L 8 R 256/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 52 (10) RJ 256/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 256/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.11.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtzug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten im Ghetto Skarzysko, Generalgouvernement (GG), Bezirk Radom, in der Zeit von Mai 1940 bis September 1942.

Die am 00.00.1930 in U, Polen, geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens und lebt seit April 1949 in Israel. Von Geburt an hatte sie zunächst die polnische, im Anschluss an die Einreise von Polen nach Israel nahm sie die israelische Staatsangehörigkeit an. Sie ist als Verfolgte des Nationalsozialismus gemäß § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und erhielt Leistungen zum Ersatz des erlittenen Schadens an Freiheit nach dem Feststellungsbescheid C vom 04.08.1958.

Im seinerzeitigen Entschädigungsverfahren machte die Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 24.10.1956 hinsichtlich ihres erlittenen Verfolgungsschicksals die folgenden Angaben: Bei Ausbruch des deutsch-polnischen Krieges habe sie in Ostrowiec zusammen mit ihren Eltern gewohnt, von wo sie sich mit ihrer Mutter und (weiteren) Verwandten nach Skarzysko begeben habe. Anfang 1940 sei sie in das dort von den Deutschen errichtete Judenghetto zwangseingewiesen worden. Dort seien Judenälteste Dr. N und nach ihm G gewesen. Ab Mai 1940 habe sie die Judenarmbinde mit dem Davidstern tragen und verschiedene Zwangsarbeiten verrichten müssen. Schließlich sei sie im Mai 1942 in die I-Werke Skarzysko gekommen und habe in einer Gärtnerei gearbeitet. Das Lager Skarzysko sei im August 1944 aufgelöst und sie nach Tschenstochau, in die dortigen I-Werke verbracht worden, wo sie desgleichen in der Gärtnerei Zwangsarbeit habe verrichten müssen. Am 16. Januar 1945 sei sie dort durch russische Truppen befreit worden.

Die Zeugen T X, geboren am 00.12.1893, und S X, geboren am 00.07.1896, bestätigten die Angaben der Klägerin im Wesentlichen, wobei sie konkretisierten, dass die Klägerin zusammen mit ihnen (den Zeugen) im Mai 1942 in die I-Werke zwangseingewiesen und in der Gärtnerei zwangsbeschäftigt worden sei. Im August 1944 seien sie zusammen (die Klägerin und die Zeugen) in die I-Werke Tschenstochau zwangsüberführt und wiederum in der dortigen Gärtnerei zwangsbeschäftigt worden. Täglich am Tage oder in der Nacht hätten je 12 Stunden Zwangsarbeit verrichtet werden müssen.

Am 01.11.2002 stellte die Klägerin Antrag auf Gewährung von Altersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten. Im am 01.07.2003 unterzeichneten Formantrag gab sie u.a. an, sie habe im Ghetto Skarzysko von Mai 1940 bis Mai 1942 Reinigungsarbeiten verrichtet. In der Antwortspalte "Haupterwerbszweck bzw. Funktion des Betriebes" trug sie "Reinigung (Straßen, Gärten, Häuser)" ein. Als Arbeitsverdienst habe sie Sachbezüge erhalten, die Frage nach dem deutschen Sprach- und Kulturkreis blieb unbeantwortet. Im Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 01.07.03 teilte sie u.a. mit, sie habe innerhalb des Ghettos Skarzysko von Mai 1940 bis Mai 1942 Arbeiten verrichtet. Während der Arbeiten sei sie nicht bewacht worden. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig, durch eigene Bemühungen und durch Vermittlung des Judenrates des Ghettos zustande gekommen. Täglich sei 8 Stunden gearbeitet worden, die Arbeit sei mit Essen und Lebensmitteln (Brot, Kartoffeln, Marmelade, Margarine, Zwiebel) entlohnt worden, Barlohn habe sie nicht erhalten. Die Frage, welche Arbeiten verrichtet worden seien, blieb unbeantwortet. Weiter teilte sie mit, sie werde noch versuchen, Zeugen für die Tätigkeiten zu benennen.

Zum Verfahren hat die Beklagte die Unterlagen der Jewish Claims Conference (JCC) Article 2 Fund beigezogen. Die gegenüber der JCC am 26.04.1995 abgegebene Verfolgungsbeschreibung der Klägerin entsprach im Wesentlichen ihren vorbeschriebenen Ausführungen im Entschädigungsverfahren. Hier gab sie an, sie habe ab Mai 1940 das Judenkennzeichen anlegen müssen und sei trotz ihres jungen Alters zu verschiedenen schweren Zwangsarbeiten, hauptsächlich Reinigungsarbeiten, herangezogen worden. Ab Mai 1942 habe sie in der Gärtnerei des naheliegenden I-Werkes arbeiten müssen.

