L 8 AL 236/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 390/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 236/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
A. vom 8. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat drei Viertel der Kosten des Verfahrens zu tragen,
die Klägerin ein Viertel. Die Beigeladenen haben keine Kosten zu
tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Anspruch der Klägerin auf Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gemäß § 208 Abs. 1 SGB III verjährt ist.

Der Beigeladene zu 1) K. (K) hatte im Zeitraum zwischen 01.10.1998 und 15.01.1999 die Beigeladenen zu 2) und 3) als versicherungspflichtig Beschäftigte bei der Klägerin gemeldet. Am 06.10.1999 wurde das Insolvenzverfahren für K mangels Masse abgewiesen. Letzter Tag des Arbeitsverhältnisses im Falle des Beigeladenen zu 2) war der 15.01.1999 und im Falle des Beigeladenen zu 3) der 31.10.1998. Wegen Zahlungsunfähigkeit entrichtete K die mit Beitragsbescheid festgesetzten Beiträge für die genannten Arbeitnehmer nicht an die Klägerin.

Mit Schreiben vom 30.12.1998 erinnerte die Klägerin an die Zahlung der Beiträge für den Monat November 1998 und betrieb dann in den folgenden Jahren mehrfach erfolglos die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des K. Mit Schreiben vom 27.01.2000 ermächtigte die Klägerin die Beklagte, die Forderung gegen deren Leistung unter anderem in Bezug auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.033,94 DM für den Zeitraum vom 01.10.1998 bis 15.11.1999 zu verrechnen. K, der seit dem 11.01.2000 Arbeitslosengeld beziehen solle, werde heute davon unterrichtet, dass die Klägerin dieses Verrechnungsersuchen an die Beklagte gerichtet habe (§ 24 Sozialgesetzbuch - SGB - X). Mit Schreiben vom 10.02.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Antrag vom 27.01.2000 auf Verrechnung des Erstattungsanspruchs mit dem Geldleistungsanspruch des K. nicht entsprochen werden könne, weil sich kein pfändbarer Betrag errechne.

Am 19.01.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten schriftlich die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Die rückständigen Pflichtbeiträge einschließlich der Nebenforderungen wie Säumniszuschläge bezifferte sie für die Zeit vom 01.10.1998 bis 15.01.1999 auf 2.420,80 EUR. Der Restbetrag der Beiträge abzüglich Teilzahlungen belaufe sich auf 1.501,62 EUR.

Am 26.01.2004 fragte die Beklagte bei der Klägerin an, was diese zur Hemmung der Verjährung nach § 25 SGB IV veranlasst habe. Mit Bescheid vom 14.04.2004 lehnte sie den Antrag der Klägerin auf Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gemäß § 208 Abs.1 SGB III ab. Der Anspruch sei verjährt. Ausgehend von dem Insolvenzereignis vom 06.10.1999 würden Ansprüche auf Sozialleistungen nach § 45 SGB I innerhalb von vier Jahren nach Entstehung des Anspruches verjähren. In diesem Falle seien die Ansprüche ab dem 01.01.2004 verjährt. § 25 SGB IV könne ausschließlich die Verjährung zwischen der Beitragseinzugsstelle und dem Beitragsschuldner regeln, aber nicht die daneben zu berücksichtigende Verjährung nach § 45 SGB I. Die angeführten Vollstreckungsmaßnahmen seien hier deshalb ohne Auswirkung.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und ausgeführt, der genannte Bescheid sei rechtswidrig. Der Anspruch auf 2.420,80 EUR sei nicht verjährt. § 208 SGB III beinhalte keinen Leistungs-, sondern einen Beitragsanspruch. Überdies richten sich die verjährungshemmenden bzw. unterbrechenden Maßnahmen sowohl bei Beiträgen als auch bei Leistungen nach den Regelungen des BGB. Es sei unbestritten, dass die Klägerin verjährungsunterbrechende Maßnahmen durchgeführt habe, indem sie zahllose Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen habe. Maßnahmen, die die Verjährung der Beitragsforderung verhindern, wirkten auch auf die Ersatzforderung. Wenn die zugrundeliegenden Beitragsforderungen noch nicht verjährt seien, gelte dies ebenso für die Ansprüche nach § 208 SGB III. Die Ansicht der Beklagten würde zu dem Ergebnis führen, dass die Klägerin im Rahmen des § 208 SGB V keine verjährungsunterbrechenden bzw. -hemmenden Maßnahmen ergreifen könne.

Mit Urteil vom 8. Juni 2006 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach § 208 SGB III in Höhe von 2.420,80 EUR zu zahlen. § 208 SGB III enthalte keinen Sozialleistungs-, sondern einen Beitragsanspruch. Danach verjähren Ansprüche auf Beiträge nach § 25 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Da die Klägerin Vollstreckungsmaßnahmen gegen K zur Erlangung der Sozialversicherungsbeiträge unternommen habe, liege ein verjährungsunterbrechender Tatbestand im Sinne der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - vor, der auch im Rahmen des § 45 SGB I Beachtung fände.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, der Beitragsanspruch gegen den Arbeitgeber K sei nicht verjährt, da zur Durchsetzung des Anspruchs Maßnahmen ergriffen worden seien. Der Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Pflichtbeiträgen bei einem Insolvenzereignis (§ 208 SGB III) sei ein Anspruch auf Sozialleistungen. Er stelle eine Art Leistung aus der umlagefinanzierten Insolvenzausfallversicherung dar und sei insoweit dem Leistungsrecht zuzuordnen. Im Verhältnis zwischen der Beitragseinzugsstelle und der Agentur für Arbeit als Sozialleistungsträger sei damit das SGB I einschließlich der in § 45 geregelten Verjährung anzuwenden. Gegen den Arbeitgeber gerichtete Handlungen würden den Lauf der Verjährung nach § 45 SGB I nicht hemmen. Dass beide Ansprüche nebeneinander bestehen und deshalb auch bezüglich der Verjährung unterschiedlich zu beurteilen seien, ergebe sich aus § 208 Abs. 2 SGB III. Danach bliebe auch nach Zahlung der Beiträge durch die Beklagte der ursprüngliche Beitragsanspruch gegen den Arbeitgeber bestehen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und den verfolgten Anspruch der Höhe nach auf einen Betrag von 1.501,62 EUR begrenzt.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Urteil des Sozialgerichts A. vom 8. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner regt die Beklagte die Zulassung der Revision an.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts A. vom 8. Juni 2006 zurückzuweisen.

