Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 892/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der im Jahr 1966 geborene Kläger, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, erstrebt die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der Kläger beantragte am 16.08.2006 beim Beklagten die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Nach Auswertung der vom behandelnden Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. S. vorgelegten Atteste und auf Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.11.2006 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 04.12.2006 einen GdB von 80 seit 16.08.2006 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen legte er eine posttraumatische Belastungsstörung und Depression zugrunde. Die Zuerkennung von Merkzeichen lehnte er insgesamt ab. Hiergegen legte der Kläger am 02.01.2007 Widerspruch ein mit dem Antrag, die Merkzeichen "G" und "B" zuzuerkennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 05.03.2007 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er könne nicht ohne Begleitung das Haus verlassen, seine Familie dürfe ihn sogar zu Hause nicht alleine lassen. Er könne nicht alleine ohne Gefahren für sich oder andere aus dem Haus gehen und schon gar nicht öffentliche Verkehrsmittel ohne fremde Hilfe benutzen. Zur Verarbeitung seiner traumatischen Erlebnisse sei er in Stuttgart in therapeutischer Behandlung. Ohne Zuerkennung der Merkzeichen "B" und "G" sei er aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, die Therapie aufzusuchen.
Das SG hat die behandelnde Dipl.-Psych. U. als Zeugin gehört. Diese hat unter dem 12.04.2007 mitgeteilt, dem Kläger sei es in Begleitung zuzumuten, zwei Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Bei ihm bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung nach traumatischen Erlebnissen mit wiederholter Bedrohung des Lebens während des Kosovo-Krieges. Daneben bestehe eine schwer ausgeprägte Agoraphobie mit Panikstörung. Der Kläger vermeide es, die Wohnung zu verlassen und begebe sich nur noch in Begleitung nach draußen. Die Agoraphobie mit Panikstörung wirke sich indirekt auf die Gehfähigkeit aus, da der Kläger aufgrund von Panikattacken mehrfach gestürzt sei und sich dadurch eine massive Erwartungsangst beim Verlassen der Wohnung entwickelt habe. Hierdurch träten bei Verlassen der Wohnung Schwindel und Körpermissempfindungen auf. Dr. S. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 23.04.2007 mitgeteilt, der Kläger leide an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit erheblichen psychosozialen Auswirkungen. Er könne ca. 2 km in einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen, aber aufgrund seiner psychosomatischen Störung nur in Begleitung.
Mit Urteil vom 16.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt. Das Gehvermögen des Klägers sei unmittelbar nicht eingeschränkt, insbesondere leide er nicht an Behinderungen im Bereich der Beine, Füße, der Wirbelsäule oder an sonstigen orthopädischen Gesundheitsstörungen. Es lägen auch keine inneren Leiden im Sinne der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) Ziffer 30 Abs. 2 vor. Beim Kläger lägen auch keine Anfälle im Sinne von Ziffer 30 Abs. 2 AHP vor. Hierunter fielen hirnorganische Anfälle, insbesondere epileptische Anfälle oder hypoglykämische Schocks bei Zuckerkranken, d.h. solche Anfälle, die mit Bewusstseinverlust und Sturzgefahr verbunden seien, nicht jedoch Antriebsstörungen oder Angstzustände aufgrund psychischer Leiden. Beim Kläger liege auch keine Störung der Orientierungsfähigkeit im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vor. Es läge auch keine der in Ziffer 30 Abs. 5 AHP aufgeführten Störungen der Orientierungsfähigkeit vor. Insbesondere sei der Kläger nicht mit geistig Behinderten vergleichbar. Der Gesetzgeber habe die Gleichstellung von Behinderten mit Störungen der Orientierungsfähigkeit (insbesondere auch wegen einer geistigen Behinderung) mit psychisch kranken Behinderten nicht beabsichtigt. Diejenigen behinderten Menschen, die infolge einer schweren Störung mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten (im Sinne der AHP Ziffer 26.3) ihren Haushalt nicht mehr bzw. nicht mehr alleine verließen, benötigten auch letztlich nicht das Merkzeichen "G" und die damit verbundene finanzielle Erleichterung bezüglich des eigenen PKW oder bezüglich öffentlicher Verkehrsmittel; denn letztlich könne hierdurch kein "Ausgleich" des behinderungsbedingten Nachteils erfolgen. Die Aufzählung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sei - auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - abschließend. Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorlägen, komme auch die Feststellung des Merkzeichens "B" nicht in Betracht.