Die Beklagte zog weiter die Akten des Entschädigungsverfahrens bei und lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.01.2004 ab. Es sei nicht glaubhaft, dass die ausgeübten Beschäftigungen im Ghetto Skarzysko aus freiem Willen aufgenommen worden seien. Hiergegen sprächen insbesondere die Angaben der Klägerin gegenüber der JCC, nach denen sie trotz ihres jungen Alters zu verschiedenen schweren Zwangsarbeiten herangezogen worden sei.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 12.01.2004 Widerspruch ein. Sie habe sich freiwillig die Tätigkeiten über den Judenrat gesucht und diese seien mit Essen, zusätzlichen Lebensmitteln sowie Kleidung entlohnt worden. Essen und Lebensmittel seien wertvoller als Barlohn gewesen. In einer persönlichen schriftlichen Erklärung vom 29.04.2004 führte sie aus, obwohl sie damals erst 10 Jahre alt gewesen sei, habe sie sich im Ghetto bemüht, eine Tätigkeit zu finden, um sich zu ernähren und ihre Familie zu unterstützen. Durch den Judenrat habe sie eine Arbeit bekommen, wobei sie Diensträume im Ghetto habe reinigen sollen. Diese Arbeit sei für ein junges Mädchen sehr schwer gewesen, aber sie sei daran interessiert gewesen, für die Arbeit zusätzliches Essen, Lebensmittel für die Familie und auch Kleidung zu bekommen.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 zurück. Sie verwies zur Begründung insbesondere auf den Ausgangsbescheid und führte dazu ergänzend aus, dass von einem eigenen Willensentschluss zur Aufnahme der Tätigkeiten insbesondere deswegen nicht auszugehen sei, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der behaupteten Tätigkeit lediglich 10 Jahre alt gewesen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.07.2004 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben. Sie habe sich im Zeitraum von Mai 1940 bis Mai 1942 im Ghetto Skarzysko zur Verbesserung ihrer Lage verschiedene Tätigkeiten als Arbeiterin gesucht. Für diese Tätigkeiten habe sie besseres Essen bzw. zusätzliche Lebensmittel sowie auch Kleidung erhalten. Es sei von einer freiwilligen Aufnahme der Tätigkeiten auszugehen, darüber hinaus hätten die erhaltenen Gegenleistungen Entgeltcharakter im Sinne des ZRBG gehabt. In einer weiteren persönlichen Erklärung vom 24.02.2004 hat sie ausgeführt, im Ghetto Skarzysko von 05/1940 bis 05/1942 gewesen zu sein. Da sie sehr klein gewesen sei, habe man sie zur Zwangsarbeit nicht genommen. Sie habe aber ihrer Familie helfen wollen und daher den Judenrat um Arbeit gebeten. Sie habe dort Reinigungsarbeiten in den Straßen, in der Küche erfüllt. Dafür hätte sie wöchentlich von der Ghetto-Verwaltung zusätzliche Lebensmittel für zu Hause (Brot, Kartoffel, Marmelade, Margarine usw., Mittagessen jeden Tag, Heizmaterial) erhalten. Das sei eine große Hilfe für sie, ihre Mutter und den 5-jährigen Bruder gewesen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zur verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2004 die Tätigkeiten von Mai 1940 bis Mai 1942 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und die Regelaltersrente zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung insbesondere auf Ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben, hat das SG die Klage mit Urteil vom 15.11.2005 abgewiesen. Die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren als Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente sei nicht erfüllt. Insbesondere seien auf diese keine fiktiven Beitragszeiten nach dem ZRBG anzurechnen. Das Gericht habe bereits Zweifel, ob sich die Klägerin während des streitigen Zeitraums in einem Ghetto im Sinne der Vorschriften des ZRBG aufgehalten habe. Zwar werde in der Ghettoliste des Karl-Ernst-Osthaus-Museums die Existenz eines Ghettos für Skarzysko für die Zeit vom 01.05.1941 bis zum 01.10.1942 bestätigt. Demgegenüber fänden sich aber unter derselben Quelle Hinweise auf die Existenz eines gleichnamigen, an die Munitionsfabrik I T AG (I) angrenzenden Zwangsarbeitslagers bereits für die Zeit ab Januar 1940 für Männer und ab April 1940 für Frauen. Letztere Zeitangabe stimme mit der Angabe der Klägerin zum Beginn ihrer im Entschädigungsverfahren so bezeichneten "Zwangsarbeit" überein. Hinzu komme, dass die Häftlinge des Zwangsarbeitslagers, insbesondere auch die Frauen, wie von der Klägerin ebenfalls vorgetragen würde, in der Munitionsfabrik der I eingesetzt worden seien. Unter Berücksichtigung dieser historischen Erkenntnisse sei bereits ein Aufenthalt der Klägerin in einem Ghetto im Sinne einer Glaubhaftmachung nicht überwiegend wahrscheinlich.