Der Beigeladene zu 2)
schließt sich dem Antrag der Klägerin an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nach der teilweisen Klagerücknahme durch die Klägerin in vollem Umfang unbegründet. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des Gesamtversicherungsbeitrags in der noch geltend gemachten Höhe.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist insbesondere nicht nach § 144 SGG ausgeschlossen. Denn eine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG, für die der Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht wäre, liegt nicht vor (vgl. zu Streitigkeiten über die Beitragsentrichtung nach § 141 n AFG BSG, Urteil vom 14.08.1984, 10 RAr 18/83). Mit Erstattungsansprüchen im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG sind selbstständige, vom Sozialleistungsanspruch losgelöste, eigenständige Ansprüche gemeint (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 18). Darunter fallen insbesondere Erstattungsansprüche der Versicherungsträger untereinander nach §§ 91, 102 bis 113 SGB X (vgl. Meyer/Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 51 Rn 11 b) oder ähnlichen anderen gesetzlichen Vorschriften, aber auch andere Ansprüche auf finanziellen Bereicherungsausgleich zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder deren Behörden (LSG Schleswig-Holstein, NZS 2002, 390; Meyer-Ladewig, a.a.O., § 144 Rn 11). Ein solcher Anspruch liegt hier nicht vor. § 208 SGB III regelt (jedenfalls auch) im Interesse der Arbeitnehmer einen Beitragsanspruch der Einzugsstelle gegen die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der umlagefinanzierten Insolvenzausfallversicherung (dazu §§ 358 ff SGB III) neben dem Anspruch gegen den insolventen Arbeitgeber und keinen Bereicherungsausgleich zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. zur Natur des Anspruchs sogleich im Einzelnen unten).

Die Berufung ist aber unbegründet.

Die Berufung ist nicht bereits wegen Unzulässigkeit der Klage begründet. Insbesondere bedurfte es keines Vorverfahrens, § 84 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGG. Sie ist auch im Übrigen unbegründet, weil der noch geltend gemachte Anspruch besteht.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist, nachdem die Klägerin den geltend gemachten Anspruch im Termin vom 11.09.2008 entsprechend begrenzt hat, nur noch ein Gesamtsozialversicherungsbetrag in Höhe von 1.501,62 EUR. Die Beklagte hat den Anspruch mit Bescheid vom 14.04.2004 abgelehnt. Über ihre Zahlungspflicht entscheidet die Beklagte gegenüber der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt (dazu noch zu § 141 n AFG BSG, Urteil vom 12.12.1984, 10 RAr 7/83). Aus diesem Klageziel ergibt sich die Statthaftigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist nach der entsprechenden teilweisen Klagerücknahme die Forderung von Säumniszuschlägen und anderen Nebenforderungen, auf die die Klägerin unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 208 SGB III in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung keinen Anspruch hätte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14.09.2005, B 11a/11 AL 83/04 R in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 08.04.1992, 10 RAr 5/91 = BSGE 70, 261 = SozR 3-2400 § 25 Nr. 4; vgl. dazu ferner BT-Drucks. 15/1515 S. 90 zu Nr. 115, § 208).

Die Beklagte hat die Erfüllung des entstandenen (dazu unter 1) Anspruchs der Klägerin zu Unrecht verweigert (dazu unter 2).

1. Der noch geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in Höhe von 1.501,62 EUR ist entstanden.

Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 208 SGB III, der vorliegend in der vom 01.01.1999 bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist, da das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 2004 liegt, § 434 j Abs. 12 Nr. 5 SGB III (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.2004 durch Gesetz vom 23.12.2002, BGBl. I 2848).

Gemäß § 208 SGB III in dieser hier maßgeblichen Fassung zahlt das Arbeitsamt auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist (Abs. 1 S. 1). Die Ansprüche auf die in Absatz 1 Satz 1 genannten Beiträge bleiben gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Soweit Zahlungen geleistet werden, hat die Einzugsstelle dem Arbeitsamt die nach Absatz 1 Satz 1 gezahlten Beiträge zu erstatten (§ 208 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB III).

Die Klägerin hat nach § 208 Abs. 1 S. 1 SGB III einen Anspruch auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in der noch geltend gemachten Höhe. Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats aus den beigezogenen Akten der Klägerin und der Beklagten und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig; die Beklagte geht lediglich von einer Verjährung des Anspruchs aus, also davon, dass sie berechtigt ist, die Erfüllung des entstandenen Anspruchs zu verweigern.

