L 3 SB 156/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 156/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von wenigstens 50, mithin die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Der 1954 geborene Kläger hatte erstmals im Juli 1977 einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen gestellt. Die Beklagte hatte damals mit Bescheid vom 09.11.1977 aufgrund einer Erblindung des rechten Auges eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (heute: GdB) um 30 v.H. festgestellt. Einen im Januar 1997 gestellten Verschlimmerungsantrag des Klägers hatte der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.1997 und der Begründung, eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten, abgelehnt.

Mit dem beim Beklagten am 19. Februar 2007 eingegangenen Antrag verwies der Kläger erneut (nur) auf sein erblindetes rechtes Auge und verneinte darüber hinaus die Frage, ob der Antrag alle Gesundheitsstörungen umfassen solle, die sich aus den ärztlichen Unterlagen ergäben auch wenn sie im Antrag nicht aufgeführt seien. Der Beklagte zog hierauf einen Befundbericht der Augenärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr. S., Dr. W. und M. bei. Der Visus für das rechte Auge wurde mit "schwacher Lichtschein" angegeben, für das linke Auge "csc 1.0". Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 10.04.2007 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung mit Bescheid vom 16.04.2007 ab. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er eine Anerkennung von 50 % erwarte, weil er auf dem rechten Auge blind sei. Eine Rente sei ihm vom Beklagten bislang verweigert worden, obwohl er eine Behinderung von 50 % habe. Der Beklagte holte erneut eine Stellungnahme bei Obermedizinalrätin Dr. C. vom 29.06.2007 ein, welche ausführte, dass das linke Auge vollsichtig und der GdB wegen Blindheit des rechten Auges mit 25 bis 30 entsprechend den AHP zu bewerten sei. Eine Abhilfe werde daher nicht vorgeschlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der am 08.08.2007 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgt. Zur Begründung hat er eine Invaliditätstafel der A. Versicherung AG vorgelegt. Unter "A. Bedingungen 1999 für die Unfallversicherung für den Fall der Invalidität (A. VB-Unfall Invalidität 99)" ist unter § 3 Invaliditätsgrade der Verlust oder die Funktionsunfähigkeit unter anderem eines Auges mit 50 % bewertet angegeben worden. Er hat geltend gemacht, dass bereits vor 30 Jahren ein falscher Bescheid ausgestellt worden sei. Durch den unfallbedingten Ausfall seines Auges habe er nur Nachteile. Z.B. sei er zum Führerschein der Klasse 2 nicht zugelassen worden und habe deshalb nur eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten. Beruflich wie privat sei er auf maximal 100 km/h eingeschränkt. Motorradfahren dürfe er nur mit geschlossenem Visier. Es könne nicht sein, dass das Gesetz durch seine Bestimmungen eine Einschränkung bei der Invalidität vornehme, obwohl es ein Unfall gewesen sei. Deshalb müsse das Gesetz die Invalidität mit 50 % anerkennen, sonst sei der § 1 des Grundgesetzes, alle seien vor dem Gesetz gleich zu behandeln, verletzt.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat auf die für die Bewertung des GdB maßgeblichen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht hingewiesen. Danach sei der GdB mit 30 nicht zu beanstanden.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 09.11.1977 zugrunde gelegen haben, sei nicht eingetreten. Es bestehe nach wie vor eine Blindheit des rechten Auges. Weitere Funktionseinschränkungen an anderen Körperteilen seien vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Die vorliegende Funktionsstörung sei mit einem GdB von 30 nach den AHP 2004 richtig bemessen.

Gegen den ihm am 22.12.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.01.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung legt er ein Messprotokoll eines Optikers vom 27.12.2002 vor und macht geltend, dass es von Vorteil wäre, wenn das Gericht nicht die Daten aus dem Jahr 1977, sondern die Daten aus dem Jahr 2007 verwenden würde. Die körperliche Funktion (Überanstrengung des gesunden Auges, daher dauernder Kopfschmerz) und die seelische Gesundheit hätten durch die 30-jährige Benachteiligung und Einschränkungen (Sehfeld und Rundumsicht) ihre Spuren hinterlassen. Außerdem hat er ein augenärztliches Gutachten/Zeugnis zur Vorlage bei der Fahrerlaubnisbehörde vom 16.04.2008 (Prof. Dr. I., Dr. T., Universitäts- Augenklinik B., zum Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis C/CE) vorgelegt. Unter "II. Untersuchungsergebnis" wird ausgeführt, dass das Sehen durch folgende Störungen beeinträchtigt ist: "RA: Funktionelle Einäugigkeit bei traumatischer Optikusarthropie".

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Er verfolgt sein auf Feststellung eines höheren GdB gerichtetes Begehren auch im Berufungsverfahren mit der - allein - statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG - vgl. hierzu Urteil des Senats vom 08.06.2005 - L 3 SB 13/05 - m.w.N.) weiter. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung bleibt aber ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Der vom Beklagten anerkannte GdB von 30 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Hinsichtlich der Darstellung der Rechtsgrundlagen für die Feststellung des GdB und der dabei anzuwendenden Bewertungsmaßstäbe sowie auch hinsichtlich der vom SG vorgenommenen Bewertung nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleichlautenden AHP 2008 maßgebend sind. Eine andere Beurteilung der hier im Streit stehenden Funktionseinschränkungen ergibt sich durch die Anwendung der Neufassung der AHP nicht. Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid auch zutreffend dargelegt, dass die Bewertungsmaßstäbe einer privaten Unfallversicherung nicht auf die Feststellung eines Grades der Behinderung übertragbar sind. Auch auf diese Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang verwiesen werden.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren auf durch die Überanstrengung des gesunden Auges zurückgeführten andauernden Kopfschmerzen verweist, führen diese nicht zur Erhöhung des GdB. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob diese Erkrankung bei der Bildung des Gesamt-GdB berücksichtigt werden kann, weil der Kläger in seinem Antrag vom 19.02.2007 die Feststellungen des Beklagten auf die Blindheit des rechten Auges beschränkt hat, und ob es dann, wenn er die Einbeziehung in einem noch laufenden Klageverfahren dann doch begehrt, nicht an einem vorherigen Verwaltungsverfahren fehlt. Denn ganz offensichtlich ist die zusätzlich geltend gemachte Einschränkung nicht geeignet, den bereits berücksichtigten GdB zu erhöhen. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger deswegen offensichtlich keine ärztliche Behandlung in Anspruch nimmt. Zumindest hat er eine solche trotz Anfrage dem Senat nicht mitgeteilt. Darüber hinaus ist diese Einschränkung aber auch nicht in dem augenärztlichen Gutachten von Prof Dr. I. erwähnt, das die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis Klasse C/CE befürwortet. Zur Begründung ist angegeben, dass der Kläger durch eine langjährige Fahrpraxis mit 7,5 t-LKW bewiesen habe, dass er an die funktionelle Einäugigkeit bestmöglich adaptiert sei und Abstände auch mit einem Auge abschätzen könne. Damit muss davon ausgegangen werden, dass die funktionelle Einäugigkeit und die damit verbundenen Beschwerden schon seine berufliche Tätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigen, sodass der sich aus 26.4 der AHP ergebende GdB von 30 den Einschränkungen in angemessenem Umfang auch weiterhin gerecht wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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