Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 330/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 113/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 25/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Leistungen, die entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen sind (III.4.1 Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen), dürfen nicht innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet werden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008 - L 4 KA 69/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris ). Insofern ist auch die Berechnung der Regelleistungsvolumina fehlerhaft. Hierzu gehören auch die Leistungen, die eine Anästhesistin im Rahmen der Behandlung von stationären Belegarztfällen erbracht hat. Insofern ist auch die Berechnung der Regelleistungsvolumina fehlerhaft (Bestätigung des Urt. der Kammer v. 24.09.2008 - S 12 KA 467/07 – nicht rechtskräftig).
1. Unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale II/05 und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars in den Quartalen II und III/05.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Ihr gehören drei Ärzte an. Herr Dr. med. C und Herr Dr. med. D sind seit dem 01.04.1974 bzw. 01.05.1994 als Fachärzte für Anästhesiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und führen seither eine Gemeinschaftspraxis. Frau Dr. med. E ist seit dem 01.10.1997 als Fachärztin für Anästhesiologie niedergelassen und gehört seitdem der Gemeinschaftspraxis an. Die Beklagte ordnet die Klägerin der Honorargruppe der Anästhesisten, B 2.2, und abrechnungstechnisch der VFG-VTG 09-00 zu. In den Quartalen I/04 bis I/05 setzte die Beklagte das Bruttohonorar im Primär- und Ersatzkassenbereich wie folgt fest:
I/04 II/04 III/04 IV/04 I/05
Bruttohonorar PK + EK in EUR 202.524,23 186.050,61 180.457,53 173.070,10 179.167,03
Fallzahl 1.343 1.268 1.349 1288 1.292
Individualbudget oberer Punktwert amb. PK/EK in Ct. 3,346/3,757 3,362/3,651 2,911/3,142 3,159/3,538 2,964/3,497
In den beiden streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar jeweils durch Honorarbescheid fest. Den Honorarbescheid für das Quartal II/05 korrigierte sie aus abrechnungstechnischen Gründen und ersetzte ihn durch einen neuen Honorarbescheid. Gegen beide Honorarbescheide legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein. Die Festsetzungen im Einzelnen und die Daten der Widerspruchseinlegung ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:
II/05 III/05
Honorarbescheid vom 29.06.06 22.01.2006 11.08.2006
Widerspruch eingelegt am 27.02.2006 17.10.2006
Nettohonorar gesamt in EUR 177.465,88 177.609,48 143.080,52
Bruttohonorar PK + EK in EUR 180.976,89 141.171,08
Fallzahl PK + EK 1.279 1.185
Oberer Punktwert RLV in Ct. PK/EK 2,862/3,496 2,979/3,422
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV
Fallzahlgrenze 240 272
Aktuelle Fallzahl 222 216
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten - -
Quote - -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 1.765,1 1.762,1
Fallzahl 1.279 1.185
Praxisbezogenes RLV in Punkten 2.160.041,1 1.996.899,8
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 5.479.834,0 4.993.445,0
Überschreitung in Punkten 3.319.792,9 2.996.545,2
Überschreitung in %- 153,7 150,1
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 1.268 1.349
Referenz-Fallwert in EUR 107,8102 91,4606
Aktueller Fallwert in EUR 65,5990 64,4716
Auffüllbetrag je Fall in EUR 36,8285 11,6390
Auffüllbetrag gesamt in EUR 46.698,54 13.792,22
Fallwert + Auffüllbetrag in EUR- 102,4275 76,1106
Fallwert + Auffüllbetrag im Verhältnis zum Referenz-Fallwert in %- 95 83,2
26er Liste AOK
Oberer PW 96.190 118.610
Unterer PW 37.000 850
54er Liste AOK
Oberer PW 50.592 60.468
Unterer PW 108.128 155.962
- Berechnung der Kammer
Zur Begründung ihrer Widersprüche trug die Klägerin vor, sie erbrächte ihre Leistungen hauptsächlich stationär im Belegkrankenhaus D.Hospital. Aus dem erwirtschafteten Honorar müsse sie den nachgeordneten ärztlichen Dienst und eine ambulante Abgabe an das Krankenhaus zahlen. Ihr Punktwert sei für 2/3 ihrer Leistungen auf 0,4 Cent und darunter gesunken. Mit dieser Bewertung sei sie nicht mehr in der Lage, ihren Belegarztvertrag zu erfüllen.
Die Beklagte verband beide Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2006, der Klägerin am 03.07. zugestellt, die Widersprüche als unbegründet zurück. In den Gründen führte sie aus, die Vorgaben des Gesetzes und des Bewertungsausschusses habe sie im Honorarverteilungsvertrag zutreffend umgesetzt. Darin habe sie Honorargruppen und Regelleistungsvolumen vorgesehen. Honorarforderungen betreffend u. a. stationäre (belegärztliche) Leistungen blieben unberücksichtigt und würden vorab zu einem Punktwert von 4,0 Cent bewertet werden. Die dann noch verbleibenden Honorarforderungen der Praxis unterlägen der Bewertung mit einem Punktwert von 4,0 Cent bis zudem für das aktuelle Quartal festgestellten praxisindividuellen Regelleistungsvolumen. Für die Klägerin seien folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen festgelegt:
RLV-Fallpunktzahl
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe der Patienten in Jahren 0 -5 6 – 59 ) 60 0 – 5 6 -59 )60
Fallpunktzahl Anästhesisten 1.616 1.586 1.548 2.412 1.600 1.770
Fallpunktzahlen inkl. GP-Zuschlag 1.746 1.716 1.678 2.542 1.730 1.900
Leistungen, die über das Regelleistungsvolumen hinausgingen, seien noch für den Primärkassenbereich mit einem Punktwert von 0,493 Cent und für den Ersatzkassenbereich von 0,497 Cent bewertet worden. Die auf belegärztliche Überweisung hin erbrachten Anästhesien seien nach ambulanten Grundsätzen abzurechnen und nach Ziffer 98997 zu kennzeichnen. Eine Vergütung sei mithin im Rahmen des Regelleistungsvolumens (Leistungsbereich 4.0) vorzunehmen. Eine Herausnahme dieser Leistungen sei nach dem Honorarverteilungsvertrag nicht vorgesehen. Ausnahmeregelungen seien nur aus Gründen der Sicherstellung möglich. Maßgeblich sei dabei, ob im Umkreis von 50 km ausreichend Ärzte zur Verfügung stünden, die die vertragsärztliche Versorgung in diesem Bereich sicherstellten. Im Planungsbereich Stadt A-Stadt sei eine hinreichende Zahl an Anästhesisten niedergelassen, die u. a. auch ambulante Anästhesien auf belegärztliche Überweisung hin erbrächten. Zudem befänden sich im Umkreis von A-Stadt weitere anästhesiologische Praxen, die die streitgegenständlichen Leistungen abrechneten, so dass insoweit kein Sicherstellungsproblem zu konstatieren sei. Zur Vermeidung von Fallwertverlusten komme die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV zum Ansatz, die in beiden Quartalen zu Auffüllungsbeträgen geführt habe. Im Quartal III/05 sei schließlich nach Abschluss der Honorarabrechnung nochmals eine Neuerstellung erforderlich geworden. Durch diese habe die Klägerin eine andere Honorargröße erzielt als vor der Neuerstellung. Mit der Differenz von 12.815,19 EUR sei das Honorarkonto zu belasten gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.07.2007 die Klage erhoben. Sie trägt vor, Art und Umfang der Leistungserbringung im D.Hospital könne sie nicht beeinflussen. Sie müsse anästhesistische Leistungen erbringen, wenn die im D.Hospital tätigen Operateure danach verlangten. Von den 33 Belegärzten seien 24 Ärzte operativ tätig. In der Klinik würden pro Jahr ca. 5.600 Narkosen durchgeführt und auf der Intensivstation von den Anästhesisten ca. 950 schwerkranke Patienten mitversorgt werden. Die Anästhesisten hätten die Leitung der Station. Im Jahre 2005 sei zunächst noch ein Honorar ausgezahlt worden, welches entsprechend der Regelung des HVM um nicht mehr als 5% der Vorquartale gekürzt worden sei. Diese "Ausgleichszahlung" sei in den folgenden Quartalen wieder zurückgenommen worden. Dies habe dazu geführt, dass unter Anwendung des Regelleistungsvolumens die Beklagte in erheblichem Umfang Rückzahlungsansprüche gegen sie geltend mache. Sie müsse nun Honorarverluste hinnehmen. Der Verlust im Jahr 2005 betrage etwa 97.000,00 EUR bei gleich bleibender Kostenstruktur durch den nachgeordneten ärztlichen Dienst. Sie könne die Leistungen in der Klinik nicht mehr erbringen. Die Ausführungen zur Versorgungslage gingen am Sachverhalt vorbei. Wenn andere Anästhesisten als Belegärzte tätig würden, würden sie die gleichen Leistungen in gleichem Umfang erbringen, der Honorarverfall wäre exakt der gleiche. Aufgrund der unzureichenden Vergütung habe der Beschluss des Bewertungsausschusses mit Wirkung ab dem 2. Quartal 2007 eine Neuregelung geschaffen, die darauf hinauslaufe, dass die Leistungen des Kapitels 36 mit 4,7 Cent und die übrigen Leistungen mit 4,5 Cent vergütet würden. Diese Vergütungsregelung zeige überdeutlich, dass die Honorierung dieser Leistungen in der Zeit vom 01.04.2005 bis 31.03.2007 unzureichend und ungeeignet gewesen sei, die notwendige Leistungserbringung zu finanzieren. Rund 66% der Leistungen im belegärztlichen Bereich seien zu dem unteren Punktwert vergütet worden. Damit werde das System der Regelleistungsvolumina ad absurdum geführt. Die Mitwirkung der Anästhesisten bei einem Kaiserschnitt in der Nacht bringe rund 8,00 EUR an Vergütung. Hierbei handele es sich um keinen Einzelfall. Im Jahr 2005 habe die Beklagte noch eine Stützung vorgenommen. Diese sei nun rückwirkend korrigiert worden, so dass es zu einem solchen Honorarverfall gekommen sei. Dies verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und vor allem gegen den Versorgungsauftrag. Auch der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt. Die belegärztliche Tätigkeit werde wie im ambulanten Bereich behandelt. Hierin liege eine Ungleichbehandlung zwischen niedergelassenen Operateuren und niedergelassenen Anästhesisten, nämlich dahingehend, dass stationäre Leistungen in das bisher aus ambulanten Leistungen bestehende Regelleistungsvolumen verschoben würden. Die Überschreitung des Regelleistungsvolumens sei also nicht auf ein Ausweiten der Tätigkeit zurückzuführen, sondern auf die Zuordnung stationärer Leistungen in das Regelleistungsvolumen. Das Durchschnittshonorar sei nicht vergleichbar. Es sei im Wesentlichen von der Fallzahl und dem Aufwand für eine Narkose abhängig. Die Fallzahl pro Arzt liege ca. 30% höher und rechtfertige dadurch auch ein entsprechend höheres Honorar. Im stationären Bereich würden größere Operationen bei kränkeren Patienten durchgeführt werden als im ambulanten Bereich. Dies erfordere einen höheren Aufwand und damit zwingend auch ein höheres Honorar.
