L 2 U 38/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 259/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 38/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig sind die Folgen eines Arbeitsunfalles vom 9. Februar 2003 und deren Entschädigung.

Der 1954 geborene Kläger rutschte nach seinen Angaben in der Unfallanzeige am 9. Februar 2003 mit dem rechten Bein auf einer Eisrille aus und verdrehte sich dabei das rechte Kniegelenk. Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr. H., diagnostizierte eine Distorsion des Knies mit Verdacht auf Innenmeniskusläsion. Der Kläger berichtete ihm, er habe vor einem Dreivierteljahr belastungsabhängige Schmerzen gehabt, die nach einigen Tagen spontan abgeklungen seien. Bei der arthroskopischen Operation am 18. Februar 2003 zeigten sich u.a. freie Gelenkkörper, eine Innenmeniskushinterhornlappenzerreißung, ein Außenmeniskuskorbhenkelriss, eine Teilläsion des vorderen Kreuzbandes und eine Begleitsynovitis. Der Pathologe Dr. S. erklärte, die Meniskusläsionen könnten durchaus unfallbedingt sein, jedoch stünden die degenerativen Veränderungen ganz im Vordergrund. Die Orthopäden G. und Dr. S. berichteten über Behandlungen des Knies im Jahr 2002.

Im Gutachten vom 12. Mai 2003 führte der Chirurg Dr. S. aus, bereits der fleischwasserfarbene (und nicht blutige) Erguss, den der Durchgangsarzt bei der Kniegelenkspunktion festgestellt habe, schließe eine gröbere intraartikuläre Verletzung mit Ruptur wesentlicher Teile aus. Die weiteren Veränderungen, insbesondere am Meniskus, seien verschleißbedingt und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 18. Februar 2003 bestanden. Die MdE sei jetzt mit 0 v.H. einzuschätzen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. Mai 2003 unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit ab 19. Februar 2003 ab. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht.
Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren zog das Sozialgericht Berichte der behandelnden Ärzte sowie MRT-Aufnahmen vom 20. August 2003 und 24. März 2004 bei.

Der zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. L. führte im Gutachten vom 11. Februar 2005 aus, zwar hätten zweifellos Vorschäden am Kniegelenk bestanden, die aber eine ernsthafte Funktionsstörung nicht hervorgerufen hätten. Die degenerativen Veränderungen seien alterstypisch. Das Unfallereignis mit gewaltsamer Rotationseinwirkung sei geeignet gewesen, auch einen bis dahin gesunden Meniskus zu verletzen. Ohne den Unfall wäre der Meniskusschaden nicht oder zu erheblich anderer Zeit eingetreten. So sei es durch den Unfall zu einer Kniebinnenverletzung mit Außenmeniskusruptur, fraglicher Teilruptur des vorderen Kreuzbandes ohne Kontinuitätsunterbrechung und Knorpeldefekten an den Kondylen gekommen. Die MdE habe bis zum Ende des Jahres 2003 20 v.H. betragen, ab 1. Januar 2004 10 v.H ...

Hierzu übersandte die Beklagte eine Stellungnahme des Chirurgen W. vom 28. Februar 2005: aufgrund der fehlenden unfallbedingten Kapsel-Band-Verletzungen, der hochgradigen degenerativen Veränderungen und der bereits zuvor bestanden Beschwerdesymptomatik sei davon auszugehen, dass es anlässlich des Unfalls zu einer vollständigen Lösung eines erheblich vorgeschädigten Außenmeniskus gekommen sei, für die aber nicht das Unfallereignis, sondern die degenerativen Veränderungen wesentlich seien und die lediglich anlässlich des Unfalls symptomatisch geworden sei.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. E. führte im Gutachten vom 11. Oktober 2005 aus, es sei wahrscheinlich bei dem Unfall zu einer Innenmeniskushinterhornlappenläsion, einem Außenmeniskuskorbhenkelriss und einer Partialruptur des vorderen Kreuzbandes gekommen. Diese Verletzungen seien mit dem geschilderten Verdrehtrauma bei festgestelltem Unterschenkel vereinbar. Die MdE sei bis 31. Dezember 2003 mit 30 v.H., vom 1. Januar 2004 mit 10 v.H. einzuschätzen.

