Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 17/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 34/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein fünfjähriges in einer Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind, das Sozialgeld nach § 28 SGB II bezieht, hat auch bei Feststellung des Merkzeichens "G" in seinem Schwerbehindertenausweis keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.05.2008 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.
Der am 00.00.2002 geborene Kläger lebt gemeinsam in einem Haushalt mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem 2005 geborenen Bruder. Die genannten Personen erhalten von der Beklagten mit einer Unterbrechung von September bis November 2006 seit Juni 2006 Leistungen nach dem SGB II. Im streitrelevanten Zeitraum handelte es sich um ergänzende Leistungen neben dem in der Höhe wechselnden Erwerbseinkommen des Vaters. Der Kläger leidet u. a. an einem Morbus Down. Er ist mit Wirkung ab dem 11.11.2002 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen "G", "B" und "H" anerkannt. Seit Februar 2007 ist zusätzlich ein Diabetes mellitus Typ I bei ihm bekannt.
Mit Bescheid vom 29.11.2008 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 in Höhe von insgesamt 1209,00 EUR. Dabei berücksichtigte sie keinen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2006 Widerspruch, der sich ausschließlich gegen die Nichtberücksichtigung dieses Mehrbedarfes richtete. Am 23.03.2007 beantragte er unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, da er seit Februar 2007 zusätzlich an einem Diabetes mellitus Typ I erkrankt sei. Mit Bescheid vom 18.07.2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung ab. Der Kläger könne sich im Prinzip ernähren wie jeder Nichtdiabetiker. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.11.2008 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 06.06.2007 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Az. S 31 AS 216/07). Mit Bescheid vom 03.07.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 1244,19 EUR nunmehr unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II i. H. v. 17 vom Hundert des für den Kläger maßgeblichen Regelsatzes. Mit Bescheid vom 03.07.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft auch für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen in Höhe von 1244,19 EUR wiederum unter Berücksichtigung dieses Mehrbedarfs. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit Az. S 31 AS 216/07 am 18.07.2007 für erledigt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.11.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008 in Höhe von monatlich 883,09 EUR ohne Anerkennung des Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II für den Kläger.
Hiergegen erhob der Kläger am 27.11.1997 Widerspruch, der sich gegen die Nichtanerkennung des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II richtete. Die Beklagte habe diesen Mehrbedarf im Verfahren S 31 AS 216/07 selbst anerkannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007 (zugestellt am 02.01.2008) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Einfügung des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II in das SGB II habe eine wegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebotene Gleichstellung gegenüber Empfängern von Sozialhilfe nach dem SGB XII hergestellt werden sollen. Für den Bereich der Sozialhilfe sei aber anerkannt, dass der Mehrbedarf wegen Feststellung des Merkzeichens "G" nur bei Personen in Betracht komme, die vom Alter her einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnten. Dies sei bei dem 2002 geborenen Kläger aber nicht der Fall. Mit Bescheid vom 17.01.2008 nahm sie unter Berücksichtigung der ge-änderten Einkommensverhältnisse des Vaters im Monat Dezember eine "Neuberechnung" vor und bewilligte für den Monat Januar 2008 Leistungen in Höhe von 907,92 EUR und für die übrigen Monate in Höhe von 853,09 EUR. Dabei ging sie von einem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1521,00 EUR aus. Dieser setzte sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von jeweils 312,00 EUR für die beiden Eltern des Klägers und der Regelleistung in Höhe von jeweils 208,00 EUR für den Kläger und seinen Bruder. Hinzu kamen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 481,00 EUR. Als zu berücksichtigendes Einkommen der Bedarfsgemeinschaft legte die Beklagte für die Monate Dezember 2007 und Februar bis Mai 2008 ihrer Berechnung das sich aus den vorgelegten Lohnunterlagen ergebende monatliche Nettoarbeitseinkommen des Vaters des Klägers in Höhe von jeweils 580,17 EUR und für den Monat Januar 2008 in Höhe von 507,24 EUR zu Grunde. Außerdem berücksichtigte sie das an den Kläger und dessen Bruder gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 308,00 EUR. Von dem Erwerbseinkommen brachte sie im Monat Januar einen Freibetrag in Höhe von 202,16 EUR und für die übrigen Monate einen Freibetrag in Höhe von 220,26 EUR in Abzug.
