S 30 R 2948/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 2948/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen die Rentenanpassung zum 01.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2007 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rente des Klägers nach der Rentenan-passung zum 01.07.2007. Der Kläger ist geboren 1940 und bezieht seit 01.12.2001 eine Altersrente. Ihr Bruttobetrag wurde zum 01.07.2007 um einen Prozentsatz von 0,54 ange-hoben. Der Kläger beanstandet die Erhöhung als zu gering und rügt das politisch-rechtliche Verfahren, mit dem die Rentenanpassungen festgelegt werden, als willkürlich und nicht ausreichend transparent ...

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2007 zur Zahlung einer mit mindestens 8 % erhöhten Rente zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts mit den Akten-zeichen S 17 R 5826/04, S 17 R 1250/05, S 17 R 3125/05, S 17 R 61/06 und S 17 R 84/06 ER beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde form- und fristgerecht erhoben. Rentenanpassungen haben den Charak-ter von Verwaltungsakten, so dass vor Klageerhebung ein Widerspruchsverfahren erfor-derlich ist, das der Kläger absolviert hat. Die Klage ist jedoch in der Sache nicht begründet. Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass das Verfahren, mit dem die Höhe der gesetzli-chen Renten bestimmt wird, recht kompliziert ist. Das einfache Grundprinzip, wonach sich die Rentenhöhe an der Entwicklung der Nettoeinkünfte der versicherten Bevölkerung ori-entiert, wird abgewandelt durch Spargesetze, mit denen die finanziellen Auswirkungen eines über viele Jahre hinweg immer früher stattfindenden Renteneintritts und der erfreu-lich verlängerten Lebensdauer der Rentner abgefangen werden sollen. Auf die Bezugs-größe der Nettoeinkünfte der Versicherten kann der Gesetzgeber insoweit selbst Einfluss nehmen, als er über ihre Belastung mit Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen be-stimmt. Bundestag und Bundesregierung reagieren bei ihrer Regelung der Rentenent-wicklung des weiteren auf die wirtschaftliche Gesamtentwicklung, die Arbeitsmarktlage und das Steueraufkommen. Auch wenn Rentenanpassungen also von ökonomischen und politischen Faktoren erheb-lich beeinflusst werden, werden sie doch nicht durch schlichte Willensbekundungen etwa von Bundesministern oder Rentenversicherungsträgern wirksam. Die Bundesregierung macht vielmehr bei der Änderung des aktuellen Rentenwerts von einer Ermächtigung Gebrauch, die ihr der Bundestag in § 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) übertragen hat. Die Bundesregierung ist hierin nicht frei, sondern hat das in § 68 SGB VI bestimmte formalisierte Verfahren einzuhalten. Die streitgegenständliche Rentenanpassung ent-spricht der Rentenwertbestimmungsverordnung 2007 vom 14.06.2007, die im Bundesge-setzblatt des Jahres 2007 auf Seite 1113 abgedruckt ist. Weil die Gerichte an die Gesetze gebunden sind, bleibt das Begehren nach einer hiervon abweichenden Rentenerhöhung erfolglos. Das Gericht dürfte nicht unmittelbar urteilen, sondern müsste eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen, wenn es zu dem Ergebnis käme, die Rentenwert-bestimmungsverordnung sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Davon kann keine Re-de sein. Der Eigentumsschutz an Rentenanwartschaften nach Art. 14 des Grundgesetzes würde es selbstverständlich verbieten, Beitragszeiten zur Rentenversicherung ohne Er-trag zu lassen oder ihre Rentenauswirkung generell auf ein Niveau abzusenken, das mit Sozialhilfeleistungen ebenfalls erreichbar wäre. Den Ertrag von Beitragszeiten jedoch ins Verhältnis zum aktuellen Beitragsaufkommen und zur Gesamtbelastung der Rentenversicherung durch Leistungsansprüche zu setzen, ist dem Gesetzgeber nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten: Gerade wenn er den künftigen Ertrag von Beitragszeiten sicher-stellen will, muss er für die Funktionsfähigkeit der Rentenversicherung sorgen. Das vom Kläger bereits in mehreren Klagen vorgebrachte Begehren würde im Erfolgsfalle genau das Gegenteil bewirken. Würde man die Renten nach Voraussetzungen und Höhe gemäß dem Rechtsstand vor Beginn aller Sparbemühungen etwa 1978 auszahlen, müsste man den Beitragszahler mit einem Beitragssatz in der Größenordnung von etwa 30 % be-lasten. Im Zusammenwirken allein schon mit Beiträgen zur Krankenversicherung und mit Lohnsteuern würden damit die Nettolöhne generell auf deutlich weniger als die Hälfte der Brutto-Entgelte absinken. Mit den von allen Auswirkungen aus drei Jahrzehnten wechsel-voller Wirtschaftsgeschichte befreiten Renten würde dann nahezu jeder Rentner über ein höheres Einkommen verfügen als der mit unerträglichen Abgaben belastete auch noch so erfolgreiche aktiv Berufstätige. Die Folge hieraus wiederum wäre eine massenhafte "Flucht aus dem Beschäftigungsverhältnis" in Richtung Selbstständigkeit, Scheinselbst-ständigkeit, Schwarzarbeit oder Ausland mit der Folge, dass immer weniger Versicherte den maßlos überhöhten Beitrag zahlen würden. Die Finanzierung der zu hohen Renten würde unmöglich; die Rentenversicherung bräche zusammen. Zu Ende gedacht, erweist sich damit das Vorgehen des Klägers als Teil einer in Politik, Medien und Wissenschaft in großer Breite aktiven Kampagne gegen die gesetzliche Rentenversicherung mit dem Ziel ihrer Delegitimierung, ihrer Zerstörung und ihrer Ablösung durch ein privatwirtschaftliches Alterssicherungssystem. Das Sozialgericht nimmt den Wortsinn seines eigenen Namens ernst und stellt sich nicht in den Dienst dieser Kampagne.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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