Die Klägerin beantragt,
die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihre Honoraransprüche neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid trägt sie weiter vor, das im Widerspruchsbescheid angegebene Datum sei offensichtlich ein Versehen, es müsse auf das Datum 02.07.2007 lauten. Die notwendige Neuerstellung der Honorarabrechnung im Quartal III/05 und die hieraus resultierende Honorarkorrektur seien nicht zu beanstanden. In Ziffer 8.6 HVV sei explizit vorgesehen, dass die Möglichkeit der sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnung durch sie bestehe. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 08.02.2006 – B 6 KA 25/05 R -) dürfe der Honorarverteilungsmaßstab vorsehen, dass der größte Teil des Gesamtvergütungsvolumens für eine Honorierung zu vollen Punktwerten verwandt werde und für die restlichen Leistungen lediglich geringere Punktwerte verblieben. Durch sie werde gewährleistet, dass sich die Honorarverteilung einem eventuell geringeren Gesamtvergütungsvolumen anpasse. Ein Beschluss des Bewertungsausschusses mit Wirkung ab dem Zeitraum II/07 sei für die hier streitgegenständlichen Quartale ohne jede rechtliche Relevanz. Bei der Förderung belegärztlicher Leistungen ab dem Quartal II/07 gehe es um eine Förderung des belegärztlichen Systems, dem die Klägerin nicht angehöre. Die Klägerin erbringe Anästhesieleistungen durch Vertragsärzte, die von Belegärzten hinzugezogen worden seien. Die Honorarentwicklung der Praxis des Klägers je Arzt stelle sich im Vergleich zur Fachgruppe der Anästhesisten wie folgt dar:
Quartal Durchschnittshonorar (Nettohonorar nach Abzug EHV, vor Verwaltungskosten) je Arzt der Fachgruppe Durchschnittshonorar (Nettohonorar nach Abzug EHV, vor Verwaltungskosten) je Arzt der Klägerin
II/04 35.762,55 63.660,70
III/04 31.960,29 61.343,94
IV/04 36.000,00 59.070,34
V/05 36.424,38 60.939,62
II/05 34.870,06 61.059,76
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sei ein "Honorarverfall" nicht ersichtlich. Ein Sicherstellungsbedarf bestehe nicht. In den streitgegenständlichen Quartalen seien insgesamt 9 Fachärzte für Anästhesiologie zugelassen gewesen. Hinzu kämen weitere Ärzte in der unmittelbaren Umgebung, z. B. drei Fachärzte in GD. und 2 Fachärzte in GU ... Auch ohne einen Umkreis von 50 km zugrunde zu legen, sei damit eine Sicherstellung im Bereich A-Stadt Stadt gewährleistet. Ferner sei die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV zum Zuge gekommen. Bezüglich der Berichtigung existiere ein Rückwirkungsverbot nicht. Der dem Gesetzgeber obliegende Gestaltungsspielraum sei weit und halte sich im Rahmen der grundgesetzlichen Vorgaben des Gleichheitssatzes, solange die Regelungen nicht insgesamt dazu führten, dass Praxen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten (BSG, Beschluss vom 28.01.2004 – B 6 KA 112/03 B -). Ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf eine höhere Vergütung außerhalb dieses Rahmens existiere nicht und könne daher auch von der Klägerin nicht beansprucht werden. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liege nicht vor. Es sei ein legitimes Differenzierungskriterium, ob eine Belegarztanerkennung vorliege oder nicht. Fehle die Belegarztanerkennung, so komme die Klägerin nicht in den Genuss der gesetzgeberisch angestrebten Förderung belegärztlicher Tätigkeit. Der von der Klägerin vorgenommene Vergleich der Quartale II/05 bis I/07 mit den Quartalen ab II/07 trage auch deshalb nicht, weil sie gerade aufgrund der Änderung der Abrechnung und Vergütung belegärztlicher Leistungen ab dem Quartal II/05 die RLV-Fallpunktzahlen der Fachärzte für Anästhesiologie gesenkt habe, da belegärztliche Leistungen ab diesem Zeitpunkt extrabudgetär, also außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung, vergütet worden seien. Dem habe sie durch eine Senkung der Fallpunktzahlen Rechnung getragen. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen müssten keinesfalls stets entsprechend den stationären, belegärztlichen Leistungen selbst abgerechnet werden und im Rahmen des Regelleistungsvolumens unberücksichtigt bleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, sind rechtswidrig und waren daher abzuändern. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihren Honoraranspruch neu zu bescheiden.
Die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, sind rechtswidrig.
Die Rechtswidrigkeit folgt bereits aus der Regelung nach Ziffer 6.3 der hier maßgeblichen Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen e. V. (VdAK) – Landesvertretung Hessen, dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e. V. – Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 vom 10.11.2005, veröffentlicht durch die Beklagte als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung - Landesstelle - vom 10.11.2005 (im Folgenden: HVV), soweit mit dieser Regelung der HVV gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses verstößt.
Die Honorarbescheide sind insofern rechtswidrig, als die Beklagte Leistungen, die entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses in seinem Beschluss vom 29.10.2004 dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen sind, innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet hat. Insofern ist auch die Berechnung des Regelleistungsvolumens fehlerhaft.
Die Festsetzung des Regelleistungsvolumens ist grundsätzlich rechtmäßig.
Nach Ziffer 6.3 HVV sind praxisindividuelle Regelleistungsvolumina zu bilden, da die Klägerin zu den entsprechenden Arztgruppen gehört.
Im Einzelnen bestimmt Ziffer 6.3 HVV:
Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zu treffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:
130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte Richtlinien unterliegen,
alternativ
30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte
Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.
Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach verstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.
Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 BMVÄ bzw. § 25 Absatz 1 Satz 1 GKV zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 Und 2 zu Ziffer 7.1 Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Die so festgestellten Fallzahlen reduzieren sich dabei (vorab der Berechnung des praxisindividuellen (fallzahlabhängigen) Regelleistungsvolumens) aufgrund einer zuvor durchgeführten fallzahlabhängigen Bewertung (Fallzahlbegrenzungsregelung) gemäß Ziffer 5.2, wobei die aus dieser Maßnahme resultierende Reduzierung anteilig auf die Altersklassen zu verteilen ist.
Das nach dieser Vorschrift festgestellte Regelleistungsvolumen einer Praxis im aktuellen Quartal ist dann nachfolgend für jeden über 150% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal hinausgehenden Fall um 25% zu mindern.Die Feststellung der relevanten durchschnittlichen Fallzahl erfolgt bei Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung unterliegen, je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.
Für die Bildung des Regelleistungsvolumens einer Praxis im Abrechnungsquartal gilt im Übrigen eine Fallzahlobergrenze in Höhe von 200% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal. Überschreitet eine Praxis im aktuellen Abrechnungsquartal diese Fallzahlobergrenze, tritt diese anstelle der praxisindividuellen Fallzahl bei der Ermittlung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens. Dabei bestimmt sich im Falle von Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die keiner Leistungsbeschränkung unterliegen, die Fallzahlobergrenze aus den arztgruppenbezogenen durchschnittlichen Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Art bzw. Psychotherapeuten.
Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, bestimmt sich die durchschnittliche Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal für vorstehende Bewertungsvorgaben bzw. Fallzahlobergrenze aus der Honorar(unter)gruppe, zu der sie nach dem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Soweit in der Anlage zu Ziffer 6.3 Arztgruppen nicht aufgeführt sind, gehen deren Fälle und Honoraranforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens ein.
Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.
