L 2 U 318/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 161/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 318/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 298/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung der Folgen und Entschädigung eines Arbeitsunfalles vom
8. Juni 2004.

Der 1946 geborene Kläger suchte am 9. Juni 2004 den Allgemeinarzt K. auf, der eine Einblutung im rechten Oberarm und nach Sonographie Kontinuität der Bizepssehne feststellte. Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr. P., berichtete am 9. Juni 2004, der Kläger gebe an, am 8. Juni 2004 habe er beim Anheben einer Kuh plötzlich einen stechenden Schmerz im Oberarm verspürt. Er diagnostizierte einen Muskelfaserriss des Bizepsmuskels. Der Kläger habe die Arbeit erst am 9. Juni 2004 eingestellt. Der Kläger gab in einem Schreiben vom 8. Juli 2004 an, beim Abladen eines Rinderviertels habe er einen stechenden Schmerz im Oberarm gespürt und die Hand nicht mehr bewegen können. Im Schreiben vom 1. September 2004 erklärte der Kläger, er habe Gewichte bis zu 180 kg heben müssen, dadurch sei der Muskel gerissen. In der Unfallanzeige vom 27. Juli 2004 wird angegeben, beim Aufheben von einem Rinderviertel (110 kg) sei der Muskel gerissen.
Die Beklagte zog die Unterlagen der AOK Bayern bei, aus denen sich Arbeitsunfähigkeitszeiten im Januar 2004 wegen Impingement-Sydrom ergeben. Der Allgemeinarzt K. gab im Schreiben vom 2. November 2004 an, der Kläger habe berichtet, beim Abladen eines schweren Rinderviertels am 8. Juni 2004 habe er plötzlich einen starken Schmerz im Bereich des Oberarms bemerkt.

Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. W., erklärte am 17. März 2005, am 8. Juni 2004 sei ein Muskelfaserriss des Bizepsmuskels aufgetreten. Ein geeigneter Unfallmechanismus sei nicht angegeben. Die Unfallschilderungen beschrieben einen plötzlich einschießenden stechenden Schmerz ohne vorausgehendes Abrutschen oder Nachfassen.

Die Beklagte lehnte eine Entschädigung mit Bescheid vom 14. Juni 2005 ab. Der notwendige ursächliche Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit fehle. Der Geschehensablauf sei nicht geeignet gewesen, eine Schädigung des Oberarmmuskels zu verursachen.

Mit Widerspruch vom 11. Juli 2005 erklärte der Kläger, unfallursächlich seien das zu hohe Gewicht des abzuladenden Teils gewesen und die nicht vorhandenen technischen Erleichterungen. Beim Heben des ca. 140 Kilogramm schweren Stücks sei es zu der Verletzung gekommen. Im Schreiben von 23. August 2005 erklärte der Allgemeinarzt K., am 9. Juni 2004 habe eine Hämatomschwellung im Bereich des Bizeps bestanden. Sonographisch habe sich das typische Bild einer Einblutung gezeigt. Am 1. Juli 2004 habe noch Druckschmerz bestanden. Am 2. September 2004 habe der Kläger über Kraftlosigkeit im Arm geklagt. Objektiv hätten Zeichen einer kompletten Ruptur der proximalen Bizepssehne bestanden. Am 13. März 2006 berichtete er, am 13. Januar 2004 habe der Kläger Schmerzen im Bereich des Schultereckgelenkes angegeben.

Die Beklagte erkannte im Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 das Ereignis vom
8. Juni 2004 als Arbeitsunfall an. Unfallfolge sei ein zwischenzeitlich funktionell folgenlos ausgeheilter Muskelfaserriss des rechten Bizepsmuskels. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten vom 9. Juni 2004 bis 11. Juni 2004 bestanden. Der von Dr. K. am 14. Oktober 2004 diagnostizierte Bizepssehnenabriss sei keine Unfallfolge.

