Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 EG 36/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 26.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 06.03.2008 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Elterngeldes. Die am 1978 geborene Klägerin beantragte am 20.09.2007 beim Beklagten die Zahlung von Elterngeld wegen Erziehung ihrer 2007 geborenen Tochter M. R. Die beigefügten Bescheinigungen über das Arbeitsentgelt der Klägerin aus den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes dokumentierten, dass sie mit dem Übergang von Dezember 2006 auf Januar 2007 ihre Steuerklasse von V auf III geändert hatte. Mit Bescheid vom 26.11.2007 bewilligte der beklagte Freistaat das beantragte Elterngeld für einen Zeitraum von Juli 2007 bis Juli 2008. Für Zeiten außerhalb des Bezuges eines anrechnungspflichtigen Mutterschaftsgeldes wurde der Zahlbetrag mit monatlich EUR 703,80 festgesetzt. Der Steuerklassenwechsel wurde für unbeachtlich erklärt. Insoweit erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, die Wahl der Steuerklasse sei un-beschränkt zulässig Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008 führte aus, der Steuerklassenwechsel habe offensichtlich allein die Funktion gehabt, den An-spruch auf Elterngeld zu erhöhen. Weil hieran kein schutzwürdiges Interesse bestehe, sei die zulässige Ausübung der steuerrechtlichen Gestaltungsoption rechtsmissbräuchlich und daher sozialrechtlich unbeachtlich. Es widerspreche dem Zweck der Steuerklassen, wenn von zusammenveranlagten Eheleuten, die beide Arbeitslohn beziehen, eine Steuer-klassenkombination gewählt wird, die die von diesen zu tragenden monatlichen Lohnsteuerabzugsbeträge deutlich erhöht und nur deshalb hingenommen wird, weil es am Jahresende zu einer entsprechend hohen Steuerrückzahlung kommt. Mit der Klage be-gehrt die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung eines unter Anwendung der Steuerklas-se III ermittelten Einkommens als Grundlage für ihr Elterngeld. Das Gericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung über den Rechtsstreit ohne mündli-che Verhandlung mittels Gerichtsbescheid angehört.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 zu einer Zahlung ihres Eltern-geldes unter Zugrundelegung eines nach Steuerklasse III berechneten Nettoein-kommens zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie erweist sich jedoch in der Sache als unbegründet. Die angegriffenen Bescheide ent-sprechen den gesetzlichen Vorschriften des § 2 Abs. 7 Sätze 1 und 3 BEEG. Der Klägerin ist auf den ersten Blick zuzustimmen, wenn sie bei der Bezugnahme des Satzes 3 auf die "abgeführte Lohnsteuer" feststellt, dass diese Vorschrift keine Beschränkung von Gestal-tungsmöglichkeiten enthält, mit denen im Bemessungszeitraum der Betrag der abgeführ-ten Lohnsteuer willentlich beeinflusst werden kann. Der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Handelns durch den Wechsel der Steuerklasse ist zurückzuweisen. Das Steuer- wie das Sozialrecht enthalten zahllose Möglichkeiten einer bewussten Gestaltung von Lebens-sachverhalten mit dem erkennbaren und legitimen Ziel, Vorteile im Beitrags- und Leis-tungswesen zu erlangen, zu optimieren oder zu kumulieren. Eine systematische Auslegung des § 2 Abs. 7 S. 3 BEEG führt jedoch zu der Erkenntnis, dass die Vorgehensweise der Beklagten wenn auch mit anderer Begründung im Ergebnis richtig ist. Die Berechnungsvorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG lässt mit einem Ansatz von 67 Prozent des im relevanten Bemessungszeitraum erzielten und nach § 2 Abs. 7 BEEG auf ein Nettoentgelt heruntergerechneten Einkommens aus Erwerbstätigkeit eine Anlehnung dieser Leistung an die Berechnung des Arbeitslosengeldes nach § 129 Nr. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) erkennen. Bei der Auslegung der vergleichsweise viel kür-zer gefassten Berechnungsvorschriften des § 2 BEEG ist es rechtssystematisch geboten und erlaubt, die dort verbliebenen Regelungslücken durch analoge Anwendung von Vor-schriften der §§ 130 bis 131 SGB III zu füllen. Diese Methode führt zur Anwendung des § 133 Abs. 3 S. 1 SGB III. Er lautet: Haben E-hegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteu-erklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Ar-beitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder 2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld er-gibt, dass geringer ist als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. In Verdeutlichung der sprachlich nicht sehr präzisen gesetzlichen Aussage ist die Absicht des Gesetzgebers wie folgt zu formulieren: Die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen werden nur dann vom Tage ihrer Wirksamkeit an berücksichtigt, wenn sie im Sinne einer möglichst realistischen Vorausschau auf die Jahressteuerschuld und einer möglichst ge-rechten Verteilung der Steuerlast auf die Eheleute dem Verhältnis ihrer Arbeitsentgelte entsprechen. Unter dieser Vorgabe ist der Übergang auf die Steuerklasse III durch die Klägerin nicht sachlich begründet. Im Verhältnis von nicht extrem unterschiedlich verdienenden Ehe-partnern ist die beiderseitige Wahl der Steuerklasse IV die plausibelste Variante. Bei ei-nem Einkommensgefälle ist es interessengerecht, dass der höher verdienende Teil die Steuerklasse III und der geringer verdienende Teil die Steuerklasse V wählt. Den Wechsel der Klägerin von der Steuerklasse V auf die Steuerklasse III durfte