Hiergegen hat der Kläger am 01.02.2008 Klage erhoben. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Die Rechtsprechung zum früheren BSHG sei nicht heranzuziehen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2007 zu verurteilen, ihm den Mehrbedarf gemäß § 28 Abs. 1 Ziffer 4 SGB II zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 20.05.2008 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger den Mehrbedarf "auf Dauer" zu zahlen. Der Anspruch ergebe sich bereits aus dem im Vorprozess von Seiten der Beklagten abgegebenen Anerkenntnis. Bezüglich der streitigen Rechtsfrage sei auf Grund dieses Anerkenntnisses zwischen den Beteiligten Rechtskraft eingetreten. Der Vorprozess habe damit geendet, dass der streitige Mehrbedarf dem Kläger individuell zu gewähren sei. Das angenommene Anerkenntnis entfalte vergleichbare Rechtskraft wie ein Urteil. Dies folge daraus, dass der Kläger im Vorprozess keine Möglichkeit gehabt habe, einen weitergehenden rechtskräftigen Anspruch durchzusetzen. Durch das von der Beklagten abgegebene Anerkenntnis sei sein Rechtsschutzbedürfnis erloschen und es habe kein Bedarf mehr für ein Urteil bestanden. Es sei ein einfacherer und schnellerer Weg eröffnet gewesen, den Prozess zu beenden. Hieraus folge aber auch, dass man dem Anerkenntnis nicht ohne Not eine geringere Rechtskraftwirkung beimessen dürfe. Etwas anderes folge nicht daraus, dass Arbeitslosengeld II immer für einen befristeten Zeitraum bewilligt werde. Diese Bewilligungszeiträume seien von der abstrakt zu klärenden Rechtsfrage im Rahmen eines Prozesses zu unterscheiden. Die Bewilligungszeiträume seien gerade nicht dazu da, zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfragen nach rechtskräftiger Entscheidung durch die Behörde neu aufgreifen zu lassen. Das Gegenteil würde bedeuten, dass die Behörde im nächsten Bewilligungszeitraum aufgrund ihrer Rechtsansicht erneut Leistungen versagen könnte, obwohl sie zuvor im Prozess, im Extremfall nach 3 Instanzen, zur Leistung gezwungen worden sei. Für eine solche Durchbrechung der Rechtskraft sehe das Gericht keinen Bedarf und auch keine Grundlage im Gesetz. Im Gegenteil bestehe ein Bedarf dafür, die Rechtskraft durchzusetzen. Anderenfalls wäre es möglich, inhaltlich den gleichen Prozess für jeden einzelnen Bewil!igungsabschnitt zu führen. Äußerst hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht den Anspruch auch materiell rechtlich bejahe. Weder dem Gesetz noch dem Gesetzgebungsverfahren lasse sich die von der Beklagten konstruierte Einschränkung des Anspruchs für Kinder unter 15 Jahren entnehmen. Das Sozialgericht hat die Berufung vorsorglich zugelassen, weil die Beklagte dies im Termin zur Verhandlung beantragt habe und die Höhe der streitigen Forderung sich bezogen auf den Bewilligungszeitraum nicht habe abschließend feststellen lassen. Für die Rechtsanwendung der Beklagten habe das Verfahren grundsätzliche Bedeutung.
Gegen das am 29.05.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.06.2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung verweist sie darauf, dass ein angenommenes Anerkenntnis nicht die gleiche Rechtskraft entfalte wie ein Urteil. Im Übrigen sei Streitgegenstand des früheren Verfahrens allein der Bewilligungszeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 gewesen. Eine mögliche Rechtskraft beziehe sich daher ohnehin nur auf diesen Zeitraum. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Mehrbedarf lägen nicht vor, weil der Kläger infolge seines Alters nicht voll erwerbsgemindert sein könne. Aus den gleichen Erwägungen habe der Gesetzgeber auch § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB II geändert, da behinderte Sozialgeldbezieher einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres erhalten sollten.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.05.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beklagte hat am 25.06.2008 einen Änderungsbescheid erlassen. Darin hat sie der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.02.2008 bis zum 30.04.2008 in Höhe von monatlich 854,26 EUR bewilligt. Auf der Bedarfseite hat sie dabei für die Eltern jeweils einen Regelsatz von 312,00 EUR und für den Kläger und dessen Bruder jeweils einen Regelsatz in Höhe von 208,00 EUR berücksichtigt. Kosten für Unterkunft und Heizung hat sie in Höhe von 481,00 EUR anerkannt. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft hat sie neben dem Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR das Erwerbseinkommen des Vaters in Höhe von 579,00 EUR abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 226,26 EUR berücksichtigt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich auf einen eventuellen Anspruch auf Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter Ernährung vor dem Hintergrund seiner Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 für den hier streitrelevanten Zeitraum vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Duisburg zu Az. S 31 AS 216/07 Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die jedenfalls kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auf Dauer zu zahlen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für den in den angefochtenen Bescheiden geregelten Bewilligungszeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008. Nur dieser Zeitraum ist streitgegenständlich, da eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist (st. Rspr. vgl. BSG, Urt. v. 25.06.2008, Az. B 11b AS 35/06 R m. w. N.). Dabei folgt der Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II aus §§ 7 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben Sozialgeld, wenn sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (§ 7 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Der Kläger lebt mit seinem erwerbsfähigen Vater und seiner erwerbsfähigen Mutter in Bedarfsgemeinschaft. Den Bedarf des Klägers und den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft hat die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend mit 1521,00 EUR bemessen. Sie hat dabei für die Eltern des Klägers jeweils die Regelleistung gemäß § 20 Abs. 3 SGB II in Höhe von 90 vom Hundert der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II, d. h. 312,00 EUR, und für den Kläger und dessen Bruder jeweils die Regelleistung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 60 vom Hundert des nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelsatzes, d. h. 208,00 EUR, angesetzt.
Hinzu kommen die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II in Höhe von 481,00 EUR monatlich. Diese Kosten sind indes nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil die Beteiligten den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Regelleistung beschränkt haben (vgl. BSG Urt. v. 07.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R). Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft werden im Übrigen von der Beklagten auch mit Ausnahme der Kosten für einen PKW Einstellplatz (15,00 EUR monatlich) in voller Höhe übernommen.
Ein weitergehender Bedarf besteht nicht. Auf einen eventuell bestehenden Anspruch auf Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II hat der Kläger für den streitrelevanten Zeitraum wirksam verzichtet.
Der im Jahre 2002 geborene Kläger hat insbesondere auch keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Danach erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 von Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen "G" sind; dies gilt nicht, wenn bereits ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 oder § 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 SGB II besteht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Mehrbedarfs liegen beim Kläger nicht vor. Zwar besitzt dieser einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G". Der Kläger ist jedoch keine "nichterwerbsfähige Person" im Sinne der Vorschrift.