Aufgrund der aus § 103 SGG resultierenden Verpflichtungen trifft der Senat zum Entstehen des Anspruchs daher nur die folgenden Feststellungen. Wie sich zur vollen Überzeugung des Senats aus der beigezogenen Akte der Klägerin ergibt, resultiert der von ihr geltend gemachte Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus Arbeitsentgelten der Beigeladenen zu 2 und 3 für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Letzter Tag des Arbeitsverhältnisses im Falle des Beigeladenen zu 2 war der 15.01.1999 und im Falle des Beigeladenen zu 3 der 31.10.1998. Geltend gemacht werden Beitragsforderungen in Höhe von 1542,45 EUR in Bezug auf den Beigeladenen zu 2 für die Zeit vom 16.10.1998 bis 15.01.1999 und Beitragsforderungen in Höhe von 229,18 EUR in Bezug auf den Beigeladenen zu 3 für die Zeit vom 01.10.1998 bis 31.10.1998 abzüglich geleisteter Teilzahlungen in Höhe von 270,01 EUR, also 1501,62 EUR. Dieser Beitrag war bei Eintritt des Insolvenzereignisses von K noch nicht gezahlt worden, wie insbesondere der umfangreiche aktenkundige Schriftverkehr zu den offenen Arbeitsentgeltansprüchen zeigt. Nach dem in der Insolvenzgeldakte enthaltenen Beschluss des Amtsgerichts A. - Insolvenzgericht -, an dessen Authentizität der Senat keine Zweifel hat, wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des K am 06.10.1999 mangels Masse abgewiesen. Der zurückgenommene Teil der Klageforderung bezieht sich wie bereits erwähnt auf Nebenansprüche. Soweit sich die vorstehenden Ausführungen auf Tatsachen beziehen, bestehen an deren Vorliegen für den Senat aufgrund des Inhalts der beigezogenen Akten insgesamt keine vernünftigen Zweifel. Ferner stellt der Senat fest, dass ein Antrag der Klägerin vorliegt (zu einem entsprechenden Erfordernis BSG 15.02. 1989 - 12 RK 3/88 - SozR 1300 § 44 Nr 36), dass die rückständigen Pflichtbeiträge keine Beiträge für namentlich nicht bekannte Arbeitnehmer enthielten, die nach Gesamtlohnsummen bzw. nach Gesamtlohnsummen unter Zugrundelegung des Umsatzes bemessen (geschätzt) worden sind (§ 28 f Abs.2 Satz 1 SGB IV), sondern dass die hier fragliche Beitragsfestsetzung unter namentlicher Zuordnung zu den Beigeladenen zu 2 und 3 auf der Grundlage ihrer individuellen Arbeitsentgelte erfolgt ist (zu dieser Anforderung BSG, Urteil vom 22. 11. 1988, 10 RAr 17/87, BSGE 64, 163 = SozR 4100 § 141 n Nr 14), dass in den rückständigen Pflichtbeiträgen keine Beiträge für wiederkehrende Zuwendungen (Sondervergütungen) enthalten sind, und dass Anhaltspunkte für eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung nicht vorliegen.

Ein Anspruch auf Zahlung von 1.501,62 EUR ist nach alledem entstanden.

2. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Leistung in Bezug auf diesen Anspruch zu verweigern. Denn der Anspruch ist nicht verjährt.

Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 25 Abs. 2 S. 1 SGB IV i.V.m. § 214 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -; letztgenannte Vorschrift entspricht ohne inhaltliche Änderung § 222 BGB a.F.). Der vorliegende Anspruch war zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Klägerin (Schreiben vom 19.01.2004) noch nicht verjährt. Zwar war seit Entstehen des Anspruchs in den Jahren 1998 bzw. 1999 (siehe dazu oben 1.) bis zur Geltendmachung im Januar 2004 ein Zeitraum von vier Jahren verstrichen (dazu unter a). Jedoch hat die Verjährungsfrist in voller Länge erneut zu laufen begonnen; denn die Vollstreckungsversuche der Klägerin gegenüber K wirken auch im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter (dazu unter b). Im Übrigen wäre die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte ermessensfehlerhaft (dazu unter c).

a) Der für den Anspruch maßgebliche Verjährungszeitraum ist abgelaufen.

Die Verjährung der Beitragsforderung der Klägerin richtet sich nach § 25 SGB IV (ebenso Peters-Lange in: Gagel, SGB III, Ergänzungslieferung 2007, Rn 9; vgl. aber auch Rn 34; BSG, Urteil vom 14.08.1984, 10 RAr 6/83, NZA 85, 300 - Ansprüche stünden nach ihrem materiellen Gehalt den Beitragsansprüchen gegen den Arbeitgeber gleich; Roeder in: Niesel, SGB III, 3. Aufl. § 208 Rn 6 a.E.). Danach verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (Abs. 1 S. 1).

Bei dem Anspruch der Klägerin aus § 208 Abs. 1 SGB III handelt es sich nach Auffassung des Senats um einen Anspruch auf Beiträge und nicht um einen Leistungsanspruch im Sinne des § 45 SGB I. Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 208 Abs. 1 SGB III, der eine Zahlungspflicht des Gesamtsozialversicherungsbeitrags der Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Einzugsstelle regelt. Diese Qualifizierung als Beitragsanspruch führt im Ergebnis auch dazu, dass die Vollstreckungshandlungen gegenüber K auch im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter wirken (dazu unter b).