Es sei auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Tatbestandsmerkmal der Freiwilligkeit ("aus eigenem Willensentschluss zu Stande gekommen") im Sinne des ZRBG erfüllt werde. Gegen die Freiwilligkeit der Beschäftigung spreche zunächst, dass es überwiegend wahrscheinlich sei, dass sich die Klägerin in einem Zwangsarbeitslager aufgehalten habe. Hinzu komme, dass sie im Entschädigungsverfahren, noch mehr aber in ihrer Erklärung vor der Claims Conference von Zwangsarbeit gesprochen habe. Zwar möge allein die Bezeichnung der Tätigkeit als Zwangsarbeit damit zu erklären sein, dass unter den Gegebenheiten der damaligen Zeit jede Tätigkeit zum Vorteil der nationalsozialistischen Machthaber als Zwang empfunden worden sei, es erscheine jedoch wegen der näheren, von der Klägerin gegenüber der JCC gewählten Umschreibung, sie sei trotz ihres jungen Alters zu verschiedenen schweren Zwangsarbeiten herangezogen worden, überwiegend wahrscheinlich, dass es sich nicht im rentenversicherungsrechtlichen Sinne um freiwillige Tätigkeiten gehandelt habe. Ihre hierzu im nichtaufgelösten Gegensatz stehende Erklärung im Fragebogen im Rentenverfahren, die Tätigkeit freiwillig und durch Vermittlung des Judenrates erhalten zu haben, halte das Gericht für nicht überzeugend, zumal die Klägerin auch noch im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen habe, dass es sich um sehr schwere Arbeit gehandelt habe. Auch eine Entgeltlichkeit der Tätigkeit der Klägerin sei nicht anzunehmen. Es falle zum einen auf, dass die Klägerin die Quantität der erhaltenen Naturalien im Verlauf des Klageverfahrens gesteigert habe, was auf einen angepassten Vortrag zurückschließen ließe. Zum anderen stelle aber auch der Erhalt zusätzlicher Lebensmittel für zu Hause kein versicherungspflichtiges Entgelt dar und sei im Übrigen jedenfalls keine für die Arbeitsleistung der Klägerin angemessene Entlohnung gewesen.

Gegen das der Klägerin am 15.12.2005 zugestellte Urteil hat sie am 30.12.2005 Berufung eingelegt. Nach einem (nicht näher bezeichneten) Gutachten des Prof. Dr. Frank Golczewski müsse davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeiten im Ghetto regelmäßig freiwillig ausgeführt worden seien, da das Arbeiten im Ghetto ein Privileg gewesen sei. Mit Einschränkung sei in der Regel auch eine Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG zu bejahen. Die Ghettoproduktion sei partiell als Lohn ausgeschüttet worden, für einen anderen Teil des Ertrags habe der Judenrat Lebensmittel gekauft und das Ghetto allgemein versorgt. Da Lebensmittel sogar wertvoller als Geld gewesen seien, müsse von einer Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG ausgegangen werden. Im Weiteren lässt die Klägerin ausführen, dass nach den Feststellungen des Herrn Prof. Dr. Golczweski ein Lohnanspruch bestanden habe und die Ghettodienste eindeutig keine Zwangsarbeiten gewesen seien. Zur Untermauerung legt sie Auszüge aus einem wiederum nicht genauer bezeichneten Gutachten des Herrn Prof. Dr. Golczewski vor und regt zudem die gutachterliche Klärung der Frage an, ob es sich bei den Arbeiten ab Mai 1942 bei den I-Werken um Zwangsarbeiten gehandelt habe. Ferner lässt die Klägerin das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.01.2008 zum Az.: L 4 R 97/07 (Bl. 61 ff. GA) in das Verfahren einführen. Sie meint, hieraus im Umkehrschluss ableiten zu können, dass die Tätigkeiten für die I-Betriebe von Mai 1942 bis September 1942 eine freiwillige und entgeltliche Tätigkeit gewesen wären.