Mit der Klage vom 11. Juli 2006 erklärte der Kläger, beim Heben einer schweren Last, einer Kuhhälfte, die ca. 140 kg gewogen habe, sei es zu dem Muskelfaserriss gekommen. Er übersandte ein Gutachten des Unfallchirurgen Dr. P. vom 28. September 2005 für die H. Versicherung. Darin wird ausgeführt, am 9. Juni 2004 hätten die Symptome für einen Muskelfaserriss gesprochen. Der Hausarzt K. habe nach Abnahme des Verbandes eine deutliche Schwellung bemerkt. Es sei somit davon auszugehen, dass es zu einer zweizeitigen Ruptur der langen Bizepssehne gekommen sei.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. P. führte im Gutachten vom 25. Juli 2007 aus, eine komplette Ruptur der langen Bizepssehne sei erstmals am 2. September 2004 dokumentiert. Die Unfallschilderung beschreibe keine Krafteinwirkung auf die Bizepssehne (wie z.B. Auffangen eines Sturzes, plötzliches Auffangen eines fallenden schweren Gegenstandes bei gebeugtem Ellenbogen), die zu einer Sehnenverletzung bzw. Zerreißung führen könne. Die Bizepssehne sei dafür bekannt, dass sie auch nach geringfügigen Beanspruchungen reiße. Dabei handle es sich um die Folge langsamer Durchscheuerungsvorgänge am Schultergelenk. Die Beanspruchung sei deutlich verstärkt, wenn, wie beim Kläger, arthrotische Strukturveränderungen im Gelenk vorlägen. Die Röntgenaufnahmen zeigten rechts und links fortgeschrittene degenerative Schultereckgelenksveränderungen und degenerative Rotatorenmanschettenveränderungen. Es fehlten unfallnah dokumentierte Hinweise einer Verletzung der Bizepssehne. Auch dies spreche gegen einen Zusammenhang. Die Muskelfaserruptur sei reizlos verheilt. Eine wesentliche Kraftminderung liege nicht mehr vor. Eine Einschränkung der Gelenksbeweglichkeit bestehe ebenfalls nicht. Unfallunabhängig seien der Belastungsschmerz und die Funktionseinschränkung als Folge der Ruptur der langen Bizepssehne und die degenerativen Veränderungen des Schultereckgelenkes und des Schultergelenks beiderseits.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2007 gab der Kläger an, er habe am 8. Juni 2004 die Kuhhälfte aus dem Haken heben wollen, um sie auf eine tiefer liegende Transportbahn umzuhängen. Dazu habe er die Kuhhälfte zunächst mit dem Knie von unten gestützt. Dabei sei ihm die gefrorene und damit glatte Kuhhälfte nach unten abgerutscht, und er habe mit dem rechten Arm nachgefasst, um ein Entgleiten zu verhindern.

Dr. P. erläuterte im Termin mündlich, auch bei diesem Unfallhergang sei die Muskulatur schon angespannt gewesen, so dass das Nachfassen nicht geeignet gewesen sei, eine Bizepssehnenruptur auszulösen. Zudem sei eine unfallnahe Ruptur der Bizepssehne nicht nachgewiesen, sondern erst am 2. September 2004 dokumentiert, während am 9. Juni 2004 die Sonographie eine erhaltene Kontinuität gezeigt habe.

Mit Urteil vom 25. Juli 2007 wies das Sozialgericht Landshut die Klage ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. P ... Die am 25. Juli 2007 vorgebrachte Version des Unfallhergangs erscheine dem Gericht nicht glaubhaft.

Der Kläger wandte zur Begründung der Berufung ein, die Verletzung am Bizeps liege seit dem 8. Juni 2004 vor, nämlich ein Bizepsmuskelfaserriss, der mit einer MdE um 20 v.H. zu entschädigen sei. Er übersandte einen Bericht über eine Kernspintomographie des rechten Oberarms vom 20. Oktober 2007. Es zeigten sich eine funktionell komplette Ruptur der langen Bizepssehne mit Retraktion des Muskelbauchs, AC-Gelenksarthrose sowie Tendinitis der Supraspinatussehne mit Begleitbursitis.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg und Orthopäde Dr. B. führte im Gutachten vom 10. Dezember 2007 aus, Dr. P. habe nicht den vom Kläger jetzt geschilderten Unfallmechanismus berücksichtigt. Dass die Sehnenruptur erst dreieinhalb Monate nach dem Unfall diagnostiziert worden sei, sei wahrscheinlich auf die fehlende Erfahrung des behandelnden Arztes zurückzuführen. Die Funktionseinschränkungen des Arms seien Folge des Unfallereignisses. Dabei sei es zwar nicht zu einer Ruptur der langen Bizepssehne, jedoch zu einer Ruptur im Muskelbauch selbst gekommen. Nach den Anhaltspunkten sei eine MdE um 20 v.H. gegeben wegen der Ausfälle von Kraft und Belastbarkeit.