Nach den klassischen Auslegungsregeln ist der Richter aufgefordert, seine Entscheidung nach dem Wortlaut des Gesetzes zu treffen, auf den systematischen Zusammenhang, in dem das Gesetz steht, zu achten, das Regelungsziel, das der Gesetzgeber im Auge hatte, zu verfolgen und sich nach dem Sinn, den das Gesetz heute hat, zu richten (vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 141 ff; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen. Theorie der Norm und des Gesetzes, 3. Aufl. 1999, Rn 359f). Für die Deutung der Tatbestandsmerkmale einer Norm stehen also der natürliche Wortsinn, die Systematik, die Entstehungsgeschichte und die Teleologie zur Verfügung (Larenz, a.a.O., 320 ff; kritisch zur objektiv-teleologischen Auslegung Rüthers, JZ 2006, 53; NJW 2005, 2759).

Aufgrund der nach diesen Regeln vorgenommenen Auslegung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass § 208 Abs. 1 SGB III einen Beitragsanspruch und keinen Leistungsanspruch im Sinne des § 45 SGB I beinhaltet. Dies hat zur Folge, dass auch im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter keine Verjährung eingetreten ist (vgl. dazu 2 b am Ende). § 208 SGB III spricht eindeutig von dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag, dem Wortlaut nach ist also eine Pflicht in Bezug auf Beiträge geregelt. Mit Ansprüchen im Sinne des § 25 SGB IV sind zwar in erster Linie die Beitragsforderungen der Versicherungsträger gegen Versicherte und Arbeitgeber gemeint (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks 7/4122, S 34 zum damaligen § 26). Eine bewusste Beschränkung auf solche Forderungen ist jedoch dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Eine solche Beschränkung ergibt sich auch nicht aus der historischen Auslegung, Vielmehr lassen es die bereits in Bezug genommenen Gesetzesmaterialien zu, unter den Ansprüchen auf Beiträge auch die Ansprüche der Einzugsstellen gegen die Arbeitgeber zu verstehen (ebenso für Ansprüche der Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer auf die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen BSG, Urteil vom 25.10.1990, 12 RK 27/89 juris 23). Der Sinn der Regelung gebietet dieses sogar. Dieser besteht darin, die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers durch die umlagefinanzierte Insolvenzausfallversicherung in Bezug auf die Beiträge zu schützen. Das ist insbesondere für die Rentenversicherung der Arbeitnehmer von Bedeutung, da der Schutz hier - im Gegensatz zum Versicherungsschutz in der Krankenversicherung und im SGB III - im Sinne einer materiellen Mitgliedschaft der Beitragszahlung (§§ 173 ff. SGB VI) - von der tatsächlichen Beitragsentrichtung abhängt (vgl. dazu, dass § 208 SGB III, früher § 141 n AFG, nicht nur den Interessen der Versicherungsträger an der Sicherung des Beitragsaufkommens dient, sondern auch dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers im Hinblick auf die Anwartschaften in der Rentenversicherung BSG, Urteil vom 22. 11. 1988, 10 RAr 17/87, BSGE 64, 163 = SozR 4100 § 141 n Nr 14, S 165 f). Wegen ihres Schutzzwecks und ihrer öffentlich-rechtlichen Natur scheidet die Anwendung kürzerer zivilrechtlicher Ausschluss- oder Verjährungsfristen aus. Zudem kann, wenn für die Ansprüche der Arbeitgeber gegen die schutzbedürftigen Arbeitnehmer keine längere Verjährung gilt, für die Verjährungsfrist der Beitragsforderungen der Einzugsstellen gegen die Arbeitgeber nichts anderes gelten (BSG, Urteil vom 25.10.1990, 12 RK 27/89 juris Rn 23). An dieser Auslegung ändert sich auch dadurch nichts, dass als Zweck des § 208 SGB III auch die Absicherung der Finanzen der Sozialversicherung genannt wird (so Hess, GK-SGB III § 208 Rn 2; Denck, DB 1984, 558 560 f; einschränkend BSG, Urteil vom 22.11.1988, 10 RAr 17/87, SozR 4100 § 141 n Nr 14 S 41 f).

Ebenso streitet die systematische Auslegungsregel für einen Beitragsanspruch. Der Anspruch aus § 208 Abs. 1 SGB III knüpft an die Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber an. Er betrifft denselben (Gesamt) Beitrag. Ferner müssen Entscheidungen über das Bestehen dieser Beitragspflichten im Sinne der Rechtssicherheit und wegen der Bedeutung der entsprechenden Ansprüche für die Arbeitnehmer den beteiligten Personen und Trägern gegenüber möglichst einheitlich ergehen und daher auch denselben Bestand und dieselbe Durchsetzbarkeit haben. Der Anspruch ist zudem vom Arbeitsentgeltanspruch und damit vom Insolvenzgeldanspruch der Arbeitnehmer unabhängig; er betrifft eben "nur" die Beiträge. Daher erscheint es auch aus dem Blickwinkel des systematischen Zusammenhangs zu anderen Ansprüchen als sachgerecht, für das Verhältnis Einzugsstelle - Bundesagentur für Arbeit die zum Beitragsrecht entwickelten Grundsätze insbesondere betreffend die Verjährung der Ansprüche anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist ferner die rechtliche Qualifizierung der Pflicht der Arbeitsverwaltung zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge als gesetzlicher Schuldbeitritt (vgl. BSG SozR 4100 § 141 e Nr. 6 = NZA 1985, 300) zu nennen. Auch sie spricht dafür, dass im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter ein Beitragsanspruch gegeben ist, für den nun eben zum Schutz der Arbeitnehmer ein weiterer Schuldner zur Verfügung steht. Denn der Arbeitgeber bleibt im Falle einer Zahlung durch die Beklagte weiterhin Schuldner, er wird nicht befreit (Roeder in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 208 SGB III Rn 2, 11).