Der Begriff der Erwerbsfähigkeit ist im SGB II in § 8 Abs. 1 SGB Il definiert. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senats im Umkehrschluss auch die Definition der Nichterwerbsfähigkeit. Nichterwerbsfähig ist danach, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Definition entspricht im Wesentlichen der Definition der vollen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), auf die die Parallelvorschrift für die Sozialhilfe (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) abstellt. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist voll erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch das Vorliegen von Nichterwerbsfähigkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II setzt nach Auffassung des Senats voraus, dass es an der Fähigkeit zur Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf Grund von Krankheit oder Behinderung mangelt. So verhält es sich bei dem im maßgeblichen Zeitraum fünfjährigen Kläger aber nicht. Zwar ist der Kläger außerstande, erwerbstätig zu sein. Dies ergibt sich jedoch nicht daraus, dass er krank oder behindert wäre. Vielmehr könnte der Kläger, selbst wenn er keinerlei Behinderungen oder Erkrankungen aufweisen würde, schon allein aufgrund seines Alters nicht erwerbstätig sein. Nach § 5 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) ist die Beschäftigung von Kindern verboten. Nach § 2 Abs. 1 JArbSchG ist Kind, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. Hierzu zählt daher auch der im streitgegenständlichen Zeitraum fünfjährige Kläger.
Zuzugeben ist dem Kläger allerdings, dass diese vom Senat vorgenommene Auslegung des Begriffs der Nichterwerbsfähigkeit in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zunächst nicht zwingend erscheint. Denn seinem Wortlaut nach sieht auch § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor, dass nur nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld erhalten können. Dennoch ist es völlig unumstritten, dass auch Kinder, die schon aus rechtlichen Gründen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, Sozialgeld erhalten. Entsprechend erhält auch der Kläger Sozialgeld, obwohl er gerade nicht aus gesundheitlichen Gründen "nichtwerwerbsfähig" ist.
Auch wenn damit grundsätzlich der Sozialgeldbezug für Kinder eröffnet ist, bei denen keine Nichterwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II vorliegt, ändert dies nichts daran, dass für den Bezug des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II eine Nichterwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II und damit im Sinne des Rentenversicherungsrechts vorliegen muss. Dies folgt nach Auffassung des Senats aus einer Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte. Mit der Übernahme der zunächst nur im SGB XII bestehenden Mehrbedarfsregelung in das SGB II mit dem Fortentwicklungsgesetz vom 20.07.2006 (BGBl. I, 1706) wollte der Gesetzgeber dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen und die Leistungen für Behinderte im SGB II denen für Behinderte im SGB XII anpassen (BT-Drucks. 16/1410, S. 25). Vor diesem Zeitpunkt gab es für Sozialgeldbezieher keinen Mehrbedarf wegen Nichtwerbsfähigkeit und gleichzeitiger Innehabung des Nachteilsausgleichs "G". Aus der Übernahme der im Wesentlichen identischen Regelung aus dem SGB XII (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) unter ausdrücklichem Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich für den Senat, dass die Gewährung des Mehrbedarfes grundsätzlich nur unter den gleichen Voraussetzungen wie im SGB XII erfolgen kann. Für den Bereich des SGB XII ist aber unstreitig, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert sind, den Mehrbedarf erhalten können (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 30, Rn. 13 f.; Hofmann in LPK-SGB XII, 7. Aufl. 2005, § 30 Rn. 11; Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 11. Lfg, Stand August 2008, § 30 Rn. 9; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, 13. Erg.-Lfg. 6/08; § 30 Rn. 10). § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist im Übrigen praktisch wortgleich zur entsprechenden Vorgängervorschrift im BSHG (§ 23 Abs. 1 Nr. 2). Auch dort war unstreitig, dass der Bezug des Mehrbedarfes das Vorliegen von voller Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI voraussetzte und die Zuerkennung eines Nachteilsausgleichs wegen voller Erwerbsminderung für Kinder nicht in Betracht kam, sondern nur für Jugendliche, für die keine Verpflichtung mehr zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht bestand (Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, BSHG, Stand Juli 2003, § 23, Rn. 9; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 23 Rn. 16; Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., 36. Lfg. Stand März 2004, § 23 Rn. 22b; OVG NRW, Urt. v. 04.06.1975, Az. VIII A 8- 823/74).
Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Mehrbedarfs für Nichterwerbsfähige mit dem Merkzeichen "G" kommt ein anderes Ergebnis nicht in Betracht. Da die Gesetzesbegründung des SGB II nur auf die Übernahme der entsprechenden Regelungen des SGB XII verweist, ist auf Sinn und Zweck der sozialhilferechtlichen Vorschriften abzustellen. In der Gesetzesbegründung des SGB XII wird insoweit nur auf die entsprechende Übernahme der Vorschriften des BSHG verwiesen. Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendens und zum Teil anrechenfreies Einkommen zu verschaffen (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., 36. Lfg. Stand März 2004, § 23 Rn. 19; Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, a.a.O. Rn. 8 ff. m. w. N.). Vor diesem Hintergrund kommt ein Mehrbedarf für ein fünfjähriges Kind nicht in Betracht, da es auch in gesundem Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage ist, sich etwas hinzuzuverdienen.
