L 2 U 39/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3177/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 39/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente.

Der am 1952 geborene Kläger erlitt am 13.10.2004 einen Arbeitsunfall, als beim Anheben eines Holzbalkens (Holzpfette für Dachausbau, 10 m x 0,20 m x 0,30 m) mittels eines ferngesteuerten Krans der daneben gelagerte Holzbalken vom Stapel herunterfiel und gegen seine linke Oberschenkelvorderseite stieß. Die Erstbehandlung erfolgte am selben Tag durch Dr. M., Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, der - bei deutlichem Druckschmerz über der streckseitigen Oberschenkelmuskulatur im mittleren und proximalen Drittel mit schmerzhafter Beweglichkeit des linken Oberschenkels im Hüftgelenk - eine schwere Kontusion des Oberschenkels feststellte (D-Arztbericht vom 13.10.04). Bei der Nachuntersuchung am 19.10.2004 diagnostizierte er zusätzlich eine Beckenkontusion (Nachschaubericht v. 20.10.04). Er beschrieb eine erkennbare Hämatomverfärbung über der Streckseite des Oberschenkels mit deutlicher Druckschmerzhaftigkeit sowie - nun auch - einen Druckschmerz im Bereich der hüftgelenksnahen Dorsalseite des Oberschenkels und im Bereich der dorsalen Beckenschaufel. Eine Röntgenuntersuchung des linken Hüftgelenks mit Oberschenkel ergab keinen Hinweis auf eine knöcherne Verletzung. Am 29.10.2004 klagte der Kläger über zusätzliche Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Schmerzausstrahlung von der Gesäßbacke in die Wade (Auskunft Dr. M. im SG-Verfahren vom 20.12.2005). Am 06.11.04 nahm der Kläger zunächst seine Arbeit als Bauarbeiter wieder auf. Am 11.11.2004 berichtete Dr. M. einen noch deutlichen Druckschmerz im Bereich der linken Gesäßbacke über dem Ischias ohne ausstrahlende Schmerzen in das linke Bein mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit im Hüftgelenk. Die Kernspintomografie der LWS vom 16.11.2004 zeigte degenerative Spinalkanalstenosen bei L4/5 mit Bandscheibenvorfall und Kompressionsdruck auf die Nervenwurzel L4 links, sowie bei L3/4 und Bandscheibenprotrusionen bei L1/2 bzw. L5/S1 ohne wesentlichen Kompressionseffekt. Neurologische Abklärungen ergaben zunächst (Berichte Dr. Z. v. 29.11.2004 u. 13.01.2005) keine, später jedoch (Berichte vom 11.02.2005, 04.03.2005, 11.04.2005 und 29.07.2005) Läsionen der N. tibialis und peroneus links. Bei der Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen am 04.02.2005 wurden auf unfallchirurgischem Gebiet keine Unfallfolgen mehr festgestellt (Bericht Prof. Dr. W. v. 10.02.2005). Das beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Zollernalbkreis, das bis 1994 zurückreicht, ist hinsichtlich Wirbelsäulenerkrankungen leer. Dr. K. erstattete am 05.04.2005 das neurologische Gutachten über den Kläger. Er fand keinen Hinweis für eine periphere neurogene Läsion im Bereich des linken Oberschenkels, wohl aber ein deutliches lumbales Wurzelkompressionssyndrom L4/L5 links mit glaubhafter Schmerzsymptomatik aufgrund vorbestehender ausgeprägter degenerativer Veränderungen, durch den Unfall zeitlich befristet verschlechtert. Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfalls habe bis 30.04.2005 bestanden, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage danach 0 v.H. Mit Bescheid vom 24.05.2005 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente ab, weil Unfallfolgen nicht mehr bestünden. Als Unfallfolge anerkannte sie eine "Verheilte Kontusion des linken Oberschenkels und des linken Beckens". Der Widerspruch des Klägers, mit dem er sich gegen die Beurteilung des Dr. K. wandte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.09.2005).