Gegen das am 13.12.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.12.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei ihm liege eine psychische Erkrankung vor, die mit einer Störung der Orientierungsfähigkeit einhergehe. Ohne Begleitung sei er nicht in der Lage, seine Wohnung zu verlassen, da dies aufgrund seiner schweren Agoraphobie zu massiven Panikattacken führe, verbunden mit Störungen der Orientierungsfähigkeit bzw. einer Sturzgefahr.
Die als sachverständige Zeugin gehörte Dipl.-Psych. U. hat mitgeteilt, der Kläger befinde sich seit Oktober 2005 in ihrer ambulanten psychologischen Traumabehandlung. Er habe glaubhaft berichtet, bisher drei Mal - im Sommer 2007 - gestürzt zu sein, ohne sich hierbei ernsthafte Verletzungen zugezogen zu haben. Hierbei sei er nicht in Begleitung gewesen. Wegen dieser Erfahrungen traue er sich nicht mehr, alleine seine Wohnung zu verlassen.
Der Senat hat weiter den Bericht des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Winnenden vom 18.04.2008 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 03.04.2008 bis 18.04.2008 beigezogen. Darin wird u.a. ausgeführt, differentialdiagnostisch handle es sich beim vorliegenden Symptombild sicherlich um ein posttraumatisches Belastungssyndrom, allerdings mit zwischenzeitlich erheblicher Chronifizierung im Sinne sozialer Retardierung, welche sich bei deutlichem sekundärem Krankheitsgewinn zwischenzeitlich massiv verfestigt habe. Aus diesem Grunde scheine es unabdingbar, dass der Kläger einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb seiner häuslichen Situation nachgehen könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. November 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 04. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2007 zu verurteilen, bei ihm eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) und die Notwendigkeit ständiger Begleitung (Merkzeichen B) für die Zeit ab dem 16. August 2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Nach § 69 Abs. 4 SGB IX sind neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale festzustellen, welche Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des Merkzeichens "G" gemäß § 146 SGB IX.
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert.
Die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr im Sinne von § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in § 146 Abs. 1 SGB IX definiert. Danach ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Hierzu bestimmen die AHP, die ein auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge darstellen und deshalb normähnlich wirken und wie antizipierte Sachverständigengutachten heranzuziehen sind (st. Rspr., zuletzt BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - in juris), dass bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein, d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen noch zu Fuß zurückgelegt werden (AHP Ziffer 30 Abs. 2).
In der Rechtsprechung wird die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr pauschaliert nach einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde angenommen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - SozR 3870 § 60 Nr. 2). Die AHP nennen Regelfälle, in denen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind. Sie bestimmen damit zugleich den Maßstab, nach dem im Einzelfall zu beurteilen ist, ob dort nicht genannte Behinderungen die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ebenso erheblich beeinträchtigen (BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs. 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr. 2).
Das BSG hat zunächst entschieden (BSG, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BVs 45/93 - in juris), die Aufzählung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Anfälle und Störungen der Orientierungsfähigkeit) in § 60 Abs. 1 Satz 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), der Vorgängerregelung von § 145 SGB IX, durch die die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sein könne und die der Störung des Gehvermögens gegenübergestellt würden, sei abschließend. Psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nicht mit "Anfällen" gleichzusetzen seien und nicht zu Störungen der Orientierungsfähigkeit führten, sondern nur z.B. mit Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen einhergingen, seien daher in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung dieses Urteils setzt die Zuerkennung des Merkzeichens "G" voraus, dass die psychischen Behinderungen zu einer Störung der Orientierungsfähigkeit führen. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
Das BSG hat im Urteil vom 13.08.1997 (a.a.O) zwar weiter ausgeführt, die AHP gäben als antizipierte Sachverständigengutachten an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssten, bevor angenommen werden könne, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei". Damit trügen die AHP dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Messgröße sei, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert werde. Darunter seien neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filterten die AHP alle jene heraus, die außer Betracht zu bleiben hätten, weil sie die Bewegungsfähigkeit des Schwerbehinderten im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigten. Die AHP beschrieben Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen seien, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen könnten.
Auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabes liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vor. Bei ihm liegen weder sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule noch innere Leiden wie z.B. Herzschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion vor. Auch hirnorganische Anfälle treten nicht auf. Darüber hinaus liegen auch keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor, wie sie in Ziffer 30 Abs. 5 AHP beschrieben werden. In Betracht kommt allein eine Analogie zu geistig behinderten Menschen. Nach Ziffer 30 Abs. 5 AHP sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit bei geistig behinderten Menschen vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurecht finden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes teilt der Senat die Auffassung des SG, dass eine Gleichstellung des Klägers mit geistig behinderten Menschen hinsichtlich der Voraussetzungen des § 146 SGB IX nicht gerechtfertigt ist. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass er, sobald er ohne vertraute Personen sich im öffentlichen Raum bewegt, Angstzustände entwickelt. Er hat sich jedoch auch ohne Begleitung von Familienangehörigen in der Öffentlichkeit bewegt. Dipl.-Psych. U. hat lediglich anamnestisch von drei Stürzen des Klägers im Sommer 2007 berichtet, ohne dass diese zu größeren Verletzungen geführt hätten. Auch im Entlassungsbericht des ZfP Winnenden ist angegeben, der Kläger habe Unfälle oder Erkrankungen in seinem Vorleben in Abrede gestellt. Damit liegt keine Störung der Orientierungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Eine Gleichstellung mit geistig behinderten Menschen käme nur dann in Betracht, wenn sich die Einschränkung in gleicher Weise auf das Zurechtfinden im Straßenverkehr auswirken würde. Dies ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall, da beim Kläger nicht die Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist. Hierfür sprechen auch die Ausführungen im Bericht des ZfP Winnenden, es sei angezeigt, den Kläger in eine tagesstrukturierende Einrichtung zu übernehmen, um einer Chronifizierung des posttraumatischen Belastungssyndroms mit sozialer Retardierung entgegenzuwirken.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" sind auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nicht erfüllt.
Benötigt ein schwerbehinderter Mensch, der einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung nach § 145 Abs. 1 SGB IX hat, nach § 146 Abs. 2 SGB IX eine ständige Begleitperson, so wird auch diese nach § 145 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Nah- und Fernverkehr unentgeltlich befördert. Ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen gem. § 146 Abs. 2 SGB IX notwendig, die bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung wird durch das Merkzeichen "B" nachgewiesen.
Unentgeltlich zu befördern ist nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes aber nur die Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1 SGB IX, also desjenigen, der selbst infolge seiner Behinderung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist (BSG, Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 6/86 - SozR 3870 § 58 Nr. 2 zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängerregelung in §§ 59, 60 SchwbG). Diese Voraussetzung - mithin die Zuerkennung des Merkzeichens "G" - erfüllt der Kläger nicht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger aus sonstigen Gründen einer Begleitperson bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der im Jahr 1966 geborene Kläger, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, erstrebt die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der Kläger beantragte am 16.08.2006 beim Beklagten die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Nach Auswertung der vom behandelnden Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. S. vorgelegten Atteste und auf Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.11.2006 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 04.12.2006 einen GdB von 80 seit 16.08.2006 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen legte er eine posttraumatische Belastungsstörung und Depression zugrunde. Die Zuerkennung von Merkzeichen lehnte er insgesamt ab. Hiergegen legte der Kläger am 02.01.2007 Widerspruch ein mit dem Antrag, die Merkzeichen "G" und "B" zuzuerkennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 05.03.2007 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er könne nicht ohne Begleitung das Haus verlassen, seine Familie dürfe ihn sogar zu Hause nicht alleine lassen. Er könne nicht alleine ohne Gefahren für sich oder andere aus dem Haus gehen und schon gar nicht öffentliche Verkehrsmittel ohne fremde Hilfe benutzen. Zur Verarbeitung seiner traumatischen Erlebnisse sei er in Stuttgart in therapeutischer Behandlung. Ohne Zuerkennung der Merkzeichen "B" und "G" sei er aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, die Therapie aufzusuchen.
Das SG hat die behandelnde Dipl.-Psych. U. als Zeugin gehört. Diese hat unter dem 12.04.2007 mitgeteilt, dem Kläger sei es in Begleitung zuzumuten, zwei Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Bei ihm bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung nach traumatischen Erlebnissen mit wiederholter Bedrohung des Lebens während des Kosovo-Krieges. Daneben bestehe eine schwer ausgeprägte Agoraphobie mit Panikstörung. Der Kläger vermeide es, die Wohnung zu verlassen und begebe sich nur noch in Begleitung nach draußen. Die Agoraphobie mit Panikstörung wirke sich indirekt auf die Gehfähigkeit aus, da der Kläger aufgrund von Panikattacken mehrfach gestürzt sei und sich dadurch eine massive Erwartungsangst beim Verlassen der Wohnung entwickelt habe. Hierdurch träten bei Verlassen der Wohnung Schwindel und Körpermissempfindungen auf. Dr. S. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 23.04.2007 mitgeteilt, der Kläger leide an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit erheblichen psychosozialen Auswirkungen. Er könne ca. 2 km in einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen, aber aufgrund seiner psychosomatischen Störung nur in Begleitung.