der Beklagte demge-mäß unbeachtet lassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Elterngeldes. Die am 1978 geborene Klägerin beantragte am 20.09.2007 beim Beklagten die Zahlung von Elterngeld wegen Erziehung ihrer 2007 geborenen Tochter M. R. Die beigefügten Bescheinigungen über das Arbeitsentgelt der Klägerin aus den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes dokumentierten, dass sie mit dem Übergang von Dezember 2006 auf Januar 2007 ihre Steuerklasse von V auf III geändert hatte. Mit Bescheid vom 26.11.2007 bewilligte der beklagte Freistaat das beantragte Elterngeld für einen Zeitraum von Juli 2007 bis Juli 2008. Für Zeiten außerhalb des Bezuges eines anrechnungspflichtigen Mutterschaftsgeldes wurde der Zahlbetrag mit monatlich EUR 703,80 festgesetzt. Der Steuerklassenwechsel wurde für unbeachtlich erklärt. Insoweit erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, die Wahl der Steuerklasse sei un-beschränkt zulässig Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008 führte aus, der Steuerklassenwechsel habe offensichtlich allein die Funktion gehabt, den An-spruch auf Elterngeld zu erhöhen. Weil hieran kein schutzwürdiges Interesse bestehe, sei die zulässige Ausübung der steuerrechtlichen Gestaltungsoption rechtsmissbräuchlich und daher sozialrechtlich unbeachtlich. Es widerspreche dem Zweck der Steuerklassen, wenn von zusammenveranlagten Eheleuten, die beide Arbeitslohn beziehen, eine Steuer-klassenkombination gewählt wird, die die von diesen zu tragenden monatlichen Lohnsteuerabzugsbeträge deutlich erhöht und nur deshalb hingenommen wird, weil es am Jahresende zu einer entsprechend hohen Steuerrückzahlung kommt. Mit der Klage be-gehrt die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung eines unter Anwendung der Steuerklas-se III ermittelten Einkommens als Grundlage für ihr Elterngeld. Das Gericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung über den Rechtsstreit ohne mündli-che Verhandlung mittels Gerichtsbescheid angehört.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 zu einer Zahlung ihres Eltern-geldes unter Zugrundelegung eines nach Steuerklasse III berechneten Nettoein-kommens zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie erweist sich jedoch in der Sache als unbegründet. Die angegriffenen Bescheide ent-sprechen den gesetzlichen Vorschriften des § 2 Abs. 7 Sätze 1 und 3 BEEG. Der Klägerin ist auf den ersten Blick zuzustimmen, wenn sie bei der Bezugnahme des Satzes 3 auf die "abgeführte Lohnsteuer" feststellt, dass diese Vorschrift keine Beschränkung von Gestal-tungsmöglichkeiten enthält, mit denen im Bemessungszeitraum der Betrag der abgeführ-ten Lohnsteuer willentlich beeinflusst werden kann. Der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Handelns durch den Wechsel der Steuerklasse ist zurückzuweisen. Das Steuer- wie das Sozialrecht enthalten zahllose Möglichkeiten einer bewussten Gestaltung von Lebens-sachverhalten mit dem erkennbaren und legitimen Ziel, Vorteile im Beitrags- und Leis-tungswesen zu erlangen, zu optimieren oder zu kumulieren. Eine systematische Auslegung des § 2 Abs. 7 S. 3 BEEG führt jedoch zu der Erkenntnis, dass die Vorgehensweise der Beklagten wenn auch mit anderer Begründung im Ergebnis richtig ist. Die Berechnungsvorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG lässt mit einem Ansatz von 67 Prozent des im relevanten Bemessungszeitraum erzielten und nach § 2 Abs. 7 BEEG auf ein Nettoentgelt heruntergerechneten Einkommens aus Erwerbstätigkeit eine Anlehnung dieser Leistung an die Berechnung des Arbeitslosengeldes nach § 129 Nr. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) erkennen. Bei der Auslegung der vergleichsweise viel kür-zer gefassten Berechnungsvorschriften des § 2 BEEG ist es rechtssystematisch geboten und erlaubt, die dort verbliebenen Regelungslücken durch analoge Anwendung von Vor-schriften der §§ 130 bis 131 SGB III zu füllen. Diese Methode führt zur Anwendung des § 133 Abs. 3 S. 1 SGB III. Er lautet: Haben E-hegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteu-erklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Ar-beitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder 2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld er-gibt, dass geringer ist als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. In Verdeutlichung der sprachlich nicht sehr präzisen gesetzlichen Aussage ist die Absicht des Gesetzgebers wie folgt zu formulieren: Die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen werden nur dann vom Tage ihrer Wirksamkeit an berücksichtigt, wenn sie im Sinne einer möglichst realistischen Vorausschau auf die Jahressteuerschuld und einer möglichst ge-rechten Verteilung der Steuerlast auf die Eheleute dem Verhältnis ihrer Arbeitsentgelte entsprechen. Unter dieser Vorgabe ist der Übergang auf die Steuerklasse III durch die Klägerin nicht sachlich begründet. Im Verhältnis von nicht extrem unterschiedlich verdienenden Ehe-partnern ist die beiderseitige Wahl der Steuerklasse IV die plausibelste Variante. Bei ei-nem Einkommensgefälle ist es interessengerecht, dass der höher verdienende Teil die Steuerklasse III und der geringer verdienende Teil die Steuerklasse V wählt. Den Wechsel der Klägerin von der Steuerklasse V auf die Steuerklasse III durfte der Beklagte demge-mäß unbeachtet lassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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