L 6 R 825/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 4788/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 825/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Parteien haben um die Vormerkung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für Kinder gestritten, die im Ausland geboren und teilweise dort erzogen wurden.

Die Klägerin hatte zuletzt Pflichtbeiträge in der deutschen Rentenversicherung im Jahre 1976. 1978 bracht sie in Nigeria ihren Sohn J. zur Welt und 1980, ebenfalls in Nigeria, ihre Tochter B ... Ihr Ehemann war dort im Rahmen von Auslandseinsätzen für deutsche Unternehmen tätig. Dabei war die Klägerin am 25.06.1978 wieder aus Nigeria nach Deutschland zugezogen und Anfang 1979 ihrem Ehemann nach Nigeria gefolgt.

Für das Kind J. hat die Beklagte Kindererziehungszeiten von Juni bis Dezember 1978 und Berücksichtigungszeiten vom 01.08.1986 bis 22.02.1988 vorgemerkt und im Übrigen die Vormerkung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten abgelehnt.

Der Ehemann der Klägerin war vom 10.06.1975 bis 16.07.1978 für eine Firma P. tätig. Nach einem Zeugnis dieses Unternehmens vom 17.07.1978 reiste der Ehemann der Klägerin am 17.07.1976 nach Nigeria aus, um seinen 2-Jahreskontrakt anzutreten, der am 16.07.1978 auslief. Er habe seinen Vertrag zum Kontraktende gekündigt und von der vom Unternehmen angebotenen Verlängerung keinen Gebrauch gemacht. Auf Nachfrage hat das Unternehmen angegeben, die Entsendung sei auf der Basis eines 2-Jahreskontraktes erfolgt, also befristet gewesen, ein Rückrufrecht sei nicht vorgesehen gewesen und eine vertragliche Berechtigung/Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung in Deutschland habe nicht bestanden.

Im Mai 1978 vereinbarten der Ehemann der Klägerin und die C., C. & Co. KG H. (C. H.) eine Beschäftigung als Exportkaufmann mit einer Tätigkeit bei der C., C. & Co. (Nigeria) Ltd. (C. Nigeria) nach einer Einarbeitungszeit von zwei bis drei Monaten. Für das Arbeitsverhältnis sollte das Rahmentarifabkommen des H. Groß- und Außenhandels ergänzend gelten. Vereinbart wurde eine sechsmonatige Probezeit, die Bestandteil des Auslandsvertrages sein und damit in die erste Zeit des Auslandsaufenthalts reichen sollte. Der Auslandsvertrag werde rechtzeitig vor der Ausreise übergeben. Dessen Hauptpunkte, betreffend die Vergütung, wurden dabei festgelegt.

In der Vereinbarung vom 24.05.1978 wurden die Einzelheiten der Auslandstätigkeit festgelegt. Die C. H. übernahm u.a. Beiträge zur Kranken- und zur Rentenversicherung. Der Vertrag trat am Tag der Ausreise in Kraft und hatte eine Laufzeit von 40 Monaten einschließlich vier Monaten Europaurlaub. Spätestens sechs Monate vor Ablauf des Vertrages würden die Vertragsschließenden eine Abstimmung darüber herbeiführen, ob der Vertrag verlängert werden solle. Nach Beendigung des Vertrages würde Herr A. wieder im Hause C. H. entsprechend seinem Ausbildungsgrad und seiner Erfahrung eingesetzt. Hierüber sei eine neue Vereinbarung zu treffen. Der Vertrag enthält eine Konkurrenzschutzklausel für zwei Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. Ein Rückrufrecht des Unternehmens vor Ablauf des Vertrages bestand nur aus besonders geregelten Gründen, denen gemeinsam war, dass die Arbeitsleistung im Ausland gefährdet oder unmöglich war. Im Falle des Rückrufs sollte die übliche gesetzliche Kündigungsfrist in Kraft treten. Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung wurden von Juli bis Dezember 1978 abgeführt, anschließend wurden freiwillige Beträge entrichtet.

Der Ehemann der Klägerin war bis 1984 in Nigeria und bis 1986 in Südafrika tätig, nach Angaben der Klägerin jeweils mit einer Verlängerung der zeitlich begrenzten Verträge, wobei unklar geblieben ist, ob immer mit demselben Unternehmen.