Ebensowenig folgt ein anderes Ergebnis aus der ebenfalls durch das Fortentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 01.08.2007 erfolgten Änderung von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II (Art. 1 Nr. 14 Ges. v. 20.07.2006, BGBl. I, 1706). § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II ist dahingehend geändert worden, dass Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 4 SGB II nur an behinderte Menschen gezahlt werden können, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Vor der Änderung enthielt die Vorschrift keine Altersbeschänkung. Teilweise wird angenommen (SG Aachen, Urt. v. 26.08.2008, Az. S 11 AS 96/08), dass aus der fehlenden Einfügung einer solchen Altersbegrenzung bei Nr. 4 gefolgert werden müsse, dass der Mehrbedarf nach Nr. 4 Personen ohne eine Altersbeschränkung gewährt werden könne. Dies überzeugt nicht. Denn der Mehrbedarf nach Nr. 2 stellt anders als der Mehrbedarf nach Nr. 4 gerade nicht auf die Nichtwerwerbsfähigkeit ab, sondern spricht lediglich von "behinderten Menschen". Damit folgt er der Regelung in § 30 Abs. 4 SGB XII. Auch diese Regelung enthält eine Beschränkung auf Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Mit der Ergänzung von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II hat der Gesetzgeber ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er im Bereich des SGB II keine weitergehenden Leistungen beabsichtigt als im Bereich des SGB XII. Die Einfügung einer entsprechenden Einschränkung hinsichtlich des Alters war in Bezug auf § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II aber deswegen entbehrlich, weil bei diesem Mehrbedarf auch nach dem SGB XII der entsprechende Mehrbedarf nur bei Überschreitung der Altergrenze nach § 41 Abs. 2 SGB VI bzw. beim Vorliegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB VI gewährt wird. Letzteres setzt aber im Bereich des SGB XII, wie dargelegt, voraus, dass die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist, was wiederum ein Alter erfordert, in dem die Ausübung einer Erwerbstätigkeit überhaupt in Betracht kommt.
Die gegenteilige Auffassung ist überdies aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG problematisch. Es stellte eine Ungleichbehandlung von Kindern, die Sozialgeld nach dem SGB II erhalten, gegenüber nach dem SGB XII leistungsberechtigten Kindern dar, wenn nur erstere einen Mehrbedarf wegen des Merkzeichens "G" erhalten könnten. Eine solche Ungleichbehandlung ist auch vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt. Die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ist vielmehr gerade im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz unter Bezugnahme auf die im SGB XII bestehende Mehrbedarfsregelung in das SGB II aufge-nommen worden (BT-Drucks. 16/1410, S. 25).
Ein Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ergibt sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht aus der vermeintlichen Bindungswirkung eines im Vorprozess (Sozialgericht Duisburg, Az. 31 AS 216/07) von der Beklagten abgegebenen "Anerkenntnisses". Die Beklagte hat in diesem Verfahren kein "Anerkenntnis" dahingehend abgegeben, dass sie erklärt hat, sie werde den Mehrbedarf des Klägers bei unveränderter Sachlage für alle weiteren Bewilligungsabschnitte dem Grunde nach anerkennen. Vielmehr hat sie lediglich einen auf den streitgegenständlichen Zeitraum beschränkten Abhilfebescheid erlassen. Der vom Sozialgericht entnommene Erklärungsgehalt, die Beklagte habe damit den Mehrbedarf auf "Dauer" anerkennen wollen, lässt sich dieser Erklärung schon deswegen nicht beimessen, weil sich auch die Bindungswirkung eines der damaligen Klage stattgebenden Urteils nur auf den im Vorprozess streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum bezogen hätte (st. Rspr. vgl. BSG, Urt. v. 25.06.2008, Az. B 11b AS 35/06 R m. w. N.). Aus diesem Grund ist die Beklagte, ebenso wie das Gericht, grundsätzlich verpflichtet, das Vorliegen der Anspruchs-voraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Die gegenteilige Einschätzung des Sozialgerichts, dass "für eine solche Durchbrechung der Rechtskraft kein Bedarf und keine Grundlage im Gesetz" bestehe, ist schon deswegen nicht haltbar.
Von dem somit von der Beklagten zutreffend festgestellten Bedarf war gemäß § 11 Abs. 1 SGB II bedarfsmindernd das Einkommen der Bedarfgemeinschaft abzusetzen. Auch dies hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise getan und damit den Gesamtbetrag der dem Kläger monatlich zustehenden Leistungen zutreffend berechnet. Sie hat dabei zunächst die Einkünfte des Vaters des Klägers aus dessen Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Das erzielte Nettoarbeitsentgelt betrug in den Monaten Dezember 2007 und Mai 2008 jeweils 580,17 EUR und in den Monaten Februar 2008 bis April 2008 jeweils 579,00 EUR (Bruttoarbeitsentgelt jeweils 701,30 EUR). Im Monat Januar 2008 betrug das Nettoarbeitsentgelt 507,24 EUR (Bruttoarbeitsentgelt 610,80 EUR). Außerdem hat die Beklagte das Kindergeld für den Kläger und für dessen Bruder in Höhe von insgesamt 308,00 EUR als Einkommen berücksichtigt. Von dem auf den Bedarf anzurechnenden Erwerbseinkommen war ein Freibetrag abzusetzen, den die Beklagte im Ergebnis zutreffend mit 202,16 EUR für den Monat Januar 2008 und 220,26 EUR für die übrigen Monate berechnet hat. Dieser Freibetrag ergibt sich zunächst aus dem Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100,00 EUR. Dieser Betrag war gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II anzusetzen, da nicht nachgewiesen ist, dass die Summe der Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB tatsächlich höher liegt als dieser Betrag. Hinzu kam noch der Freibetrag nach § 30 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Höhe von 20 vom Hundert des 100,00 EUR übersteigenden Bruttoarbeitsentgelts. Dieser betrug 102,16 EUR für den Monat Januar 2008 und 120,26 EUR für die übrigen Monate.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.
