L 3 B 571/08 AS-PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 32 AS 1899/08 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 571/08 AS-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Umfang des Beschwerdeausschlusses
Auch bei Ablehnung von PKH wegen Fehlens des Prozessskostenhilfevordrucks greift der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG:ein. Denn in dem zweigteilten System -hinreichende Erfolgsaussicht / persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse - gehört der vollständig ausgefüllte Prozesskostenhilfevordruck zu Letzterem.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2008 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das nunmehr anhängige Beschwerdeverfahren betrifft die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für den vor dem Sozialgericht Chemnitz anhängigen Rechtsstreit betreffend das Aktenzeichen S 32 AS 1899/08 ER.

In der Hauptsache betrifft der Rechtsstreit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II vom 18.03.2008. Streitig ist das Bestehen eines wichtigen Grundes für die Ablehnung einer Arbeitstätigkeit im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung.

Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 02.04.2008 vor dem Sozialgericht Chemnitz betreffend das Verfahren S 32 AS 1311/08 ER beantragte der Beschwerdeführer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid vom 18.03.2008 anzuordnen. Aus diesem Antrag ging das Verfahren S 32 AS 1899/08 ER hervor.

In einem Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin bezüglich dieses Verfahrens (S 32 AS 1899/08 ER) vom 28.04.2008 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers nach Durchführung der Beweisaufnahme, dem Beschwerdeführer/Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war zu diesem Verfahren (bislang) nicht vorgelegt worden.

In einem weiteren Verfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz (S 32 AS 1866/08 ER), eingegangen am 07.04.2008, beantragte der Beschwerdeführer – gleichfalls im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes – ebenfalls die Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 18.03.2008 sowie eines weiteren Bescheides vom 02.04.2008. Auch zu diesem Verfahren beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe und reichte hierzu am 09.04.2008 eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Diesem Antrag entsprach das SG mit Beschluss vom 08.07.2008.

In dem hier zu Grunde liegenden Verfahren (S 32 AS 1899/08 ER) lehnte das SG durch Beschluss vom 30.04.2008 zunächst den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab.

Mit weiterem Beschluss vom 09.07.2008 lehnte das SG zudem die Bewilligung von PKH ab. Die Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe sehe in § 1 Abs. 1 i. V. m. § 117 Abs. 4 ZPO vor, dass der amtliche Vordruck zu verwenden sei. Die Ausnahmen einer vereinfachten Erklärung gemäß § 2 seien hier für einen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nicht maßgeblich. Entsprechend der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts seien für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 4 ZPO die amtlichen Formulare (ZP1) zwingend zu verwenden. Andernfalls sei ein ordnungsgemäßer Antrag nicht gestellt. Das Gericht sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer auf dieses Versäumnis hinzuweisen. Der PKH-Antrag sei erst im Termin nach Durchführung der Beweisaufnahme gestellt worden, zu diesem Zeitpunkt sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bereits entscheidungsreif gewesen. PKH könne danach auch ohne weiteren Hinweis abgelehnt werden, denn der Prozessbevollmächtigte, der einen PKH-Antrag ohne eine Erklärung ZP1 – also unvollständig – einreiche, trage das Risiko, dass sein entscheidungsreifer Antrag bereits mangels Erfolgsaussicht abgelehnt werde.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 06.08.2008 Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen für eine Gewährung von PKH seien gegeben. Zunächst bestehe materiell-rechtlich eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zudem sei entgegen den Ausführungen des SG der Antrag auf PKH nicht erst im Termin vom 28.04.2008 erfolgt, sondern bereits am 09.04.2008 im Rahmen des Verfahrens S 32 AS 1866/08 ER. In beiden Verfahren sei – u. a. derselbe Bescheid vom 18.03.2008 – angegriffen worden. Insofern stelle die Nichtgewährung von PKH eine ungerechtfertigte, willkürliche Benachteiligung des Beschwerdeführers dar.

In der vorliegenden Situation hätte es zudem eines Hinweises des Gerichts auf die nochmalige Notwendigkeit eines amtlichen Vordrucks bedurft.