Die Klägerin beantragt zunächst schriftsätzlich,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichs in Düsseldorf vom 15.11.2005 und unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2004 zu verurteilen, ihr eine Versicherungsunterlage über die Tätigkeit von Mai 1940 bis Mai 1942 nach dem ZRBG herzustellen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 mit der Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 03.10.2008, eingegangen bei Gericht am 09.10.2008, beantragt die Klägerin nunmehr wie folgt:

die Anerkennung einer Beitragszeit nach dem ZRBG von Mai 1941 - Sept. 1942 und die Zahlung einer Rente nach den gesetzlichen Bestimmungen,

hilfsweise die Erstellung eines Gutachtens, inwieweit die gemachten Angaben zur Freiwilligkeit und Entlohnung der angegebenen Tätigkeiten historisch in Einklang stehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist hierzu insbesondere auf ihr Vorbringen im bisherigen Verfahren und hält die Entscheidungssgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend.

Auf Anfrage des Senats hat die JCC Article-2-Fund die dort vorliegenden Unterlagen übermittelt. Auch der Zwangsarbeiterfonds hat die ihm vorliegenden Unterlagen übersandt, aus denen sich keine weiteren relevanten Aspekte ergeben. Eine Registrierung bei dem ITS konnte nicht ermittelt werden.

Darüber hinaus hat der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, dass die Klägerin krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sei, die vom Senat aufgeworfenen weiteren detaillierten Fragen zu beantworten.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die die Klägerin betreffende Entschädigungsakte sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Terminsmitteilung, die ihm am 18.09.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene und im Ergebnis vom SG bestätigte Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat weder unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG (hierzu unter 1.) noch nach den allgemeinen Rentenvorschriften (hierzu unter 2.) einen Rentenanspruch gegenüber der Beklagten. Weiterer Ermittlungen bedurfte es nicht (hierzu unter 3.).

Wie der Senat bereits mit näherer Begründung entschieden hat (z. B. Urteil vom 06.06.2007, L 8 R 54/05, sozialgerichtsbarkeit.de), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), ohne dass das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4, aA BSG Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3). Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente kann daher im Fall der Klägerin nur § 35 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 1. Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG Urteil vom 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 48 Nr. 17).

Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags- und Ersatzzeiten in Sachen der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", d. h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, mwN).

Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Solche Beitragszeiten bestehen hier weder nach § 2 Abs. 1 ZRBG noch nach den Vorschriften des Fremdrentenrechts.

1.

Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten, oder im eingegliederten Gebiet gelegen hat und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. m. § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG]). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900, § 15 Nr. 4).

Die Anerkennung von Beitragszeiten scheitert für den geltend gemachten Zeitraum nicht schon daran, dass die Klägerin für diese Zeiten eine Entschädigung nach dem Gesetz zur Entrichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) erhalten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, erstrecken sich die in § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 S. 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer (ggf. höheren) Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG (vgl. zuletzt Senat Urteil vom 18.06.2008, L 8 R 298/07, sozialgerichtsbarkeit.de, mit eingehender Begründung).

Allerdings ist bereits nach den Schilderungen der Klägerin nicht davon auszugehen, dass sie im streitigen Zeitraum von Mai 1940 bis September 1942 Tätigkeiten gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG verrichtet hat.

Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebene Typus der Beschäftigung nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch durch die Entgeltlichkeit von der nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG erfassten Zwangsarbeit abzugrenzen ist. Danach ist neben der Aufnahme und Ausübung der Arbeit aus eigenem Willensentschluss auch die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann (Senat, Urteil vom 21.11.2007, L 8 R 98/07; sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in seiner sogenannten Ghetto-Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.04.1999 B 5 RJ 48/98 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, aaO.) entwickelt hat (vgl. hierzu im einzelnen BSG Urteil vom 07.10.2004, aaO.; Senatsurteil vom 21.11.2007, aaO.).

a) Wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat, ist als Entgelt in diesem Sinne ein die Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (vgl. zum Folgenden Urteile vom 12.12.2007, L 8 R 187/07 und vom 28.01.2008, L 8 RJ 139/04; jeweils aaO.). Danach lassen sich die im Zusammenhang mit Streitigkeiten nach dem ZRBG auftretenden Fallgruppen zunächst wie folgt systematisieren: Die Gewährung von Entgelt in der ortsüblichen Währung, von Ghettogeld oder zum freien Tausch bestimmten Bezugsscheinen ist Entgelt in Sachen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG, soweit ihr Umfang zumindest 1/6 des ortsüblichen Arbeitsentgelts für ungelernte Arbeiter (-innen) übersteigt. Bei der Gewährung von Sachbezügen ist dagegen zu unterscheiden: Übersteigen die Sachbezüge (insbesondere Verpflegung, Unterkunft und Kleidung) nicht das Maß freien Unterhalts, d.h. derjenigen wirtschaftlichen Güter, die zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Einzelnen erforderlich sind, liegt kein Entgelt vor. Bei Lebensmitteln kommt es darauf an, ob sie nach Art und Umfang des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden. Wird das Maß des persönlichen Bedarfs hingegen überschritten und werden die Lebensmittel zur freien Verfügung gewährt, ist von Entgelt auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn glaubhaft gemacht wird, dass gewährte Lebensmittel auch den Bedarf eines Angehörigen sicherstellen. Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten, oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelnen als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist. Ohne Bedeutung ist es dagegen, ob die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien gewährt worden sind, oder ob die Betroffenen Lebensmittelcoupons erhalten haben, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die von der Klägerin behaupteten Beschäftigungen nicht als entgeltlich anzusehen:

