S 37 AS 23403/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 23403/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 13.5.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2008 wird aufgehoben. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides.

Die Klägerin hatte im Jahr 2007 vom Job Center Friedrichshain-Kreuzberg Alg II erhalten. Wegen einer Schwerbehinderung (GdB 80) mit Merkzeichen G und B war ihr über die AA Mitte eine berufsvorbereitende Maßnahme mit Internatsunterbringung vermittelt worden. Hierüber war sie in einem Schreiben der AA Mitte vom 17. Oktober 2007 informiert worden. Als Beginn der Maßnahme war der "nächstmögliche Zeitpunkt" vorgesehen.

Infolge eines Umzugs der Klägerin in den Bezirk L hatte das dortigen Job Center, der Beklagte, Alg II in Höhe von 347 EUR und die Unterkunftskosten in Höhe von 269,- EUR monatlich sowohl für den Zeitraum 15.11.2007 bis 30.4.2008 als auch vom 1.5. bis 31.10.2008 unter Anrechnung des Kindergeldes übernommen (Bescheide vom 16.1.2008).

Am 3.3.2008 begann die berufsvorbereitende Maßnahme, die die AA Mitte durch Übernahme der Ausbildungs- und Fahrkosten von Berlin nach Potsdam förderte. Außerdem erhielt die Klägerin ein monatliches Ausbildungsgeld in Höhe von 93,- EUR

Mit der Begründung, die Klägerin befinde sich in einer dem Grunde nach mit BAB förderbaren Ausbildung und unterliege daher einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II, lehnte der Beklagte einen Alg II-Fortzahlungsantrag von April 2008 ab. Die noch bis Ende April gezahlten Leistungen (938,55 EUR) forderte der Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 13.5.2008 zurück.

Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2008).

Hiergegen richtet sich die am 28. Juli 2008 erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend macht, sie sei aufgrund der Vermittlung der Maßnahme über die AA Mitte davon ausgegangen, dass sie weiter Alg II erhalte, um ihre Wohnung und den Lebensunterhalt während der Schließungszeiten des Internats (an den Wochenenden, an Feiertagen und während der Ferienzeit vom 2. bis zum 17.8.2008) finanzieren zu können; anderenfalls hätte sie die Maßnahme gar nicht angetreten. Inzwischen habe sie die Wohnung wegen rückständiger Mieten verloren und wohne in einem Übergangshaus. Dennoch setzte sie die Ausbildung fort.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 13.5.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2008 aufzuheben.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat ungeachtet der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Denn eine mit Ausbildungsgeld geförderte Maßnahme nach den §§ 100 ff SGB III begründet keinen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, die nur von "im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III" förderbaren Ausbildungen spricht. Dass die Vorschriften über die BAB nach § 104 Abs. 2 SGB III für das Ausbildungsgeld "entsprechend" gelten, dient der Bemessung, Berechnung und Bewilligung des Ausbildungsgeldes (vorbehaltlich besonderer Bestimmungen) und lässt daher keinen Schluss auf den Umfang der Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II zu. Es bleibt ja dabei, dass es sich um Maßnahmen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben handelt, also nicht um eine Förderung im Rahmen von BAB oder BAföG.

Aus der Regelung des § 22 Abs. 7 SGB II folgt zumindest für die hier absolvierte Maßnahme nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III kein gegenteiliger Schluss; für diese Maßnahmen gibt es keinen Mietzuschuss, was nur dann folgerichtig ist, wenn der Teilnehmer weiter SGB II-Anspruchsberechtigt ist. Das LSG Sachsen schein hiervon als Selbstverständlichkeit auszugehen (Urteil vom 1.11.2007 – L 3 AS 158/06), während das LSG Berlin-Brandenburg die wesentlichen Gründe für die Nichtgeltung des Leistungsausschlusses bei einer Teilhabemaßnahme nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der Entscheidung L 5 B 10/08 AS ER vom 11.2.2008 überzeugend darlegt.

Da die hiesige Klage nur die Aufhebung und Erstattung des bis 30.4.2008 gezahlten Alg II betrifft, könnte die Klägerin ohnehin nur über eine Einkommensanrechnung wegen nachträglich zugeflossenen Einkommens gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB X belastet werden; die Annahme eines grob fahrlässigen Nichtwissens vom Wegfall der Anspruchsberechtigung (§ 48 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB X) ist abwegig, eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht ( § 48 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB X) kann der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Sie konnte, ja musste davon ausgehen, dass der Beklagte über die beabsichtigte Fördermaßnahme unterrichtet war.

Indes kann die angefochtene Entscheidung auch als Teilkorrektur infolge einer Einkommensanrechnung keinen Bestand haben. Denn das geringe Ausbildungsgeld in Höhe von 93 EUR hat Taschengeldcharakter und dient dazu, die Motivation zur Absolvierung der Maßnahme zu unterstützen. Die gegenteilige Ansicht des LSG Sachsen (a.a.O.) ist nicht überzeugend. Sie lässt nach Ansicht des Gerichts außer Acht, dass der Bedarf nur dann auf 93 EUR beschränkt ist, "wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Kostenträger übernommen werden" (§105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). M.a.W. die 93 EUR gibt es zusätzlich zur Sicherstellung des Lebensunterhalts und des Wohnens.

Außerdem liegt die Höhe des Zusatz-Bedarfs bei internatsmäßiger Unterbringung nur so geringfügig über dem unstreitig anderen Zwecken als der Existenzsicherung dienendem Taschengeld in einer Werkstatt für Behinderte (57 EUR bzw. 67 EUR), dass daraus keine Unterhaltssicherungsfunktion (der 93 EUR) hergeleitet werden kann. Schließlich ist der Betrag auch so gering, dass daneben eine volle Regelleistung gerechtfertigt ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Klägerin wegen der Schließzeiten des Internats eine Wohnung vorhalten muss und darüber vermehrte Aufwendungen hat.

Die von der AA Mitte finanzierte Vollverpflegung an den Unterrichtstagen mindert die Regelleistung nicht. Dies wäre zwar sachgerecht, die Regelsätze nach § 20 SGB II sind jedoch als feste Pauschalen ausgestaltet. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht im Verordnungsweg (§ 2 Abs. 5 Alg II-VO) ausgehebelt werden (so zutreffend LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.2.2008 – L 9 AS 7/08).

Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides war daher ganz aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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