Die Beklagte hatte zunächst die Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten bezüglich der beiden Kinder mit Bescheid vom 07.12.1990 vorgemerkt.

Auf den Antrag der Klägerin vom 16.10.2000 merkte die Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2001 diese Zeiten hinsichtlich des Kindes J. neu vor, mit einer Verbesserung gegenüber dem Vorbescheid um einen Monat Kindererziehungszeit. Sie lehnte die streitgegenständliche Vormerkung von Kindererziehungszeiten vom 01.03. bis 31.05.1978 und vom 01.01.1979 bis 28.02.1979 und von Berücksichtigungszeiten vom 22.02.1978 bis 24.06.1978 ab. Über die Zeiten bezüglich des Kindes B. entschied sie trotz Mahnung durch die Klägerin nicht.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2003 als unbegründet zurück und lehnte dabei auch die Vormerkung von weiteren Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bezüglich des Kindes B. ab.
Die anschließende Klage hat das Sozialgericht München mit Urteil vom 31.05.2006 als unbegründet abgewiesen. Das Beschäftigungsverhältnis des Ehemannes habe nicht die für die Annahme eines Rumpfarbeitsverhältnisses notwendigen Merkmale aufgewiesen, die eine Vormerkung der beantragten Versicherungszeiten bei der Klägerin rechtfertigen würden.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und die vor dem Auslandsvertrag vom 24.05.1978 geschlossene Vereinbarung ihres Ehemannes mit der C. H. vorgelegt.

Sie ist der Auffassung, dass aufgrund des nunmehr vorgelegten Vertrages mit dem inländischen Arbeitgeber C. die Kriterien eines Rumpfarbeitsverhältnisses, wie sie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefordert werden, erfüllt seien.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2008 hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 19.05.2003 hinsichtlich der Vormerkung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten für das Kind B. aufgehoben und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Verfahren zu einem Drittel übernommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.05.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 19.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2003 bezüglich der Kindererziehungszeiten für das Kind J. aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kindererziehungszeiten für das Kind J. vom 01.03.1978 bis 31.05.1978 und vom 01.01.1979 bis 28.02.1979, ferner Berücksichtigungszeiten für das Kind J. vom 22.02.1978 bis 24.06.1978 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch in dem nunmehr eingeschränkten Umfang nicht begründet, denn die Beklagte hat zu Recht die begehrte Vormerkung der Versicherungszeiten für die Erziehung des Kindes J. abgelehnt.

Als Anspruchsgrundlage für die Vormerkung einer Kindererziehungszeit (§ 56 SGB VI) bzw. Berücksichtigungszeit (§ 57 SGB VI) kommt im vorliegenden Fall allein § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI in Betracht. Danach steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. In verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift werden unter bestimmten Voraussetzungen auch erziehende Elternteile begünstigt, die dem im Ausland erwerbstätigen beschäftigten Ehegatten nachfolgen, um mit diesem und dem Kind als Familie zusammenzuleben (BSG SozR 3-2600 § 56 Nr. 4).

Dazu ist erforderlich, dass der Erziehende oder sein Ehegatte aufgrund und im Rahmen einer im Inland (grundsätzlich) pflichtversicherten Beschäftigung (oder Tätigkeit) vom Arbeitgeber vorübergehend zur Arbeitsleistung ins Ausland entsandt worden ist, so dass deswegen die Erziehung im Ausland erfolgte, während die Beschäftigung dort nach deutschem Recht inländische Beitragszeiten begründet. In diesem strengen Sinne müssen nach dem Gesetz die Erziehenden vor der Geburt oder während der Kindererziehung in derart enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stehen, dass die Grundwertung des Gesetzes platz greifen kann, während dieser Zeit seien nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung deutsche Rentenanwartschaften entgangen (BSG a.a.O.).