Insoweit steht zunächst nach den unmissverständlichen Angaben der Klägerin fest, dass sie insbesondere für die behaupteten Reinigungsarbeiten in Skarzysko weder Geld oder vergleichbare Zahlungsmittel, sondern lediglich Sachbezüge insbesondere in Form von Lebensmitteln erhalten hat. Hierbei geht der Senat von den Angaben der Klägerin im Rentenverfahren aus. Denn der Erhalt einer Gegenleistung für die behaupteten Tätigkeiten wird weder im Entschädigungsverfahren noch in den Antragsunterlagen gegenüber der Claims Conference erwähnt.

Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.01.2008 (L 4 R 97/07) führt zu keiner anderen Beurteilung. Von den dort ermittelten Verhältnissen kannnicht auf eine Barentlohnung im vorliegenden Fall geschlossen werden. Soweit das Landessozialgericht es für glaubhaft gehalten hat, dass der dortige Kläger als Entlohnung Bargeld erhielt, mag dieser Schluss nicht angezweifelt werden, Konsequenzen für den vorliegenden Fall ergeben sich jedoch nicht. Jeder Fall ist individuell zu beurteilen, und da es keine Anhaltspunkte gibt, warum die Angaben der Klägerin zur erhaltenen Gegenleistung nicht zutreffend sein sollten, gibt es keinen Anlass, diese der Urteilsfindung nicht zu Grunde zu legen und ihnen entgegen eine Barentlohnung zu unterstellen. Eine solche Überlegung, d. h. ein "Füllen des Sachverhalts" mit historischen Fakten bzw Wahrscheinlichkeiten, mag in Betracht kommen, wenn individuelle Erinnerungslücken durchgehend auftreten. Anhaltspunkte, dass die vorliegenden Angaben hinsichtlich der Gegenleistung von Erinnerungslücken geprägt waren, gibt es jedoch nicht. Denn sowohl im Rentenformantrag als auch im ZRBG-Fragebogen der Beklagten ist von der Klägerin einheitlich der Erhalt von Sachbezügen, insbesondere Lebensmitteln als Gegenleistung für die behaupteten Tätigkeiten beschrieben worden. Darüber hinaus hat sie die direkte Frage der Beklagten nach Barlohn unzweideutig mit "nein" beantwortet.

c) Im Übrigen ergeben sich aus dem Akteninhalt und auch dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, dass etwa der der Klägerin zustehende Lohn von ihrem Arbeitgeber an den Judenrat (in bar) gezahlt worden wäre und dieser hiervon lediglich Sachmittel an die Klägerin ausgekehrt hätte. Denn ein individualisierbarer "Arbeitgeber" ist von der Klägerin nicht benannt worden. Vielmehr hat sie in die Antwortspalte des Rentenformantrags, in der nach Name und Anschrift des Arbeitgebers gefragt wird, "Ghetto Skarzysko" eingetragen. Es liegt daher nahe, dass die von der Klägerin behaupteten Reinigungs-/Aufräumarbeiten originär für den Judenrat durchgeführt wurden. Jedenfalls ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, die es überwiegend wahrscheinlich werden ließen, die Klägerin sei zur Verrichtung dieser Arbeiten in die Arbeitsorganisation eines sonstigen am Wirtschaftsleben aktiv teilnehmenden "Arbeitgebers" eingegliedert gewesen. Die Annahme einer Barentlohnung im Sinne der sogenannten Waisenhausrechtsprechung des Rechsversicherungsamtes (RVA) (vgl. Entscheidung des RVA vom 12.01.1911 in amtl. Nachrichten des RVA Ziff 1540) scheidet also aus, da schon die Zahlung eines Dritten an den Judenrat im Zusammenhang mit der beschriebenen Tätigkeit der Klägerin nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

d) Ohne Erfolg macht die Klägerin weiter geltend, für das Merkmal einer Beschäftigung "gegen Entgelt" iSv § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ZRBG reiche es aus, dass sie für ihre Arbeitsleistung einen Rechtsanspruch auf Entgelt gehabt habe, auch wenn dieses nicht gezahlt worden sei.