Auf Einwendungen der Beklagten erklärte Dr. B. in der Stellungnahme vom 29. März 2008, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe der Unfall eine schwerwiegende Verletzung des Ellenbogenbeugemuskels verursacht. Hierfür sprächen der Unfallmechanismus, das ausgedehnte Hämatom sowie der jetzt feststellbare Funktionsverlust. Bei der Beurteilung der MdE gehe er von den Anhaltspunkten 2008 aus.

Der Kläger stellt den Antrag

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2006 zu verurteilen, die Gesundheitsstörungen am rechten Oberarm als Folgen der Arbeitsunfalles vom 8. Juni 2004 festzustellen und entsprechende Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen, insbesondere nicht auf Feststellung eines Bizepssehnenrisses und/oder einer fortwirkenden Schädigung des rechten Bizepsmuskels, sowie auf Gewährung einer Rente gemäß §§ 8, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII).

Dabei geht der Senat von folgenden Tatsachen aus: am 8. Juni 2004 trat beim Kläger nach dem Heben einer gefrorenen Rinderhälfte ein plötzlicher Schmerz im Bereich des rechten Oberarms auf. In der Folge zeigte sich eine Hämatomschwellung am rechten Bizeps mit schmerzhafter Beugung des Unterarms. Nach vorübergehender Besserung und Wiederaufnahme seiner Tätigkeit Mitte Juni 2004 nahmen die Beschwerden wieder zu und gaben Anlass für ein MRT am 2. September 2004. Dabei wurde eine Ruptur der Bizepssehne rechts festgestellt, die sich im MRT vom 20. Oktober 2007 bestätigte. Im Januar 2004 musste sich der Kläger bereits einer ärztlicher Behandlung wegen eines Impingementsyndroms unterziehen. Eine Arthrose des Acromial-Gelenks liegt nach Meinung aller Sachverständigen vor. Ob bei dem angeschuldigten Hebeakt ein Nachfassen notwendig war, ließ sich nicht zweifelsfrei klären. Hierzu liegen - wie das Sozialgericht ausführlich darstellte - unterschiedliche Schilderungen des Klägers vor. Die Klärung dieser Frage ist aber nicht entscheidungsrelevant.

Vielmehr erklärt sich der Verlauf der Erkrankung ab Januar 2004 bis September 2004 zwanglos als degenerativer Vorgang, ohne dass dem zweifelsfrei unfallbedingten Muskelriss eine wesentliche Ursache oder Mitursache zukommt. Insoweit bezieht sich der Senat ebenfalls auf die Ausführungen des Sozialgerichts.

Die Ausführungen von Dr. B. sind nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Entscheidung in Frage zustellen oder sogar zu widerlegen. Seine Argumentation, die jetzt bestehende Funktionseinschränkung des rechten Arms sei nicht auf eine Bizepssehnenruptur, sondern auf eine Ruptur im Muskelbauch selbst und die nachfolgende nicht adäquate Behandlung zurückzuführen, ist nicht widerspruchsfrei. Diese Aussage stützt der Sachverständige lediglich auf seine Vermutung, den seinerzeit behandelnden Ärzten habe die Erfahrung gefehlt, eine umfassende Muskeldurchtrennung zu erkennen; die Sonografie vom 9. Juni 2004 sei nicht geeignet gewesen, eine Sehnenruptur zu belegen bzw. eine größere Muskelzerreißung zu widerlegen. Daraus kann der Senat lediglich ableiten, dass die Annahme, größere Muskelstrukturen seien verletzt worden, Spekulation ist. Eine Erklärung, aus welchen Gründen sich die Funktion des rechten Armes zumindest vorübergehend soweit gebessert hatte, dass der Kläger seine Tätigkeit wieder ausüben konnte, liefert Dr. B. im Gegensatz zu Dr. P. nicht. Ebenso wenig erklärt er, weshalb die von ihm für inadäquat gehaltene Behandlung zu einer weiteren Schädigung im Bereich des rechten Arms geführt habe. Zwanglos hingegen lassen sich die schon vor dem Unfall im Januar 2004 behandlungsbedürftigen Beschwerden als degenerativ fortschreitender Prozesses - wie Dr. P. meint - erklären.

Damit kommt der Senat - wie zuvor das Sozialgericht - zum Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen hat. Auf die MdE-Bewertung, die Dr. B. auf die im Unfallversicherungsrecht nicht anwendbaren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht stützt, bedarf es bei dieser Sachlage keines weiteren Eingehens. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Juli 2007 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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