Auf den Hinweis des Bezirksrevisors beim Sächsischen Landessozialgericht, als Vertreter des Freistaates Sachsen, dass die inhaltliche Richtigkeit des SG-Beschlusses hier nicht relevant sei, da die Beschwerde auf der Grundlage der Rechtslage seit dem 01.04.2008 nicht statthaft sei, hat der Beschwerdeführer ergänzend auf einen Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 09.09.2008 (L 9 R 3719-08 PKH/B) hingewiesen. In diesem Beschluss ist u. a. ausgeführt: "Beruht die verspätete Vorlage der formularmäßigen Erklärung allein auf fehlenden Hinweisen des Gerichts, ist bei der Prüfung der Erfolgsaussicht auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang die Vorlage der "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" erfolgt wäre."

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die zugehörigen PKH-Akten und auch auf die Akte des Sozialgerichts zum Az. S 32 AS 1866/08 ER verwiesen.

II.

Das Gericht konnte durch die Einzelrichterin entscheiden, da die Beteiligten hierzu gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hierzu ihre Zustimmung erklärt haben.

Die Beschwerde ist nicht statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Nach dieser Norm ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat.

Die mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) eingeführte und seit dem 1. April geltende Rechtslage ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren maßgeblich, weil der angegriffene Beschluss erst nach dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Gesetzesänderung dem Beschwerdeführer zugestellt worden ist.

Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG umfasst auch den Fall, in dem der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt worden ist, weil nach Auffassung des Sozialgerichts der nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 117 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17.10.1994 (BGBl. I S. 3100) in der Fassung des Art. 36 des Gesetzes vom 27.12.2002 (BGBl. I S. 3022) erforderliche Vordruck nicht vorgelegt worden ist. Denn der Gesetzgeber fordert in § 114 Abs. 1 ZPO, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: die Bedürftigkeit des Antragstellers nach dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen einerseits sowie die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und die fehlende Mutwilligkeit andererseits. Die Terminologie aus § 114 Abs. 1 ZPO findet sich in anderen Regelungen zum Prozesskostenhilferecht wieder, z. B. in § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder § 127 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 ZPO. In diesem zweigeteilten System gehört die genannte Regelung zu den Formerfordernissen ebenso wie z. B. die Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen (§ 115 ZPO) oder die Festsetzung von Zahlungen (§ 120 ZPO) zu dem Teil, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft. Demzufolge gilt die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG über den Beschwerdeausschluss gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, erst recht für den Unterfall, dass das Sozialgericht die prozesskostenhilferechtliche Bedürftigkeit wegen eines – seiner Auffassung nach – fehlenden Vordrucks zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse meint nicht prüfen zu können.

Die hiergegen vorgetragenen Beanstandungen greifen nicht ein: Selbst wenn das Sozialgericht in der vorliegenden Situation nochmals ausdrücklich auf den bislang fehlenden Vordruck hätte hinweisen müssen oder – andererseits – auf Grund des im Verfahren S 32 AS 1866/08 ER bereits am 09.04.2008 eingereichten Vordrucks gar nicht von einer unzureichenden Erklärung bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hätte ausgehen dürfen, ist dies – im Ergebnis – hier nicht relevant. Denn das Gesetz geht davon aus, dass die Beschwerde ausgeschlossen ist, wenn das Sozialgericht die Bewilligung von PKH auf Grund der in Nr. 2 genannten Gründe – unabhängig von deren inhaltlicher Richtigkeit – abgelehnt hat.

Demgegenüber würde eine Prüfung der Einwände des Beschwerdeführers – auch bezüglich des genannten Beschlusses des LSG Baden-Württemberg – ebendiesen normierten Ausschluss der Beschwerde unterlaufen. Denn danach wäre gerade zu prüfen, ob das SG tatsächlich auf Grund der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen (hier der mangelnden Vorlage des amtlichen Vordrucks) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verneinen durfte. Genau diese Prüfung wollte die Norm jedoch ausschließen. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob das SG einen Hinweis hätte geben müssen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist abschließend (§§ 177, 183 SGG).
Rechtskraft
Aus
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