Der am 00.00.2002 geborene Kläger lebt gemeinsam in einem Haushalt mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem 2005 geborenen Bruder. Die genannten Personen erhalten von der Beklagten mit einer Unterbrechung von September bis November 2006 seit Juni 2006 Leistungen nach dem SGB II. Im streitrelevanten Zeitraum handelte es sich um ergänzende Leistungen neben dem in der Höhe wechselnden Erwerbseinkommen des Vaters. Der Kläger leidet u. a. an einem Morbus Down. Er ist mit Wirkung ab dem 11.11.2002 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen "G", "B" und "H" anerkannt. Seit Februar 2007 ist zusätzlich ein Diabetes mellitus Typ I bei ihm bekannt.
Mit Bescheid vom 29.11.2008 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 in Höhe von insgesamt 1209,00 EUR. Dabei berücksichtigte sie keinen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2006 Widerspruch, der sich ausschließlich gegen die Nichtberücksichtigung dieses Mehrbedarfes richtete. Am 23.03.2007 beantragte er unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, da er seit Februar 2007 zusätzlich an einem Diabetes mellitus Typ I erkrankt sei. Mit Bescheid vom 18.07.2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung ab. Der Kläger könne sich im Prinzip ernähren wie jeder Nichtdiabetiker. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.11.2008 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 06.06.2007 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Az. S 31 AS 216/07). Mit Bescheid vom 03.07.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 1244,19 EUR nunmehr unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II i. H. v. 17 vom Hundert des für den Kläger maßgeblichen Regelsatzes. Mit Bescheid vom 03.07.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft auch für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen in Höhe von 1244,19 EUR wiederum unter Berücksichtigung dieses Mehrbedarfs. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit Az. S 31 AS 216/07 am 18.07.2007 für erledigt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.11.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008 in Höhe von monatlich 883,09 EUR ohne Anerkennung des Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II für den Kläger.
Hiergegen erhob der Kläger am 27.11.1997 Widerspruch, der sich gegen die Nichtanerkennung des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II richtete. Die Beklagte habe diesen Mehrbedarf im Verfahren S 31 AS 216/07 selbst anerkannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007 (zugestellt am 02.01.2008) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Einfügung des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II in das SGB II habe eine wegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebotene Gleichstellung gegenüber Empfängern von Sozialhilfe nach dem SGB XII hergestellt werden sollen. Für den Bereich der Sozialhilfe sei aber anerkannt, dass der Mehrbedarf wegen Feststellung des Merkzeichens "G" nur bei Personen in Betracht komme, die vom Alter her einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnten. Dies sei bei dem 2002 geborenen Kläger aber nicht der Fall. Mit Bescheid vom 17.01.2008 nahm sie unter Berücksichtigung der ge-änderten Einkommensverhältnisse des Vaters im Monat Dezember eine "Neuberechnung" vor und bewilligte für den Monat Januar 2008 Leistungen in Höhe von 907,92 EUR und für die übrigen Monate in Höhe von 853,09 EUR. Dabei ging sie von einem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1521,00 EUR aus. Dieser setzte sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von jeweils 312,00 EUR für die beiden Eltern des Klägers und der Regelleistung in Höhe von jeweils 208,00 EUR für den Kläger und seinen Bruder. Hinzu kamen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 481,00 EUR. Als zu berücksichtigendes Einkommen der Bedarfsgemeinschaft legte die Beklagte für die Monate Dezember 2007 und Februar bis Mai 2008 ihrer Berechnung das sich aus den vorgelegten Lohnunterlagen ergebende monatliche Nettoarbeitseinkommen des Vaters des Klägers in Höhe von jeweils 580,17 EUR und für den Monat Januar 2008 in Höhe von 507,24 EUR zu Grunde. Außerdem berücksichtigte sie das an den Kläger und dessen Bruder gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 308,00 EUR. Von dem Erwerbseinkommen brachte sie im Monat Januar einen Freibetrag in Höhe von 202,16 EUR und für die übrigen Monate einen Freibetrag in Höhe von 220,26 EUR in Abzug.