An dieser Auslegung ändert sich auch dann nichts, wenn man die Beitragsentrichtung nach § 208 als eine Art "Leistung" aus der umlagefinanzierten Insolvenzausfallversicherung ansieht und sie daher etwa dem Leistungskatalog des § 3 SGB II zuordnet (so Eicher in Eicher/Spellbrink, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 1 Rn 34 ff; Leitherer in Schlegel/Eicher, SGB III, Std 7/08 § 3 Rn 5), weil sie sich zugunsten der Arbeitnehmer auswirkt. Diese interessenorientierte Betrachtung bedeutet nicht, dass auch ein Leistungsanspruch im Sinne des § 45 SGB I zu bejahen ist, wie die nach den klassischen Auslegungsregeln erfolgte Interpretation des § 208 SGB III zeigt. Rechtsbegriffe sind funktionsgebunden auszulegen, also so, wie das dem spezifischen Gerechtigkeitsproblem angemessen ist (Zippelius, Juristische Methodenlehre, 8. Aufl. 2003, S. 63). Funktionsbezogen ist der Zahlungsanspruch des § 208 SGB III den Beitragsansprüchen zuzuordnen, auch wenn er - obwohl dort nicht genannt - auch wie eine Leistung im Sinne des § 3 SGB III wirkt. Es stellt daher keinen Widerspruch dar, wenn der Zahlungsanspruch des § 208 SGB III als "Leistung völlig eigener Art" (Eicher in Eicher/Spellbrink, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 1 Rn 37) im Sinne des § 3 SGB III und zugleich als Beitragsanspruch im Sinne des § 25 SGB IV angesehen wird. Aus der an den Interessen der Arbeitnehmer orientierten Zuordnung des Anspruchs aus § 208 Abs. 1 SGB III zu dem Leistungskatalog des § 3 SGB III folgt jedenfalls keine Bejahung eines Leistungsanspruchs im Sinne des § 45 SGB I, zumal § 3 SGB III den Anspruch auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gar nicht ausdrücklich nennt.

Der dem Beitragsrecht und damit dem § 25 SGB IV zuzuordnende Anspruch der Klägerin war spätestens im Jahre 1999 fällig, so dass im Jahr 2004 der Verjährungszeitraum abgelaufen war.

Der Anspruch war zum Teil im Jahre 1998, zum Teil im Jahre 1999 fällig. Für die Beurteilung der Fälligkeit sind die verschiedenen, mit dem Anspruch nach § 208 SGB III berührten Ebenen zu unterscheiden. Die Fälligkeit des Anspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf dessen Beitragsanteil tritt schon bei Auszahlung des Arbeitsentgelts ein, auf das die Beiträge zu entrichten sind (BSG, Urteil vom 25.10.1990, 12 RK 27/89 juris Rn 27). Die Fälligkeit des hier fraglichen Anspruchs der Klägerin als Einzugsstelle aus § 208 Abs. 1 SGB III als Beitragsanspruch richtet sich - wie die Fälligkeit der Beiträge - nach dem Monat, in dem das Arbeitsentgelt erarbeitet wurde (§ 23 Abs 1 S. 1, 2 SGB IV). Das sind für den Beigeladenen zu 2 die Monate Oktober 1998 bis Januar 1999 und für den Beigeladenen zu 3 der Monat Oktober 1998. Das bedeutet, dass die Verjährung zum Teil am 01.01.1999 (für das in den Monaten Oktober1998 bis Dezember 1998 erarbeitete Arbeitsentgelt) und zum Teil am 01.01.2000 (für das im Januar 1999 erarbeitete Arbeitsentgelt) zu laufen begonnen hat. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Beitragsansprüche im Jahre 2004 durch die Klägerin war daher der Verjährungszeitraum des § 25 SGB IV abgelaufen.

b) Da der Verjährungszeitraum abgelaufen ist, kommt es in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob die Verjährungsfrist im Verjährungszeitraum in voller Länge erneut zu laufen begonnen hat. Dies ist zu bejahen.

Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des BGB sinngemäß (§ 25 Abs. 2 S. 1 SGB IV; § 45 SGB I, den die Beklagte für anwendbar hält, trifft im Übrigen entsprechende Regelungen).

Anwendbar sind für die Verjährung grundsätzlich die Vorschriften des BGB in der Fassung nach der Schuldrechtsreform, was die hier entscheidungserhebliche Frage der Unterbrechung bzw. des Neubeginns der Verjährung betrifft jedoch die Vorschriften des BGB in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 6 EGBGB. Das neue Verjährungsrecht ist am 01.01. 2002 in Kraft getreten. Art. 229 § 6 EGBGB enthält eine verjährungsrechtliche Übergangsregelung, insbesondere der Frage, welche Verjährungsvorschriften gelten, sofern - wie hier - ein Anspruch vor dem 01. 01. 2002 entstanden und an diesem Tag noch nicht verjährt ist. Da die Verjährungsfrist nach dem BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung weder länger noch kürzer ist als nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, spielen die Absätze 3 und 4 der Übergangsvorschrift keine Rolle, ebenso wenig Absatz 2, da die Vorschriften des BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung nicht anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen. Die damit hier allein einschlägige Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht des Art. 229 § 6 Abs.1 EGBGB (angefügt mWv 01.01. 2002 durch Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001, BGBl. I S. 3138) lautet:
"Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung finden auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung bestimmen sich jedoch für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. Wenn nach Ablauf des 31. Dezember 2001 ein Umstand eintritt, bei dessen Vorliegen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung eine vor dem 1. Januar 2002 eintretende Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt oder als erfolgt gilt, so ist auch insoweit das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden."