Dagegen hat der Kläger am 22.07.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. Z. und Dr. M. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Dr. Z., der das Beschwerdebild des Klägers auf den Arbeitsunfall zurückführte, hat auf eine inzwischen erhebliche behandlungsbedürftige depressive Reaktion verwiesen und bewertete die MdE insgesamt mit 30 v.H ... Dr. M. hat die bestehenden Beschwerden sämtlich als Unfallfolge bewerte, da der Kläger vor dem Unfall keine beschwerdefrei gewesen sei; der Aussage begrfügt war der Bericht von Dr. B., Klinik für Neurologie des Schwarzwald-Baar Klinikums vom 30.08.2005, in dem eine auf den Arbeitsunfall zurückzuführende neurologische Ursache der Beschwerdesymptomatik ausgeschlossen und eine pseudoradikuläre Sensibilitätsstörung und Schmerzsyndrom des linken Beines ohne objektivierbares neurologisches Korrelat diagnostiziert worden war (Bl. 46 SG-Akte). Die Beklagte hat die Stellungnahme von Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vom 03.03.2006 vorgelegt. Gestützt auf die Befunderhebungen von Dr. M. und die elektrophysiologischen Untersuchungen von Dr. B. liegen seiner Beurteilung nach auf neurologischem Gebiet keine objektivierbaren Unfallfolgen vor. Ohne Mitteilung eines psychischen Befunds durch Dr. Z. seien unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. K. keine psychischen Unfallfolgen festzustellen. Auf das Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Prof. Dr. H. das neurologische Gutachten vom 25.09.2006 erstattet. Der Gutachter wies darauf hin, dass initial keine motorischen oder sensiblen Störungen, wohl aber ein Wechsel der Schmerzlokalisation am 03.11.2004 von der Vorder- zur Rückseite der linken Beckenschaufel und schließlich zum Gesäßbereich links hin dokumentiert worden sei. Dies spreche - bei kernspintomografisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der LWS - für eine initial noch nicht vorliegende, dann mit einer Latenz auftretende radikuläre lumbale Schmerzsymptomatik, was sich auch mit dem Befundwandel hinsichtlich der Gefühlsstörungen und den weiter erhobenen Befunden - etwa abgeschwächter Patellarsehnenreflex links wie auch die der Wurzel L5 entsprechende sensible Störung im Gutachten Dr. K. - in Einklang befände. Für die Untersuchungsergebnisse des Dr. Z. habe er keine plausible Erklärung finden können. Die sich wenige Tage nach dem Unfall zu den primären Schmerzen hinzugesellenden radikulären Beschwerden könnten einerseits durch den heftigen Stoß durch den Holzbalken, der auf eine vorgeschädigte Wirbelsäule getroffen sei, oder durch das infolge der schmerzhaften Hüftgelenksbeweglichkeit veränderte Gangbild und damit unphysiologischer Belastung hervorgerufen worden sein. Hierbei handele es sich jedoch nur um eine zeitlich befristete, vorübergehende Verschlimmerung einer subklinischen Gesundheitsstörung, bei der der Gesundheitszustand nach einer abgrenzbaren Zeitspanne von einem Vierteljahr in den schicksalhaft zu erwartenden Verlauf übergegangen sei, zumal sich der röntgenologische Wirbelsäulenbefund nicht verschlechtert habe. Ebenfalls gemäß § 109 SGG erstattete Dr. B. das psychiatrische Gutachten vom 26.02.2007, in dem sie sich der Beurteilung von Dr. K., Dr. M. und Prof. Dr. H. anschloss. Auch die eigene neurologische Untersuchung habe die befristete Verschlimmerung eines vorbestehenden subklinischen Leidens ergeben. Auf psychiatrischem Gebiet stellte sie eine Dysthymia und prämorbide neurotische Persönlichkeit mit kränkbaren, verletzbaren Zügen fest, die auch die anhaltenden Schmerzen und diffusen Sensibilitätsstörungen im Bein unterhielten. Diese seien jedoch nicht als Unfallfolge, sondern als Reaktion auf den Verlust des durch viel Arbeit bestimmten Lebenskonzepts zurückzuführen. Nach Wegfall von Arbeitsunfähigkeit am 30.04.2005 bestehe weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet eine MdE. Prof. Dr. H. hat - auf Veranlassung des Klägers ergänzend befragt - mitgeteilt, dass die lumbalen radikulären Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Rahmen einer Nervenwurzelreizung L5 eine MdE von 10 v.H. bedingen würden, sofern man diese als Unfallfolge unterstelle, was er aber nach wie vor nicht für zutreffend halte. Mit Urteil vom 06.12.2007 hat das SG gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. H., Dr. B. und Dr. K. die Klage abgewiesen. Die Kontusion im Bereich des Oberschenkels und der Hüfte links habe auf neurologischem Gebiet nicht zu einer relevanten unmittelbaren Schädigung von Nerven im Oberschenkel geführt. Die nach dem Unfall sich zu den primären Schmerzen hinzu gesellenden radikulären Beschwerden hätten lediglich zu einer zeitlich begrenzten Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens über einen Zeitraum von einem Vierteljahr geführt. Über das Ende von Arbeitsunfähigkeit hinaus betrage die MdE 0 vH. Dr. B. habe überzeugend dargelegt, dass eine psychische Erkrankung als unmittelbare Unfallfolge auszuschließen sei. Das Unfallereignis habe einen von seiner Persönlichkeit her leistungsorientierten Mann getroffen, der seine inneren Werte allein über seine Arbeitsleistung definiert habe. Da aber weder eine akute noch eine posttraumatische Belastungsstörung anzunehmen seien, könne die psychische Erkrankung des Klägers nicht auf das Trauma ursächlich zurückgeführt werden.

Gegen das ihm am 20.12.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.12.2007 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass das Unfallereignis nicht, wie von Prof. Dr. H. angenommen, Gelegenheitsursache, sondern wesentliche Teilursache sei. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. H. liege beim Kläger auch keine zeitlich befristete vorübergehende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens vor. Hierfür liege die Beweislast bei der Beklagten, denn wenn die unfallbedingte Schädigung und der dadurch verursachte unfallbedingte Schaden nachgewiesen und eine dadurch nachgewiesenen Beeinträchtigung eingetreten sei, und es keine zwingenden medizinischen Erkenntnisse gebe, dass der Schaden nach einer bestimmten Zeit abgeklinge, obliege es der Beweislast der Beklagten, nachzuW.n, dass es sich um eine abgrenzbaren Zeitspanne handelt, in der der Vorzustand wiederhergestellt wird oder dann eben der Verlauf in einen schicksalhaften Verlauf übergeht. Hierzu hat sich der Kläger sich auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30.01.2004 (Az. L 2 U 90/01) berufen. Nicht begründet sei die Aussage, dass die später auftretenden motorischen Einschränkungen auf das degenerative Wirbelsäulenleiden und nicht auf den Unfall zurückzuführen seien. Hier liege ein logischer Denkfehler insoweit vor, als Prof. Dr. H. selbst zu Recht darauf hinW., dass eine Fehlbelastung zumindest wesentliche Teileursache für das Auslösen und die Belastung der Wirbelsäule dargestellt habe. Diese Fehlbelastung zur Schmerzvermeidung sei nicht nach einem Vierteljahr vom Kläger aufgegeben worden, weshalb eine unfallbedingte, ständige Ursache für die chronischen Beschwerden des Klägers vorliege. Im Übrigen sei der von Prof. Dr. H. angenommene Vorschaden rechtlich irrelevant, da er klinisch stumm gewesen sei. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden wäre, dass zwingend beim Kläger zu dem vom Gutachter genannten Zeitpunkt auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen exakt die vorliegenden Beschwerden aufgetreten wären. Frau Dr. B. habe verkannt, dass beim Kläger eine reaktive Depression in Form einer Belastungsstörung als mittelbar unfallbedingte Veränderung vorliege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Dezember 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2005 abzuändern und dem Kläger unter Anerkennung der weiteren Unfallfolgen "Schmerzzustand nach Kontusion des linken Oberschenkels"und "sekundäre psychische Reaktion"eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuW.n.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit im Termin am 06.06.2008 mit den Beteiligten erörtert, in dem sich diese mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen und auf Gewährung von Verletztenrente.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 24.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2005, mit dem die Beklagte die Gewährung von Rente abgelehnt hat. Auf den zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) i.V.m. der Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend gemachten Anspruch finden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) Anwendung.

Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung von Unfallfolgen und Gewährung einer Verletztenrente zutreffend benannt; hierauf nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug (S. 7/8 der angefochtenen Entscheidung). Ergänzend wird ausgeführt: Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (zuletzt BSG vom 12.4.2005 -B 2 U 27/04 R). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72,76). Dabei kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelpersonen mit ihrer jeweiligen Struktureigenschaft im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (BSGE 66, 156, 158). Gleichzeitig ist aber im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m. w. N.). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache (oder mehreren Ursachen gemeinsam) gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte "wesentlich" und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt aber im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG Urteil vom 7.09.2004 - B 2 U 34/03 R).

In Anwendung dieser rechtlichen Kriterien erfüllt das Unfallereignis vom 13.10.2004 die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls (von außen auf den Körper einwirkendes schädigendes Ereignis, versicherte Tätigkeit, innerer Zusammenhang, Gesundheitserstschaden = Kontusion des linken Oberschenkels und Beckens). Auch der vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsschaden ist nachgewiesen; dabei ist dieser Gesundheitsschaden jedoch nicht der "Schmerzzustand nach Kontusion des linken Oberschenkels" und "die sekundäre psychische Reaktion", die der Kläger als Unfallfolgen festgestellt haben will, sondern der diesem Zustand bzw. dieser Reaktion zugrunde liegende Erkrankung, d.h. hinsichtlich der Schmerzen im Hüft- und Bein-Bereich die degenerativen Veränderungen der LWS mit Einengung des Spinalkanals und Bandscheibenvorfall und hinsichtlich der psychischen Auffälligkeiten die dysthymen Befindlichkeitsstörungen. Diese Feststellungen trifft der Senat auf der Grundlage der Gutachten und Stellungnahmen der Dres. K., Prof. W., M., Prof. H. und B., die in Auswertung der durchgeführten - auch apparativen - Untersuchungen übereinstimmend ein degeneratives LWS-Syndrom mit radikulären Reizerscheinungen sowie psychische Auffälligkeiten in Form einer Dysthymie, einhergehend mit Insomnie (Schlaflosigkeit) beschrieben haben. Insbesondere Prof. Dr. H. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt (S. 10 oben seines Gutachtens), wie sich ab Anfang November 2004 Schmerzlokalisation und Befunde in Richtung Lumbalsyndrom geändert haben, sodass der Senat keinen Zweifel daran hat, dass das beim Kläger vorhandene Schmerzbild - wie von Dr. K. fstgestellt - Ausdruck eines Lumbalsyndroms ist. Der abweichenden Beurteilung von Dr. Z., das Schmerzbild sei dem Kontusionsbereich zuzuordnen, folgt der Senat nicht. Denn es gibt nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. H. (S. 11 seines Gutachtens) keinen verwertbaren Hinweis für eine periphere Nervenschädigung durch den Unfall vom 13.10.2004.