Die Kammer hält diese Regelungen, soweit sie hier streitbefangen sind, grundsätzlich für rechtmäßig. Diese Regelungen beruhen auf Vorgaben des Bewertungsausschusses, die wiederum auf Vorgaben des Gesetzgebers beruhen.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III.3.1 Abs. 4 BRLV).
Die Kammer sieht in diesen Bestimmungen eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses. Dies hat die Kammer bereits für die von der Beklagten vorgenommene und gegen die Vorgaben des Bewertungsausschusses verstoßende Einbeziehung von Dialyseleistungen in die Regelleistungsvolumina festgestellt (vgl. Urteil der Kammer vom 26.09.2007 - S 12 KA 822/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht zurückgewiesen (LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008 - L 4 KA 69/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig - B 6 KA 31/08 -). Es hat im Einzelnen dargelegt, dass ein Honorarverteilungsvertrag nach der gesetzlichen Fiktion des § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V aus einem Beschlussteil und dem zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Teil besteht, dass im Falle einer divergenten Regelung den bundeseinheitlichen Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses der Vorrang zu kommt und dass die Vertragspartner des Honorarverteilungsvertrags an die Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses in der Weise gebunden sind, dass sie rechtswirksam keine abweichende Regelung treffen konnten. Dem folgt die Kammer vollumfänglich.
In der Anlage 1 BRLV werden unter den Arztgruppen, für die Arztgruppentöpfe gemäß III.1. BRLV und Regelleistungsvolumen gemäß III.3.1 BRLV berechnet werden, die Fachärzte für Anästhesiologie genannt. Entsprechend hat der HVV auch die Fach(unter)gruppe gebildet. die im Widerspruchsbescheid genannten Fallpunktzahlen vorgegeben.
Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben. Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden, zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).
Regelleistungsvolumina dienen damit der Kalkulationssicherheit bei der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen (vgl. Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, Kommentar, § 85, Rn. 256a f.; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 26.02.2008, § 85, Rn. 164). Zum anderen haben sie aufgrund des Zwecks, der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung zu tragen als auch den ökonomischen Anreiz zur Ausweitung der Leistungsmenge zu verringern, auch den Charakter von Honorarbegrenzungsmaßnahmen (vgl. Engelhard, ebd.). Nach Auffassung der Kammer steht aber angesichts der gesetzgeberischen Vorgaben der Gesetzeszweck der Kalkulationssicherheit im Vordergrund, insbesondere auch im Hinblick auf eine begrenzte Gesamtvergütung bei insgesamt steigenden Leistungsanforderungen.
Soweit die HVV-Vertragsparteien bei der Festsetzung der Fallpunktzahlen abweichend von der Anlage 2 BRLV den Referenzzeitraum auf das 1. Halbjahr 2004 beschränkt haben – nach der Anlage 2 ist der arztgruppenspezifische Leistungsbedarf in Punkten im Zeitraum vom 2. Halbjahr 2003 bis zum 1. Halbjahr 2004 zu ermitteln -, sieht die Kammer dies unter Zurückstellung erheblicher Bedenken für gerade noch vom Gestaltungsspielraum der HVV-Vertragsparteien als gedeckt an. Insofern kann eine Ermächtigung hierfür in Abschnitt III.3.1 Abs. 3 BRLV gesehen werden, wonach die HVV-Vertragsparteien zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung Anpassungen der Regelleistungsvolumen vornehmen können. Der Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 112. Sitzung hat zudem, allerdings erst mit Wirkung zum 01.04.2006, in einer angefügten Fußnote 2 klargestellt, dass die Formel zur Ermittlung der KV-bezogenen, arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl im Einvernehmen der Partner der Honorarverteilungsverträge modifiziert werden und ein abweichendes Verfahren zur Festlegung des arztgruppenspezifischen Leistungsbedarfs vereinbart werden kann.
Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen vom festgesetzten Regelleistungsvolumen rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Die Klägerin hat auch keine entsprechenden Gründe vorgetragen. Soweit sie auf ihre belegärztliche Tätigkeit verweist, fallen diese Leistungen, wie sogleich ausgeführt wird, nicht in das Regelleistungsvolumen.
Die Beklagte hat aber Leistungen, die entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen sind (III.4.1 BRLV) und außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten sind, in das Regelleistungsvolumen einbezogen. Dies ist rechtswidrig.
Nach Ziff. 6.3 HVV sind bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 und 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Anlage 1 und 2 zu Ziffer 7.1 HVV betreffen Vorwegleistungen als extrabudgetäre Leistungen. Es handelt sich nach Ziffer 7.1 a) HVM um Leistungen gemäß Anlagen 1 (Primärkassen) und 2 (Ersatzkassen), die aufgrund besonderer Regelungen und Vereinbarungen abweichend von den allgemeinen Bestimmungen, gesondert zu vergüten sind. In den Anlagen 1 und 2 werden nicht die Leistungen aufgeführt, die nach Abschnitt III.4.1 BRLV außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten sind.
Soweit nach Ziffer 6.4 HVV im Einzelnen aufgeführte Leistungen bzw. Leistungsbereichen nicht innerhalb des Regelleistungsvolumens, sondern zu festen Punktwerten zu vergüten sind, handelt es sich nur z. T. um die in Abschnitt III.4.1 BRLV genannten Leistungen.
So rechnete der Klägerin im Quartal II/05 Leistungen nach Ziffern 01100, 01101, 01102, 01220, 01221, 01222 und 05230 EBM 2005 und im Quartal III/05 Leistungen nach Ziffern 01100 und 05230 EBM 2005 ab, die die Beklagte entgegen der Vorgabe in III.4.1 BRLV in das Regelleistungsvolumen einbezogen hat.
Hierdurch sind die Punktzahlen des Regelleistungsvolumens bereits fehlerhaft berechnet worden. Zudem sind Leistungen bei der Anwendung des Regelleistungsvolumens einbezogen worden, die außerhalb hätten vergütet werden müssen.
Der Bewertungsausschuss für hat die im Einzelnen aufgeführten Leistungen bestimmt, dass diese aus dem Arztgruppentopf zu vergütenden Leistungen und Leistungsarten dem Regelleistungsvolumen nicht unterliegen (III.4.1 BRLV). Wie bereits ausgeführt sind die Vertragsparteien des HVV hieran gebunden und besteht keine Ermächtigung für eine abweichende Regelung. Das bedeutet, dass die in Ziff. III. 4.1 BRLV aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen, die nicht den Regelleistungsvolumina unterliegen, nicht unter dem Regime der Regelleistungsvolumina abzurechnen sind (so zutreffend LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008, aaO., Rdnr. 32).
Von daher bedarf es keiner Änderung des HVV. Die Beklagte wird vielmehr die Punktzahlen für das Regelleistungsvolumen ohne diese Leistungen neu berechnen und wird das Regelleistungsvolumen für die Klägerin ebf. ohne diese Leistungen festsetzen. Diese Leistungen sind dann mit einem entsprechend neu berechneten Punktwert des Fachgruppentopfes zu vergüten. Ein Anspruch auf einen festen Punktwert von 5,11 Cent besteht aber mangels einer Anspruchsgrundlage nicht. Für sie gilt auch nicht der sog. Kalkulationspunktwert von 5,11 Cent, da es für diesen, wie sogleich ausgeführt wird, keine Rechtsgrundlage gibt.
Zu den Leistungen, die dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen und außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten sind (III.4.1 BRLV), gehören auch die Leistungen, die die Klägerin im Rahmen der Behandlung von stationären Belegarztfällen erbracht hat, wie die Kammer bereits mit Urteil v. 24.09.2008 - S 12 KA 467/07 – (nicht rechtskräftig) entschieden hat und woran sie festhält.
Nach Abschnitt III.4.1 BRLV unterliegen darüber hinaus Leistungen, die in stationären (belegärztlichen) Behandlungsfällen erbracht werden, nicht dem Regelleistungsvolumen. Der BRLV stellt damit nicht auf die stationären Fälle der Belegärzte ab, sondern auf die Leistungen überhaupt in solchen Fällen. Von daher handelt es sich auch nicht nur um die Behandlungsfälle der Belegärzte. Der Definition des Behandlungsfalles in § 21 BMV-Ä, auf die sich die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung bezogen hat, kann lediglich entnommen werden, dass der Behandlungsfall auf die Arztpraxis zu beziehen ist und es sich demnach bei einem stationären Behandlungsfall, der sowohl vom Belegarzt als auch der Anästhesistin behandelt wird, um zwei Behandlungsfälle handelt, nämlich zum Einen um einen Behandlungsfall des Belegarztes und zum Anderen um einen Behandlungsfall der Anästhesistin. Folgerungen für die Auslegung des Abschnitts III.4.1 BRLV vermochte die Kammer daraus nicht zu ziehen. Ebenso wenig können Folgerungen aus der Einbeziehung der Anästhesisten in die Regelung zum Regelleistungsvolumen gezogen werden. Soweit bei der Aufzählung einzelner Leistungen die Nrn. 31101 bis 31351 EBM 2005 – ambulante und belegärztliche Operationen – mit aufgeführt werden, betrifft dies Operationsleistungen verschiedener Fachgebiete und nicht anästhesistische Leistungen. Die Aufführung der auch "belegärztlichen Operationen", die insofern ein Teil der "stationären (belegärztlichen) Behandlungsfälle" sind, dürfte allein der Überschrift des Abschnitts 31.2 EBM 2005 (ambulante und belegärztliche Operationen) geschuldet sein. Auch hieraus vermochte die Kammer keine Folgerung für die von ihr getroffene Wortlautauslegung abzuleiten. Ferner sind der Kammer auch keine Gründe ersichtlich, weshalb zwischen den Leistungen des Belegarztes und denen der Anästhesisten bei Belegarztfällen bzgl. des Regelleistungsvolumens unterschieden werden sollte.