Gemäß Art. 229 § 6 I 1 EGBGB findet das neue Verjährungsrecht also grundsätzlich auf alle Ansprüche Anwendung, die am 01.01.2002 bestehen und nach altem Recht noch nicht verjährt sind. Ein solcher Anspruch liegt hier vor. Der Anspruch der Klägerin war am 01.01.2002 nach altem Recht offensichtlich nicht bereits verjährt. Er ist im Hinblick auf die erarbeiteten Arbeitsentgelte frühestens im Jahre 1998 entstanden und dementsprechend frühestens am 01.01.2003 verjährt gewesen, vgl. §§ 198 BGB a.F., wonach die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs beginnt, und § 25 SGB IV, der in den verschiedenen Fassungen seit 01.07.1977 jeweils eine vierjährige Verjährungsfrist und einen Verweis auf die Vorschriften des BGB enthielt. Von Art. 229 § 6 I 1 EGBGB werden nicht nur Ansprüche erfasst, die sich auf das BGB gründen, sondern auch solche, die in anderen Gesetzen - wie hier im SGB III - geregelt sind, deren Verjährung sich jedoch ganz oder teilweise nach den allgemeinen Regeln des BGB richtet (BT-Dr 14/6040, S. 273); letzteres ist hier wegen § 25 Abs. 2 S. 1 SGB IV der Fall.

Beginn, Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung bestimmen sich für den Anspruch der Klägerin jedoch wegen Art.229 § 6 Abs.1 Satz 2 und 3 nach den Vorschriften des BGB in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung. Für den hier in Betracht kommenden Neubeginn der Verjährung gelten also die §§ 217 und 209 BGB a.F. Die Verjährung war danach vorliegend durch die Vollstreckungshandlungen vor und nach dem 01.01.2002 gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. unterbrochen (ebenso für den Neubeginn nach neuem Recht § 212 I n.F.) Die Unterbrechung bewirkt nach 217 BGB a.F., dass die bereits angelaufene Verjährungszeit nicht beachtet wird, die Verjährungsfrist in voller Länge erneut zu laufen beginnt und ein sofortiger Neubeginn erfolgt (Augenblicksunterbrechung). Dass sowohl in dem Zeitraum vor als auch nach dem 01.01.2002 mehrere Vollstreckungshandlungen gegenüber K erfolgt sind, ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats aus den beigezogenen Akten der Klägerin, wonach sie mehrfach erfolglos die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des K betrieb. Dies beweisen insbesondere die aktenkundigen vollstreckbaren Ausfertigungen verfügter Zwangsvollstreckungen vom 20.01.1999, vom 09.02.1999, vom 16.03.1999, das Gerichtsvollzieherprotokoll vom 11.03.1999 über eine erfolglose Vollstreckung und Vollstreckungsprotokolle vom 08.04.1999, vom 20.04.2000, vom 05.06.2003 und vom 06.11.2003. Alle Vollstreckungshandlungen bewirkten eine Unterbrechung nach altem Recht, und zwar die vor dem 1. Januar 2002 erfolgten gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB i.V.m § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. und die nach dem 1. Januar 2002 durchgeführten gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 3 EGBGB i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. (jetzt § 212 Abs 1 Nr. 2 BGB n.F.). Zuletzt war die Verjährung also jedenfalls im Jahre 2003 mit der Rechtsfolge des Neubeginns der Verjährungsfrist (§ 217 2. Halbsatz BGB a.F.) unterbrochen. Im Übrigen hätte auch der Neubeginn nach den neuen Vorschriften des BGB dazu geführt, dass die Verjährungsfrist in voller Länge erneut zu laufen begann und damit im Jahre 2004 Verjährung noch nicht eingetreten ist. Denn § 212 BGB n.F. sieht u.a. den Neubeginn vor, wenn der Gläubiger eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung beantragt oder wenn diese vorgenommen wird (§ 212 I Nr. 2). Mit der Vollstreckungshandlung beginnt die Verjährungsfrist erneut zu laufen. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 erfolgt der Neubeginn daher nicht erst mit Abschluss des Zwangsvollstreckungsverfahrens. § 212 I Nr. 2 BGB n.F. deckt sich also in Bezug auf die hier relevanten Fragen mit § 209 II Nr. 5 a.F.

Eine Verjährung ist nach alledem nicht eingetreten, da die Verjährungsfrist aufgrund der Vollstreckungshandlungen jeweils in voller Länge erneut zu laufen begann.

Eine Verjährungshemmung ist dagegen nicht eingetreten, insbesondere ist keine Durchsetzung des Anspruchs in einem förmlichen Verfahren vor Gericht, einem Schiedsgericht, einer Gütestelle, einem Gutachter etc. erfolgt. Auch eine Hemmung infolge von Verhandlungen ist nicht eingetreten. § 203 BGB n.F. verallgemeinert einen bisher in §§ 852 II, 639 II a.F. für spezielle Konstellationen geschaffenen Hemmungsgrund der Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, also keinen früheren Unterbrechungsgrund, so dass auch insofern Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB nicht zur Anwendung kommt. Der Begriff der schwebenden Verhandlungen, auf welchen § 203 BGB abstellt, soll zwar weit zu verstehen sein (Mansel, NJW 2002, 98). Die hier als "Verhandlung" in Betracht kommenden Verrechnungsersuchen und die entsprechende Antwort der Beklagten betreffen jedoch schon einen anderen Gegenstand, eben die Verrechnung, und nur mittelbar auch den Beitragsanspruch. Der Bestand dieser Forderung kam dabei nicht zur Sprache, die Beklagte stützte ihre Ablehnung des Verrechnungsersuchens unabhängig von der zu verrechnenden Forderung auf den Umstand der bei Verrechnung drohenden Hilfebedürftigkeit. Verhandlungen über den streitigen Anspruch oder die diesen Anspruch begründenden Umstände sind mithin nicht erfolgt.