Hiergegen hat der Kläger am 01.02.2008 Klage erhoben. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Die Rechtsprechung zum früheren BSHG sei nicht heranzuziehen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2007 zu verurteilen, ihm den Mehrbedarf gemäß § 28 Abs. 1 Ziffer 4 SGB II zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 20.05.2008 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger den Mehrbedarf "auf Dauer" zu zahlen. Der Anspruch ergebe sich bereits aus dem im Vorprozess von Seiten der Beklagten abgegebenen Anerkenntnis. Bezüglich der streitigen Rechtsfrage sei auf Grund dieses Anerkenntnisses zwischen den Beteiligten Rechtskraft eingetreten. Der Vorprozess habe damit geendet, dass der streitige Mehrbedarf dem Kläger individuell zu gewähren sei. Das angenommene Anerkenntnis entfalte vergleichbare Rechtskraft wie ein Urteil. Dies folge daraus, dass der Kläger im Vorprozess keine Möglichkeit gehabt habe, einen weitergehenden rechtskräftigen Anspruch durchzusetzen. Durch das von der Beklagten abgegebene Anerkenntnis sei sein Rechtsschutzbedürfnis erloschen und es habe kein Bedarf mehr für ein Urteil bestanden. Es sei ein einfacherer und schnellerer Weg eröffnet gewesen, den Prozess zu beenden. Hieraus folge aber auch, dass man dem Anerkenntnis nicht ohne Not eine geringere Rechtskraftwirkung beimessen dürfe. Etwas anderes folge nicht daraus, dass Arbeitslosengeld II immer für einen befristeten Zeitraum bewilligt werde. Diese Bewilligungszeiträume seien von der abstrakt zu klärenden Rechtsfrage im Rahmen eines Prozesses zu unterscheiden. Die Bewilligungszeiträume seien gerade nicht dazu da, zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfragen nach rechtskräftiger Entscheidung durch die Behörde neu aufgreifen zu lassen. Das Gegenteil würde bedeuten, dass die Behörde im nächsten Bewilligungszeitraum aufgrund ihrer Rechtsansicht erneut Leistungen versagen könnte, obwohl sie zuvor im Prozess, im Extremfall nach 3 Instanzen, zur Leistung gezwungen worden sei. Für eine solche Durchbrechung der Rechtskraft sehe das Gericht keinen Bedarf und auch keine Grundlage im Gesetz. Im Gegenteil bestehe ein Bedarf dafür, die Rechtskraft durchzusetzen. Anderenfalls wäre es möglich, inhaltlich den gleichen Prozess für jeden einzelnen Bewil!igungsabschnitt zu führen. Äußerst hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht den Anspruch auch materiell rechtlich bejahe. Weder dem Gesetz noch dem Gesetzgebungsverfahren lasse sich die von der Beklagten konstruierte Einschränkung des Anspruchs für Kinder unter 15 Jahren entnehmen. Das Sozialgericht hat die Berufung vorsorglich zugelassen, weil die Beklagte dies im Termin zur Verhandlung beantragt habe und die Höhe der streitigen Forderung sich bezogen auf den Bewilligungszeitraum nicht habe abschließend feststellen lassen. Für die Rechtsanwendung der Beklagten habe das Verfahren grundsätzliche Bedeutung.
Gegen das am 29.05.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.06.2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung verweist sie darauf, dass ein angenommenes Anerkenntnis nicht die gleiche Rechtskraft entfalte wie ein Urteil. Im Übrigen sei Streitgegenstand des früheren Verfahrens allein der Bewilligungszeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 gewesen. Eine mögliche Rechtskraft beziehe sich daher ohnehin nur auf diesen Zeitraum. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Mehrbedarf lägen nicht vor, weil der Kläger infolge seines Alters nicht voll erwerbsgemindert sein könne. Aus den gleichen Erwägungen habe der Gesetzgeber auch § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB II geändert, da behinderte Sozialgeldbezieher einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres erhalten sollten.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.05.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beklagte hat am 25.06.2008 einen Änderungsbescheid erlassen. Darin hat sie der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.02.2008 bis zum 30.04.2008 in Höhe von monatlich 854,26 EUR bewilligt. Auf der Bedarfseite hat sie dabei für die Eltern jeweils einen Regelsatz von 312,00 EUR und für den Kläger und dessen Bruder jeweils einen Regelsatz in Höhe von 208,00 EUR berücksichtigt. Kosten für Unterkunft und Heizung hat sie in Höhe von 481,00 EUR anerkannt. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft hat sie neben dem Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR das Erwerbseinkommen des Vaters in Höhe von 579,00 EUR abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 226,26 EUR berücksichtigt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich auf einen eventuellen Anspruch auf Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter Ernährung vor dem Hintergrund seiner Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 für den hier streitrelevanten Zeitraum vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Duisburg zu Az. S 31 AS 216/07 Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die jedenfalls kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auf Dauer zu zahlen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für den in den angefochtenen Bescheiden geregelten Bewilligungszeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008. Nur dieser Zeitraum ist streitgegenständlich, da eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist (st. Rspr. vgl. BSG, Urt. v. 25.06.2008, Az. B 11b AS 35/06 R m. w. N.). Dabei folgt der Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II aus §§ 7 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben Sozialgeld, wenn sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (§ 7 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Der Kläger lebt mit seinem erwerbsfähigen Vater und seiner erwerbsfähigen Mutter in Bedarfsgemeinschaft. Den Bedarf des Klägers und den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft hat die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend mit 1521,00 EUR bemessen. Sie hat dabei für die Eltern des Klägers jeweils die Regelleistung gemäß § 20 Abs. 3 SGB II in Höhe von 90 vom Hundert der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II, d. h. 312,00 EUR, und für den Kläger und dessen Bruder jeweils die Regelleistung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 60 vom Hundert des nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelsatzes, d. h. 208,00 EUR, angesetzt.
Hinzu kommen die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II in Höhe von 481,00 EUR monatlich. Diese Kosten sind indes nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil die Beteiligten den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Regelleistung beschränkt haben (vgl. BSG Urt. v. 07.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R). Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft werden im Übrigen von der Beklagten auch mit Ausnahme der Kosten für einen PKW Einstellplatz (15,00 EUR monatlich) in voller Höhe übernommen.
Ein weitergehender Bedarf besteht nicht. Auf einen eventuell bestehenden Anspruch auf Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II hat der Kläger für den streitrelevanten Zeitraum wirksam verzichtet.
Der im Jahre 2002 geborene Kläger hat insbesondere auch keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Danach erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 von Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen "G" sind; dies gilt nicht, wenn bereits ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 oder § 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 SGB II besteht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Mehrbedarfs liegen beim Kläger nicht vor. Zwar besitzt dieser einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G". Der Kläger ist jedoch keine "nichterwerbsfähige Person" im Sinne der Vorschrift.