Im Übrigen waren die angefochtenen Bescheide aber nicht zu beanstanden.
Soweit die Beklagte für die Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens keinen festen, im Vorhinein fest vereinbarten Punktwert vergütet hat, war dies von der Kammer nicht zu beanstanden.
§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V sieht zwar vor, dass insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina). Entsprechend sieht Ziffer 6.4 HVV zunächst vor, dass die nach Abzug der Vorwegvergütungen und zu festen Punktwerten vergüteten Leistungen dann noch verbleibenden Honorarforderungen der Praxis der Bewertung mit einem Punktwert von 4,0 Ct. bis zu dem nach Ziffer 6.3 HVV für das aktuelle Quartal festgestellten praxisindividuellen Regelleistungsvolumen unterliegen. Darüber hinausgehende Honorarforderungen sind mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Ct. zu bewerten.
Die Kammer hält die Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages aber für gerade noch befugt, diesen Punktwert zu quotieren, d. h. davon abhängig zu machen, welches Honorarvolumen den abgerechneten Leistungen gegenübersteht, soweit die Quotierung auf honorarvertraglicher Grundlage erfolgt.
Für die hier maßgebliche fachärztliche Versorgungsebene sieht Ziffer 2.2 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 HVV vor, dass, reicht der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht aus, eine Quotierung aller Honorarforderungen innerhalb des Regelleistungsvolumens und damit des Punktwertes von 4,0 Ct. zu erfolgen hat. Soweit die so festgestellten Quoten um mehr als 15 %&8208;Punkte von der nach gleicher Vorgehensweise über alle Honorar(unter)gruppen der Honorargruppe B 2 gebildeten (mittleren) Quote abweichen, ist, soweit möglich, ein Ausgleich zwischen den Honorar(unter)gruppen B 2.1 bis B 2.32 mit dem Ziel der Erreichung einer maximalen Abweichung von 15 %&8208;Punkten von der mittleren Quote für alle Honorar(unter)gruppen B 2.1 bis B 2.32 durchzuführen.
Wenn auch einiges dafür spricht, dass die Vorstellung des Gesetzgebers von einer Begrenzung des Leistungsgeschehens durch Regelleistungsvolumina bei gleichzeitig garantiertem Punktwert mit einhergehender Kalkulationssicherheit ausging, so besteht jedenfalls keine rechtliche Garantie für eine bestimmte Höhe des Punktwerts. Die Vereinbarung eines festen Punktwerts von 4 Cent im HVV, der nach Kenntnis der Kammer so gut wie in keiner Honorar(unter)gruppe im Ergebnis zur Festsetzung kam, ist einer offensichtlich Fehlkalkulation der Vertragsparteien des HVV geschuldet. Es kann hier dahinstehen, ob und welche berufspolitischen Überlegungen hinter einer solchen Vereinbarung standen, ob dadurch ein günstiger Vertragsabschluss signalisiert werden sollte. Insofern erleichtert die dargestellte Regelungssystematik des HVV nicht die Erkenntnis, dass der im Gegensatz zur Koloskopieleistung nach Nr. 13421 EBM 2005 vorgegebene feste Punktwert von 4 Cent für Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens nicht unter dem "Vorbehalt einer gegebenenfalls erforderlichen Quotierung" steht, sondern dieser Vorbehalt sich erst aus den Anlagen zum HVV ergibt. Jedenfalls hätte bei realistischerer Kalkulation bei einer begrenzten Gesamtvergütung nur ein tieferer Punktwert vereinbart werden können, der im Hinblick auf Sicherheitstoleranzen u. U. unterhalb des jetzt im Ergebnis festgesetzten quotierten Punktwerts gelegen hätte. Damit würde gerade der Honoraranspruch der Praxen, deren Abrechnung sich im Wesentlichen innerhalb des Regelleistungsvolumens bewegt, eher vermindert werden. Die Vorgabe des Regelleistungsvolumens geht aber davon aus, dass damit grundsätzlich das Leistungsgeschehen adäquat erfasst wird und ein auskömmliches Praxisergebnis erzielt werden kann. Die Quotierung innerhalb des Regelleistungsvolumens führt im Ergebnis dazu, dass im Regelfall ein höherer Punktwert innerhalb des Regelleistungsvolumens erreicht wird, ohne dass es zu Stützungsmaßnahmen aus den anderen Honorar(unter)gruppen kommt. Insofern ist den Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages ein Regelungsspielraum einzuräumen.
Aber auch unterstellt, es ist von einer Rechtswidrigkeit der Quotierungsregelungen auszugehen, so besteht kein Anspruch auf eine Vergütung zu einem Punktwert von 4 Cent. Die Regelungen zur Festvergütung von 4 Cent und Quotierung bilden insofern eine Einheit. Hielte man eine Quotierung für unzulässig, so könnte die Beklagte bzw. die Vertragsparteien nur verpflichtet werden, einen festen Punktwert rückwirkend festzusetzen bzw. zu vereinbaren, der aber angesichts der begrenzten Gesamtvergütung nicht höher als der im Ergebnis quotierte Punktwert liegen könnte.
Nicht zu beanstanden war von der Kammer ferner, dass die das Regelleistungsvolumen übersteigenden Leistungsanforderungen mit einem einheitlichen, dem sog. unteren Punktwert vergütet werden. Soweit nach § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte vorzusehen ist, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird, folgt für die Kammer nicht, dass "abgestaffelt" so zu verstehen ist, dass mindestens zwei Punktwertgruppen zu bilden sind. "Abgestaffelt" ist nach Auffassung der Kammer so zu verstehen, dass ein geringerer Punktwert zur Auszahlung gelangt als für die Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens, was vorliegend der Fall war.
Es bestand auch keine Verpflichtung zur Auszahlung eines festen Punktwerts von 5,11 Cent. Zutreffend hat die Beklagte dargelegt, dass der Bewertungsausschuss insofern zum Inkrafttreten des EBM 2005 keine bindende Vorgabe weder generell noch für einzelne Leistungsbereiche gemacht hat. Soweit der EBM 2005 auf der Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation mit einem Punktwert von 5,11 Cent erstellt wurde, handelt es sich um eine Rechengröße. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Auszahlung eines festen Punktwerts ist der Kammer nicht ersichtlich. Vielmehr beschränkt sich der Anspruch des Vertragsarztes auf die Teilnahme an der Honorarverteilung und nicht auf einen bestimmten Honoraranspruch (§ 85 Abs. 4 SGB V).
Soweit die Klägerin sich letztlich gegen eine zu geringe Vergütung ihrer Leistungen wendet, so kann dies letztlich erst nach Neubescheidung beurteilt werden.
Allgemein gilt allerdings, dass nach § 72 Abs. 2 SGB V die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln ist, dass (auch) die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Aus dieser Bestimmung kann ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf höheres Honorar für ärztliche Tätigkeiten erst dann in Betracht kommen, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen, etwa in einer Arztgruppe, und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden Vertragsärzte gefährdet wird (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R – aaO., juris Rdnr. 130 m. w. N.). Anzeichen hierfür sind nicht ersichtlich. Auch für das Fachgebiet der Klägerin besteht im Bezirk der Beklagten bedarfsplanungsrechtlich weiterhin eine Überversorgung und wird damit die vertragsärztliche Versorgung gewährleistet.
Bei einer Neubescheidung ist die Beklagte daher auch nicht verpflichtet, die bisherigen Punktwerte als Mindestpunktwerte oder höhere Punktwerte festzusetzen. Sie kann vielmehr die Auswirkungen der Entscheidung der Kammer auf die gesamte Honorarverteilung berücksichtigen und insofern neue Punktwerte errechnen. Lediglich aus dem Grundsatz des Verböserungsverbots (reformatio in peius) besteht eine Bindung an den bereits festgesetzten Gesamthonoraranspruch.