Dr. L. erklärte in der ergänzenden Stellungnahme vom 16. Februar 2006, der Unfall sei geeignet gewesen, trotz vorhandener Degeneration die Verletzungsfolgen ursächlich herbeizuführen.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. A. führte im Gutachten vom 29. April 2007 aus, ein Unfallmechanismus, der zu einer Abscherung des Meniskus führen könnte, sei nicht geschildert. Der Kläger gebe an, er sei ausgerutscht, der Unterschenkel sei also nicht fixiert gewesen. Auch könne bei dem geschilderten Unfallmechanismus nicht gleichzeitig eine Struktur an der Außenseite und an der Innenseite des Gelenks verletzt werden. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe bereits eine Vorschädigung bestanden, die 2002 zur Behandlung geführt habe. Auch habe der Pathologe bestätigt, dass die degenerativen Veränderungen ganz im Vordergrund stünden. Zu berücksichtigen sei auch das nicht blutige Punktat am Tag nach dem Unfall. Die Veränderungen in Form von Knorpel- und Meniskusschädigungen seien schicksalhaft und hätten bereits zum Zeitpunkt des Unfalls, wenn auch nicht subjektiv wahrgenommen, bestanden. Jetzt lägen keine Unfallfolgen mehr vor.

Mit Urteil vom 20. September 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. A ... Der Einschätzung von Dr. L. und Dr. E. habe sich die Kammer nicht anschließen können, da sie sich nicht überzeugend mit dem Problem der Kausalität auseinandergesetzt hätten

Mit der Berufung wandte der Kläger ein, Dr. A. übersehe, dass er mit dem Fuß durch eine Eisrille gebrochen sei. Insoweit sei eine Fixierung möglich, die zu einem Meniskusschaden führen könne. Außerdem seien Bandstrukturen verletzt worden. Daher sei der Unfallzusammenhang offenkundig.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten vom 20. Juni 2008 aus, der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er habe auf einer Eisrille gestanden, sei aufgrund der Vereisung mit dem rechten Fuß abgerutscht, und das rechte Knie sei nach innen abgeknickt. Er habe einen "Schnalzer" im Knie verspürt, einen Sturz gerade noch abfangen können, in dem er sich am Auto abgestützt habe. Von einem Einbruch in die Eisrinne sei weder in den zeitnahen Unfallschilderungen noch jetzt die Rede gewesen. Insofern sei ein geeigneter Unfallhergang nicht gegeben. Im Operationsprotokoll seien ausgedehnte degenerative Veränderungen im inneren und äußeren Kompartiment beschrieben; auch im histologischen Befund werde betont, dass degenerative Veränderungen im Vordergrund stünden. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Korbhenkelriss eine eher degenerativ bedingte Rissform sei, ebenso der Hinterhornschaden. Ohne Frage unfallunabhängig entstanden seien die zahlreichen freien Gelenkkörper. Eine eindeutige Begleitverletzung des Bandapparates sei nicht ersichtlich, da aus der Beschreibung des Kreuzbandes kein Hinweis auf eine frische Traumatisierung erkennbar sei. Auch habe das Punktat am Tag nach dem Unfall keinen blutigen Gelenkerguss gezeigt, der zu erwarten wäre, wenn tatsächlich eine Kreuzbandläsion eingetreten wäre. Bei Fehlen deutlicher Begleitverletzungen am Kapsel-Band-Apparat lasse sich eine verletzungsbedingte Entstehung der Meniskusveränderungen nicht begründen. Aufgrund der Schadenslage könne eine traumatische Meniskusläsion ausgeschlossen werden. Mehr als unwahrscheinlich sei auch die gleichzeitige Läsion des Innen- und Außenmeniskus. Die festgestellte staubförmige Eisenpigmentablagerung lasse nicht auf eine Traumatisierung schließen, sondern erkläre sich aus der schon 2002 beschriebenen Schleimhautentzündung im Zusammenhang mit einer Gichtarthritis.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003 zu verurteilen, festzustellen, dass als Folgen des Arbeitsunfalles vom 9. Februar 2003 eine Innenmeniskushinterhornlappenzerreißung, ein Außenmeniskuskorbhenkelriss und eine Teilläsion des vorderen Kreuzbandes vorlägen und bis zum 31. Dezember 2003 Rente zumindest in Höhe von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. F. vom 20. Juni 2008 die Beweiswürdigung des Sozialgerichts bestätigt hat. Dr. F. betont, dass sowohl das Operationsprotokoll als auch der histologische Befund erhebliche auf degenerative Veränderungen zurückzuführende Befunde zeigten jedoch keine Zeichen einer Verletzung in Form einer Einblutung oder frischen Rissbildung. Der Korbhenkelriss wird nach allgemeiner medizinischer Lehrmeinung als degenerativ bedingte Rissform des Meniskus aufgefasst (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Seite702). Auch der Hinterhornschaden wird eher als degenerativ bedingt angesehen (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin a.a.O. Seite 701) Im histologischen Befund wurden die vernarbenden Meniskusveränderungen ausdrücklich als chronisch eingestuft und auf eine chronische vernarbende Gelenkschleimhautentzündung hingewiesen.