Der Begriff der Erwerbsfähigkeit ist im SGB II in § 8 Abs. 1 SGB Il definiert. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senats im Umkehrschluss auch die Definition der Nichterwerbsfähigkeit. Nichterwerbsfähig ist danach, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Definition entspricht im Wesentlichen der Definition der vollen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), auf die die Parallelvorschrift für die Sozialhilfe (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) abstellt. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist voll erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch das Vorliegen von Nichterwerbsfähigkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II setzt nach Auffassung des Senats voraus, dass es an der Fähigkeit zur Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf Grund von Krankheit oder Behinderung mangelt. So verhält es sich bei dem im maßgeblichen Zeitraum fünfjährigen Kläger aber nicht. Zwar ist der Kläger außerstande, erwerbstätig zu sein. Dies ergibt sich jedoch nicht daraus, dass er krank oder behindert wäre. Vielmehr könnte der Kläger, selbst wenn er keinerlei Behinderungen oder Erkrankungen aufweisen würde, schon allein aufgrund seines Alters nicht erwerbstätig sein. Nach § 5 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) ist die Beschäftigung von Kindern verboten. Nach § 2 Abs. 1 JArbSchG ist Kind, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. Hierzu zählt daher auch der im streitgegenständlichen Zeitraum fünfjährige Kläger.
Zuzugeben ist dem Kläger allerdings, dass diese vom Senat vorgenommene Auslegung des Begriffs der Nichterwerbsfähigkeit in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zunächst nicht zwingend erscheint. Denn seinem Wortlaut nach sieht auch § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor, dass nur nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld erhalten können. Dennoch ist es völlig unumstritten, dass auch Kinder, die schon aus rechtlichen Gründen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, Sozialgeld erhalten. Entsprechend erhält auch der Kläger Sozialgeld, obwohl er gerade nicht aus gesundheitlichen Gründen "nichtwerwerbsfähig" ist.
Auch wenn damit grundsätzlich der Sozialgeldbezug für Kinder eröffnet ist, bei denen keine Nichterwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II vorliegt, ändert dies nichts daran, dass für den Bezug des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II eine Nichterwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II und damit im Sinne des Rentenversicherungsrechts vorliegen muss. Dies folgt nach Auffassung des Senats aus einer Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte. Mit der Übernahme der zunächst nur im SGB XII bestehenden Mehrbedarfsregelung in das SGB II mit dem Fortentwicklungsgesetz vom 20.07.2006 (BGBl. I, 1706) wollte der Gesetzgeber dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen und die Leistungen für Behinderte im SGB II denen für Behinderte im SGB XII anpassen (BT-Drucks. 16/1410, S. 25). Vor diesem Zeitpunkt gab es für Sozialgeldbezieher keinen Mehrbedarf wegen Nichtwerbsfähigkeit und gleichzeitiger Innehabung des Nachteilsausgleichs "G". Aus der Übernahme der im Wesentlichen identischen Regelung aus dem SGB XII (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) unter ausdrücklichem Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich für den Senat, dass die Gewährung des Mehrbedarfes grundsätzlich nur unter den gleichen Voraussetzungen wie im SGB XII erfolgen kann. Für den Bereich des SGB XII ist aber unstreitig, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert sind, den Mehrbedarf erhalten können (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 30, Rn. 13 f.; Hofmann in LPK-SGB XII, 7. Aufl. 2005, § 30 Rn. 11; Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 11. Lfg, Stand August 2008, § 30 Rn. 9; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, 13. Erg.-Lfg. 6/08; § 30 Rn. 10). § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist im Übrigen praktisch wortgleich zur entsprechenden Vorgängervorschrift im BSHG (§ 23 Abs. 1 Nr. 2). Auch dort war unstreitig, dass der Bezug des Mehrbedarfes das Vorliegen von voller Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI voraussetzte und die Zuerkennung eines Nachteilsausgleichs wegen voller Erwerbsminderung für Kinder nicht in Betracht kam, sondern nur für Jugendliche, für die keine Verpflichtung mehr zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht bestand (Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, BSHG, Stand Juli 2003, § 23, Rn. 9; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 23 Rn. 16; Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., 36. Lfg. Stand März 2004, § 23 Rn. 22b; OVG NRW, Urt. v. 04.06.1975, Az. VIII A 8- 823/74).
Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Mehrbedarfs für Nichterwerbsfähige mit dem Merkzeichen "G" kommt ein anderes Ergebnis nicht in Betracht. Da die Gesetzesbegründung des SGB II nur auf die Übernahme der entsprechenden Regelungen des SGB XII verweist, ist auf Sinn und Zweck der sozialhilferechtlichen Vorschriften abzustellen. In der Gesetzesbegründung des SGB XII wird insoweit nur auf die entsprechende Übernahme der Vorschriften des BSHG verwiesen. Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendens und zum Teil anrechenfreies Einkommen zu verschaffen (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., 36. Lfg. Stand März 2004, § 23 Rn. 19; Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, a.a.O. Rn. 8 ff. m. w. N.). Vor diesem Hintergrund kommt ein Mehrbedarf für ein fünfjähriges Kind nicht in Betracht, da es auch in gesundem Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage ist, sich etwas hinzuzuverdienen.