Der Neubeginn der Verjährungsfrist gilt auch im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter, da die Vollstreckungshandlungen gegenüber K auch im Verhältnis zur Beklagten wirken. Dies stellt eine unmittelbare Folge der Qualifizierung des Anspruchs der Klägerin aus § 208 SGB III als Beitragsanspruch dar (dazu ausführlich oben 2a), für den diese zwei Beitragsschuldner hat, nämlich den K und die Beklagte als Träger der umlagefinanzierten Insolvenzversicherung. Ein unterschiedlicher Bestand dieser Forderungen verbietet sich, weil es sich hier wie dort letztlich um denselben Beitragsanspruch handelt. Daher scheidet nach Auffassung des Senats eine Qualifizierung als Leistungsanspruch im Sinne des § 45 SGB I mit der denkbaren Folge einer abstrakten Betrachtung der Ansprüche gegen K und die Beklagte aus.

c) Auch unter Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der streitige Anspruch ist auch gegeben, wenn man von einer Anwendbarkeit des § 45 SGB I und einer Wirkung der Vollstreckungshandlungen der Klägerin nur in ihrem Verhältnis gegenüber K ausgeht. Denn gegen den erstmals von der Klägerin im Januar 2004 geltend gemachten Anspruch kann die Beklagte nicht mit Erfolg die Einrede der Verjährung erheben. Die Einrede ist unwirksam. Ihrer Wirksamkeit steht entgegen, dass der Beklagten insoweit ein rechtserheblicher Ermessensfehler unterlaufen ist.

Die (nach Auffassung der Beklagten eingetretene) Verjährung wäre nicht schon von Amts wegen zu beachten, so dass es auf die Wirksamkeit der Erhebung der Einrede ankommen würde. Das ist von Bedeutung, weil vor Inkrafttreten des § 25 SGB IV am 1. Juli 1977 die damals geltende zweijährige Verjährung (§ 29 Abs 1 RVO) nach Praxis und Rechtsprechung (vgl. BSGE 22, 173, 176 ff = SozR Nr. 8 zu § 1399 RVO; BSGE 25, 73, 74 f = SozR Nr. 12 zu § 29 RVO) von Amts wegen zu beachten war. Hieran ist nach Auffassung des Senats wegen der geänderten Gesetzeslage nicht festzuhalten, nachdem für die Wirkung der - nunmehr vierjährigen - Verjährung ausdrücklich die Vorschriften des BGB sinngemäß gelten (§ 25 Abs 2 SGB IV), somit auch § 222 Abs 1 BGB, wonach der Schuldner lediglich zur Leistungsverweigerung berechtigt ist (offen gelassen in BSGE 56, 266, 269 = SozR 2200 § 1418 Nr. 8).

Die Erhebung der Verjährungseinrede gemäß § 222 BGB seitens der Beklagten ist nicht bereits wegen Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des § 242 BGB unwirksam. Die Verjährungseinrede wäre dann rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte arglistig und mithin vorsätzlich die Verjährung herbeigeführt hätte (BSG, Urteil vom 01.08.1991, 6 RKa 9/89 juris Rn 30; Kasseler Kommentar/Seewald, § 45 SGB I RdNr 15). Dies ist nicht der Fall. Hierfür reicht insbesondere nicht aus, dass die Beklagte die irrige Rechtsansicht vertreten hat, die Vollstreckungshandlungen gegen K würden nicht gegen sie wirken.

Die Erhebung der Einrede ist jedoch ermessensfehlerhaft.