Nach allem war der Klage aus den genannten Gründen stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars in den Quartalen II und III/05.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Ihr gehören drei Ärzte an. Herr Dr. med. C und Herr Dr. med. D sind seit dem 01.04.1974 bzw. 01.05.1994 als Fachärzte für Anästhesiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und führen seither eine Gemeinschaftspraxis. Frau Dr. med. E ist seit dem 01.10.1997 als Fachärztin für Anästhesiologie niedergelassen und gehört seitdem der Gemeinschaftspraxis an. Die Beklagte ordnet die Klägerin der Honorargruppe der Anästhesisten, B 2.2, und abrechnungstechnisch der VFG-VTG 09-00 zu. In den Quartalen I/04 bis I/05 setzte die Beklagte das Bruttohonorar im Primär- und Ersatzkassenbereich wie folgt fest:
I/04 II/04 III/04 IV/04 I/05
Bruttohonorar PK + EK in EUR 202.524,23 186.050,61 180.457,53 173.070,10 179.167,03
Fallzahl 1.343 1.268 1.349 1288 1.292
Individualbudget oberer Punktwert amb. PK/EK in Ct. 3,346/3,757 3,362/3,651 2,911/3,142 3,159/3,538 2,964/3,497
In den beiden streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar jeweils durch Honorarbescheid fest. Den Honorarbescheid für das Quartal II/05 korrigierte sie aus abrechnungstechnischen Gründen und ersetzte ihn durch einen neuen Honorarbescheid. Gegen beide Honorarbescheide legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein. Die Festsetzungen im Einzelnen und die Daten der Widerspruchseinlegung ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:
II/05 III/05
Honorarbescheid vom 29.06.06 22.01.2006 11.08.2006
Widerspruch eingelegt am 27.02.2006 17.10.2006
Nettohonorar gesamt in EUR 177.465,88 177.609,48 143.080,52
Bruttohonorar PK + EK in EUR 180.976,89 141.171,08
Fallzahl PK + EK 1.279 1.185
Oberer Punktwert RLV in Ct. PK/EK 2,862/3,496 2,979/3,422
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV
Fallzahlgrenze 240 272
Aktuelle Fallzahl 222 216
Anerkennungsfähiges Honorar in Punkten - -
Quote - -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 1.765,1 1.762,1
Fallzahl 1.279 1.185
Praxisbezogenes RLV in Punkten 2.160.041,1 1.996.899,8
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 5.479.834,0 4.993.445,0
Überschreitung in Punkten 3.319.792,9 2.996.545,2
Überschreitung in %- 153,7 150,1
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 1.268 1.349
Referenz-Fallwert in EUR 107,8102 91,4606
Aktueller Fallwert in EUR 65,5990 64,4716
Auffüllbetrag je Fall in EUR 36,8285 11,6390
Auffüllbetrag gesamt in EUR 46.698,54 13.792,22
Fallwert + Auffüllbetrag in EUR- 102,4275 76,1106
Fallwert + Auffüllbetrag im Verhältnis zum Referenz-Fallwert in %- 95 83,2
26er Liste AOK
Oberer PW 96.190 118.610
Unterer PW 37.000 850
54er Liste AOK
Oberer PW 50.592 60.468
Unterer PW 108.128 155.962
- Berechnung der Kammer
Zur Begründung ihrer Widersprüche trug die Klägerin vor, sie erbrächte ihre Leistungen hauptsächlich stationär im Belegkrankenhaus D.Hospital. Aus dem erwirtschafteten Honorar müsse sie den nachgeordneten ärztlichen Dienst und eine ambulante Abgabe an das Krankenhaus zahlen. Ihr Punktwert sei für 2/3 ihrer Leistungen auf 0,4 Cent und darunter gesunken. Mit dieser Bewertung sei sie nicht mehr in der Lage, ihren Belegarztvertrag zu erfüllen.
Die Beklagte verband beide Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2006, der Klägerin am 03.07. zugestellt, die Widersprüche als unbegründet zurück. In den Gründen führte sie aus, die Vorgaben des Gesetzes und des Bewertungsausschusses habe sie im Honorarverteilungsvertrag zutreffend umgesetzt. Darin habe sie Honorargruppen und Regelleistungsvolumen vorgesehen. Honorarforderungen betreffend u. a. stationäre (belegärztliche) Leistungen blieben unberücksichtigt und würden vorab zu einem Punktwert von 4,0 Cent bewertet werden. Die dann noch verbleibenden Honorarforderungen der Praxis unterlägen der Bewertung mit einem Punktwert von 4,0 Cent bis zudem für das aktuelle Quartal festgestellten praxisindividuellen Regelleistungsvolumen. Für die Klägerin seien folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen festgelegt:
RLV-Fallpunktzahl
Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe der Patienten in Jahren 0 -5 6 – 59 ) 60 0 – 5 6 -59 )60
Fallpunktzahl Anästhesisten 1.616 1.586 1.548 2.412 1.600 1.770
Fallpunktzahlen inkl. GP-Zuschlag 1.746 1.716 1.678 2.542 1.730 1.900
Leistungen, die über das Regelleistungsvolumen hinausgingen, seien noch für den Primärkassenbereich mit einem Punktwert von 0,493 Cent und für den Ersatzkassenbereich von 0,497 Cent bewertet worden. Die auf belegärztliche Überweisung hin erbrachten Anästhesien seien nach ambulanten Grundsätzen abzurechnen und nach Ziffer 98997 zu kennzeichnen. Eine Vergütung sei mithin im Rahmen des Regelleistungsvolumens (Leistungsbereich 4.0) vorzunehmen. Eine Herausnahme dieser Leistungen sei nach dem Honorarverteilungsvertrag nicht vorgesehen. Ausnahmeregelungen seien nur aus Gründen der Sicherstellung möglich. Maßgeblich sei dabei, ob im Umkreis von 50 km ausreichend Ärzte zur Verfügung stünden, die die vertragsärztliche Versorgung in diesem Bereich sicherstellten. Im Planungsbereich Stadt A-Stadt sei eine hinreichende Zahl an Anästhesisten niedergelassen, die u. a. auch ambulante Anästhesien auf belegärztliche Überweisung hin erbrächten. Zudem befänden sich im Umkreis von A-Stadt weitere anästhesiologische Praxen, die die streitgegenständlichen Leistungen abrechneten, so dass insoweit kein Sicherstellungsproblem zu konstatieren sei. Zur Vermeidung von Fallwertverlusten komme die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV zum Ansatz, die in beiden Quartalen zu Auffüllungsbeträgen geführt habe. Im Quartal III/05 sei schließlich nach Abschluss der Honorarabrechnung nochmals eine Neuerstellung erforderlich geworden. Durch diese habe die Klägerin eine andere Honorargröße erzielt als vor der Neuerstellung. Mit der Differenz von 12.815,19 EUR sei das Honorarkonto zu belasten gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.07.2007 die Klage erhoben. Sie trägt vor, Art und Umfang der Leistungserbringung im D.Hospital könne sie nicht beeinflussen. Sie müsse anästhesistische Leistungen erbringen, wenn die im D.Hospital tätigen Operateure danach verlangten. Von den 33 Belegärzten seien 24 Ärzte operativ tätig. In der Klinik würden pro Jahr ca. 5.600 Narkosen durchgeführt und auf der Intensivstation von den Anästhesisten ca. 950 schwerkranke Patienten mitversorgt werden. Die Anästhesisten hätten die Leitung der Station. Im Jahre 2005 sei zunächst noch ein Honorar ausgezahlt worden, welches entsprechend der Regelung des HVM um nicht mehr als 5% der Vorquartale gekürzt worden sei. Diese "Ausgleichszahlung" sei in den folgenden Quartalen wieder zurückgenommen worden. Dies habe dazu geführt, dass unter Anwendung des Regelleistungsvolumens die Beklagte in erheblichem Umfang Rückzahlungsansprüche gegen sie geltend mache. Sie müsse nun Honorarverluste hinnehmen. Der Verlust im Jahr 2005 betrage etwa 97.000,00 EUR bei gleich bleibender Kostenstruktur durch den nachgeordneten ärztlichen Dienst. Sie könne die Leistungen in der Klinik nicht mehr erbringen. Die Ausführungen zur Versorgungslage gingen am Sachverhalt vorbei. Wenn andere Anästhesisten als Belegärzte tätig würden, würden sie die gleichen Leistungen in gleichem Umfang erbringen, der Honorarverfall wäre exakt der gleiche. Aufgrund der unzureichenden Vergütung habe der Beschluss des Bewertungsausschusses mit Wirkung ab dem 2. Quartal 2007 eine Neuregelung geschaffen, die darauf hinauslaufe, dass die Leistungen des Kapitels 36 mit 4,7 Cent und die übrigen Leistungen mit 4,5 Cent vergütet würden. Diese Vergütungsregelung zeige überdeutlich, dass die Honorierung dieser Leistungen in der Zeit vom 01.04.2005 bis 31.03.2007 unzureichend und ungeeignet gewesen sei, die notwendige Leistungserbringung zu finanzieren. Rund 66% der Leistungen im belegärztlichen Bereich seien zu dem unteren Punktwert vergütet worden. Damit werde das System der Regelleistungsvolumina ad absurdum geführt. Die Mitwirkung der Anästhesisten bei einem Kaiserschnitt in der Nacht bringe rund 8,00 EUR an Vergütung. Hierbei handele es sich um keinen Einzelfall. Im Jahr 2005 habe die Beklagte noch eine Stützung vorgenommen. Diese sei nun rückwirkend korrigiert worden, so dass es zu einem solchen Honorarverfall gekommen sei. Dies verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und vor allem gegen den Versorgungsauftrag. Auch der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt. Die belegärztliche Tätigkeit werde wie im ambulanten Bereich behandelt. Hierin liege eine Ungleichbehandlung zwischen niedergelassenen Operateuren und niedergelassenen Anästhesisten, nämlich dahingehend, dass stationäre Leistungen in das bisher aus ambulanten Leistungen bestehende Regelleistungsvolumen verschoben würden. Die Überschreitung des Regelleistungsvolumens sei also nicht auf ein Ausweiten der Tätigkeit zurückzuführen, sondern auf die Zuordnung stationärer Leistungen in das Regelleistungsvolumen. Das Durchschnittshonorar sei nicht vergleichbar. Es sei im Wesentlichen von der Fallzahl und dem Aufwand für eine Narkose abhängig. Die Fallzahl pro Arzt liege ca. 30% höher und rechtfertige dadurch auch ein entsprechend höheres Honorar. Im stationären Bereich würden größere Operationen bei kränkeren Patienten durchgeführt werden als im ambulanten Bereich. Dies erfordere einen höheren Aufwand und damit zwingend auch ein höheres Honorar.