Ebensowenig folgt ein anderes Ergebnis aus der ebenfalls durch das Fortentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 01.08.2007 erfolgten Änderung von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II (Art. 1 Nr. 14 Ges. v. 20.07.2006, BGBl. I, 1706). § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II ist dahingehend geändert worden, dass Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 4 SGB II nur an behinderte Menschen gezahlt werden können, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Vor der Änderung enthielt die Vorschrift keine Altersbeschänkung. Teilweise wird angenommen (SG Aachen, Urt. v. 26.08.2008, Az. S 11 AS 96/08), dass aus der fehlenden Einfügung einer solchen Altersbegrenzung bei Nr. 4 gefolgert werden müsse, dass der Mehrbedarf nach Nr. 4 Personen ohne eine Altersbeschränkung gewährt werden könne. Dies überzeugt nicht. Denn der Mehrbedarf nach Nr. 2 stellt anders als der Mehrbedarf nach Nr. 4 gerade nicht auf die Nichtwerwerbsfähigkeit ab, sondern spricht lediglich von "behinderten Menschen". Damit folgt er der Regelung in § 30 Abs. 4 SGB XII. Auch diese Regelung enthält eine Beschränkung auf Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Mit der Ergänzung von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II hat der Gesetzgeber ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er im Bereich des SGB II keine weitergehenden Leistungen beabsichtigt als im Bereich des SGB XII. Die Einfügung einer entsprechenden Einschränkung hinsichtlich des Alters war in Bezug auf § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II aber deswegen entbehrlich, weil bei diesem Mehrbedarf auch nach dem SGB XII der entsprechende Mehrbedarf nur bei Überschreitung der Altergrenze nach § 41 Abs. 2 SGB VI bzw. beim Vorliegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB VI gewährt wird. Letzteres setzt aber im Bereich des SGB XII, wie dargelegt, voraus, dass die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist, was wiederum ein Alter erfordert, in dem die Ausübung einer Erwerbstätigkeit überhaupt in Betracht kommt.
Die gegenteilige Auffassung ist überdies aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG problematisch. Es stellte eine Ungleichbehandlung von Kindern, die Sozialgeld nach dem SGB II erhalten, gegenüber nach dem SGB XII leistungsberechtigten Kindern dar, wenn nur erstere einen Mehrbedarf wegen des Merkzeichens "G" erhalten könnten. Eine solche Ungleichbehandlung ist auch vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt. Die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ist vielmehr gerade im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz unter Bezugnahme auf die im SGB XII bestehende Mehrbedarfsregelung in das SGB II aufge-nommen worden (BT-Drucks. 16/1410, S. 25).
Ein Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ergibt sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht aus der vermeintlichen Bindungswirkung eines im Vorprozess (Sozialgericht Duisburg, Az. 31 AS 216/07) von der Beklagten abgegebenen "Anerkenntnisses". Die Beklagte hat in diesem Verfahren kein "Anerkenntnis" dahingehend abgegeben, dass sie erklärt hat, sie werde den Mehrbedarf des Klägers bei unveränderter Sachlage für alle weiteren Bewilligungsabschnitte dem Grunde nach anerkennen. Vielmehr hat sie lediglich einen auf den streitgegenständlichen Zeitraum beschränkten Abhilfebescheid erlassen. Der vom Sozialgericht entnommene Erklärungsgehalt, die Beklagte habe damit den Mehrbedarf auf "Dauer" anerkennen wollen, lässt sich dieser Erklärung schon deswegen nicht beimessen, weil sich auch die Bindungswirkung eines der damaligen Klage stattgebenden Urteils nur auf den im Vorprozess streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum bezogen hätte (st. Rspr. vgl. BSG, Urt. v. 25.06.2008, Az. B 11b AS 35/06 R m. w. N.). Aus diesem Grund ist die Beklagte, ebenso wie das Gericht, grundsätzlich verpflichtet, das Vorliegen der Anspruchs-voraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Die gegenteilige Einschätzung des Sozialgerichts, dass "für eine solche Durchbrechung der Rechtskraft kein Bedarf und keine Grundlage im Gesetz" bestehe, ist schon deswegen nicht haltbar.
Von dem somit von der Beklagten zutreffend festgestellten Bedarf war gemäß § 11 Abs. 1 SGB II bedarfsmindernd das Einkommen der Bedarfgemeinschaft abzusetzen. Auch dies hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise getan und damit den Gesamtbetrag der dem Kläger monatlich zustehenden Leistungen zutreffend berechnet. Sie hat dabei zunächst die Einkünfte des Vaters des Klägers aus dessen Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Das erzielte Nettoarbeitsentgelt betrug in den Monaten Dezember 2007 und Mai 2008 jeweils 580,17 EUR und in den Monaten Februar 2008 bis April 2008 jeweils 579,00 EUR (Bruttoarbeitsentgelt jeweils 701,30 EUR). Im Monat Januar 2008 betrug das Nettoarbeitsentgelt 507,24 EUR (Bruttoarbeitsentgelt 610,80 EUR). Außerdem hat die Beklagte das Kindergeld für den Kläger und für dessen Bruder in Höhe von insgesamt 308,00 EUR als Einkommen berücksichtigt. Von dem auf den Bedarf anzurechnenden Erwerbseinkommen war ein Freibetrag abzusetzen, den die Beklagte im Ergebnis zutreffend mit 202,16 EUR für den Monat Januar 2008 und 220,26 EUR für die übrigen Monate berechnet hat. Dieser Freibetrag ergibt sich zunächst aus dem Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100,00 EUR. Dieser Betrag war gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II anzusetzen, da nicht nachgewiesen ist, dass die Summe der Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB tatsächlich höher liegt als dieser Betrag. Hinzu kam noch der Freibetrag nach § 30 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Höhe von 20 vom Hundert des 100,00 EUR übersteigenden Bruttoarbeitsentgelts. Dieser betrug 102,16 EUR für den Monat Januar 2008 und 120,26 EUR für die übrigen Monate.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
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