Es steht im - pflichtgemäßen - Ermessen des Zahlungspflichtigen, ob er die Einrede der Verjährung erhebt oder aber die - trotz Ablaufs der Verjährungsfrist erfüllbare - Forderung noch erfüllt. Da es vorliegend - wie ausgeführt - nicht um Sozialleistungen geht (§§ 39, 40 Abs 2 SGB I), musste die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt zwar nur intern erwägen, ob es Sachgründe gibt, die es ihr ausnahmsweise aufdrängen, die Einrede nicht zu erheben. Insoweit musste sie diese Erwägungen weder nach außen offen legen noch die Erhebung der Einrede mit Ermessenserwägungen begründen (dazu BSG, Urteil vom 14.03.2006, B 4 RA 8/05 R juris Rn 34). Jedoch war die Beklagte an einem Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) mit der Klägerin beteiligt, das in einen Verwatungsakt, hier den Bescheid vom 14.04.2004, mündete. Denn über ihre Zahlungspflicht entscheidet die Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 12.12.1984, 10 RAr 7/83 zu § 141 n AFG, der Vorgängerregelung zu § 208 SGB III), und zwar über sämtliche Voraussetzungen für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus der Insolvenzausfallversicherung und damit auch über den Umfang, in dem die Beiträge abzudecken sind. Dass eine Entscheidung der Beklagten durch eine eigenständige verbindliche Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts erfolgt, wird auch dadurch deutlich, dass die Beklagte an die Feststellung der Einzugsstelle über Versicherungs- und Beitragspflicht sowie Beitragshöhe grundsätzlich nicht gebunden ist ( BSG, Urteil vom 12.12.1984 = 10 RAr 7/83 - SozR 4100 § 141 n Nr.10 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung; BSG 06.02.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr.8 S.37 ff.; vgl. dazu ferner BSG, Urteil vom 06.02.1992, 12 RK 15/90, BSGE 70, 99 = SozR 3-1500 § 54 Nr.15 m.w.N.; BSG 18.04.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr.5 m.w.N.). Der Qualifizierung als Verwaltungsakt entspricht die Pflicht der Beklagten zur Ermittlung der die Beitragsentrichtung nach § 208 SGB III betreffenden Tatsachen; sie verfügt nach § 314 SGB III hierzu über ein eigens auch für die Beitragsentrichtung aus der Insolvenzausfallversicherung zuerkanntes Recht, die entsprechenden Auskünfte vom Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber zu verlangen. Da die Beklagte einen Verwaltungsakt erlassen hat, musste sie eine nach § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X zu begründende Ermessensentscheidung treffen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Einrede der Verjährung unter Verstoß gegen diese Vorschrift erhoben wurde und damit formell rechtswidrig war.

Sie war auch materiell rechtswidrig, da die Beklagte von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat.

Insoweit liegt ein Ermessensfehler vor, da der Bescheid keine Ausführungen zu Ermessenserwägungen enthält (Ermessensnichtgebrauch). Die Pflicht zur Ermessensausübung gewinnt vorliegend um so mehr an Bedeutung als die Beklagte noch mit Schreiben vom 26.01.2004 gegenüber der Klägerin die Auffassung geäußert hat, die Verjährung richte sich nach § 25 SGB IV. Vor diesem Hintergrund allein hätte sie in dem Ablehnungsbescheid ausführlich begründen müssen, warum nun unter Anwendung des § 45 SGB I von einer fehlenden Wirkung der Vollstreckungshandlungen gegen K im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter ausgegangen wurde. Der diesbezüglich erfolgte lapidare Hinweis (ohne Erläuterung) reicht insofern für eine pflichtgemäße Ermessensausübung nicht aus. Ermessensfehlerhaft war die Erhebung der Einrede auch im Hinblick auf die bei der Beklagten im hier fraglichen Zeitraum wechselnde Weisungslage, die sich unter anderem im Inhalt der Dienstanweisungen manifestiert. Wie sich aus den Äußerungen der Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.09.2008 ergibt, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, war im Jahr 2000 eine Weisung bei der Beklagten ergangen, dass sich die Verjährung im Sinne von § 208 SGB III nach § 45 SGB I richte. Die Dienstanweisungen sind aber gleichzeitig nicht geändert worden, sondern erst 2004; zuvor war in den Dienstanweisungen von § 25 SGB IV allein die Rede gewesen. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte bei pflichtgemäßer Ermessensausübung die Erhebung der Einrede der Verjährung ausführlich begründen müssen. Vor allem hätte sie zu der Frage Stellung nehmen müssen, aus welchen Gründen die Klägerin trotz der bis 2004 geltenden schriftlichen Weisungslage in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 25 SGB IV nicht auf ein Wirken der Vollstreckungshandlungen gegen K auch im Verhältnis gegenüber der Klägerin vertrauen durfte. Auch im Hinblick auf die von der Klägerin angestrengten Versuche einer Verrechnung bezüglich des hier fraglichen Anspruchs hätte es pflichtgemäßem Ermessen entsprochen auszuführen, aus welchen Gründen trotz der Kenntniserlangung der Beklagten von der Forderung im Verjährungszeitraum eine Verweigerung der Leistung angezeigt sein sollte. Da im Bescheid vom 14.04.2004 Ausführungen zum Ermessen fehlen, liegt ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs, hilfsweise aus den genannten Gründen auch ein Fall des Ermessensfehlgebrauchs vor. Diese Rechtsverletzung steht der Wirksamkeit der Einrede entgegen.

Zusammenfassend ist die Beklagte wegen Nichteintritt der Verjährung, hilfsweise wegen entsprechender Ermessensfehler bei der Erhebung der Einrede nicht berechtigt, die Leistung in Bezug auf den entstandenen Anspruch zu verweigern.

Notwendig beizuladen waren - wie geschehen - Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Rentenversicherungsträger (BSG SozR 4100 § 141 n Nr. 18; SozR 1500 § 75 Nr. 9; Roeder in: Niesel, a.a.O., Rn 13).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 1. und 3. Halbsatz SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 S.1 VwGO. Die erfolgte Quotelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin in der Berufungsinstanz die Klageforderung im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zu den Nebenforderungen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zurückgenommen hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Soweit in der Zuordnung des Anspruchs aus § 208 SGB III zu den Verjährungsvorschriften eine offene Frage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) gesehen werden könnte, war dies für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich, da der Anspruch auch dann besteht, wenn von der Rechtsansicht der Beklagten ausgegangen wird, dass maßgebliche Rechtsgrundlage § 45 SGB I ist und die Vollstreckungshandlungen ihr gegenüber nicht wirken. Ein anderes Ergebnis würde für den vorliegenden Rechtsstreit daraus nicht folgen, da die Erhebung der Einrede der Verjährung jedenfalls ermessensfehlerhaft war.
Rechtskraft
Aus
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