Die Klägerin beantragt,
die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihre Honoraransprüche neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid trägt sie weiter vor, das im Widerspruchsbescheid angegebene Datum sei offensichtlich ein Versehen, es müsse auf das Datum 02.07.2007 lauten. Die notwendige Neuerstellung der Honorarabrechnung im Quartal III/05 und die hieraus resultierende Honorarkorrektur seien nicht zu beanstanden. In Ziffer 8.6 HVV sei explizit vorgesehen, dass die Möglichkeit der sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnung durch sie bestehe. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 08.02.2006 – B 6 KA 25/05 R -) dürfe der Honorarverteilungsmaßstab vorsehen, dass der größte Teil des Gesamtvergütungsvolumens für eine Honorierung zu vollen Punktwerten verwandt werde und für die restlichen Leistungen lediglich geringere Punktwerte verblieben. Durch sie werde gewährleistet, dass sich die Honorarverteilung einem eventuell geringeren Gesamtvergütungsvolumen anpasse. Ein Beschluss des Bewertungsausschusses mit Wirkung ab dem Zeitraum II/07 sei für die hier streitgegenständlichen Quartale ohne jede rechtliche Relevanz. Bei der Förderung belegärztlicher Leistungen ab dem Quartal II/07 gehe es um eine Förderung des belegärztlichen Systems, dem die Klägerin nicht angehöre. Die Klägerin erbringe Anästhesieleistungen durch Vertragsärzte, die von Belegärzten hinzugezogen worden seien. Die Honorarentwicklung der Praxis des Klägers je Arzt stelle sich im Vergleich zur Fachgruppe der Anästhesisten wie folgt dar:
Quartal Durchschnittshonorar (Nettohonorar nach Abzug EHV, vor Verwaltungskosten) je Arzt der Fachgruppe Durchschnittshonorar (Nettohonorar nach Abzug EHV, vor Verwaltungskosten) je Arzt der Klägerin
II/04 35.762,55 63.660,70
III/04 31.960,29 61.343,94
IV/04 36.000,00 59.070,34
V/05 36.424,38 60.939,62
II/05 34.870,06 61.059,76
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sei ein "Honorarverfall" nicht ersichtlich. Ein Sicherstellungsbedarf bestehe nicht. In den streitgegenständlichen Quartalen seien insgesamt 9 Fachärzte für Anästhesiologie zugelassen gewesen. Hinzu kämen weitere Ärzte in der unmittelbaren Umgebung, z. B. drei Fachärzte in GD. und 2 Fachärzte in GU ... Auch ohne einen Umkreis von 50 km zugrunde zu legen, sei damit eine Sicherstellung im Bereich A-Stadt Stadt gewährleistet. Ferner sei die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV zum Zuge gekommen. Bezüglich der Berichtigung existiere ein Rückwirkungsverbot nicht. Der dem Gesetzgeber obliegende Gestaltungsspielraum sei weit und halte sich im Rahmen der grundgesetzlichen Vorgaben des Gleichheitssatzes, solange die Regelungen nicht insgesamt dazu führten, dass Praxen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten (BSG, Beschluss vom 28.01.2004 – B 6 KA 112/03 B -). Ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf eine höhere Vergütung außerhalb dieses Rahmens existiere nicht und könne daher auch von der Klägerin nicht beansprucht werden. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liege nicht vor. Es sei ein legitimes Differenzierungskriterium, ob eine Belegarztanerkennung vorliege oder nicht. Fehle die Belegarztanerkennung, so komme die Klägerin nicht in den Genuss der gesetzgeberisch angestrebten Förderung belegärztlicher Tätigkeit. Der von der Klägerin vorgenommene Vergleich der Quartale II/05 bis I/07 mit den Quartalen ab II/07 trage auch deshalb nicht, weil sie gerade aufgrund der Änderung der Abrechnung und Vergütung belegärztlicher Leistungen ab dem Quartal II/05 die RLV-Fallpunktzahlen der Fachärzte für Anästhesiologie gesenkt habe, da belegärztliche Leistungen ab diesem Zeitpunkt extrabudgetär, also außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung, vergütet worden seien. Dem habe sie durch eine Senkung der Fallpunktzahlen Rechnung getragen. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen müssten keinesfalls stets entsprechend den stationären, belegärztlichen Leistungen selbst abgerechnet werden und im Rahmen des Regelleistungsvolumens unberücksichtigt bleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, sind rechtswidrig und waren daher abzuändern. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihren Honoraranspruch neu zu bescheiden.
Die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007, sind rechtswidrig.
Die Rechtswidrigkeit folgt bereits aus der Regelung nach Ziffer 6.3 der hier maßgeblichen Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen e. V. (VdAK) – Landesvertretung Hessen, dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e. V. – Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 vom 10.11.2005, veröffentlicht durch die Beklagte als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung - Landesstelle - vom 10.11.2005 (im Folgenden: HVV), soweit mit dieser Regelung der HVV gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses verstößt.
Die Honorarbescheide sind insofern rechtswidrig, als die Beklagte Leistungen, die entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses in seinem Beschluss vom 29.10.2004 dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen sind, innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet hat. Insofern ist auch die Berechnung des Regelleistungsvolumens fehlerhaft.
Die Festsetzung des Regelleistungsvolumens ist grundsätzlich rechtmäßig.
Nach Ziffer 6.3 HVV sind praxisindividuelle Regelleistungsvolumina zu bilden, da die Klägerin zu den entsprechenden Arztgruppen gehört.
Im Einzelnen bestimmt Ziffer 6.3 HVV:
Die im Abrechnungsquartal für eine Praxis zutreffende Fallpunktzahl bestimmt sich aus der Zugehörigkeit der Ärzte einer Praxis zu einer in der Anlage 1 angeführten Arzt-/Fachgruppe unter Beachtung der angeführten Altersklassen. Bei Gemeinschaftspraxen bestimmt sich die Höhe der in der einzelnen Altersklasse zu treffenden Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert aus der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte (gemäß Zuordnung entsprechend Anlage zu Ziffer 6.3) verbunden mit folgender Zuschlagsregelung:
130 Punkte bei arztgruppen- und schwerpunktgleichen Gemeinschaftspraxen sowie bei Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung gemäß Angestellten-Ärzte Richtlinien unterliegen,
alternativ
30 Punkte je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, mindestens jedoch 130 Punkte und höchstens 220 Punkte
Bei der Ermittlung der Zuschlagsregelung bleiben Ärzte aus Arztgruppen, für die gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 keine arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen definiert sind, unberücksichtigt.
Die Zuschlagsregelung findet keine Anwendung bei Praxen mit angestellten Ärzten bzw. zugelassenen Ärzten, die einer Leistungsbeschränkung gemäß Bedarfsplanungsrichtlinien bzw. Angestellten-Ärzte-Richtlinien unterliegen. Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, richtet sich die Höhe der Fallpunktzahl in den einzelnen Altersklassen nach dem Schwerpunkt der Praxistätigkeit bzw. dem Versorgungsauftrag mit dem der Arzt bzw. Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
Das im aktuellen Abrechnungsquartal gültige praxisindividuelle (fallzahlabhängige) Regelleistungsvolumen einer Praxis bestimmt sich dann aus der Multiplikation der im aktuellen Quartal nach verstehender Vorgabe ermittelten arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen und der Fallzahl der Praxis unter Beachtung der Aufteilung der relevanten Fallzahlen in die verschiedenen Altersklassen.
Bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis sind alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle (gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 BMVÄ bzw. § 25 Absatz 1 Satz 1 GKV zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 Und 2 zu Ziffer 7.1 Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Die so festgestellten Fallzahlen reduzieren sich dabei (vorab der Berechnung des praxisindividuellen (fallzahlabhängigen) Regelleistungsvolumens) aufgrund einer zuvor durchgeführten fallzahlabhängigen Bewertung (Fallzahlbegrenzungsregelung) gemäß Ziffer 5.2, wobei die aus dieser Maßnahme resultierende Reduzierung anteilig auf die Altersklassen zu verteilen ist.
Das nach dieser Vorschrift festgestellte Regelleistungsvolumen einer Praxis im aktuellen Quartal ist dann nachfolgend für jeden über 150% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal hinausgehenden Fall um 25% zu mindern.Die Feststellung der relevanten durchschnittlichen Fallzahl erfolgt bei Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die nicht einer Leistungsbeschränkung unterliegen, je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt bzw. Psychotherapeuten.
Für die Bildung des Regelleistungsvolumens einer Praxis im Abrechnungsquartal gilt im Übrigen eine Fallzahlobergrenze in Höhe von 200% der durchschnittlichen Fallzahl der Honorar(unter)gruppe im vergleichbaren Vorjahresquartal. Überschreitet eine Praxis im aktuellen Abrechnungsquartal diese Fallzahlobergrenze, tritt diese anstelle der praxisindividuellen Fallzahl bei der Ermittlung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens. Dabei bestimmt sich im Falle von Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, die keiner Leistungsbeschränkung unterliegen, die Fallzahlobergrenze aus den arztgruppenbezogenen durchschnittlichen Fallzahlen im entsprechenden Vorjahresquartal je in der Gemeinschaftspraxis tätigen Art bzw. Psychotherapeuten.