Dabei kann dahinstehen, ob der Klägerin ein solcher Rechtsanspruch nach den im damaligen Generalgouvernement geltenden Vorschriften, insbesondere des Erlasses des Generalgouvernements vom 05.07.1940, zustand. Jedenfalls führt allein das Bestehen eines solchen individuellen Lohnanspruchs nicht zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung, wenn - wie im vorliegenden Fall - die zugrunde liegende Regelung nicht umgesetzt und tatsächlich kein Entgelt gezahlt worden ist.

Die Zahlung von Entgelt kann nicht fingiert werden, weil sie - gegebenenfalls - verfolgungsbedingt unterblieben ist. § 12 WGSVG erlaubt lediglich die Fiktion der Beitragszahlung. Ist darüber hinaus verfolgungsbedingt auch kein Entgelt gezahlt worden, so ist als Ausgleich hierfür innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung die Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI vorgesehen, nicht aber die Anerkennung einer fiktiven Beitragszeit.

Allein der Rechtsanspruch auf Entgelt führt auch nicht nach den Grundsätzen der vom RVA entwickelten Rechtsprechung zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung, wonach für die Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung nicht das tatsächliche gezahlte Entgelt, sondern das Gehalt maßgebend war, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit der Beiträge ein Rechtsanspruch bestand (sog. Fälligkeits- bzw. Entstehungsprinzip - z.T. auch als "Rechtsanspruchstheorie" bezeichnet - im Gegensatz zum sog. Zuflussprinzip; vgl. RVA, Entscheidung v. 29.10.1930, III AV. 44/30 B, Amtlich Nachrichten für Reichsversicherung (AN) 1931, IV 34; Entscheidung v. 08.12.1931, Entscheidungen und Mitteilungen [EuM]) 31 [1932], S. 537; Entscheidung v. 22.04.1936, III Ar. 60/35 BS, AN 1936, IV 275; Entscheidung v. 09.03.1938, II K 47/37 BS, AN 1938, IV 193).

Zunächst ist davon auszugehen, dass das Entstehungsprinzip mit Wirkung vom 01.07.1942 durch das Zuflussprinzip ersetzt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt ordnete § 19 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Zweite LAV) v. 24.04.1942 (RGBl I, S. 252) nämlich an, dass die gesetzlichen Lohnabzüge, zu denen neben der Lohnsteuer auch die Beiträge zur Rentenversicherung gehörten (vgl. §§ 6 ff. Zweite LAV), grundsätzlich von derselben Bemessungsgrundlage zu berechnen waren. Daher ist anzunehmen, dass jedenfalls ab dem 01.07.1942 in der Sozialversicherung des Deutschen Reiches das Zuflussprinzip maßgebend war. Dies ist durch Ziff. 1 Satz 1 des Gemeinsamen Erlasses des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers v. 10.09.1944 (AN 1944 II, S. 281) mit Wirkung vom 01.10.1944 nochmals klar gestellt worden.

Unabhängig davon setzt die Anwendung des Fälligkeits- bzw. Entstehungsprinzips das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne einer Vereinbarung über den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeitsleistung gegen Entgelt) und die tatsächliche Durchführung dieses Austauschverhältnisses voraus. Nur unter dieser Bedingung hat das RVA aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles den Fortbestand eines seit mehreren Jahren bestehenden Beschäftigungsverhältnisses angenommen, wenn der tatsächliche Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt für einen kurzen Zeitraum, d.h. wenige Tage bis Wochen, unterbrochen war. Längere Unterbrechungen der Entgeltzahlung haben demgegenüber zum Erlöschen des Beschäftigungsverhältnisses geführt (vgl. hierzu RVA, Entscheidung v. 16.01.1920, II K. 17.19 B, EuM 12 [1921], 93; Entscheidung v. 26.01.1924, II K 113/1923 B, Amtliche Nachrichten des RVA 1924, 84; jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund kann das Fälligkeits- oder Entstehungsprinzip daher nicht dazu herangezogen werden, eine nicht getroffene Vereinbarung über ein Beschäftigungsverhältnis bzw. eine tatsächlich zu keinem Zeitpunkt vorgenommene Entgeltzahlung zu ersetzen.