Mit Urteil vom 16.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt. Das Gehvermögen des Klägers sei unmittelbar nicht eingeschränkt, insbesondere leide er nicht an Behinderungen im Bereich der Beine, Füße, der Wirbelsäule oder an sonstigen orthopädischen Gesundheitsstörungen. Es lägen auch keine inneren Leiden im Sinne der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) Ziffer 30 Abs. 2 vor. Beim Kläger lägen auch keine Anfälle im Sinne von Ziffer 30 Abs. 2 AHP vor. Hierunter fielen hirnorganische Anfälle, insbesondere epileptische Anfälle oder hypoglykämische Schocks bei Zuckerkranken, d.h. solche Anfälle, die mit Bewusstseinverlust und Sturzgefahr verbunden seien, nicht jedoch Antriebsstörungen oder Angstzustände aufgrund psychischer Leiden. Beim Kläger liege auch keine Störung der Orientierungsfähigkeit im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vor. Es läge auch keine der in Ziffer 30 Abs. 5 AHP aufgeführten Störungen der Orientierungsfähigkeit vor. Insbesondere sei der Kläger nicht mit geistig Behinderten vergleichbar. Der Gesetzgeber habe die Gleichstellung von Behinderten mit Störungen der Orientierungsfähigkeit (insbesondere auch wegen einer geistigen Behinderung) mit psychisch kranken Behinderten nicht beabsichtigt. Diejenigen behinderten Menschen, die infolge einer schweren Störung mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten (im Sinne der AHP Ziffer 26.3) ihren Haushalt nicht mehr bzw. nicht mehr alleine verließen, benötigten auch letztlich nicht das Merkzeichen "G" und die damit verbundene finanzielle Erleichterung bezüglich des eigenen PKW oder bezüglich öffentlicher Verkehrsmittel; denn letztlich könne hierdurch kein "Ausgleich" des behinderungsbedingten Nachteils erfolgen. Die Aufzählung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sei - auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - abschließend. Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorlägen, komme auch die Feststellung des Merkzeichens "B" nicht in Betracht.
Gegen das am 13.12.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.12.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei ihm liege eine psychische Erkrankung vor, die mit einer Störung der Orientierungsfähigkeit einhergehe. Ohne Begleitung sei er nicht in der Lage, seine Wohnung zu verlassen, da dies aufgrund seiner schweren Agoraphobie zu massiven Panikattacken führe, verbunden mit Störungen der Orientierungsfähigkeit bzw. einer Sturzgefahr.
Die als sachverständige Zeugin gehörte Dipl.-Psych. U. hat mitgeteilt, der Kläger befinde sich seit Oktober 2005 in ihrer ambulanten psychologischen Traumabehandlung. Er habe glaubhaft berichtet, bisher drei Mal - im Sommer 2007 - gestürzt zu sein, ohne sich hierbei ernsthafte Verletzungen zugezogen zu haben. Hierbei sei er nicht in Begleitung gewesen. Wegen dieser Erfahrungen traue er sich nicht mehr, alleine seine Wohnung zu verlassen.
Der Senat hat weiter den Bericht des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Winnenden vom 18.04.2008 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 03.04.2008 bis 18.04.2008 beigezogen. Darin wird u.a. ausgeführt, differentialdiagnostisch handle es sich beim vorliegenden Symptombild sicherlich um ein posttraumatisches Belastungssyndrom, allerdings mit zwischenzeitlich erheblicher Chronifizierung im Sinne sozialer Retardierung, welche sich bei deutlichem sekundärem Krankheitsgewinn zwischenzeitlich massiv verfestigt habe. Aus diesem Grunde scheine es unabdingbar, dass der Kläger einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb seiner häuslichen Situation nachgehen könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. November 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 04. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2007 zu verurteilen, bei ihm eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) und die Notwendigkeit ständiger Begleitung (Merkzeichen B) für die Zeit ab dem 16. August 2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Nach § 69 Abs. 4 SGB IX sind neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale festzustellen, welche Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des Merkzeichens "G" gemäß § 146 SGB IX.
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert.
Die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr im Sinne von § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in § 146 Abs. 1 SGB IX definiert. Danach ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Hierzu bestimmen die AHP, die ein auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge darstellen und deshalb normähnlich wirken und wie antizipierte Sachverständigengutachten heranzuziehen sind (st. Rspr., zuletzt BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - in juris), dass bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein, d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen noch zu Fuß zurückgelegt werden (AHP Ziffer 30 Abs. 2).