Der geltend gemachte Feststellungs- und Rentenanspruch scheitert aber daran, dass das Lumbalsyndrom nur im Sinne einer vorübergehenden Verschlimmerung und die psychischen Beschwerden nicht rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall vom 13.10.2004 zurückzuführen sind. Der Senat schließt sich insoweit der Kausalitätsbeurteilung der zuvor genannten Ärzte an. Begrifflich kann eine Verschlimmerung nur vorliegen, wenn die zu beurteilende Gesundheitsstörung vor dem Unfallereignis bereits als klinisch manifester, mit objektivierbaren Veränderungen vorhandener Krankheitszustand bestanden hat, mag sie der Versicherte auch nicht bemerkt haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII § 8 9.11; ebenso Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rdnr. 377 m.w.H. auf Rechtsprechung und Literatur). In diesem Fall scheidet der Arbeitsunfall als Ursache im Sinne der Entstehung von vorne herein aus, es kommt nur eine Verschlimmerung der vorliegenden krankhaften Veränderungen durch das Unfallereignis in Betracht. Der durch das Ereignis bedingte Körperschaden besteht dann in einer Verschlimmerung des bereits im Zeitpunkt seines Einwirkens vorhandenen krankhaften Zustands. Das bedeutet, dass nicht das Grundleiden als solches mit allen seinen Auswirkungen Unfallfolge ist, sondern nur der gegenwärtige und künftige Anteil des Leidens, der dem Einfluss des Unfalls auf das Leiden und seinen weiteren Verlauf zuzurechnen ist.(vgl. Krasney a.a.O. Rdnr. 383 m.w.H.).

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies: Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch ein klinisch stummer (= subklinischer) Vorschaden rechtlich relevant. Die 4 Wochen nach dem Unfall angefertigte Kernspintomographie der LWS vom 16.11.2004 hat - wie von Dr. K. ausgeführt - ausgeprägte degenerative Veränderungen gezeigt, die das Wurzelkompressionssyndrom L4/5 links unterhalten haben. Da sich degenerative Veränderungen in der beschriebenen Form üblicherweise - wie Prof. Dr. H. ausgeführt hat - über einen langen Zeitraum entwickeln, haben diese krankhaften Veränderungen der Lendenwirbelsäule bereits zum Unfallzeitpunkt vorgelegen. Beim Kläger hat daher zum Unfallzeitpunkt ein - kernspintomographisch nachgewiesener - Vorschaden bestanden. Angesichts dieses im Vollbeweis nachgewiesenen Vorschadens ist das Unfallereignis für das geklagte Schmerzbild - wie Dr. K. dargelegt hat - ursächlich im Sinne der Verschlimmerung. Diese Einschätzung wird auch von den Wahlgutachtern Prof. Dr. H. und Dr. B. geteilt. Dabei hat Prof. Dr. H. für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass als Mechanismus einer derartigen Verschlimmerung der heftige Stoß durch den Holzbalken (der die degenerativ erheblich veränderte Wirbelsäule mittelbar trifft) in Betracht kommt und ferner davon auszugehen ist, dass die Oberschenkel- und Beckenkontusion mit schmerzhafter Hüftgelenksbeweglichkeit zu einer veränderten Körperhaltung und einem veränderten Gangbild geführt hat, wodurch die Lendenwirbelsäule in vermehrter unphysiologischer und ungewohnter W. beansprucht worden ist, was wiederum geeignet ist, auf dem Boden einer vorbestehenden degenerativen Vorschädigung der Lendenwirbelsäule hiervon ausgehende Schmerzen auszulösen. Liegt - wie hier - eine Verursachung im Sinne einer Verschlimmerung vor, ist weiter zu prüfen, ob eine richtunggebende oder nur eine vorübergehende Verschlimmerung gegeben ist. Alle gehörten Sachverständigen, auch die Wahlgutachter des Klägers, sind übereinstimmend zur der Beurteilung gelangt, dass der Unfall lediglich zu einer vorübergehende Verschlimmerung des bereits zum Unfallzeitpunkt bestehenden Wirbelsäulenschadens geführt hat. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. H. liegt eine dauerhaft abgegrenzte oder richtunggebende Verschlimmerung nicht vor, weil die kernspintomographische Untersuchung der LWS vom 08.07.2005 keine Verschlechterung oder beschleunigte Progredienz der degenerativen Veränderungen gezeigt hat und zudem keine Verschlechterung des klinischen und elektrophysiologischen Befundes festgestellt werden kann. Diese Beurteilung überzeugt den Senat, weil es plausibel erscheint, dass die unmittelbar durch die Kontusion hervorgerufenen Schmerzen im Oberschenkel- und Hüftbereich - über eine veränderte Körperhaltung und ein verändertes Gangbild - zu einer unphysiologischen Belastung der bereits geschädigten Wirbelsäule geführt und dort die geklagten radikulären Schmerzen ausgelöst haben; andererseits folgt hieraus aber auch, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall nur solange gegeben ist, als der Erstschaden (Kontusion) vorgelegen hat. Da eine Kontusion (Prellung) nach medizinischer Erfahrung in der Regel binnen weniger Wochen folgenlos ausheilt, auf chirurgischem (s. Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 10.02.2005) und ebenso auf neurologischem Fachgebiet (s. Gutachten Dr. K., im Ergebnis bestätigt durch den Bericht des Dr. B./Klinik für Neurologie des S.-Klinikums V.-) am linken Oberschenkel und Hüfte keine Unfallfolgen mehr festzustellen waren, sind die verbliebenen Beschwerden rechtlich wesentlich nicht mehr der durch den Unfall bedingten Kontusion, sondern dem (nachgewiesenen) Vorschaden zuzuordnen. Angesichts der in diesem Punkt übereinstimmenden Beurteilung durch alle Sachverständige sieht der Senat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Beurteilung zu zweifeln. Den hiervon abweichenden Beurteilungen von Dr. Z. und Dr. M. vermag der Senat nicht zu folgen. Den rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang - wie durch Dr. M. geschehen - allein mit der zeitlichen Abfolge zu begründen, ist nicht ausreichend. Die Auffassung von Dr. Z. sieht der Senat durch die Ausführungen von Prof. Dr. H. auf S. 12 seines Gutachtens als widerlegt an.

Schließlich liegt beim Kläger auch keine psychische Erkrankung vor, die als Unfallfolge festzustellen ist. Eine depressive Erkrankung haben - im Gegensatz zu Dr. Z. - weder Dr. K. noch Dr. B. feststellen können. Bei beiden Sachverständigen zeigte sich der Kläger bewusstseinsklar, voll orientiert, ohne formale und inhaltliche Denkstörungen und ohne Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen. Während bei Dr. K. die Grundstimmung ausgeglichen war, erschien die Stimmungslage bei Dr. B. leicht gedrückt und es zeigte sich eine leichte affektive Einengung, sodass Dr. B. - für den Senat nachvollziehbar - entsprechend ihrem dokumentierten Befund eine leichte psychische Störung mit dysthymen Befindlichkeitsstörungen und allgemeiner Lebensunzufriedenheit diagnostizierte. Einen rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser leichten psychischen Störung und dem Arbeitsunfall hat die Sachverständige - ebenso wie Dr. K. - verneint, da Hinweise für eine akute Belastungsstörung oder für eine posttraumatische Belastungsstörung sich weder anlässlich ihrer Untersuchung noch anhand der Aktenlage ergeben haben, was angesichts des objektiv nicht lebensbedrohlichen Arbeitsunfalls verständlich ist. Die von Dr. Z. mehrfach gestellte Diagnose einer depressiven Erkrankung ist - worauf Dr. B. zu Recht hingewiesen hat - mangels eines von ihm beschriebenen psychischen Befundes nicht nachvollziehbar. Damit kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass (weitere) Unfallfolgen, die eine MdE von mindestens 20 vH begründen könnten, nicht festzustellen sind; daraus folgt, dass der Kläger auch keinen Rentenanspruch gegenüber der Beklagten hat.

Diese Entscheidung des Senats steht nicht im Widerspruch zum zitierten Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts; im Gegensatz dazu ist im Fall des Klägers der Vorschaden - wie oben dargelegt - im Vollbeweis nachgewiesen; die Frage der Beweislastumkehr stellt sich somit nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor ( § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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