Für Ärzte bzw. Psychotherapeuten, die ihre Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausüben, bestimmt sich die durchschnittliche Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal für vorstehende Bewertungsvorgaben bzw. Fallzahlobergrenze aus der Honorar(unter)gruppe, zu der sie nach dem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Soweit in der Anlage zu Ziffer 6.3 Arztgruppen nicht aufgeführt sind, gehen deren Fälle und Honoraranforderungen nicht in die Berechnung des praxisspezifischen Regelleistungsvolumens ein.
Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.
Die Kammer hält diese Regelungen, soweit sie hier streitbefangen sind, grundsätzlich für rechtmäßig. Diese Regelungen beruhen auf Vorgaben des Bewertungsausschusses, die wiederum auf Vorgaben des Gesetzgebers beruhen.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III.3.1 Abs. 4 BRLV).
Die Kammer sieht in diesen Bestimmungen eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses. Dies hat die Kammer bereits für die von der Beklagten vorgenommene und gegen die Vorgaben des Bewertungsausschusses verstoßende Einbeziehung von Dialyseleistungen in die Regelleistungsvolumina festgestellt (vgl. Urteil der Kammer vom 26.09.2007 - S 12 KA 822/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht zurückgewiesen (LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008 - L 4 KA 69/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig - B 6 KA 31/08 -). Es hat im Einzelnen dargelegt, dass ein Honorarverteilungsvertrag nach der gesetzlichen Fiktion des § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V aus einem Beschlussteil und dem zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Teil besteht, dass im Falle einer divergenten Regelung den bundeseinheitlichen Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses der Vorrang zu kommt und dass die Vertragspartner des Honorarverteilungsvertrags an die Beschlussregelungen des Bewertungsausschusses in der Weise gebunden sind, dass sie rechtswirksam keine abweichende Regelung treffen konnten. Dem folgt die Kammer vollumfänglich.
In der Anlage 1 BRLV werden unter den Arztgruppen, für die Arztgruppentöpfe gemäß III.1. BRLV und Regelleistungsvolumen gemäß III.3.1 BRLV berechnet werden, die Fachärzte für Anästhesiologie genannt. Entsprechend hat der HVV auch die Fach(unter)gruppe gebildet. die im Widerspruchsbescheid genannten Fallpunktzahlen vorgegeben.
Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben. Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden, zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).
Regelleistungsvolumina dienen damit der Kalkulationssicherheit bei der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen (vgl. Engelhard in: Hauck/Haines, SGB V, Kommentar, § 85, Rn. 256a f.; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 26.02.2008, § 85, Rn. 164). Zum anderen haben sie aufgrund des Zwecks, der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung zu tragen als auch den ökonomischen Anreiz zur Ausweitung der Leistungsmenge zu verringern, auch den Charakter von Honorarbegrenzungsmaßnahmen (vgl. Engelhard, ebd.). Nach Auffassung der Kammer steht aber angesichts der gesetzgeberischen Vorgaben der Gesetzeszweck der Kalkulationssicherheit im Vordergrund, insbesondere auch im Hinblick auf eine begrenzte Gesamtvergütung bei insgesamt steigenden Leistungsanforderungen.
Soweit die HVV-Vertragsparteien bei der Festsetzung der Fallpunktzahlen abweichend von der Anlage 2 BRLV den Referenzzeitraum auf das 1. Halbjahr 2004 beschränkt haben – nach der Anlage 2 ist der arztgruppenspezifische Leistungsbedarf in Punkten im Zeitraum vom 2. Halbjahr 2003 bis zum 1. Halbjahr 2004 zu ermitteln -, sieht die Kammer dies unter Zurückstellung erheblicher Bedenken für gerade noch vom Gestaltungsspielraum der HVV-Vertragsparteien als gedeckt an. Insofern kann eine Ermächtigung hierfür in Abschnitt III.3.1 Abs. 3 BRLV gesehen werden, wonach die HVV-Vertragsparteien zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung Anpassungen der Regelleistungsvolumen vornehmen können. Der Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 112. Sitzung hat zudem, allerdings erst mit Wirkung zum 01.04.2006, in einer angefügten Fußnote 2 klargestellt, dass die Formel zur Ermittlung der KV-bezogenen, arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl im Einvernehmen der Partner der Honorarverteilungsverträge modifiziert werden und ein abweichendes Verfahren zur Festlegung des arztgruppenspezifischen Leistungsbedarfs vereinbart werden kann.
Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen vom festgesetzten Regelleistungsvolumen rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Die Klägerin hat auch keine entsprechenden Gründe vorgetragen. Soweit sie auf ihre belegärztliche Tätigkeit verweist, fallen diese Leistungen, wie sogleich ausgeführt wird, nicht in das Regelleistungsvolumen.
Die Beklagte hat aber Leistungen, die entsprechend den Vorgaben des Bewertungsausschusses dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen sind (III.4.1 BRLV) und außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten sind, in das Regelleistungsvolumen einbezogen. Dies ist rechtswidrig.
Nach Ziff. 6.3 HVV sind bei der Ermittlung der für die einzelnen Altersklassen gültigen relevanten Fallzahlen einer Praxis alle kurativ ambulanten Behandlungsfälle zugrunde zu legen, ausgenommen Behandlungsfälle, die gemäß Anlage 1 und 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, Notfälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Notdienst (Muster 19 A der Vordruckvereinbarung), Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen sowie Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels V. 40 abgerechnet werden. Anlage 1 und 2 zu Ziffer 7.1 HVV betreffen Vorwegleistungen als extrabudgetäre Leistungen. Es handelt sich nach Ziffer 7.1 a) HVM um Leistungen gemäß Anlagen 1 (Primärkassen) und 2 (Ersatzkassen), die aufgrund besonderer Regelungen und Vereinbarungen abweichend von den allgemeinen Bestimmungen, gesondert zu vergüten sind. In den Anlagen 1 und 2 werden nicht die Leistungen aufgeführt, die nach Abschnitt III.4.1 BRLV außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten sind.
Soweit nach Ziffer 6.4 HVV im Einzelnen aufgeführte Leistungen bzw. Leistungsbereichen nicht innerhalb des Regelleistungsvolumens, sondern zu festen Punktwerten zu vergüten sind, handelt es sich nur z. T. um die in Abschnitt III.4.1 BRLV genannten Leistungen.
So rechnete der Klägerin im Quartal II/05 Leistungen nach Ziffern 01100, 01101, 01102, 01220, 01221, 01222 und 05230 EBM 2005 und im Quartal III/05 Leistungen nach Ziffern 01100 und 05230 EBM 2005 ab, die die Beklagte entgegen der Vorgabe in III.4.1 BRLV in das Regelleistungsvolumen einbezogen hat.
Hierdurch sind die Punktzahlen des Regelleistungsvolumens bereits fehlerhaft berechnet worden. Zudem sind Leistungen bei der Anwendung des Regelleistungsvolumens einbezogen worden, die außerhalb hätten vergütet werden müssen.
Der Bewertungsausschuss für hat die im Einzelnen aufgeführten Leistungen bestimmt, dass diese aus dem Arztgruppentopf zu vergütenden Leistungen und Leistungsarten dem Regelleistungsvolumen nicht unterliegen (III.4.1 BRLV). Wie bereits ausgeführt sind die Vertragsparteien des HVV hieran gebunden und besteht keine Ermächtigung für eine abweichende Regelung. Das bedeutet, dass die in Ziff. III. 4.1 BRLV aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen, die nicht den Regelleistungsvolumina unterliegen, nicht unter dem Regime der Regelleistungsvolumina abzurechnen sind (so zutreffend LSG Hessen, Urt. v. 23.04.2008, aaO., Rdnr. 32).
Von daher bedarf es keiner Änderung des HVV. Die Beklagte wird vielmehr die Punktzahlen für das Regelleistungsvolumen ohne diese Leistungen neu berechnen und wird das Regelleistungsvolumen für die Klägerin ebf. ohne diese Leistungen festsetzen. Diese Leistungen sind dann mit einem entsprechend neu berechneten Punktwert des Fachgruppentopfes zu vergüten. Ein Anspruch auf einen festen Punktwert von 5,11 Cent besteht aber mangels einer Anspruchsgrundlage nicht. Für sie gilt auch nicht der sog. Kalkulationspunktwert von 5,11 Cent, da es für diesen, wie sogleich ausgeführt wird, keine Rechtsgrundlage gibt.
Zu den Leistungen, die dem Leistungsbereich 4.1 zuzuordnen und außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten sind (III.4.1 BRLV), gehören auch die Leistungen, die die Klägerin im Rahmen der Behandlung von stationären Belegarztfällen erbracht hat, wie die Kammer bereits mit Urteil v. 24.09.2008 - S 12 KA 467/07 – (nicht rechtskräftig) entschieden hat und woran sie festhält.