In der Rechtsprechung wird die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr pauschaliert nach einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde angenommen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - SozR 3870 § 60 Nr. 2). Die AHP nennen Regelfälle, in denen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind. Sie bestimmen damit zugleich den Maßstab, nach dem im Einzelfall zu beurteilen ist, ob dort nicht genannte Behinderungen die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ebenso erheblich beeinträchtigen (BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs. 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr. 2).
Das BSG hat zunächst entschieden (BSG, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BVs 45/93 - in juris), die Aufzählung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Anfälle und Störungen der Orientierungsfähigkeit) in § 60 Abs. 1 Satz 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), der Vorgängerregelung von § 145 SGB IX, durch die die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sein könne und die der Störung des Gehvermögens gegenübergestellt würden, sei abschließend. Psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nicht mit "Anfällen" gleichzusetzen seien und nicht zu Störungen der Orientierungsfähigkeit führten, sondern nur z.B. mit Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen einhergingen, seien daher in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung dieses Urteils setzt die Zuerkennung des Merkzeichens "G" voraus, dass die psychischen Behinderungen zu einer Störung der Orientierungsfähigkeit führen. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
Das BSG hat im Urteil vom 13.08.1997 (a.a.O) zwar weiter ausgeführt, die AHP gäben als antizipierte Sachverständigengutachten an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssten, bevor angenommen werden könne, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei". Damit trügen die AHP dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Messgröße sei, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert werde. Darunter seien neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filterten die AHP alle jene heraus, die außer Betracht zu bleiben hätten, weil sie die Bewegungsfähigkeit des Schwerbehinderten im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigten. Die AHP beschrieben Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen seien, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen könnten.
Auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabes liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vor. Bei ihm liegen weder sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule noch innere Leiden wie z.B. Herzschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion vor. Auch hirnorganische Anfälle treten nicht auf. Darüber hinaus liegen auch keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor, wie sie in Ziffer 30 Abs. 5 AHP beschrieben werden. In Betracht kommt allein eine Analogie zu geistig behinderten Menschen. Nach Ziffer 30 Abs. 5 AHP sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit bei geistig behinderten Menschen vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurecht finden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes teilt der Senat die Auffassung des SG, dass eine Gleichstellung des Klägers mit geistig behinderten Menschen hinsichtlich der Voraussetzungen des § 146 SGB IX nicht gerechtfertigt ist. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass er, sobald er ohne vertraute Personen sich im öffentlichen Raum bewegt, Angstzustände entwickelt. Er hat sich jedoch auch ohne Begleitung von Familienangehörigen in der Öffentlichkeit bewegt. Dipl.-Psych. U. hat lediglich anamnestisch von drei Stürzen des Klägers im Sommer 2007 berichtet, ohne dass diese zu größeren Verletzungen geführt hätten. Auch im Entlassungsbericht des ZfP Winnenden ist angegeben, der Kläger habe Unfälle oder Erkrankungen in seinem Vorleben in Abrede gestellt. Damit liegt keine Störung der Orientierungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Eine Gleichstellung mit geistig behinderten Menschen käme nur dann in Betracht, wenn sich die Einschränkung in gleicher Weise auf das Zurechtfinden im Straßenverkehr auswirken würde. Dies ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall, da beim Kläger nicht die Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist. Hierfür sprechen auch die Ausführungen im Bericht des ZfP Winnenden, es sei angezeigt, den Kläger in eine tagesstrukturierende Einrichtung zu übernehmen, um einer Chronifizierung des posttraumatischen Belastungssyndroms mit sozialer Retardierung entgegenzuwirken.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" sind auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nicht erfüllt.
Benötigt ein schwerbehinderter Mensch, der einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung nach § 145 Abs. 1 SGB IX hat, nach § 146 Abs. 2 SGB IX eine ständige Begleitperson, so wird auch diese nach § 145 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Nah- und Fernverkehr unentgeltlich befördert. Ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen gem. § 146 Abs. 2 SGB IX notwendig, die bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung wird durch das Merkzeichen "B" nachgewiesen.
Unentgeltlich zu befördern ist nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes aber nur die Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1 SGB IX, also desjenigen, der selbst infolge seiner Behinderung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist (BSG, Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 6/86 - SozR 3870 § 58 Nr. 2 zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängerregelung in §§ 59, 60 SchwbG). Diese Voraussetzung - mithin die Zuerkennung des Merkzeichens "G" - erfüllt der Kläger nicht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger aus sonstigen Gründen einer Begleitperson bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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