Auffällig ist auch, dass das Punktat am Unfalltag eine fleischwasserfarbene Flüssigkeit erbrachte, aber keinen blutigen Gelenkserguss, wie er nach einer Kreuzbandläsion zu erwarten gewesen wäre. Im Hinblick auf die bereits 2002 erfolgten Behandlungen wegen Kniegelenksbeschwerden, wobei Dr. S. auf eine Gichtarthritis hinwies, ist eine eindeutige Vorschädigung nachgewiesen. Sie zeigt sich auch an den Veränderungen des nicht vom Unfall betroffenen linken Knies.

Zu einer Meniskusverletzung kann es nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung nur dann kommen, wenn der Kapsel-Band-Apparat, der primäre Stabilisator des Kniegelenks, zerrissen ist oder wenn knöcherne Verletzungen aufgetreten sind. Ohne diese Begleitverletzungen lässt sich, so Dr. F., auf der Grundlage unfallmechanischer und biomechanischer Überlegungen eine verletzungsbedingte Genese von Meniskusveränderungen nicht begründen. Nach den im Operationsbericht festgestellten Befunden ist eine Begleitverletzung in Form einer Bänderzerreißung auszuschließen. Auch die fehlende Einblutung spricht gegen einen Unfallzusammenhang. Zudem ist ein für einen Meniskusriss geeigneter Unfallhergang nicht festzustellen, da der Kläger, wie schon in der Unfallanzeige und gegenüber Dr. S., Dr. L., Dr. E. und Dr. A. auch gegenüber Dr. F. angegeben hat, er sei auf einer Eisrinne wegen der Glätte ausgerutscht. Die Angabe, er sei in die Eisrinne eingebrochen, machte der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung vom 23. Januar 2008.

Nicht überzeugen konnten den Senat die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr. L ... Wenn er eine Teilruptur des Kreuzbandes für nicht nachgewiesen, sondern fraglich hält, so ist eine derartige Verletzung als Unfallfolge nicht bewiesen. Wie Dr. F. überzeugend erläutert hat, ist gerade die nicht nachzuweisende Verletzung des vorderen Kreuzbandes ein Argument, das gegen eine Kniebinnenverletzung spricht, da diese ohne Begleitverletzungen nicht abläuft. Auch Dr. L. hat darauf hingewiesen, dass die Zerreißung eines Meniskus nur dann denkbar ist, wenn die Bänderbremse zerrissen wird. Die von Dr. L. angenommene Möglichkeit, dass bei fixiertem Unterschenkel die Oberschenkelrolle den Meniskus zermalme, ist eine Vermutung, die zunächst einmal einen gebeugten und fixierten Unterschenkel voraussetzt, der aber, wie bereits oben ausgeführt, nach den unfallnahen Angaben des Klägers nicht vorgelegen hat. So hat der Kläger auch gegenüber Dr. L. angegeben, er sei mit dem rechten Bein auf einer Eisplatte weggerutscht. Dass Dr. L. auf die Beschwerdefreiheit vor dem Unfall hinweist, ist insofern nicht wesentlich, als Meniskusdegenerationen längere Zeit stumm verlaufen, wie Dr. F. erläutert. Dr. L. berücksichtigt auch nicht, dass die Degeneration beim Kläger durch eine Gichtarthritis verstärkt war. So sind die Verschleißerscheinungen am nicht betroffenen linken Knie wesentlich deutlicher ausgeprägt.

Nicht überzeugen konnte auch das Gutachten des Dr. E ... Er berücksichtigt nicht, dass das vordere Kreuzband laut Operationsprotokoll degenerativ bedingt aufgefasert war und keine Verletzungshinweise gegeben sind. Insofern kann die Teilruptur des vorderen Kreuzbandes nicht als Unfallfolge angesehen werden, zumal eine Teilruptur nicht ausreichte, um die Meniskusverletzungen zu begründen, da nicht Teilrupturen die Bänderbremse überwinden, sondern nur die komplette Zerreißung eines Bandes.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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