e) Bezüglich der erhaltenen Lebensmittel kann nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden, dass diese nach vorbestimmten Maß zur beliebigen Verfügung geeignet gewesen wären, d. h. über den unmittelbaren Bedarf der Klägerin hinaus gegangen wären und damit das Maß des freien Unterhalts überstiegen hätten. Die Klägerin hat keine genauen Angaben mehr zum Umfang der erhaltenen Lebensmittel machen können, so dass nicht beurteilt werden kann, ob sie den eigenen unmittelbaren Bedarf der Klägerin überstiegen haben. Dies kann jedenfalls nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden. Denn es ist - angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungssituation in Ghettos - zumindest genauso wahrscheinlich, dass sie nicht einmal den eigenen Bedarf gedeckt haben. Es konnte in diesem Zusammenhang auch nicht mehr ermittelt werden, ob die gewährten Lebensmittel objektiv ausgereicht haben, den Bedarf eines Angehörigen sicherzustellen. Zwar hat die Klägerin mehrfach in ihren persönlichen Erklärungen ausgeführt, die erhaltenen Lebensmittel seien für sie selbst, ihre Mutter und den fünfjährigen Bruder eine große Hilfe gewesen. Das ist auch nachvollziehbar, denn in Zeiten der Lebensmittelknappheit wird jede noch so geringe Zusatzration subjektiv als große Hilfe empfunden worden sein. Hieran lässt sich aber nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf einen solchen Umfang der erhaltenen Lebensmittel schließen, der den objektiven Bedarf der Klägerin überschritten oder die wesentliche Mitversorgung eines Dritten sichergestellt hätte. Für einen solchen Schluss müsste vielmehr der Umfang der erhaltenen Lebensmittel zumindest annähernd bekannt sein. Ansatzpunkte für dahingehende Ermittlungen gibt es jedoch nicht (mehr). Die Klägerin selbst ist nicht in der Lage, die entsprechenden schriftlichen Fragen des Gerichts zu beantworten. Auch Zeugen stehen nicht zur Verfügung. Trotz entsprechender Fragen im Verwaltungsverfahren hat die Klägerin solche nicht benannt. Darüberhinaus ist nicht bekannt, ob und welche weiteren Einkünfte die Familie der Klägerin im betreffenden Zeitraum hatte. Es kommen insbesondere allgemeine Zuwendungen des Judenrates in Betracht, die unabhängig von einer Tätigkeit an die Ghettobewohner verteilt wurden. Für das GG wird regelmäßig zumindest eine Elementarversorgung von nichtarbeitenden Ghettobewohnern durch die jeweiligen Judenräte historisch beschrieben. Daneben ist aber auch die Tätigkeit der Mutter der Klägerin nicht unwahrscheinlich, auch wenn es noch den kleineren Bruder der Klägerin zu beaufsichtigen und zu versorgen galt. Aus vielen Schilderungen ist bekannt, dass insbesondere kleine Kinder mit in die sogenannten Shops oder Fabriken genommen wurden, um diese vor Deportationen zu schützen, wobei sie trotz ihres geringen Alters einer Tätigkeit ihrer Eltern in solchen Werkstätten nicht im Wege waren. Für eine solche Tätigkeit der Mutter der Klägerin spricht nicht zuletzt, dass gerade ein Arbeitsplatz vor Selektionen und Deportationen schützte, wodurch die Mutter der Klägerin die Verfolgung überleben konnte.

f) Anhaltspunkte für eine Entgeltlichkeit von Tätigkeiten, die die Klägerin nach Verlassen des Ghettos Skarzysko während der weiteren Verfolgung ausgeübt haben möchte, die sie im Verfahren jedoch nicht einmal genau beschrieben hat, ergeben sich nicht. Für diese Tätigkeiten ist von der Klägerin an keiner Stelle des Verfahrens nicht einmal eine irgendwiegeartete Gegenleistung beschrieben worden.

Da nicht von einer Glaubhaftmachgung der Entgeltlichkeit der von der Klägerin behaupteten Beschäftigungen während der Verfolgungszeit auszugehen ist, kann der Senat dahinstehen lassen, ob die übrigen Voraussetzungen für die Annahme von fiktiven Beitragszeiten nach dem ZRBG vorliegen. Ohne dass es hierauf ankäme, bestehen für den Senat aber entgegen der Feststellungen des SG keine durchgreifenden Zweifel an der Existenz eines Ghettos im Sinne des ZRBG in Skarzysko. Schließlich wird ein solches in der Ghettoliste des Karl-Ernst-Osthaus-Museums (www.keom.de/Denkmal/Lager) erwähnt. Auch das LSG Rheinland-Pfalz ist im zuvor zitierten Urteil von der Existenz eines Ghettos in Skarzysko ausgegangen.