Im privatrechtlichen Bereich muss ein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis vorliegen. Ein solches Rumpfarbeitsverhältnis, bei dem während der Auslandstätigkeit die Beziehungen zum inländischen Arbeits- und Erwerbsfeld gelockert sind, setzt voraus, dass im Inland ein privatrechtliches Rechtsverhältnis mit einem inländischen Arbeitgeber fortbesteht. Dies ist dann gegeben, wenn zwar die Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Zahlung von Arbeitsentgelt) zum Ruhen gebracht worden sind, aber aus ihm auch während der Auslandsbeschäftigung noch wechselseitige Rechte und Pflichten, insbesondere ein Rückrufrecht des Arbeitgebers erwachsen, die Auslandsbeschäftigung von vorneherein zeitlich durch Vertrag oder ihrer Eigenart nach rechtlich begrenzt ist und rechtlich von vorneherein sichergestellt ist, dass das inländische Beschäftigungsverhältnis nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung auch mit den Hauptpflichten in vollem Umfang wiederauflebt (vgl. BSG SozR 3-2600 § 56 Nr. 13; SozR 4-2600 § 56 Nr. 1).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Vertrag des Ehemannes der Klägerin mit der Firma P. nicht. Er sah weder ein Rückrufsrecht des Auftraggebers noch ein Rückkehrrecht des Ehemanns der Klägerin vor. Ein Arbeitsvertrag, der das Beschäftigungsverhältnis als ein solches im Inland mit konkreten Rechten und Pflichten, also z.B. einem geregelten Tätigkeitsfeld und einer konkreten Vergütung als wichtigste Punkte, geregelt und nur eine zeitliche Verwendung im Ausland vorgesehen hätte, hat nicht existiert. Der Vertrag war von vorneherein als reiner Auslandsvertrag konzipiert.

Bezüglich des Rechtsverhältnisses zwischen dem Ehemann der Klägerin und der C. H. bestanden zwei vertragliche Vereinbarungen, nämlich die zunächst vereinbarten Grundzüge des Beschäftigungsverhältnisses und der dann geschlossene und durchgeführte Auslandsvertrag. Sie sind für die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien zusammen zu sehen, wobei dem Auslandsvertrag entsprechend dem Vorbehalt in der ersten Vereinbarung für dessen Regelungsbereich Vorrang zukam. Die Verträge sahen zwar die Bezahlung aus dem Inland und die weitgehende Übernahme von fürsorgerischen Verpflichtungen des Arbeitgebers vor. Das Rückrufrecht des Arbeitgebers war jedoch eingeschränkt auf Fälle, in denen die Arbeitsleistung im Ausland gefährdet oder unmöglich war. Eine weitergehende Befugnis des Arbeitgebers zur Bestimmung des Einsatzortes aus dem für das Inland begründete Beschäftigungsverhältnis bestand gerade nicht. Ein Anspruch des Ehemannes der Klägerin auf einen inländischen Arbeitsplatz bei der C. H. war zwar bei Ende des Auslandsvertrages vorgesehen. Die wesentlichen Punkte eines solchen Beschäftigungsverhältnis, die für die Dauer des Auslandsaufenthaltes nur suspendiert hätten sein dürfen, waren jedoch nicht geregelt. So fehlte die Festlegung der konkreten betrieblichen Tätigkeit des Klägers ebenso wie die hierfür zu gewährende Bezahlung, sei es aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung oder der Möglichkeit der tariflichen Zuordnung der Tätigkeit aufgrund der im Tarifvertrag geregelten Beschäftigungsmerkmale. Davon abgesehen, schloss der Ehemann der Klägerin zwar einen Arbeitsvertrag mit einer anfänglichen Arbeitsleistung im Inland, wenn auch in Gestalt einer Einarbeitung, der Vertrag zielte jedoch von vorneherein auf eine Arbeitsleistung im Ausland. Den Verträgen des Ehemannes der Klägerin mit der C. H. ist ebenso wie dem Vertrag mit der Firma P. zu entnehmen, dass der Ehemann möglichst nur im Ausland und dort möglichst lange eingesetzt werden sollte. Weder im Verhältnis zur Firma P. noch zur C. H. hat eine enge Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben bestanden.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin bezüglich des Teils der Berufung, mit dem sie voraussichtlich Erfolg gehabt hätte, von der Beklagten bereits eine Kostenerstattung erhält und im Übrigen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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