Nach Abschnitt III.4.1 BRLV unterliegen darüber hinaus Leistungen, die in stationären (belegärztlichen) Behandlungsfällen erbracht werden, nicht dem Regelleistungsvolumen. Der BRLV stellt damit nicht auf die stationären Fälle der Belegärzte ab, sondern auf die Leistungen überhaupt in solchen Fällen. Von daher handelt es sich auch nicht nur um die Behandlungsfälle der Belegärzte. Der Definition des Behandlungsfalles in § 21 BMV-Ä, auf die sich die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung bezogen hat, kann lediglich entnommen werden, dass der Behandlungsfall auf die Arztpraxis zu beziehen ist und es sich demnach bei einem stationären Behandlungsfall, der sowohl vom Belegarzt als auch der Anästhesistin behandelt wird, um zwei Behandlungsfälle handelt, nämlich zum Einen um einen Behandlungsfall des Belegarztes und zum Anderen um einen Behandlungsfall der Anästhesistin. Folgerungen für die Auslegung des Abschnitts III.4.1 BRLV vermochte die Kammer daraus nicht zu ziehen. Ebenso wenig können Folgerungen aus der Einbeziehung der Anästhesisten in die Regelung zum Regelleistungsvolumen gezogen werden. Soweit bei der Aufzählung einzelner Leistungen die Nrn. 31101 bis 31351 EBM 2005 – ambulante und belegärztliche Operationen – mit aufgeführt werden, betrifft dies Operationsleistungen verschiedener Fachgebiete und nicht anästhesistische Leistungen. Die Aufführung der auch "belegärztlichen Operationen", die insofern ein Teil der "stationären (belegärztlichen) Behandlungsfälle" sind, dürfte allein der Überschrift des Abschnitts 31.2 EBM 2005 (ambulante und belegärztliche Operationen) geschuldet sein. Auch hieraus vermochte die Kammer keine Folgerung für die von ihr getroffene Wortlautauslegung abzuleiten. Ferner sind der Kammer auch keine Gründe ersichtlich, weshalb zwischen den Leistungen des Belegarztes und denen der Anästhesisten bei Belegarztfällen bzgl. des Regelleistungsvolumens unterschieden werden sollte.
Im Übrigen waren die angefochtenen Bescheide aber nicht zu beanstanden.
Soweit die Beklagte für die Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens keinen festen, im Vorhinein fest vereinbarten Punktwert vergütet hat, war dies von der Kammer nicht zu beanstanden.
§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V sieht zwar vor, dass insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina). Entsprechend sieht Ziffer 6.4 HVV zunächst vor, dass die nach Abzug der Vorwegvergütungen und zu festen Punktwerten vergüteten Leistungen dann noch verbleibenden Honorarforderungen der Praxis der Bewertung mit einem Punktwert von 4,0 Ct. bis zu dem nach Ziffer 6.3 HVV für das aktuelle Quartal festgestellten praxisindividuellen Regelleistungsvolumen unterliegen. Darüber hinausgehende Honorarforderungen sind mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Ct. zu bewerten.
Die Kammer hält die Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages aber für gerade noch befugt, diesen Punktwert zu quotieren, d. h. davon abhängig zu machen, welches Honorarvolumen den abgerechneten Leistungen gegenübersteht, soweit die Quotierung auf honorarvertraglicher Grundlage erfolgt.
Für die hier maßgebliche fachärztliche Versorgungsebene sieht Ziffer 2.2 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 HVV vor, dass, reicht der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht aus, eine Quotierung aller Honorarforderungen innerhalb des Regelleistungsvolumens und damit des Punktwertes von 4,0 Ct. zu erfolgen hat. Soweit die so festgestellten Quoten um mehr als 15 %&8208;Punkte von der nach gleicher Vorgehensweise über alle Honorar(unter)gruppen der Honorargruppe B 2 gebildeten (mittleren) Quote abweichen, ist, soweit möglich, ein Ausgleich zwischen den Honorar(unter)gruppen B 2.1 bis B 2.32 mit dem Ziel der Erreichung einer maximalen Abweichung von 15 %&8208;Punkten von der mittleren Quote für alle Honorar(unter)gruppen B 2.1 bis B 2.32 durchzuführen.
Wenn auch einiges dafür spricht, dass die Vorstellung des Gesetzgebers von einer Begrenzung des Leistungsgeschehens durch Regelleistungsvolumina bei gleichzeitig garantiertem Punktwert mit einhergehender Kalkulationssicherheit ausging, so besteht jedenfalls keine rechtliche Garantie für eine bestimmte Höhe des Punktwerts. Die Vereinbarung eines festen Punktwerts von 4 Cent im HVV, der nach Kenntnis der Kammer so gut wie in keiner Honorar(unter)gruppe im Ergebnis zur Festsetzung kam, ist einer offensichtlich Fehlkalkulation der Vertragsparteien des HVV geschuldet. Es kann hier dahinstehen, ob und welche berufspolitischen Überlegungen hinter einer solchen Vereinbarung standen, ob dadurch ein günstiger Vertragsabschluss signalisiert werden sollte. Insofern erleichtert die dargestellte Regelungssystematik des HVV nicht die Erkenntnis, dass der im Gegensatz zur Koloskopieleistung nach Nr. 13421 EBM 2005 vorgegebene feste Punktwert von 4 Cent für Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens nicht unter dem "Vorbehalt einer gegebenenfalls erforderlichen Quotierung" steht, sondern dieser Vorbehalt sich erst aus den Anlagen zum HVV ergibt. Jedenfalls hätte bei realistischerer Kalkulation bei einer begrenzten Gesamtvergütung nur ein tieferer Punktwert vereinbart werden können, der im Hinblick auf Sicherheitstoleranzen u. U. unterhalb des jetzt im Ergebnis festgesetzten quotierten Punktwerts gelegen hätte. Damit würde gerade der Honoraranspruch der Praxen, deren Abrechnung sich im Wesentlichen innerhalb des Regelleistungsvolumens bewegt, eher vermindert werden. Die Vorgabe des Regelleistungsvolumens geht aber davon aus, dass damit grundsätzlich das Leistungsgeschehen adäquat erfasst wird und ein auskömmliches Praxisergebnis erzielt werden kann. Die Quotierung innerhalb des Regelleistungsvolumens führt im Ergebnis dazu, dass im Regelfall ein höherer Punktwert innerhalb des Regelleistungsvolumens erreicht wird, ohne dass es zu Stützungsmaßnahmen aus den anderen Honorar(unter)gruppen kommt. Insofern ist den Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages ein Regelungsspielraum einzuräumen.
Aber auch unterstellt, es ist von einer Rechtswidrigkeit der Quotierungsregelungen auszugehen, so besteht kein Anspruch auf eine Vergütung zu einem Punktwert von 4 Cent. Die Regelungen zur Festvergütung von 4 Cent und Quotierung bilden insofern eine Einheit. Hielte man eine Quotierung für unzulässig, so könnte die Beklagte bzw. die Vertragsparteien nur verpflichtet werden, einen festen Punktwert rückwirkend festzusetzen bzw. zu vereinbaren, der aber angesichts der begrenzten Gesamtvergütung nicht höher als der im Ergebnis quotierte Punktwert liegen könnte.
Nicht zu beanstanden war von der Kammer ferner, dass die das Regelleistungsvolumen übersteigenden Leistungsanforderungen mit einem einheitlichen, dem sog. unteren Punktwert vergütet werden. Soweit nach § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte vorzusehen ist, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird, folgt für die Kammer nicht, dass "abgestaffelt" so zu verstehen ist, dass mindestens zwei Punktwertgruppen zu bilden sind. "Abgestaffelt" ist nach Auffassung der Kammer so zu verstehen, dass ein geringerer Punktwert zur Auszahlung gelangt als für die Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens, was vorliegend der Fall war.
Es bestand auch keine Verpflichtung zur Auszahlung eines festen Punktwerts von 5,11 Cent. Zutreffend hat die Beklagte dargelegt, dass der Bewertungsausschuss insofern zum Inkrafttreten des EBM 2005 keine bindende Vorgabe weder generell noch für einzelne Leistungsbereiche gemacht hat. Soweit der EBM 2005 auf der Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation mit einem Punktwert von 5,11 Cent erstellt wurde, handelt es sich um eine Rechengröße. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Auszahlung eines festen Punktwerts ist der Kammer nicht ersichtlich. Vielmehr beschränkt sich der Anspruch des Vertragsarztes auf die Teilnahme an der Honorarverteilung und nicht auf einen bestimmten Honoraranspruch (§ 85 Abs. 4 SGB V).
Soweit die Klägerin sich letztlich gegen eine zu geringe Vergütung ihrer Leistungen wendet, so kann dies letztlich erst nach Neubescheidung beurteilt werden.
Allgemein gilt allerdings, dass nach § 72 Abs. 2 SGB V die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln ist, dass (auch) die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Aus dieser Bestimmung kann ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf höheres Honorar für ärztliche Tätigkeiten erst dann in Betracht kommen, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen, etwa in einer Arztgruppe, und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden Vertragsärzte gefährdet wird (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R – aaO., juris Rdnr. 130 m. w. N.). Anzeichen hierfür sind nicht ersichtlich. Auch für das Fachgebiet der Klägerin besteht im Bezirk der Beklagten bedarfsplanungsrechtlich weiterhin eine Überversorgung und wird damit die vertragsärztliche Versorgung gewährleistet.
Bei einer Neubescheidung ist die Beklagte daher auch nicht verpflichtet, die bisherigen Punktwerte als Mindestpunktwerte oder höhere Punktwerte festzusetzen. Sie kann vielmehr die Auswirkungen der Entscheidung der Kammer auf die gesamte Honorarverteilung berücksichtigen und insofern neue Punktwerte errechnen. Lediglich aus dem Grundsatz des Verböserungsverbots (reformatio in peius) besteht eine Bindung an den bereits festgesetzten Gesamthonoraranspruch.
Nach allem war der Klage aus den genannten Gründen stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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