Auch an der Beschäftigung der Klägerin als solcher im Ghetto bestehen jedenfalls angesichts des noch sehr jungen Alters der Klägerin (Jahrgang 1930, d. h. während der Ghettoinhaftierung war die Klägerin 10 - 12 Jahre alt) keine durchgreifenden Zweifel. Historisch ist bekannt, dass auch junge Menschen erhebliche Arbeiten in den Ghettos verrichtet haben, insbesondere um den drohenden Deportationen zu entgehen und um eben auch die eigene Versorgungssituation zu verbessern. Die Tätigkeiten sind von der Klägerin im Rentenverfahren schließlich auch durchgehend behauptet worden. Zwar ist diesbezüglich festzustellen, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten nicht immer einheitlich beschrieben hat. So hat sie im Rentenformantrag vom 01.07.2003 die Tätigkeit im Ghetto mit "Reinigung (Straßen, Gärten, Häuser)" angegeben, im Fragebogen der Beklagten mit gleichem Datum dagegen gar nicht erwähnt. In der persönlichen Erklärung vom 29.04.2004 hat die Klägerin nur das Reinigen von Diensträumen genannt und sodann in ihrer Erklärung vom 24.02.2005 "Reinigungsarbeiten in den Straßen und in der Küche". Diese Abweichungen können sich jedoch sowohl mit einem verblassenden Erinnerungsvermögen der Klägerin erklären lassen als auch darauf hindeuten, dass verschiedene Arbeiten nicht durchgängig jeden Tag, sondern nur je nach Bedarf ausgeübt wurden und es möglicherweise nicht unerhebliche Zeiten gab, in denen gar nicht gearbeitet wurde.

Ferner bestehen für den Senat auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Klägerin die Tätigkeit aus eigenem Willensentschluss aufgenommen hat. Im Rentenverfahren liegen keine entgegenstehenden Angaben der Klägerin vor. Lediglich die Bezeichnung der Tätigkeit als "Zwangsarbeit" im Entschädigungsverfahren durch die Klägerin selbst und die beiden Zeugen begründet kein durchgreifendes Gegenargument. Die Bezeichnung als Zwangsarbeit vor dem Hintergrund eines zwangsweisen Aufenthaltes im Ghetto ist nur verständlich. Auch der Umstand, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum sehr jung war, schließt nicht aus, dass sie die Tätigkeit aus eigenem Willensentschluss aufgenommen hat. Ein entsprechender natürlicher Wille ist auch bei einer Zehnjährigen grundsätzlich möglich. Dafür, dass die Klägerin schließlich produktiv und in gewisser Weise werthaltige Arbeit auch in sehr jungen Jahren hat leisten können, spricht letztlich bereits der Umstand, dass sie im Laufe der Jahre nicht selektiert wurde und so den Aufenthalt in verschiedenen Lagern den Holocaust überleben konnte.

2. Die von der Klägerin während der Verfolgungszeit verrichteten Arbeiten können auch nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. den §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG) in Verbindung mit § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG oder § 12 WGSVG als Versicherungszeiten berücksichtigt werden.

Die Arbeit der Klägerin im Ghetto Skarzysko unterfiel nicht den Reichsversicherungsgesetzen. Im Generalgouvernement galten die Reichsversicherungsgesetze nicht für Personen, die - wie die Klägerin - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R).

Eine Anrechnung als Versicherungszeit könnte sich daher nur noch nach den §§ 15, 16 FRG in Verbindung mit § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG ergeben. Eine Anrechnung als Beitragszeiten nach § 15 Abs. 1 FRG kommt indes nicht in Betracht, weil eine Beitragsentrichtung zu einem nicht-deutschem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht und von der Klägerin auch gar nicht behauptet worden ist. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 FRG sind bereits deshalb nicht erfüllt, da - wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein nach deutschem Recht dem Grunde nach rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden kann. Auch § 16 FRG greift nicht zugunsten der Klägerin ein, da die von ihr ausgeübten Tätigkeiten nicht nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht (§§ 1227 und 1228 RVO nF) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätten, wenn sie im Gebiet der BRD ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wären. Da nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, dass die Klägerin eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, liegen die Voraussetzungen des § 12 WGSVG ebenfalls nicht vor.

3. Der Einholung eines historischen Gutachtens entsprechend der Anregung der Kläger-Bevollmächtigten im Hilfsantrag bedarf es nicht. Historische Gutachten dienen zur Abklärung von Fragen zur Glaubwürdigkeit insbesondere klägerischer Angaben vor einem historischen Hintergrund. Einer solchen Abklärung bedurfte es vorliegend deshalb nicht, da der Senat seiner Urteilsfindung die Angaben der Klägerin zur erhaltenen Gegenleistung als gegeben unterstellt hat. Der Aspekt, ob die Tätigkeitsaufnahme aus "eigenem Willensentschluss" erfolgte, ist nicht entscheidungserheblich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Insbesondere die Frage, wann eine Beschäftigung im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG gegen Entgelt ausgeübt worden ist, ist unter Berücksichtigung der von den übrigen Senaten des Bundessozialgerichts abweichenden Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, aaO.) nach wie vor nicht als höchstrichterlich geklärt anzusehen.
Rechtskraft
Aus
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