheid vom 14.07.2006 lehnte es die Beklagte ab, diese Entscheidung gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006). Zur Rentenfeststellung veranlasste die Beklagte eine augenärztliche, HNO-ärztliche und chirurgische Begutachtung des Klägers. Die Augenärztin U konnte von Seiten ihres Fachgebiets keine unfallbedingte Funktionseinbuße ermitteln. HNO-ärztlicherseits beschrieb S1 zwar einen Tinnitus (bei Normalhörigkeit), den er als Ausdruck eines unfallunabhängigen Psychosyndroms wertete. Chirurgischerseits stellte X2 eine Bewegungseinschränkung beider Daumengrundgelenke sowie eine Einsteifung beider Daumenendgelenke in Beugestellung fest, berichtete von Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen an beiden Daumen sowie einer Schwächung der Greiffunktionen der Hände und schätzte die unfallbedingte MdE auf 20 vom Hundert. Auf dieser medizinischen Grundlage bewilligte die Beklagte Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 vom Hundert ab dem 02.11.2005 (Bescheid vom 18.05.2006). Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch die S2 und C2. Diese berichteten von sensiblen Schädigungen im Bereich beider Daumen und von einer schweren depressiven Episode bei Verdacht auf narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung. Den Arbeitsunfall sahen die Gutachter als Gelegenheitsursache für die schwere depressive Entwicklung an. Sie vertraten die Auffassung, die Erkrankung sei vor allem auf die Primär-Persönlichkeit des Klägerszurückzuführen, demgegenüber hätten die Unfallfolgen keine wesentliche Bedeutung (Gutachten vom 06.07.2006). Außerdem hörte die Beklagte handchirurgischerseits T2, der unter Berücksichtigung der neurologischerseits beschriebenen Sensibilitätsstörungen die unfallbedingte MdE mit 15 vom Hundert veranschlagte, wobei er von Seiten seines Fachgebiets eine Fehlstellung der Daumenendgelenke und Daumengrundgelenke feststellte. Die Beklagte lehnte daraufhin die Bewilligung von Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Ablauf des 30.09.2006 (Bescheid vom 21.09.2006). Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006) verfolgt der Kläger sein Begehren, das zunächst vom Sozialgericht unter dem Aktenzeichen: S 16 U 275/06 geführt worden ist, weiter. Das Gericht hat den Rechtsstreit mit dem Verfahren verbunden, dass die Weitergewährung von Teilhabeleistungen am Arbeitsleben zum Gegenstand hat und unter dem Aktenzeichen: S 16 U 221/07 weitergeführt. Während des Klageverfahrens hat die Widerspruchsstelle bei der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2007 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 31.03.2006 zurückgewiesen, durch den der Abbruch der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme verfügt worden war. Der Kläger, der ausgehend von einem Leistungsfall am 16.01.2006 vom 01.01.2007 an bis zum 30.09.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung V erhält, macht geltend, die vorläufige Rente hätte erheblich höher festgestellt werden müssen, und zwar für die erste Zeit der Anpassungs- und Gewöhnungsschwierigkeiten. Der Abbruch der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme sei nicht gerechtfertigt gewesen. Nur auf dem Wege der beruflichen Rehabilitation könnten die schweren Auswirkungen des Arbeitsunfalls angemessen angegangen werden. Die Depression des Klägers sei Folge des Arbeitsunfalls. Dies liege auf der Hand. Es sei bekannt, dass Handverletzungen psychisch außerordentlich belastend seien. Im Übrigen könne der Kläger was die Dauerrente anbelange nicht mit einer Quetsch-MdE von 15 % abgespeist werden.
Schriftsätzlich begehrt der Kläger,
unter Abänderung der Bescheide vom 18.05.2006, 21.09.2006 und 31.03.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 16.11.2006 und 02.08.2007, die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren und Übergangszahlungen über den 31.03.2006 hinaus, sowie eine höhere vorläufige Rente als eine solche von 20 % aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 19.02.2004 zu gewähren sowie eine Rente aus Anlass des Arbeitsunfalls bis auf weiteres zu zahlen.
Die Beklagte begehrt die Klageabweisung.
Das Gericht hat eine Stellungnahme von T2 eingeholt, der seine MdE-Bewertung (15 vom Hundert) bestätigt hat. Außerdem hat das Gericht ein von T3 für die Deutsche Rentenversicherung Rheinland erstattetes psychiatrischen Gutachten beigezogen, in dem es u. a. heißt, die beim Kläger vorliegende Depression sei nach dem Unfall sicher zunächst reaktiv entstanden. Mittlerweile übertreffe das Ausmaß der Symptome aber weitem die in der ICD formulierten Merkmale einer reaktiven Depression (Anpassungsstörung). Es fänden sich sogar anklingende psychotische Symptome in Form von Beobachtungserleben. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei soweit herabgesetzt, dass Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch in stundenweiser Form nicht ausgeübt werden könnten. Im Übrigen zeige der Kläger derzeit für berufliche Rehamaßnahmen nicht die ausreichende Leistungsfähigkeit.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Beklagten Bezug genommen.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 31.03.2006, 18.05.2006, 14.07.2006 und 21.09.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 02.08.2007 und 16.11.2006 sind rechtmäßig. Der Kläger kann über den 31.03.2006 hinaus nicht die Weitergewährung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen und damit auch nicht die Weiterbewilligung von Übergangsgeld verlangen, außerdem hat er nicht Anspruch auf Rente als vorläufige Entschädigung nach einem höheren Grad der MdE als 20. Darüber hinaus kann er die Bewilligung von Rente auf unbestimmte Zeit nicht beanspruchen.
Nach den Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung V ist der Kläger seit dem 16.01.2006 vollerwerbsgemindert. T3, der für die Deutsche Rentenversicherung Rheinland tätig gewesen ist, hat darauf hingewiesen, dass beim Kläger keine ausreichende Leistungsfähigkeit für eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme vorliegt. Damit ist die Auffassung der Diplom-Psychologin E2, der Kläger sei nicht in der Lage, eine berufliche Rehabilitation mit dem Ziel der Wiedereingliederung zu durchlaufen (Bericht vom 25.01.2006) bestätigt worden. Im Vergleich zu der Leistungseinschätzung von C1, die dem Bewilligungsbescheid vom 17.10.2005 zugrundelag hat sich in der Folgezeit das Leistungsvermögen des Klägers soweit verringert, dass er nicht mehr in der Lage gewesen ist, die bewilligte berufliche Rehabilitationsmaßnahme fortzuführen. Zu Recht hat deshalb die Beklagte die Fortführung der Maßnahme abgelehnt und die Zahlung des Übergangsgeldes eingestellt (vgl. § 48 SGB X).
Ferner kann der Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einem höheren Grad der MdE als 20 vom Hundert nicht beanspruchen: Dem Gutachten von X2 ist zu entnehmen, dass die Daumengrundgelenke in einer leichten Beugestellung wackelsteif und die Daumenendgelenke in einer steifen Beugestellung von 40 Grad bewegungseingeschränkt gewesen sind. Darüber hinaus haben Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen an beiden Daumen bestanden. Die seinerzeit festgestellte Minderbeschwielung der rechten und linken Hand weisen auf die damals noch bestehende fehlende Anpassung an die Unfallfolgen hin. Der Daumenspitzgriff rechts wie links ist zu allen Fingern möglich gewesen, jedoch sehr kraftgemindert erfolgt. Mit X2 schätzt die Kammer die dadurch bedingte MdE auf 20 vom Hundert ein. Zur Veranschaulichung wird auf die unfallmedizinischen Erfahrungswerte verwiesen, die für die Amputation zweier Glieder des Mittel- und Ringfingers eine MdE von 20 vom Hundert für 12 Monate (danach 15 vom Hundert) vorsehen. Weitere Unfallfolgen, die eine Anhebung der MdE rechtfertigen, bestehen beim Kläger nicht: S1 hat darauf hingewiesen, dass die beim Kläger bestehenden Ohrgeräusche bereits deshalb nicht auf den Unfall vom 19.02.2004 ursächlich zurückgeführt werden können, weil es damals zu keiner Kopfverletzung gekommen ist. Auch die neurologisch-psychiatrischerseits beschriebene schwere Depression des Klägers lässt sich - so die plausiblen Ausführungen der S2 und C2 - den Unfallfolgen nicht zurechnen. Zwar mag zunächst - wie C1 angenommen hat - eine Anpassungsstörung bestanden haben, jedoch hat der Kläger eigenen Angaben zufolge im Laufe des Jahres 2005 eine Zusatzqualifikation als staatlich geprüfter Techniker erfolgreich abgeschlossen, später ist es zu einer psychischen Befundverschlechterung gekommen, so dass es eher unwahrscheinlich ist, dass dem Unfall vom 19.02.2004 noch eine wesentliche Bedeutung zukommt. Plausibel erscheint es vielmehr angesichts des - so die Gutachter - mutistisch gesperrten schwer regressiv ausgestalteten depressiven Zustandsbildes die wesentliche Ursache in einer tiefer greifenden Persönlichkeitsakzentuierung im Sinne einer erhöht kränkbaren, narzisstischen Persönlichkeitsstruktur zu sehen, so dass dem Arbeitsunfall für die depressive Entwicklung lediglich die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zukommt. Auch Rente auf unbestimmte Zeit kann der Kläger nicht beanspruchen. Dies steht aufgrund der Ausführungen des Handchirurgen T2 fest. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das für die Funktion des Daumens besonders wichtige Daumensattelgelenk, das die Gegenüberstellung mit den anderen Fingern der Hand ermöglicht, an beiden Daumen des Klägers in seiner Funktion nicht beeinträchtigt ist. Vom Unfall in ihrer Funktion betroffen sind lediglich End- und Grundgelenke beider Daumen, die jedoch in einer funktionell günstigen Funktionsstellung eingesteift worden sind, so dass der Kläger bessergestellt ist als ein Verletzter mit Daumenverlust in Höhe des Grundgelenkes (MdE 20 vom Hundert). Einem so Geschädigten ist nämlich jedwede Oppositionsbewegung unmöglich, damit ist die so wichtige Funktion - nämlich die gezielten Opposition des Daumens gegenüber den Langfingern - nicht mehr vorhanden. Eine derart weitgehende Funktionseinbuße besteht beim Kläger nicht. Es ist deshalb gerechtfertigt die MdE zur Feststellung der Dauerrente mit 15 vom Hundert zu veranschlagen, zumal die neurologisch-psychiatrischerseits und HNO-ärztlicherseits beklagten Gesundheitsstörungen den Unfallfolgen nicht zugerechnet werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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